Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 15.11.2023 – 9 U 1803/23 Bau e
Titel:

Abnahme des Gemeinschaftseigentums, Streithelfer, Mängel am Gemeinschaftseigentum, Übergabeprotokoll, Konkludente Abnahme, Willenserklärungen, Anschlußberufung, Einzelner Erwerber, Einrede der Verjährung, Verjährungshemmung, Erklärungsbewusstsein, Unterzeichnung, Fiktive Abnahme, selbständiges Beweisverfahren, Bauverpflichtung, Streitwert, Feststellungsantrag, Kostenvorschuss, Mangelfolgeschaden, Kaufvertrag

Schlagworte:
Abnahme Gemeinschaftseigentum, Mängelbeseitigung, Verjährungseinrede, Übergabeprotokolle, Konkludente Abnahme, Fiktive Abnahme, Streitwertfestsetzung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 30.03.2023 – 5 O 14646/20
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 08.01.2024 – 9 U 1803/23 Bau e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 57104

Tenor

1. Die Beklagte und der Streithelfer werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.03.2023, Az. 5 O 14646/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass ihre Anschlussberufung gemäß § 524 Abs. 4 ZPO im Falle einer Zurückweisung der Hauptberufung durch Beschluss ihre Wirkung verliert.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
4. Innerhalb dieser Frist können sich die Parteien auch zum Streitwert des Berufungsverfahrens äußern, den der Senat beabsichtigt, auf bis zu 600.000,00 € festzusetzen. Zudem beabsichtigt der Senat, von Amts wegen auch den Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens auf bis zu 600.000,00 € festzusetzen, wozu die Parteien sich in der vorgenannten Frist ebenfalls äußern können.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um Kostenvorschuss wegen Mängelbeseitigung am  Gemeinschaftseigentum.
2
Die Beklagte ist Bauträgerin des Anwesens G.weg 9 + 11, … M. Die Mitglieder der Klägerin haben die von der Beklagten in Wohnungseigentum aufgeteilte Wohnanlage erworben.
3
In § 5 Ziff. 1 des Kaufvertrages mit Bauverpflichtung aus dem Jahr 2009 ist jeweils eine Regelung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die T. S. GmbH enthalten. Wegen des genauen Wortlauts wird auf die Anlage K1 verwiesen.
4
Alle damaligen Mitglieder der Klägerin unterzeichneten im Zeitraum 09.08.2010 bis 12.11.2010 „Übergabeprotokolle“ (Anlagenkonvolut SV1), in denen es auf S. 2 heißt: „Mit Unterzeichnung dieses Abnahmeprotokolls bestätigt der Käufer, dass Vertragsobjekt ordnungsgemäß, entsprechend dem Kaufvertrag, vom Bauherrn übergeben bekommen zu haben“.
5
Am 10.09.2010 fand eine Begehung durch die T. S. I. S. GmbH (im Folgenden: T. S.) statt. Am 15.02.2011 erstellte der T. S. ein Gutachten (Anlage K14), in dem der T. S. im Auftrag der Hausverwaltung G. GmbH unter Bezugnahme auf § 5 Ziff. 1 des Vertrages die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zum 19.01.2011 erklärte.
6
Die Klägerin macht zahlreiche Mängel am Gemeinschaftseigentum geltend, die teilweise Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens zwischen den Parteien (LG München I, Az. 5 OH 694/16) waren und verlangt Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung. Die Beklagte und der Streithelfer Dipl.-Kfm. S. G. (im Folgenden: Streithelfer) erheben u.a. die Einrede der Verjährung.
7
Das Erstgericht hat der Klage unter Verwertung der Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren und nach Erholung eines weiteren Gutachtens ganz überwiegend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 554.607,12 € nebst Zinsen verurteilt. Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB a.F. BGB seien gegeben, insbesondere sei die Leistung der Beklagten betreffend das Gemeinschaftseigentum in zahlreichen Punkten mangelhaft. Verjährung sei nicht eingetreten, da eine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht stattgefunden habe. Die der Abnahmeerklärung des T. S. zugrunde liegende Vertragsregelung sei nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Auch die von den einzelnen Erwerbern unterschriebenen Übergabeprotokolle enthielten keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Die Erwerber seien insoweit weder abnahmebefugt noch hätte sich ihr Abnahmewille und ihr Abnahmebewusstsein auf das Gemeinschaftseigentum erstreckt. Auch die Beklagte selbst sei nicht von einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber ausgegangen. Auch eine konkludente Abnahme komme mangels Erklärungsbewusstsein nicht in Betracht. Eine fiktive Abnahme scheitere an der Fristsetzung. Abzuweisen seien die Feststellungsanträge der Klägerin, da hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehle.
8
Hiergegen wenden sich die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung (nachfolgend abgekürzt: BB) vom 29.05.2023 (Bl. 12/20, Bd. II) und der Streithelfer mit seiner BB vom 29.06.2023 (Bl. 21/30, Bd. II), ergänzt durch Schriftsatz vom 11.09.2023 (Bl. 59/66, Bd. II). Sowohl die Beklagte als auch der Streithelfer rügen Rechtsverletzungen und verfolgen die erhobene Einrede der Verjährung weiter. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17.08.2023 Anschlussberufung erhoben (Bl. 35/39, Bd. II) und begehrt eine Verurteilung der Beklagten auch hinsichtlich der Feststellungsanträge.
II.
9
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
10
Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts ist richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen der Beklagten und des Streithelfers, die ein einheitliches Rechtsmittel eingelegt haben (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2006 – VI ZB 49/05, juris Rn. 7), vermögen der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen, da sie das Ersturteil nicht erschüttern. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die überzeugenden Ausführungen des Erstgerichts. Zu ergänzen ist folgendes:
11
Zutreffend hat das Erstgericht einen Anspruch der Klägerin gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB auf Vorschuss für die zur Beseitigung der Mängel am Gemeinschaftseigentum erforderlichen Aufwendungen in Höhe von 554.607,12 € nebst Zinsen bejaht. Dieser Anspruch ist nicht verjährt, da die Verjährung mangels Abnahme des Gemeinschaftseigentums noch nicht zu laufen begonnen hat, § 634a Abs. 2 BGB.
12
Die Ausführungen der Beklagten und des Streithelfers in der Berufungsinstanz zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums führen zu keinem anderen Ergebnis.
1. Abnahme
13
Die Abnahme ist die mit der körperlichen Hinnahme verbundene Billigung des Werkes als der Hauptsache nach vertragsgemäßer Leistung (Jurgeleit in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage 2020, Teil 3 Rn. 3 mwN).
2. Keine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S.
14
Zutreffend war das Erstgericht der Ansicht, dass die Abnahmeklausel in Ziff. 5.1 der Kaufverträge mit Bauverpflichtung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. unwirksam ist, so dass eine nach Maßgabe dieser Regelung durchgeführte Abnahme keine Rechtswirkungen zugunsten der Beklagten entfaltet.
15
Gemäß Ziff. 5.1. hat die Abnahme des Gemeinschaftseigentums nach Fertigstellung sämtlicher Arbeiten durch den T. S. zu erfolgen, der hierzu von den Erwerbern unwiderruflich bevollmächtigt wurde. Diese Regelung ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da damit den einzelnen Erwerbern die Möglichkeit genommen wird, selbst frei zu entscheiden, ob sie die Abnahme erklären möchten (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 31. März 2015 – 10 U 46/14, juris Rn. 81 ff.; OLG Frankfurt, Urteil vom 30. September 2013 – 1 U 18/12, juris Rn. 7; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. September 2011 – 8 U 106/10, juris Rn. 83; Werner/Pastor/Wagner, Der Bauprozess, 18. Aufl. 2023, Rn. 1774; BeckOGK/Matkovic, BGB, 1.10.2023, § 650u Rn. 110).
16
Eine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. konnte daher nicht erfolgen. Die im Gutachten vom 15.02.2011 erklärte Abnahme des Gemeinschaftseigentums hatte daher keine Rechtswirkungen zugunsten der Beklagten. Die Beklagte und der Streithelfer stellen dies in der Berufungsinstanz auch nicht in Frage.
3. Keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums im Rahmen der Begehung am 10.09.2010
17
Eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber im Rahmen einer Begehung durch den T. S., die unstreitig am 10.09.2010 stattgefunden hat (vgl. Tatbestand des Ersturteils), ist nicht bewiesen (vgl. hierzu BB der Beklagten, S. 2 ff.).
18
Eine entsprechende Erklärung ist schriftlich nicht niedergelegt. Für eine entsprechende mündliche Erklärung oder eine Erklärung durch konkludentes Handeln gibt es keine in der Berufungsinstanz zugelassenen Beweismittel. Das in der Berufungsinstanz neue Beweisangebot des Streithelfers als Zeugen (BB der Beklagten S. 5) ist schon mangels entsprechender Berufungsrüge i.S.v. § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO nicht mehr gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Denn das erstinstanzliche Beweisangebot bezog sich ausweislich des eigenen Vortrags der Beklagten (BB der Beklagten, S. 3) nur auf die Einladung und Teilnahme der Käufer, nicht jedoch auf eine Abnahme. Weder die Einladung zu noch die Teilnahme an einer Begehung stellen schon eine Abnahme dar. Zudem weist der Senat darauf hin, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 08.11.2022, auf den die Beklagte Bezug nimmt, nicht zur Akte gelangt ist.
19
Im Übrigen erlaubt sich der Senat den Hinweis, dass ausweislich des Gutachtens des T. S. vom 13.09.2010 (Anlage K13, S. 2) beim Begehungstermin am 10.09.2010 nur eine Eigentümerin, nämlich Frau M., anwesend war (vgl. Berufungserwiderung, S. 8). Die Beklagte behauptet (unter Angebot des Streithelfers als Zeugen), dass zu diesem Termin sämtliche Wohnungseigentümer erschienen seien (vgl. BB der Beklagten, S. 3). Der Senat weist die Beklagte auf die Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 ZPO hin und regt anzuüberprüfen, ob dieser Vortrag so aufrechterhalten bleibt. Entscheidungserheblich ist dies letztlich jedoch nicht, da aus den angeführten Gründen auch bei Anwesenheit aller Erwerber im Termin eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht erwiesen ist. Ist jedoch im Termin nur eine Erwerberin erschienen, scheidet schon von vornherein eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch alle Erwerber in diesem Termin aus.
4. Keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Unterzeichnung der Übergabeprotokolle
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Zutreffend hat das Erstgericht erkannt, dass sich aus den Übergabeprotokollen, die von den einzelnen Erwerbern unterzeichnet wurden (Anlagenkonvolut SV1), keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums ergibt (vgl. hierzu etwa BB der Beklagten, S. 7, BB des Streithelfers S. 4 ff.)
21
Eine solche Abnahme ergibt sich insbesondere nicht aus dem Satz: „Mit Unterzeichnung dieses Abnahmeprotokolls bestätigt der Käufer, das Vertragsobjekt ordnungsgemäß, entsprechend dem Kaufvertrag, vom Bauherrn übergeben bekommen zu haben“.
22
Zwar weist insbesondere der Streithelfer zutreffend darauf hin (v.a. im Schriftsatz vom 11.09.2023), dass im Rahmen der Frage, ob eine Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt eine Willenserklärung hat, die objektive Erklärungsbedeutung vorrangig ist (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Auflage 2023, Einf v § 116 Rn. 2/3).
23
Hier kommt jedoch eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber durch die Unterzeichnung der Übergabeprotokolle nicht in Betracht.
24
a) Dass die Erwerber bei Unterzeichnung der Übergabeprotokolle bezüglich einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums mit Erklärungsbewusstsein handelten, ist nicht bewiesen.
25
Dies ist zwischen den Parteien streitig, wovon das Erstgericht zutreffend ausgegangen ist. Dass die Klägerin hierzu nichts dargelegt habe (so der Streithelfer in seiner BB, S. 8, 9), ist unzutreffend. Vielmehr hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.01.2023, S. 11 (Bl. 183, Bd. I) genau hierzu vorgetragen.
26
Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorhandensein des Erklärungsbewusstseins der Erwerber ist die Beklagte, denn diese beruft sich auf das Vorliegen einer Abnahme (Grüneberg/Ellenberger, aaO, Einf v § 116 Rn. 21). Entgegen der Ansicht des Streithelfers (Schriftsatz vom 11.09.2023, S. 4) handelt es sich nicht um eine rechtshindernde, sondern um eine rechtsbegründende Tatsache. Die Berufung alleine auf die Übergabeerklärungen genügt als Beweismittel hierfür nicht, denn mit welchem Bewusstsein die Erwerber handelten, ergibt sich alleine aus der Unterzeichnung eines Formulars nicht, schließlich sagt alleine die Vornahme einer Unterschrift nichts darüber aus, was der Unterzeichnende erklären wollte.
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b) Zutreffend verweist aber insbesondere der Streithelfer darauf, dass es im Grundsatz nicht darauf ankommt, ob der Erklärende mit Erklärungsbewusstsein handelt. Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswillens, Geschäftswillens) liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH, Urteil vom 2. November 1989 – IX ZR 197/88, BGHZ 109, 171/178, Rn. 17 mwN; Grüneberg/Ellenberger, aaO, Einf v § 116 Rn. 2/3, 17).
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Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben.
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aa) Denn der Empfänger darf einer Erklärung nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2008 – IV ZR 238/06, juris Rn. 30; Grüneberg/Ellenberger, aaO, § 133 Rn. 9; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, § 133 Rn. 14, 33/34).
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Bei Vornahme einer solchen Prüfung ergibt sich aus den Übergabeprotokollen keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums.
31
(1) Gemäß den abgeschlossenen Kaufverträgen war eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. vorgesehen. Daher bestand kein Anlass für die Beklagte anzunehmen, dass die Erwerber einen anderen Weg zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums einschlagen wollten, zumal die Beklagte die Abnahme durch den T. S. in die Wege leitete und die Erwerber zu einem Begehungstermin mit dem T. S. einlud.
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(2) Aus dem Wortlaut der Übergabeprotokolle ergibt sich nicht ohne Weiteres, dass die darin enthaltene Abnahme auch das Gemeinschaftseigentum erfassen sollte. Vielmehr ist die Bedeutung des verwendeten Begriffs „Vertragsobjekt“ nicht aus sich selbst heraus verständlich, sondern nur in Zusammenschau mit § 2 der Kaufverträge (vgl. BB des Streithelfers, S. 8/9). Die Beklagte als Erklärungsempfängerin musste also davon ausgehen, dass die Erwerber die Bedeutung der von ihrer formulierten Erklärung gar nicht erkennen.
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(3) Auch wenn im Rahmen des Ausfüllens der Protokolle Mängel des Gemeinschaftseigentums erfasst, worden sein sollten, so hatte die Beklagte demzufolge doch gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerber bei der Unterzeichnung nicht die Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums erklären wollten. Die Beklagte durfte also nicht ohne Weiteres von einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums ausgehen.
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bb) Unabhängig hiervon scheitert eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums auch daran, dass die Beklagte selbst die Übergabeprotokolle nicht als Abnahme des Gemeinschaftseigentums verstanden hat.
35
Das Erstgericht hat – auch für den Senat überzeugend – festgestellt (Ersturteil, S. 18), dass die Beklagte selbst nicht von einem Abnahmewillen oder einer Abnahmeerklärung der Unterzeichner der Übergabeprotokolle betreffend das Gemeinschaftseigentum ausging und dies durch Verweis auf die Anlage K16 begründet. Der Senat kann dem hinzufügen, dass sich auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 03.12.2010 (Anlage K12) ergibt, dass die Beklagte von der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. und damit nicht durch die Übergabeprotokolle der Erwerber ausgegangen war. Einwendungen hiergegen sind aus dem Berufungsvortrag der Beklagten oder des Streithelfers nicht ersichtlich.
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c) Der Senat setzt sich damit nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 13.12.2011 – 9 U 2533/11 Bau, NJW 2012, 397 (vgl. hierzu BB des Streithelfers, S. 4/7). Denn diese Entscheidung betraf nicht die hier vorhandene Problematik der Abnahme sowohl von Sonder- als auch von Gemeinschaftseigentum und die sich hieraus ergebenden spezifischen Rechtsfragen.
5. Kein konkludente Abnahme des Gemeinschaftseigentums
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Auch eine konkludente Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist nicht erfolgt, wovon auch das Erstgericht ausgegangen ist (Ersturteil, S. 19).
38
Eine Abnahme kann nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent, das heißt durch schlüssiges Verhalten des Auftraggebers, erklärt werden. Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgemäß billigt. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen. Ob eine konkludente Abnahme vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalles (BGH, Urteil vom 26. September 2013 – VII ZR 220/12, juris Rn. 18 mwN; Jurgeleit in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, aaO, Teil 3 Rn. 52).
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Wenn die Abnahme vermeintlich wirksam erfolgt, dies jedoch nicht der Fall ist, liegt eine konkludente Abnahme im Regelfall nicht vor. Da der Erwerber aufgrund der Vertragsklauseln davon ausgeht, dass eine Abnahme bereits stattgefunden hat, fehlt es – auch für den Bauträger erkennbar – an einem Bewusstsein, konkludent eine Abnahme zu erklären (OLG München, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 9 U 4149/08, juris Rn. 2: Urteil vom 24. April 2018 – 28 U 3042/17 Bau, juris Rn. 146; Jurgeleit in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, aaO, Teil 3 Rn. 58).
40
Nach diesen Maßstäben liegt hier eine konkludente Abnahme nicht vor. Aufgrund der im Jahr 2011 erfolgten (gegenüber der Beklagten unwirksamen) Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. bestand kein Anlass für die Beklagte, davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer gesondert eine nochmalige Abnahme erklären wollen.
6. Keine fiktive Abnahme des Gemeinschaftseigentums
41
Eine fiktive Abnahme liegt nicht vor.
42
Zur fiktiven Abnahme haben die Parteien in § 5 Ziff. 1 der Kaufverträge mit Bauverpflichtung (Anlage K1) vereinbart: „Kommt der Erwerber einer wiederholten Aufforderung zur Abnahme nicht nach, gilt das Vertragsobjekt, als abgenommen, wenn auf diese Rechtsfolge in der wiederholten Aufforderung hingewiesen wurde und das Vertragsobjekt nicht an so schwerwiegenden Mängeln leidet, dass die Gebrauchstauglichkeit fehlt.“ Diese Regelung wurde ausdrücklich auch für die Abnahme des Gemeinschaftseigentums vereinbart.
43
Aus dem Vortrag der Beklagten (vgl. etwa BB der Beklagten, S. 5) oder des Streithelfers ergibt sich jedoch weder, dass eine wiederholte Aufforderung zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgt sei, noch dass die wiederholte Aufforderung einen Hinweis auf die Rechtsfolge enthalten habe.
III.
44
Der Senat beabsichtigt, gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen den Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens auf bis zu 600.000,00 € herabzusetzen. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung verbleibt unverändert (vgl. BB der Beklagten, S. 9).
45
1. Die Klägerin hat erstinstanzlich Vorschuss in Höhe von insgesamt 560.803,50 € geltend gemacht. Durch die beiden Feststellungsanträge erhöht sich der Streitwert nicht mehr als um jeweils 10.000,00 € (vgl. Klage, S. 30), so dass es bei einem Gesamtstreitwert in der Gebührenstufe bis zu 600.000,00 € verbleibt.
46
Denn bei Geltendmachung mehrerer Ansprüche in einer Klage sind wirtschaftlich identische Ansprüche bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts nicht zu addieren (NK-GK/Norbert Schneider, 3. Aufl. 2021, GKG § 39 Rn. 14). Die Feststellungsklagen sind hier weitgehend mit der Vorschussklage wirtschaftlich identisch, da das Vorschussurteil selbst bereits die Feststellung dem Grunde nach enthält, dass der Unternehmer verpflichtet ist, die gesamten, den Vorschuss ggf. übersteigenden Beseitigungskosten für den betreffenden Mangel zu tragen. Lediglich für sonstige Mangelfolgeschäden, die sich nicht auf die Kosten für die Beseitigung der Mängel am Bauwerk beziehen, bleibt neben einer Vorschussklage die Feststellungsklage zwecks Verjährungshemmung erforderlich (Sacher in: Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, aaO, Teil 16 Rn. 5) .
47
Zwar beruft sich die Klägerin hier auch auf Mangelfolgeschäden (vgl. Schriftsatz vom 17.08.2023, S. 5, Bl. 39, Bd. II), der Vortrag bleibt jedoch derart vage, dass es nicht gerechtfertigt ist, den Streitwert weiter zu erhöhen als von der Klägerin in der Klage angenommen.
48
2. Demzufolge war es unter Berücksichtigung des anteiligen Obsiegens und Unterliegens gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geboten, der beklagten Partei die gesamten erstinstanzlichen Kosten aufzuerlegen.
IV.
49
Gemäß § 524 Abs. 4 ZPO verliert die Anschlussberufung ihre Wirkung, wenn die Hauptberufung durch Beschluss zurückgewiesen wird. Demzufolge besteht derzeit für den Senat kein Anlass, sich mit den Erfolgsaussichten der Anschlussberufung auseinanderzusetzen. V.
50
1. Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vorliegend von 4,0 auf 2,0 Gebühren (Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
51
2. Den Streitwert für das Berufungsverfahren beabsichtigt der Senat entsprechend dem Antrag der Beklagten und des Streithelfers und unter Berücksichtigung der Anschlussberufung in der Gebührenstufe bis zu 600.000,00 € festzusetzen. Auf die Ausführungen unter Ziff. III. wird verwiesen.
52
3. Zu diesen Hinweisen können die Parteien binnen der oben gesetzten Frist Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben.
53
Es wird darauf hingewiesen, dass mit einer einmaligen Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss nur bei Glaubhaftmachung triftiger Gründe – wozu im Allgemeinen nicht eine nur allgemein geltende Arbeitsüberlastung zählt – gerechnet werden kann (OLG Rostock OLGR 2004, 127 ff.).