Titel:
Aussetzung des Verfahrens, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Nutzungsentschädigung, Abänderung, Rechtshängigkeit, Klagepartei, Schlussanträge des Generalanwaltes, Kosten des Berufungsverfahrens, Mitgliedstaatliches Recht, Verfahrensverzögerung, Verfahrensaussetzung, Übereinstimmungsbescheinigung, Kostenentscheidung, Zug-um-Zug, Außergerichtliche Rechtsverfolgung, Aussicht auf Erfolg, Streitwert, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Deliktsrecht, Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten
Schlagworte:
Dieselskandal, Schadensersatzklage, Berufungsverfahren, Abschalteinrichtung, Herstellerhaftung, Verfahrensaussetzung, Annahmeverzug
Vorinstanz:
LG Regensburg vom 15.12.2020 – 61 O 1608/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.07.2025 – VIa ZR 136/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 57075
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2020, Aktenzeichen 61 O 1608/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Regensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 36.674,49 € festgesetzt.
Gründe
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Die Klagepartei nimmt die Beklagte wegen eines vermeintlich vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs, eines am 19.06.2013 als Neuwagen von einem am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten erworbenen Pkw Audi Q5 3.0 TDI quattro auf Schadenersatz in Anspruch. Das Fahrzeug ist mit einem vom der Beklagten entwickelten und hergestellten V-TDI-Motor des Typs EA896Gen2 (EU5) 3.0-Liter-Monoturbo ausgestattet und verfügt über eine EU 5 Zulassung.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2020 Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 62.614,99 €, Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 25.940,00 € sowie Freistellung von Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung nebst Zinsen gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen.
4
Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf die zusammenfassende Darstellung im Hinweis des Senats vom 09.01.2023 unter Ziffer I. Bezug genommen.
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Die Klagepartei verfolgt ihre erstinstanzlichen Ansprüche im Wege der Berufung weiter. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens der Klagepartei wird auf die Berufungsbegründung vom 13.04.2021 sowie auf die zusammenfassende Darstellung im Hinweis des Senats vom 09.01.2023 unter Ziffer I. Bezug genommen.
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Im Berufungsverfahren beantragt die Klagepartei:
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1. Unter Abänderung des am 15.12.2020 verkündeten Urteils des LG Regensburg, Az.: 61 O 1608/20 die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q5 3.0 TDI quattro mit der Fahrgestellnummer … an die Klagepartei 62.614,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 25.940,00 Euro zu zahlen.
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2. Unter Abänderung des am 15.12.2020 verkündeten Urteils des LG Regensburg, Az.: 61 O 1608/20 die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten seines Rechtsanwaltes H. in Höhe von 2.193,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
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3. Unter Abänderung des am 15.12.2020 verkündeten Urteils des LG Regensburg, Az.: 61 O 1608/20 festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 28.01.2020 mit der Rücknahme des Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet. Die Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Berufungserwiderung der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 10.12.2021 sowie auf die zusammenfassende Darstellung im Hinweis des Senats vom 09.01.2023 unter Ziffer I. Bezug genommen.
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Der Senat hat mit Hinweis vom 09.01.2023 begründet, warum er beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Eine Gegenerklärung der Klagepartei ist fristgemäß mit Schriftsatz vom 24.01.2023 eingegangen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 15.12.2020, Aktenzeichen 61 O 1608/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
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Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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Der Senat sieht sich im vorliegenden Fall zu einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO analog nicht veranlasst.
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Weder die Pressemitteilung des BGH vom 01.07.2022 noch die Schlussanträge des Generalanwalts R. im Verfahren C-100/21 vom 02.06.22 haben eine Bindungswirkung. Die im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens erforderliche Abwägung zwischen einerseits den Erfolgsaussichten des anderen Verfahrens (BGH NJW-RR 1992, 1149 (1150); OLG München BeckRS 2022, 23404; OLG Bamberg BeckRS 2022, 23415; Zöller/Greger Rn. 7; vgl. auch Skamel NJW 2015, 2460 (2463); BeckOK ZPO/Wendtland, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 148 Rn. 13) und andererseits der mit der Aussetzung eintretenden Verfahrensverzögerung führt zu dem Ergebnis, dass eine Verfahrensaussetzung unterbleibt.
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Die Voraussetzungen für die Einordnung einer Norm als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB ergeben sich allein aus deutschem Recht und sind dort aus der Gesamtsystematik des Deliktsrechts zu entwickeln. Der EuGH kann im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV nur die Zwecksetzung und Schutzrichtung einer unionsrechtlichen Norm bindend ermitteln. Für die Auslegung mitgliedstaatlichen Rechts ist er nicht zuständig. (OLG München BeckRS 2022, 23404) . Soweit Generalanwalt R. eine drittschützende Zielrichtung der Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 Art. 46 Rahmenrichtlinie hinsichtlich des Interesses des Erwerbers, kein Fahrzeug zu erwerben, dass mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, annimmt, steht dies der Rechtsprechung des EuGH (EuGH v. 4.10.2018 – C-668/16 –, juris Rz. 87) und des BGH zu den deutschen Umsetzungsvorschriften der EG-FGV (BGH v. 25.5.2020 – VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179) entgegen. Hiernach besteht der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung nur darin, das Zulassungsverfahren zu erleichtern.
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Nicht einmal Generalanwalt R. behauptet, dass die unionsrechtlichen Normen konkret die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Fahrzeugerwerber vor unerwünschten Kaufverträgen schützen. Gerade dies wäre aber erforderlich, um die deliktsrechtliche Haftung für Vermögensschäden nach deutschem Recht zu begründen. Auch der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung verpflichtet deutsche Gerichte nicht zur Durchbrechung der zentralen Wertungen des deutschen Haftungsrechts, insbesondere nicht zur Einführung einer unmittelbaren Herstellerhaftung für fahrlässig herbeigeführte unerwünschte Vertragsschlüsse (Riehm, ZIP 2022, 2309, 2320). Konsequenterweise hat auch der BGH nach den Schlussanträgen des Generalanwalts R. in seinem Urteil vom 13.06.2022, VIa ZR 680/21 an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung festgehalten.
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Zudem fehlt es vorliegend an einer auch von Generalanwalt R. als erforderlich angesehenen Voraussetzung für die von ihm angenommene drittschützende Wirkung. Aus Nummer 48 der Schlussanträge ergibt sich, dass diese Rechtsfolge nur eintritt, wenn die EG-Typgenehmigung erwirkt worden ist, ohne dass die Genehmigungsbehörde vom Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung etwas wusste. Eine Täuschung der Genehmigungsbehörde steht aber vorliegend gerade nicht fest.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 3 ZPO, §§ 47, 48 GKG bestimmt.