Titel:
Aussetzung des Verfahrens, Kosten der Nebenintervention, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Änderungsbescheid, Privatrechtsgestaltende Verwaltungsakte, Reformatio in peius, Streithelfer, Entscheidung des Revisionsgerichts, Vertrauensschutz, Unechte Rückwirkung, Gleichbehandlungsgebot, Vergleichendes Verfahren, Vorbescheid, Einheitlichkeit der Rechtsprechung, Berufungsinstanz, Wirksamkeit des Verwaltungsakts, Zulassungsbescheid, Belastender Verwaltungsakt, Regelungsgehalt
Schlagworte:
Zulassungsbescheid, Regelungsgehalt, Vertrauensschutz, Verwaltungsakt, Rückwirkung, Förderhöhe, Auslegung
Vorinstanz:
LG Würzburg, Endurteil vom 19.01.2022 – 21 O 773/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2025 – XIII ZR 2/23
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 57059
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Würzburg vom 19.01.2022, Az. 21 O 773/21, dahingehend abgeändert, dass die Kosten der Nebenintervention von der Klägerin zu tragen sind. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die weiteren Kosten der Nebenintervention zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin begehrt die Auszahlung eines weiteren KWK-Zuschlags für das Jahr 2019.
2
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der B.. Sie betreibt ein Heizkraftwerk mit einer Kraft-Wärme-Kopplung (im Folgenden: KWK). Die Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) ist Betreiberin des Stromversorgungsnetzes, in das die Klägerin den im Kraftwerk erzeugten Strom einspeist. Die Streithelferin ist Betreiberin des dem Netz der Beklagten vorgelagerten Übertragungsnetzes.
3
Die maßgeblichen Regelungen über die Einspeisung und Vergütung des Stroms aus Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung sind im „Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz)“ (im Folgenden: KWKG) niedergelegt. Gem. § 13 Abs. 6 i. V. m. § 10 KWKG in der Fassung vom 21.12.2015 (soweit nicht anders ausgewiesen bezieht sich die Bezeichnung KWKG im Folgenden auf diese Fassung) erhielten Betreiber von bestehenden KWK-Anlagen unter im Einzelnen geregelten weiteren Voraussetzungen – wie eine Einstufung des Kraftwerks als „hocheffizient“, § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KWKG – einen Anspruch auf Zahlung von Zuschlägen, der wie folgt konzipiert war: Bei festgestellter Förderfähigkeit erließ das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden: BAFA) als zuständige Behörde einen Bescheid gegenüber dem Anlagenbetreiber. Passivlegitimiert für den privatrechtlich ausgestalteten Anspruch des Anlagenbetreibers auf Zuschläge war der Netzbetreiber, dem seinerseits keine eigene Prüfungskompetenz hinsichtlich der Voraussetzungen der Förderfähigkeit zustand. Der Netzbetreiber wiederum konnte im Wege des Belastungsausgleichs gem. § 28 KWKG einen finanziellen Ausgleich für geleistete Zuschlagszahlungen vom vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber verlangen. Der Zulassungsbescheid des BAFA nach § 13 Abs. 6 i. V. m. § 10 KWKG stellte mithin einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar.
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Das BAFA erteilte unter dem 08.02.2017 einen an die Rechtsvorgängerin der Klägerin gerichteten – als solchen überschriebenen – „Zulassungsbescheid“ für das streitgegenständliche Kraftwerk, dessen Beginn wie folgt lautete:
„Sehr geehrte Damen und Herren,
für die KWK-Anlage […] wird mit Wirkung vom 01.01.2016 die Zulassung als hocheffiziente bestehende KWK-Anlage gem. § 13 Abs. 6 i. V. m. §§ 10, 11 KWKG erteilt.
„Der Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags besteht für 16.000 Vollbenutzungsstunden für KWK-Strom aus bestehenden KWK-Anlagen, der ab dem 01. Januar 2016 und bis zum 31. Dezember 2019 in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird, und beträgt 1,5 Cent je Kilowattstunde […], vgl. § 13 Abs. 2, 3 und 4 KWKG.“
(Hervorhebungen jeweils im Original)
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Wegen des Bescheids im Ganzen wird auf die Anlage K 01 Bezug genommen.
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§ 13 Abs. 2, 3 und 4 KWKG lautete wie folgt:
„(2) Anspruch auf Zahlung eines Zuschlags besteht für KWK-Strom aus bestehenden KWK-Anlagen, der ab dem 1. Januar 2016 und bis zum 31. Dezember 2019 in ein Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist wird.
(3) ¹Der Zuschlag beträgt 1,5 Cent je Kilowattstunde. […]
(4) ¹Für bestehende KWK-Anlagen wird der Zuschlag für 16 000 Vollbenutzungsstunden gezahlt. […]“
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Mit Art. 10 b Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2018 (BGBl. 2018 Teil I, Nr. 47, S. 2549, 2561) wurde § 13 Abs. 3 KWKG mit Wirkung zum 01.01.2019 neu gefasst. Gem. § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KWKG n. F. beträgt der Fördersatz nach dem 31. Dezember 2018 für bestehende KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von mehr als 100 Megawatt bis einschließlich 200 Megawatt (wie die streitgegenständliche Anlage) 0,5 Cent je Kilowattstunde. Zugleich wurde durch Art. 2 Nr. 21 lit. c desselben Gesetzes (a. a. O., S. 2563) an § 35 KWKG ein neuer Absatz 17 angefügt, welcher die Anwendung des § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 – 4 KWKG bis zu einer Genehmigung durch die Europäische Kommission aussetzte und die Anwendung dieser Vorschrift nur nach Maßgabe dieser Genehmigung anordnete. Mit Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen vom 20. November 2019 wurde § 35 Abs. 17 KWKG wieder aufgehoben (BGBl. 2019 Teil I, Nr. 41, S. 1719, 1723).
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Eine Rücknahme oder ein Widerruf des „Zulassungsbescheids“ vom 08.02.2017 gem. §§ 48, 49 VwVfG erfolgte nicht.
9
Die Beklagte zahlte der Rechtsvorgängerin der Klägerin für die Jahre 2016 bis 2018 die geltend gemachten Zuschläge in Höhe von 1,5 Cent je Kilowattstunde. Im Jahr 2019 speiste die Rechtsvorgängerin der Klägerin 240.750.540 kWh ins Netz der Beklagten ein. Sie begehrte einen Zuschlag in Höhe von 3.611.258 € (240.750.540 kWh x 0,015 €/kWh). Die Beklagte zahlte jedoch nur 240.750.540 kWh x 0,005 €/kWh = 1.203.753 €. Den Differenzbetrag von 2.407.505 € hat die Klägerin mit ihrer Klage erstinstanzlich geltend gemacht.
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Zwischen den Parteien streitig war in erster Instanz mithin die der Klägerin zustehende Höhe des Zuschlags für das Jahr 2019. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe auch für 2019 Anspruch auf einen Zuschlag in Höhe von 1,5 Cent/kWh. Die Gesetzesänderung habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Fördersatz gehabt, da der bestandskräftige und unverändert fortbestehende Bescheid vom 08.02.2017 diesen verbindlich festgesetzt habe. Bei Auslegung aus der Sicht eines verständigen Dritten nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB könne der Bescheid nur dahingehend verstanden werden, dass er zur Zuschlagshöhe eigene Regelungswirkung entfalte und nicht lediglich das Gesetz wiedergebe. Ob das BAFA zu ihrer Festsetzung überhaupt befugt gewesen sei, berühre die Rechtmäßigkeit, aber nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsakts. Ein Nichtigkeitsgrund gem. § 44 VwVfG liege jedenfalls nicht vor.
11
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
Die Beklage wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 2.407.505,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, in Folge der Gesetzesänderung habe der Klägerin für das Jahr 2019 nur noch ein Zuschlag in Höhe von 0,5 Cent/kWh zugestanden. Der Fördersatz werde ausschließlich durch das KWKG geregelt. Seine Aufnahme in den Bescheid habe keinen Regelungscharakter gehabt, sondern rein informatorischen Zwecken gedient. Demnach habe es in Folge der Gesetzesänderung auch keiner Aufhebung bzw. keines Widerrufs gem. §§ 48, 49 VwVfG bedurft.
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Mit Schriftsatz vom 30.07.2021 hat die Beklagte der A. den Streit verkündet. Diese ist mit Schriftsatz vom 17.08.2021 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Sie hat sich dem Klageabweisungsantrag der Beklagten angeschlossen.
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Zum Vorbringen der Beteiligten in erster Instanz wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Landgericht Würzburg hat mit Urteil vom 19.01.2022 die Klage abgewiesen und die Kosten des Verfahrens der Klägerin auferlegt. Eine Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention hat es weder im Tenor noch in den Gründen getroffen.
16
Sein klageabweisendes Urteil hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Die durch das BAFA erteilte Zulassung des Heizkraftwerks als hocheffiziente KWK-Anlage sei nur eine von mehreren Voraussetzungen für die Entstehung des Zuschlagsanspruchs aus § 13 KWKG. In § 10 Abs. 1 KWKG sei der Prüfungsumfang des BAFA klar auf die Zulassungsvoraussetzungen begrenzt, die § 6 KWKG statuiere. Dass das BAFA auch die Höhe des Zuschlags verbindlich festzusetzen hätte, ergebe sich aus § 10 Abs. 1 KWKG dagegen nicht. Die Zuschlagshöhe und die weiteren Voraussetzungen folgten vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 13 Abse. 1 – 4 KWKG).
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Die Bezeichnung „Zulassungsbescheid“ verdeutliche, dass nur die Zulassung des KWK-Kraftwerks als hocheffiziente Anlage, aber nicht die gesamte Förderung geregelt werden sollte. Für einen bloß informatorischen Charakter der Angabe zur Zuschlagshöhe spreche auch, dass der erste Absatz des Bescheids konkret-individuell formuliert sei, insbesondere die Anlage genau bezeichne, während der zweite Absatz allgemein gehalten sei („aus bestehenden KWK-Anlagen“). Der weitere – an den zweiten Absatz anschließende – Inhalt auf Seite 1 des Bescheids enthalte eindeutig keine Regelungen, sondern nur Informationen wie die vom Sachverständigen ermittelte KWK-Nettoleistung und Ähnliches. Seite 2 des Bescheids beziehe sich ausschließlich auf die technischen Voraussetzungen der Zulassung der Anlage als hocheffiziente KWK-Anlage.
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Der Bescheid nach § 10 KWKG richte sich nach der gesetzlichen Konzeption ausschließlich an den Anlagenbetreiber. Eine Widerspruchsberechtigung steht auch nur diesem zu. Der Netzbetreiber bekomme den Bescheid dagegen regelmäßig nicht – jedenfalls nicht von der Behörde – übermittelt. Auch das Einsichtsrecht des Netzbetreibers in die Zulassung gem. § 11 Abs. 2 KWKG zeige, dass der Gesetzgeber von keiner Übermittlung des Bescheids an den Netzbetreiber durch die Behörde ausgehe. Demnach hätten Netzbetreiber und Übertragungsnetzbetreiber keine Rechtsbehelfe gegen die Festsetzung der Förderhöhe für den Fall, dass der Zulassungsbescheid sie entgegen dem Gesetz festsetzen sollte. Dies könne nicht der gesetzlichen Zielrichtung entsprechen.
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Weiter geht das Landgericht auf die amtliche Begründung zum Änderungsgesetz des KWKG (BT-Drs. 19/5523, S. 104) ein. Zwar finde sich dort im Zusammenhang mit der reduzierten Förderhöhe der Hinweis, bei erteilten Zulassungsbescheiden sei der Fördersatz durch einen Änderungsbescheid „nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen mit Wirkung zum 01. Januar 2019 anzupassen“. Das heiße aber nicht, dass die Förderhöhe verbindlich im Zulassungsbescheid geregelt worden sei. „Nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen“ müsse ein Änderungsbescheid nämlich nur dann ergehen, wenn der betreffende Sachverhalt zuvor Gegenstand eines verbindlichen Bescheids war. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung solle nur sicherstellen, dass die Beteiligten Kenntnis von der Gesetzesänderung erlangen.
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Dass § 12 KWKG für den (hier nicht stattgefundenen) Erlass eines Vorbescheids eine verbindliche Regelung von Höhe und Dauer des Zuschlags vorsieht, spreche nicht für, sondern gegen eine solche Festsetzung auch im hier gegenständlichen Zulassungsbescheid. Der Vorbescheid solle Planungssicherheit für geplante neue KWK-Anlagen bzw. Modernisierungen bieten und damit auch einen Anreiz für Investitionen in die Errichtung neuer hocheffizienter Anlagen schaffen. Dies sei für bereits bestehende Anlagen nicht relevant.
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Ebenso spreche § 34 KWKG gegen eine verbindliche Festsetzung der Zuschlagshöhe im Zulassungsbescheid. Mit der dort vorgesehenen jährlichen Evaluierung und Überprüfung der Angemessenheit der Zuschlagszahlungen für die KWK-Anlagen habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er sich eine Anpassung der Zuschläge auch für solche Anlagen vorbehalten habe, deren Förderfähigkeit über den Zeitraum eines Jahres hinaus bereits festgestellt worden sei. Auch die Bundesnetzagentur sei in einer in anderer Sache verfassten Stellungnahme zu gleichgelagerten Fallkonstellationen (Anlage BK 1) zum Ergebnis gekommen, dass sich die Zuschlagshöhe nach der Änderung des § 13 Abs. 3 KWKG bereits von Gesetzes wegen reduziere und etwaige Ausweisungen in Zulassungsbescheiden rein informativen Charakter und keine konstitutive Wirkung hätten.
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Gründe des Vertrauensschutzes geböten ebenso wenig eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Zuschlagshöhe wie im Bescheid angegeben. Vertrauensschutz könne ohnehin nur gegenüber dem BAFA und nicht der Beklagten geltend gemacht werden. Der Anlagenbetreiber habe aber aufgrund der Regelung des § 34 KWKG mit einer solchen Änderung jederzeit rechnen müssen.
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Ergänzend wird auf die schriftliche Urteilsbegründung (Bl. 103 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Gegen dieses ihrem Rechtsvertreter am 20.01.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Rechtsanwaltsschriftsatz vom 18.02.2022, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 21.03.2022 (Montag), ebenfalls am selben Tage beim Oberlandesgericht eingegangen, begründet. Mit Schriftsätzen vom 15.07.2022 (Bl. 207 ff. d. A.) und vom 07.03.2023 (Bl. 280 ff. d. A.) hat sie ihre Begründung ergänzt und vertieft.
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Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin den erstinstanzlich geltend gemachten Anspruch vollumfänglich weiter.
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Die Klägerin führt im Berufungsrechtszug im Wesentlichen aus: Sinn und Zweck des Zulassungsbescheids sei die Forcierung von Investitionen in hocheffiziente Anlagen. Dazu benötigten die Kraftwerksbetreiber Planungssicherheit. Aus Gründen des Vertrauensschutzes müsse die Zuschlagshöhe daher im Bescheid verbindlich geregelt werden. Die Kraftwerksbetreiber richteten ihre Investitionen nach den ausgewiesenen Zahlungen aus und vertrauten dabei darauf, dass sich die Höhe jedenfalls nur unter den erschwerten Bedingungen des § 48 VwVfG ändern lassen würde. Nur durch eine verbindliche Festlegung der Zuschlagshöhe könne das Gesetz in für die Beteiligten eindeutiger Weise umgesetzt werden und so die nötige Rechtssicherheit bieten. Die Auffassung des Landgerichts führe zu einer Umgehung der Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG.
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Das Landgericht habe nicht ausreichend zwischen der Rechtmäßigkeit und dem Inhalt des Zulassungsbescheids differenziert. Da eine etwaige Rechtswidrigkeit (bis zur Grenze der Nichtigkeit gem. § 44 VwVfG) keine Auswirkung auf die Bestandskraft habe, sei es irrelevant, ob sich die Zuschlagshöhe bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, so dass es einer Festsetzung per Verwaltungsakts nicht bedarf, und ob die Festsetzung des Fördersatzes den Prüfungsumfang des BAFA überschreitet.
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Die Klägerin ist der Meinung, vorliegend sei schon keine Auslegung des Bescheids erforderlich, da er explizit die Höhe des Zuschlags regele. Anderes ergebe sich aber auch nicht bei Vornahme einer Auslegung. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts sei nach den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Maßstab sei ein juristischer Laie, denn der Betreiber eines KWK-Kraftwerks verfüge über keine juristischen Spezialkenntnisse. Etwaig verbleibende Zweifel gingen zu Lasten der Behörde.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts bedeute die Überschrift „Zulassungsbescheid“ nicht, dass im Bescheid vom 08.02.2017 nur die Zulassung im engeren Sinne habe geregelt werden sollen. Mit dem Wortlaut der Überschrift sei auch eine umfassende Regelung der Rechtsposition des Antragstellers zu vereinbaren. Der Bescheid sei so aufgebaut, dass er im ersten Abschnitt einen verfügenden Teil enthalte, im zweiten eine Begründung, im dritten Nebenbestimmungen und im vierten die Rechtsbehelfsbelehrung. Die Zuschlagshöhe befinde sich im ersten Abschnitt, also im verfügenden Teil. Dass der Bescheid im zweiten Absatz anders als in Absatz 1 allgemein gehalten sei, sage über eine etwaige Regelungswirkung nichts aus, sondern liege in der Natur der Sache begründet. Absatz 1 bezeichne die konkrete Anlage und habe daher (anders als Absatz 2) gar nicht allgemein gehalten sein können. Außerdem sei durch die Verwendung des bestimmten Artikels („Der Anspruch“ im Gegensatz zu „Ein Anspruch“ im Gesetzestext) ein konkreter Bezug zur gegenständlichen Anlage geschaffen worden. Absatz 2 sei nicht in Anführungszeichen gesetzt worden und auch sonst sei kein Hinweis vorhanden, dass hier nur das Gesetz zitiert werden solle. Der juristische Laie werde den Passus daher als Regelung des BAFA auf der Grundlage von § 13 KWKG verstehen.
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Dass sich die Begründung des Zulassungsbescheids nur auf die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung beziehe, spreche nicht gegen einen Regelungscharakter der Zuschlagshöhe. Vielmehr verweise die Begründung auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten zu Eigenschaften der Anlage, die für die Festsetzung des Vergütungsanspruchs von Bedeutung seien. Auch habe § 10 KWKG die Einheitlichkeit der Entscheidung über Zuschlagsgrund und -höhe zur Grundlage.
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Wie aus der Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz des KWKG ersichtlich, sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine Änderung der Zulassungsbescheide nach § 48 VwVfG erfolgen müsse, um die Vorgaben des Gesetzes umzusetzen. Damit sei er von einer Regelung der Zuschlagshöhe in den Bescheiden ausgegangen. Das BAFA habe eine solche Änderung aber nie umgesetzt, wohl weil es sich der rechtlichen Problematik einer rückwirkenden Änderung bewusst gewesen sei. Die Argumentation des Landgerichts, die Gesetzesbegründung sei nur auf die Fälle gemünzt, in denen sich der Regelungsgehalt auf die Höhe der Zuschläge erstreckt, hält die Klägerin für zirkelschlüssig. Dass der Gesetzgeber nur einen Hinweis gemeint habe, damit die Beteiligten von der Änderung Kenntnis erlangen, sei fernliegend.
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Weiter argumentiert die Klägerin, da der Vorbescheid nach § 12 KWKG die Förderhöhe verbindlich festsetze, müsse auch der Zulassungsbescheid einen solchen Regelungsgehalt aufweisen. Ansonsten bliebe der Regelungsumfang des Zulassungsbescheids hinter dem Vorbescheid zurück; der Vorbescheid vermittelte einen höheren Grad an Rechtssicherheit als der Hauptbescheid. Das widerspräche dem Wesen des Vorbescheids, der nur bestimmte für den Hauptbescheid relevante Fragen vorab klären, aber keine Regelung neben dem Hauptbescheid schaffen solle. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die Interessenlage in den Anwendungsbereichen der § 12 und § 13 KWKG auch nicht verschieden. In beiden Fällen solle gleichermaßen ein Anreiz für Investitionen geschaffen werden.
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Die jährliche Überprüfung der Zuschlagshöhe gem. § 34 KWKG spreche nicht gegen eine verbindliche Festlegung per Bescheid. Sollten die Ergebnisse der Evaluierung eine Anpassung erfordern, könne diese durch Änderungsbescheide in die Praxis umgesetzt werden, auch wenn es sich dabei um einen umständlicheren Weg handele.
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Das Argument des Landgerichts, gegen eine verbindliche Regelung der Zuschlagshöhe spreche, dass der Zulassungsbescheid der Beklagten nicht bekannt gegeben worden sei, hält die Klägerin für unzutreffend. Der Zulassungsbescheid sei der Beklagten sehr wohl bekannt gegeben worden. Er sei nämlich der Klägerin zusammen mit einer Kopie zur Vorlage beim Netzbetreiber übermittelt worden; die Klägerin habe also als Botin der Behörde fungiert, was zulässig sei. Außerdem sei eine förmliche Zustellung an die Beklagte nicht erforderlich, weil sie nicht in ihren Rechten verletzt sei. Sie reiche lediglich im Rahmen des Belastungsausgleichs gem. § 28 KWKG Gelder durch.
36
Schließlich hält die Klägerin das maßgebliche Änderungsgesetz zu § 13 Abs. 3 KWKG für verfassungswidrig. Da es erst am 26.11.2019 – rückwirkend zum 01.01.2019 – in Kraft getreten sei, verstoße es gegen das Rückwirkungsverbot. Es handele sich um den Fall der sogenannten unechten Rückwirkung, weil in einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen wurde. Diese sei nur zulässig, wenn das objektive, allgemeine Interesse an einer Anpassung des Rechts die Bestandsinteressen des Betroffenen überwiege.
37
Vorliegend hätten die Kraftwerksbetreiber ihre Dispositionen im Hinblick auf die ohnehin nur befristet geregelte Zuschlagshöhe getroffen. Das Interesse der Allgemeinheit sei demgegenüber gering: Die Anpassung habe ursprünglich im Hinblick auf die Beihilfekonformität nach Europäischem Recht erfolgen sollen. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 28.03.2019 unterliege die Förderung des KWKG aber nicht dem Beihilferecht. Das gesetzgeberische Ziel sei damit noch vor Verabschiedung des Änderungsgesetzes entfallen.
38
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin einen Betrag in Höhe von 2.407.505,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht der Auffassung ist, Höhe und Dauer der Zuschlagszahlung nach § 13 KWKG ergäben sich im vorliegenden Fall ausschließlich unmittelbar aus dem Gesetz, beantragt die Klägerin die Aussetzung des Verfahrens und das Einholen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zu der Frage, ob es mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Gebot des Vertrauensschutzes unvereinbar ist, dass die Förderung nach § 13 Abs. 3 KWKG durch Art. 2 Nr. 10b Energiesammelgesetz vom 17.12.2018 in Verbindung mit Art. 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Energiedienstleistungen und andere Energieeffizienzmaßnahmen vom 20.11.2019 rückwirkend herabgesetzt wurde.
39
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen
die Zurückweisung der Berufung; die Streithelferin mit der Maßgabe, der Klägerin die Kosten der Nebenintervention für das Verfahren erster Instanz aufzuerlegen.
40
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Zur Begründung nehmen sie Bezug auf die Urteilsgründe und führen ergänzend im Wesentlichen aus:
41
Ob einer Maßnahme Regelungsgehalt im Sinne des § 35 VwVfG zukomme, sei eine Rechtsfrage und damit entgegen der klägerischen Auffassung nach juristischen Maßstäben und nicht aus der Sicht des juristischen Laien zu beantworten. Der klägerseits angeführte Zweifelsgrundsatz könne nicht zu Lasten des BAFA wirken, da dessen Interessen gar nicht berührt seien. Betroffen seien nur die Beteiligten des hiesigen Rechtsstreits.
42
Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Bescheids vom 08.02.2017 halten die Beklagte und die Streithelferin für zutreffend. Von der Überschrift „Zulassungsbescheid“ sei auf den Regelungsgehalt lediglich der Zulassung als solcher zu schließen. Richtig sei auch die Erwägung des Landgerichts, dass der zweite Absatz allgemein formuliert sei und durch den abschließenden Hinweis „vgl. § 13 Abs. 2, 3 und 4 KWKG“ zeige, dass er nur den gesetzlichen Regelungsgehalt zusammenfasse. Die Klägerin könne ihre Auffassung auch nicht mit Erfolg auf den Aufbau des Zulassungsbescheids stützen. Vielmehr seien im ersten Teil Inhalte vorhanden, die keinerlei Regelungsgehalt aufwiesen. Es handele sich ist also nicht wie von der Klägerin behauptet, um einen „verfügenden“ Teil.
43
Zur korrekten Anwendung des § 13 Abs. 3 KWKG bedürfe es keines Verwaltungsakts; das Gesetz sei insoweit eindeutig. Auch die von der Klägerin hervorgehobene Planungssicherheit für die Kraftwerksbetreiber erfordere keine Festlegung der Zuschlagshöhe per Bescheid. Sie ergebe sich aus dem Gesetz; ebenso wie das Gesetz könne auch ein Bescheid (unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG) geändert werden. Die Regelung per Bescheid erbrächte also kein Mehr an Rechtssicherheit.
44
Dass der Gesetzgeber keine Bekanntgabe des Zulassungsbescheids an den Netzbetreiber vorsehe, spreche dafür, dass er keine verbindliche Regelung der Zuschlagshöhe enthalten soll. Das BAFA habe auch gar keine dahingehende Regelungskompetenz. Lege es gleichwohl die Zuschlagshöhe verbindlich fest, wäre das nachteilig für eine einheitliche Verwaltungspraxis. Bei einer gesetzlichen Änderung käme immer die Frage auf, ob eine Anpassung der Bescheide unter den nicht einfach zu erfüllenden Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG erfolgen könne. Sachdienlicher sei daher eine unmittelbare Festsetzung durch das Gesetz.
45
Die verbindliche Festsetzung der Zuschlagshöhe im Vorbescheid gem. § 12 KWKG stehe, wie das Landgericht zu Recht annehme, einer abweichenden Handhabung beim Hauptbescheid nicht entgegen. Der Vorbescheid diene dazu, Planungssicherheit für Neuinvestitionen zu schaffen. Dies sei bei einem Bestandskraftwerk regelmäßig nicht notwendig.
46
Auch die jährliche Überprüfung gem. § 34 KWKG spreche gegen eine bestandskräftige Festsetzung des Fördersatzes. Die Argumentation der Klägerin sei nicht stimmig, wenn sie insoweit auf die Änderungsvorschriften für Verwaltungsakte (§§ 48, 49 VwVfG) verweise. An anderer Stelle ziehe sie die höhere Rechtssicherheit gerade aus dem Umstand, dass eine nachträgliche Änderung nur unter erschwerten Bedingungen möglich sei.
47
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle gem. Art. 100 Abs. 1 GG halten die Beklagte und die Streithelferin nicht für erforderlich. Das Änderungsgesetz sei verfassungsmäßig. Eine unechte Rückwirkung sei in aller Regel zulässig. Den Anlagenbetreibern komme kein schutzwürdiges Interesse zu: Dass sich die Zuschlagshöhe ändern könne, ergebe sich aus § 34 KWKG und sei daher von vornherein offensichtlich gewesen. Auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28.03.2019 hätten die Anlagenbetreiber nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Höhe des KWG-Zuschlags nicht mehr auf Grundlage des § 34 KWKG angepasst werden würde. Zudem sei ein etwaiges Vertrauen spätestens mit Einbringung des Entwurfs des Änderungsgesetzes in den Deutschen Bundestag am 06.11.2018 entfallen.
48
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
49
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig.
50
In der Sache bleibt sie aber bis auf die aus dem Tenor ersichtliche Korrektur der Kostenentscheidung ohne Erfolg. Das Landgericht Würzburg hat die Klage zu Recht abgewiesen.
51
I. Sowohl das Erstgericht als auch die Parteien sind zutreffend davon ausgegangen, dass einzig streitentscheidende Frage ist, ob der mit 1,5 Cent/kWh angegebenen Zuschlagshöhe im Bescheid an die Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 08.02.2017 Regelungscharakter im Sinne des § 35 VwVfG zukommt. Dabei gehen sowohl das Gericht als auch die Parteien richtigerweise davon aus, dass diese Frage durch Auslegung zu beantworten ist.
52
Die Auslegung orientiert sich – auch da sind sich die Parteien und das Landgericht zu Recht einig – an den Grundsätzen des § 133 BGB (BVerwG, Urteil vom 07.06.1991 – 7 C 43/90 –, NVwZ 1993, 177, 179; BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk, 57. Ed. 01.10.2022, § 35 Rn. 46). Sie erfolgt mithin nach dem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Erklärung (BVerwG a. a. O.). Abzustellen ist auf den erklärten Willen, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt aus bei verständiger Würdigung verstehen konnte (BGH, Urteil vom 14.06.2007 – I ZR 125/04 (KG) –, NVwZ-RR 2008, 154, 155; VGH Kassel, Urteil vom 06.05.2015 – 6 A 1514/14 –, BeckRS 2015, 47464 Rn. 27). Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, auch die Begründung des Verwaltungsakts. Es müssen sich dabei nicht alle wesentlichen Punkte vollständig und aus sich allein heraus verständlich aus dem Tenor eines Verwaltungsakts ergeben. Zur Ermittlung seines objektiven Erklärungswerts ist vielmehr der ganze Bescheid, insbesondere dessen Begründung, maßgeblich. Dabei kommen auch solche Umstände zum Tragen, die zwar aus dem gesamten Text nicht hervorgehen, aber den Beteiligten bekannt oder ohne Weiteres erkennbar sind (BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk a. a. O. m. w. Nachw.).
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Die hier vorzunehmende Auslegung richtet sich damit nicht nach der objektivierten Sicht eines durchschnittlichen Bürgers – dieser ist niemals Adressat von Zulassungsbescheiden nach dem KWKG –, sondern des durchschnittlichen Betreibers einer Anlage mit Kraft-Wärme-Kopplung.
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Eine Kenntnis von Grundzügen des KWKG kann von diesem zweifellos erwartet werden.
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1. Nach diesen Maßstäben erweist sich das Auslegungsergebnis des Landgerichts als zutreffend, die Höhe des Zuschlags sei im Bescheid des BAFA vom 08.02.2017 ohne eigenständigen Regelungsgehalt nur informatorisch wiedergegeben worden.
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Das Landgericht hat zu Recht die Überschrift „Zulassungsbescheid“ als gewichtiges Auslegungskriterium herangezogen. Diese weist darauf hin, dass alleiniger Regelungsgegenstand die Zulassung des Kraftwerks als hocheffiziente KWK-Anlage ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich die Höhe des Zuschlags auch bei weitester Auslegung nicht unter den Begriff der Zulassung subsumieren. Zwar ist die Bezeichnung eines Willensakts für seine rechtliche Einstufung nicht verbindlich, einen deutlichen Hinweis auf den beabsichtigten Inhalt gibt sie aber gleichwohl.
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Auch die nur allgemein gehaltene Formulierung im zweiten Absatz des Bescheids („aus bestehenden KWK-Anlagen“) weist auf eine bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hin. Dabei stellt die Verwendung des bestimmten Artikels („der“ Anspruch) noch keinen konkreten Bezug zur streitgegenständlichen Anlage her. Der Bescheid weicht insoweit nicht vom Gesetzeswortlaut ab. In § 13 Abs. 2 KWKG ist, anders als die Berufung angibt, das Wort „Anspruch“ mit gar keinem Artikel und nicht mit dem unbestimmten „ein“ versehen. Wenn die Klägerin weiter argumentiert, dass sich der erste Absatz gar nicht allgemein hätte formulieren lassen, mag dies richtig sein, ist aber nicht entscheidend. Maßgeblich ist, ob der zweite Absatz, der die Zuschlagshöhe enthält, auch konkret-individuell hätte gefasst werden können. Das ist zweifellos der Fall. Das BAFA hätte beispielsweise statt „aus bestehenden KWK-Anlagen“ die Formulierung „aus der oben bezeichneten Anlage“ wählen und damit einen Bezug zum konkreten Einzelfall herstellen können.
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In dieselbe Richtung weist die Verwendung des Zusatzes „vgl. § 13 Abs. 2, 3 und 4 KWKG“. Die Aufnahme der gesetzlichen Vorschriften mit dem Zusatz „vgl.“ macht die Koppelung der Zuschlagshöhe an das Gesetz deutlich. Die Abkürzung „vgl.“ für „vergleiche“ entspringt nicht dem juristischen Fachjargon, sondern ist allgemein gebräuchlich, somit auch dem durchschnittlichen Kraftwerksbetreiber bekannt. Folgt er der Aufforderung und vergleicht den Inhalt des Bescheids mit der Rechtsnorm, so wird er unschwer feststellen, dass der Text des Bescheids insoweit mit dem Gesetzeswortlaut identisch ist. Es erschließt sich dann auch, dass naheliegenderweise ohne eigenständigen Regelungsgehalt der Gesetzestext wiedergegeben werden sollte.
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Zu Recht zieht das Landgericht auch die Begründung des „Zulassungsbescheids“ als Auslegungskriterium heran (s. oben). Sie enthält nur Ausführungen zu den technischen Voraussetzungen der zuschlagsberechtigten hocheffizienten KWK-Anlage. Zur Höhe des Zuschlags findet sich in den Gründen dagegen nichts. Nähme diese am Regelungsgehalt teil, so wäre aber zumindest eine kurze Erwähnung in der Begründung zu erwarten gewesen.
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Für eine verbindliche Festsetzung des Fördersatzes im Bescheid besteht auch keine Notwendigkeit, da sie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Zwar sind im Bereich der sogenannten „gebundenen Verwaltung“ (die Verwaltung hat ihre Entscheidung ohne eigenen Ermessensspielraum zu treffen, vgl. NK-VwVfG/Schönenbroicher, 2. Aufl. 2019, § 40 Rn. 23) Konstellationen üblich, nach denen eine Behörde eine gesetzlich eindeutig bestimmte Rechtsfolge per Bescheid festsetzt. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass die Förderhöhe gem. § 34 KWKG schon von der gesetzlichen Konzeption her Änderungen unterliegen kann. In diesem Fall wäre es sogar kontraproduktiv, eine im Gesetz bestimmte Rechtsfolge für einen bestimmten Zeitraum per Verwaltungsakt festzusetzen, obwohl sie im Verlauf dieser Zeit möglicherweise gesetzeswidrig wird. Der Verweis der Klägerin auf die Möglichkeiten einer Rücknahme bzw. eines Widerrufs gem. §§ 48, 49 VwVfG vermag hier wenig weiterzuhelfen. Wie die Klägerin selbst ausführt, sind Rücknahme und Widerruf an strenge Voraussetzungen geknüpft – diese zieht sie gerade zur Begründung ihrer Ansicht heran, die Regelung der Zuschlagshöhe per Bescheid schaffe höhere Rechtssicherheit. Es entstünde dann die Situation, dass in einigen Fällen eine Teilaufhebung des Bescheids rechtlich nicht mehr möglich, in anderen angesichts der von der Klägerin ebenfalls an anderer Stelle erwähnten Masse der existenten Bescheide nach §§ 13 Abs. 6, 10 KWKG faktisch nicht umsetzbar und nur in einigen Fällen zu realisieren wäre. Diese nicht zuletzt im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot gem. Art. 3 Abs. 1 GG bedenkliche Lage kann nicht Zielsetzung des BAFA beim Erlass des „Zulassungsbescheids“ vom 08.02.2017 gewesen sein.
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Zu Recht weist die Klägerin zwar darauf hin, dass für den Vorbescheid gem. § 12 KWKG eine Festsetzung der Zuschlagshöhe per Bescheid ausdrücklich vorgesehen ist. Entgegen ihrer Ansicht folgt daraus allerdings nicht, dass konsequenterweise auch der Zulassungsbescheid gem. § 13 Abs. 6 i. V. m. § 10 KWKG mit einer entsprechenden Regelung versehen sein muss. Im Gegenteil lässt die unterschiedliche Formulierung der unmittelbar aufeinanderfolgenden Vorschriften erkennen, dass eine Festsetzung der Zuschlagshöhe per Verwaltungsakt nur für den Vorbescheid und nicht für den Zulassungsbescheid vorgesehen ist. Dies entspricht, wie das Landgericht zutreffend ausführt, auch der Interessenlage der Anlagenbetreiber. Der Vorbescheid gem. § 12 KWKG ist für die Planung neuer und die Modernisierung bestehender Anlagen ab einer gewissen Leistungsfähigkeit vorgesehen. Hier stehen also erhebliche Investitionen im Raum. In dieser Situation ist die Planungssicherheit, insbesondere der Schutz vor einer späteren gesetzlichen Reduzierung des Fördersatzes, viel wichtiger als beim in § 13 KWKG geregelten bloßen Weiterbetrieb einer schon bestehenden hocheffizienten KWK-Anlage.
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Nach diesem Verständnis ist der Vorbescheid gem. § 12 KWKG atypischer Natur. Üblicherweise regelt ein Vorbescheid seinem Wesen nach Teile des späteren Hauptbescheids vorab verbindlich (HK-VerwR/Schwarz, 5. Aufl. 2021, VwVfG § 35 Rn. 26). Ein Regelungskreis, der vom Hauptbescheid nicht mehr umfasst ist, ist daher ungewöhnlich. Allerdings ist der Begriff des Vorbescheids nicht verfassungsrechtlich festgeschrieben. Der Gesetzgeber ist also nicht daran gehindert, im KWKG eine atypische Regelung zum Vorbescheid zu treffen. Angesichts des Gesetzeswortlauts sowie der Interessenlage hat er von dieser Möglichkeit offenkundig Gebrauch gemacht. Der Vorbescheid ergeht vor Inbetriebnahme und regelt verbindlich Höhe und Dauer der Zuschlagszahlung ab Aufnahme des Dauerbetriebs. Hinzu kommt, dass weder § 10 KWKG noch § 13 KWKG den Begriff „Hauptbescheid“ verwenden. Einen über einen Hauptbescheid hinausgehenden Regelungsgehalt des Vorbescheids gibt es im engeren Sinne also nicht.
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Das Argument der Klägerin, nach dem Verständnis des Landgerichts müsse jedem Anlagenbetreiber anzuraten sein, einen Vorbescheid nach § 12 KWKG zu beantragen, ist deshalb so nicht richtig: Der Vorbescheid kann nur unter engeren Voraussetzungen ergehen als der Zulassungsbescheid nach § 13 Abs. 6 i. V. m. § 10 KWKG: Ein Anlagenbetreiber, der keine neue Anlage errichtet und keine bestehende Anlage modernisiert oder dessen Anlage die Leistungsgrenze des § 12 KWKG nicht erreicht, wird ihn nicht bekommen.
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Auch die Gesetzesbegründung zum hier maßgeblichen Änderungsgesetz des KWKG führt nicht zur Auslegung der Zuschlagshöhe im Zulassungsbescheid als eigenständiger Regelung. Die Begründung zum „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften“ vom 06.11.2018 enthält in der Tat den bereits vom Landgericht zitierten Passus, der Fördersatz sei bei bereits erteilten Zulassungsbescheiden durch einen Änderungsbescheid nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen anzupassen (BT-Drs. 19/5523, S. 104). Der Klägerin ist darin Recht zu geben, dass jedenfalls die den Entwurf vorlegenden Bundestagsfraktionen dem Anschein nach davon ausgingen, einschlägige Zulassungsbescheide enthielten regelmäßig auch eine Festsetzung der Zuschlagshöhe. Allerdings kann dies die Auslegung des hier in Rede stehenden Zulassungsbescheids im Ergebnis nicht berühren. Aus der zitierten Stelle ergibt sich nicht, dass alle Arten von Bescheiden eines Änderungsbescheids bedürfen. Zur Frage einer Regelung der Fördersätze in nach dem KWKG ergangenen Bescheiden verhielt sich der Gesetzgeber zudem nicht eindeutig. So heißt es in der Begründung der „Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zum Entwurf eines Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen“ vom 02.07.2020 – u. a. Bescheide nach § 13 KWKG betreffend -: „Einer Anpassung der entsprechenden Zulassungsbescheide durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bedarf es nicht, da die Ausweisung der Förderhöhe und Förderdauer in den Zulassungsbescheiden rein deklaratorische Wirkung entfaltet“ [BT-Drs. 19/20714 (neu), S. 175]. Der Wille des Änderungsgesetzgebers der 19. Legislaturperiode ist damit nicht klar zu ermitteln.
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Es muss auch bezweifelt werden, dass die Entwurfsbegründung vom 06.11.2018 tatsächlich eine notwendige Änderung der Zulassungsbescheide nach §§ 48, 49 VwVfG als Regelfall ansah. Dann wäre ein Erlass hunderter von Änderungsbescheiden erforderlich geworden, den das BAFA in der kurzen Zeit nur schwer hätte bewältigen können. Einer späteren Änderung setzt, worauf die Klägerin richtig hinweist, § 48 Abs. 4 VwVfG enge zeitliche Grenzen. Die Herabsetzung der Förderung zum 01.01.2019 liefe damit weitgehend leer, wenn der Gesetzgeber tatsächlich regelmäßig den Erlass von Änderungsbescheiden vorausgesetzt hätte. Das Ziel des Änderungsgesetzes wäre so kaum zu erreichen. Dass dies dem gesetzgeberischen Willen entsprach, muss bezweifelt werden (LG Berlin, Urteil vom 01.03.2022 – 100 O 21/21 –, n. V., vorgelegt als Anlage SV 1, S. 8). Demnach muss der Gesetzgeber von einer nur kleinen Zahl betroffener Bescheide ausgegangen sein. Das spricht gegen die These, er habe für bestehende hocheffiziente KWK-Anlagen eine Festsetzung der Zuschlagshöhe per Bescheid als Regelfall angesehen. Denkbar wäre im Gegenteil durchaus, dass Änderungsbescheide etwa nur für Vorbescheide gem. § 12 KWKG als erforderlich angesehen wurden.
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Letztlich ist jedoch ohnehin der Wille des Gesetzgebers der 19. Legislaturperiode nicht maßgeblich, da sich der Bescheid vom 08.02.2017 selbstverständlich nicht auf die geänderte Gesetzesfassung aus dem Jahr 2019 stützen kann, sondern auf die Fassung des KWKG zum Zeitpunkt seines Erlasses. Die Gedanken des damaligen Gesetzgebers zu der Frage, ob die Fördersätze für Bestandsanlagen nach § 13 KWKG verbindlich per Bescheid festzusetzen sein sollten, sind nicht bekannt. Einem entsprechenden Willen steht aber jedenfalls entgegen, dass sich im KWKG wie ausgeführt keine Aufforderung an die Verwaltung zur Aufnahme einer solchen Regelung findet, obwohl dies – wie § 12 KWKG zeigt – ohne Weiteres möglich gewesen wäre.
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Aus diesen Gründen erachtet der Senat – nach eigener Überprüfung – das vom Landgericht Würzburg getroffene Auslegungsergebnis, nach dem die Angabe des Fördersatzes im Zulassungsbescheid rein deklaratorischer Natur ist und damit keine eigenständige Regelungswirkung entfaltet, als zutreffend.
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2. Nur ergänzend sei ausgeführt, dass selbst beim Verbleib von Zweifeln letztendlich kein anderes Auslegungsergebnis zum Tragen käme.
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Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass im Zweifel grundsätzlich das für den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen ist (Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, VwVfG, 10. Aufl. 2022, § 35 Rn. 80). Dieser Grundsatz setzt aber naturgemäß das Vorliegen eines belastenden Verwaltungsakts voraus. Ist der Verwaltungsakt nicht einseitig belastend (also begünstigend, neutral oder bei mehreren Betroffenen für den einen belastend und den anderen begünstigend), dann verbleibt als einzige Unklarheitenregel der Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung: Wegen der Gesetzesbindung ist widerleglich zu vermuten, dass die Behörde im Zweifel dem Verwaltungsakt den gesetzeskonformen Inhalt gegeben hat; eine Abweichung vom Gesetz muss sich eindeutig aus dem Verwaltungsakt ergeben (VGH Kassel, Urteil vom 06.05.2015 – 6 A 1514/14 –, BeckRS 2015, 47464 Rn. 27). Dieser Grundsatz sollte allerdings nur angewandt werden, wenn die Rechtslage eindeutig und allen Beteiligten bekannt ist bzw. sie bei allen Beteiligten (vernünftigerweise) außer Zweifel steht, da aus der Sicht der Adressaten und der Betroffenen nur dann die Annahme als gerechtfertigt erscheint, dass die Behörde nicht mehr und nicht weniger regeln wollte, als ihr das Gesetz ermöglicht (Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, a. a. O., § 35 Rn. 80 i. V. m. § 43 Rn. 74 m. w. Nachw.).
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Vorliegend ist entgegen der Ansicht der Klägerin damit der Grundsatz der im Zweifel für den Betroffenen günstigsten Auslegung nicht einschlägig. Der Zulassungsbescheid vom 08.02.2017 ist für die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht belastend, sondern begünstigend: Die Einstufung des KWK-Kraftwerks als hocheffizient hat für sie allein günstige Rechtsfolgen, da sie eine der Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch auf Zuschläge statuiert. Wird unterstellt, der Fördersatz nähme ebenfalls am Regelungscharakter des Bescheids teil, wäre auch dies im Zeitpunkt des Erlasses für die Rechtsvorgängerin der Klägerin allenfalls neutral. Es handelte sich dann um eine mit dem Gesetzeswortlaut identische Regelung. Belastend kann das Auslegungsergebnis erst im Nachhinein werden, nämlich in Folge der Reduzierung der Förderungshöhe gem. § 13 Abs. 3 KWKG per Gesetzesänderung, und zwar wenn die Förderhöhe nicht als Regelungsgegenstand des Bescheids angesehen wird. Wäre allerdings die Förderung gem. § 13 Abs. 3 KWKG erhöht worden, so wäre das umgekehrte Auslegungsergebnis belastend: Durch eine Festlegung im Bescheid bezöge die Klägerin dann eine niedrigere Förderung, als wenn sich die Höhe unmittelbar aus dem Gesetz ergäbe. Dies zeigt, dass es für die Einstufung eines Verwaltungsakts in die Kategorien „belastend“ und „begünstigend“ allein auf den Zeitpunkt seines Erlasses ankommen muss. Seinerzeit war aber noch gar nicht ersichtlich, ob sich eine Festsetzung der Förderhöhe per Verwaltungsakt im Nachhinein als günstig, ungünstig oder neutral erweisen würde.
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Hinzu kommt, dass dem Kraftwerksbetreiber bei den Fördersätzen in den Zulassungsbescheiden wirtschaftlich betrachtet nicht die Verwaltung gegenübersteht, sondern der Netzbetreiber bzw. wegen des Belastungsausgleichs gem. § 28 KWKG letztlich der Übertragungsnetzbetreiber. Auch daran scheitert eine Einstufung in die Kategorien belastend und begünstigend, denn dem Vorteil des Anlagenbetreibers steht spiegelbildlich der Nachteil des (Übertragungs-)netzbetreibers gegenüber und umgekehrt.
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Damit kommt als einzig anwendbare Zweifelsregel der Grundsatz gesetzeskonformen Verwaltungshandelns in Betracht. Dieser kann vorliegend angewendet werden, weil die Kenntnis der grundlegenden gesetzlichen Regelungen des KWKG auf Seiten der Klägerin vorausgesetzt werden kann. Der Grundsatz gesetzeskonformen Verhaltens steht einer verbindlichen Festsetzung der Zuschlagshöhe im Zulassungsbescheid aber entgegen. Denn dass eine solche Regelung außerhalb der Zuständigkeit des BAFA liegt, folgt aus dem Gesetz und wird auch von der Berufung letztlich nicht in Frage gestellt. Die Vermutungswirkung zu widerlegen, gelingt der Klägerin nach den vorstehenden Ausführungen nicht.
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II. Eine Aussetzung des Verfahrens zur Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Änderungsgesetze zu § 13 Abs. 3 KWKG ist nicht veranlasst.
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Gem. Art. 100 Abs. 1 GG hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz für verfassungswidrig hält. Das Gericht hat also zunächst in eigener Kompetenz über die Verfassungsmäßigkeit zu befinden. Nur wenn diese Prüfung zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit führt, ist die Vorlage geboten (Dürig/Herzog/Scholz/Dederer, GG, 99. EL September 2022, Art. 100 Rn. 129).
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Eine Verfassungswidrigkeit des Änderungsgesetzes zum KWKG kommt jedoch nicht ernstlich in Betracht. Zu Recht geht auch die Klägerin davon aus, dass es sich um den Fall einer unechten Rückwirkung handelt, d. h. es wird in einen laufenden, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen. Eine solche unechte Rückwirkung ist grundsätzlich verfassungsmäßig (Dürig/Herzog/Scholz/Grzeszick, GG, 99. EL September 2022, Art. 20 Rn. 88; Sachs/Sachs, Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 136).
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Als verfassungswidrig erweist sich eine unechte Rückwirkung nur, wenn bei einer Güterabwägung zwischen dem Recht des Staates, seine Gesetzgebung weiterzuentwickeln und neuen Problemlagen anzupassen, und dem Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand ihm günstiger Rechtsvorschriften das Vertrauen des Bürgers überwiegt (Dürig/Herzog/Scholz/Grzeszick a. a. O.; Schnappauf/v. Knobloch, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 13. Aufl. 2022, vor Art. 70 Rn. 15). Die Anforderungen an die Rechtfertigung einer unechten Rückwirkung fallen dabei strenger aus, falls diese sich in ihren Wirkungen einer echten Rückwirkung annähert. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn bei einer durch Zeitablauf oder zeitabschnittsweise entstehenden Rechtsposition bzw. eines entsprechenden Vertrauenstatbestands die Änderung relativ kurz vor dem Abschluss des Zeitabschnitts erfolgt und der Betroffene deshalb in seinen Möglichkeiten, sich auf die Änderung einzustellen, bereits erheblich beschränkt ist. Darüber hinaus kann eine unechte Rückwirkung im Ergebnis dann unzulässig sein, wenn das Gesetz einen Eingriff vorsieht, mit dem der Betroffene nicht rechnen musste, den er also bei seinen Dispositionen nicht berücksichtigen konnte. Nach diesen Grundsätzen kann auch die Verkürzung befristeter Gesetze für die Zukunft und insbesondere die vorzeitige Aufhebung befristeter Gesetze unzulässig sein (Dürig/Herzog/Scholz/Grzeszick, a. a. O., Art. 20 Rn. 91).
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Vorliegend greift das Änderungsgesetz zwar in eine zeitlich befristete Regelung (§ 13 Abs. 2 KWKG: 1. Januar 2016 bis 31.12.2019) ein, dies zudem gegen Ende des Befristungszeitraums. Dieser Zeitpunkt des Eingriffs belastet die Kraftwerksbetreiber indes weniger, als wenn bereits zu Beginn die Höhe des Zuschlags herabgesetzt worden wäre. Außerdem statuiert § 34 KWKG mit der jährlichen Evaluierung im Hinblick auf die noch bestehende Marktkonformität einen Vorbehalt, nach dem Kraftwerksbetreiber jederzeit mit einer Reduzierung rechnen müssen. Schon deshalb konnten sie kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln.
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Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28.03.2019 (Rechtssache C-405/16 P), demzufolge die Zuschläge nach dem KWKG keine Beihilfen im Sinne des Europäischen Rechts darstellen. Der Zweck des § 34 KWKG ist ausdrücklich normiert, nämlich „zu gewährleisten, dass die Zuschläge die Differenz zwischen den Gesamtgestehungskosten der Stromerzeugung der KWK-Anlagen und dem Marktpreis nicht überschreiten“ (§ 34 Abs. 1, 2. Hs. KWKG). Dieses Ziel besteht unabhängig davon, ob der Europäische Gerichtshof die Förderung als Beihilfe qualifiziert. Die ursprüngliche Rechtsansicht des deutschen Gesetzgebers, es handele sich um eine Beihilfe, die Europäischem Recht standhalten müsse, mag Hintergrund der Regelung des § 34 Abs. 1 KWKG gewesen sein. Das Interesse, dem Kraftwerksbetreiber nicht mehr zukommen zu lassen als die Differenz zwischen Gesamtgestehungskosten und Marktpreis, ist aber auch ohne europarechtlichen Hintergrund legitim (wegen des Gleichbehandlungsgebots mit anderen Stromerzeugern wohl auch verfassungsrechtlich geboten, Art. 3 GG). Hintergrund wird dabei auch die Überlegung gewesen sein, dass Unternehmen und Privathaushalte in der Bundesrepublik die höchsten Strompreise in Europa zahlen und die Energiekosten daher zum Erhalt wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen insbesondere für das produzierende Gewerbe einer ständigen Überprüfung bedürfen [so ausdrücklich die Begründung der „Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (9. Ausschuss) zum Entwurf eines Strukturstärkungsgesetzes Kohleregionen“ vom 02.07.2020, BT-Drs. 19/20714 (neu), S. 158].
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Wie die tatsächliche Entwicklung gezeigt hat, verfolgte der Gesetzgeber sein Ziel der Herabsetzung der Fördersätze auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs weiter. Davon, dass der Grund für die Absenkung der Förderung mit diesem Urteil weggefallen wäre, kann deshalb keine Rede sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass nach Schaffung des § 35 Abs. 17 KWKG die Förderung hocheffizienter KWK-Anlagen im Jahr 2019 zwischenzeitlich vollständig ausgesetzt war. Indem er diese Norm wieder aufgehoben hat und damit Ansprüche auf – wenngleich reduzierte – Zuschläge rückwirkend zum 01.01.2019 wieder aufleben ließ, ist der Gesetzgeber dem Interesse der Anlagenbetreiber entgegengekommen.
80
III. Das Urteil des Landgerichts ist um eine Regelung zu den Kosten der Nebenintervention zu ergänzen. Diese ist erstinstanzlich – wohl versehentlich – unterblieben. Da die Kostenentscheidung grundsätzlich einheitlich ergeht, ist eine Korrektur in der Berufungsinstanz möglich, auch wenn sie nicht gesondert angegriffen wird. Das Verbot der reformatio in peius steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.1981 – VI ZR 35/79 –, MDR 1981, 928; OLG München, Beschluss vom 14.11.2011 – 10 U 4322/11 –, Rn. 10, juris; MüKoZPO/Musielak, 6. Aufl. 2020, § 308 Rn. 32; BeckOK ZPO/Elzer, 47. Ed. 01.12.2022, § 308 Rn. 91).
81
Gem. § 101 Abs. 1 Hs. 1 ZPO waren die Kosten der Nebenintervention erster Instanz der Klägerin aufzuerlegen.
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I. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung folgt aus §§ 97, 101 Abs. 1 ZPO.
83
II. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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III. Die Revision gegen dieses Urteil war zuzulassen.
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Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Dabei wird nicht verkannt, dass die Auslegung eines Bescheids regelmäßig nur für den Einzelfall Bedeutung hat. Die Klägerin hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass mit dem hiesigen Fall vergleichbare Verfahren bei zahlreichen bundesdeutschen Gerichten zur Entscheidung anstehen. Dies ist auch plausibel, da von der Änderung des § 13 Abs. 3 KWKG zum 01.01.2019 viele KWK-Anlagen betroffen gewesen sein dürften. Es liegt nahe, dass die vom BAFA versandten Bescheide auch in diesen Fällen mit dem hiesigen weitgehend identisch formuliert waren. Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche Frage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann, hat grundsätzliche Bedeutung (BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02 –, NJW 2002, 3029).
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Darüber hinaus erfordert auch die Sicherung einer Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).