Inhalt

SG Würzburg, Urteil v. 12.12.2023 – S 6 KR 382/23
Titel:

Beitragsbescheiden, Verwaltungsgerichte, Beitragserhebung, Elektronischer Rechtsverkehr, Bestandskraft, Pflegeversicherung, Verschuldenskosten, Gegenstand des Berufungsverfahrens, Landessozialgericht, Klagebefugnis, Sozialgerichte, Landwirtschaftlicher Betrieb, Erstattung von Beiträgen, Sozialgerichtsgesetz, Kostenentscheidung, Erörterungstermin, Berufungsschrift, Rechtsmittelbelehrung, Außergerichtliche Kosten, Beitragspflicht

Schlagworte:
Unzulässige Klage, Bestandskraft von Bescheiden, Beitragserstattung, Klagebefugnis, Verschuldenskosten, Bindungswirkung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 07.10.2024 – L 20 KR 80/24
BSG Kassel, Beschluss vom 02.05.2025 – B 10/12 KR 38/24 B
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56867

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Gegen den Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erstattung von Beiträgen.
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1. Der am xx.xx.194x geborene Kläger betrieb ursprünglich alleine einen landwirtschaftlichen Betrieb. Seit 1. Januar 2014 bezieht er von der Landwirtschaftlichen Alterskasse und seit 1. März 2014 von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern eine Rente. Seinen landwirtschaftlichen Betrieb hat der Kläger zum 1. Januar 2014 in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus ihm und seinem Sohn als Gesellschafter, einbrachte. Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen. Die Beklagte unterzog deshalb den Kläger der Beitragspflicht als landwirtschaftlichen Mitunternehmer. Dagegen wandte sich der Kläger in mehreren Verfahren. Die Beiträge zur Beklagten ab 2019 waren zuletzt Gegenstand des vor dem Landessozialgericht geführten Berufungsverfahrens L 20 KR 502/20. Die entsprechende Berufung nahm der Kläger am 17. Juli 2023 in dem Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht zurück.
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2. Mit Schreiben vom 3. September 2023 wandte sich der Kläger unter dem Betreff „Klage gegen die Sozialversicherung Landwirtschaft, Forsten (SVLFG), Landwirtschaftliche Kranken- und Pflegekasse“ an das Verwaltungsgericht Würzburg. Kurz nach Rentenbeginn sei der Ärger losgegangen. Es seien extra Zusatzbeiträge für die Krankenkasse verlangt worden mit der Begründung, er habe Arbeitseinkommen. Es würden ständig neue Bescheide erlassen. Die Gerichte würden keine Verwaltungsrechte kennen. Er beantrage deshalb, die Gültigkeit des geltenden Rentenbescheides anzuerkennen und beantrage die Erstattung aller erpressten, einbehaltenen und abgebuchten Krankenkassenbeiträgen sowie die Verfahrenskosten.
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Mit Schreiben vom 6. September 2023 teilte das Verwaltungsgericht Würzburg den Beteiligten mit, dass es sich nach vorläufiger Einschätzung des klägerischen Begehrens bei der Streitsache um eine Angelegenheit der Alterssicherung der Landwirte handele. Für derartige Angelegenheiten seien nicht die Verwaltungsgerichte, sondern die Sozialgerichte zuständig. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 13. September 2023 die Verweisung an das Sozialgericht. Der Kläger wende sich gegen die Versicherungs- und Beitragspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer. Hierfür seien die Sozialgerichte zuständig. Der Kläger widersprach der Verweisung.
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Mit Beschluss vom 18. September 2023 verwies das Verwaltungsgericht Würzburg den Rechtsstreit an das Sozialgericht Würzburg.
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3. Nach erfolgter Verweisung beantragte die Beklagte, die Klage als unzulässig abzuweisen.
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Die Festsetzung der Beiträge sei bereits Gegenstand mehrerer Rechtsstreite gewesen. Zuletzt sei ein beim Bayerischen Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 20 KR 240/21 anhängiger Rechtsstreit vom Kläger für erledigt erklärt worden. Dadurch seien die erlassenen Beitragsbescheide für die Beteiligten in der Sache bindend geworden. Die Klage sei dahingehend auszulegen, dass der Kläger eine erneute Anfechtungsklage gegen die bereits bindend gewordenen Beitragsbescheide, deren Rechtmäßigkeit u. a. in dem Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht strittig gewesen sei, erhoben habe.
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4. Auf die Anfrage des Gerichts, ob die Klage zurückgenommen werde, erklärte der Kläger, dass er die Klage nicht zurücknehme. Es gehe um die Zusatzbeiträge zur LKK und Pflegekasse außerhalb der Rente.
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4. In der mündlichen Verhandlung wies der Vorsitzende darauf hin, dass die Klage unzulässig sei, weil entsprechende Beitragsbescheide in Bestandskraft erwachsen seien. Ferner erläuterte er dem Kläger die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten.
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Hierauf erklärte der Kläger:
„Ich möchte ein Urteil und dann gehe ich weiter. Die Beklagte soll mir sämtliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erstatten“.
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5. Der Vertreter der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
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6. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegte Beklagtenakte sowie die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig. Es existieren derzeit keine Beitragsbescheide, die nicht bindend geworden sind. Die in Bestandskraft erwachsenen Beitragsbescheide schließen auch eine Erstattung von „sämtlichen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus“.
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1. Die Beitragserhebung ab 2019 war Gegenstand des Berufungsverfahrens L 20 KR 502/20. Die Berufung hat der Kläger in dem Erörterungstermin am 17. Juli 2023 zurückgenommen. Damit ist das mit Berufung angefochtene erstinstanzliche Urteil in Rechtskraft erwachsen. Die zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gewordenen Beitragsbescheide sind in Bestandskraft erwachsen. Die gesamte Beitragserhebung der Beklagten bis 17. Juli 2023 ist somit bindend geworden.
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2. Seit dem 17. Juli 2023 ist kein weiterer Beitragsbescheid ergangen, den der Kläger hätte anfechten können. Die Klage ist daher unzulässig.
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3. Aufgrund dessen fehlt auch eine Klagebefugnis hinsichtlich der Erstattung sämtlicher Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Es ist nicht denkbar unmöglich, dass der Kläger Beiträge ohne Rechtsgrund geleistet hat. Die Beitragszahlung des Klägers, sofern sie denn überhaupt tatsächlich erfolgt ist, und auch entsprechende Vollstreckungsverlangen der Beklagten beruhen auf bindend gewordenen Beitragsbescheiden. Auch insofern ist daher die Klage unzulässig.
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4. Die Klage ist demnach insgesamt abzuweisen.
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5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG und ist getragen von der Erwägung, dass die Klage keinen Erfolg hat.
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6. Gegen den Kläger konnten auch Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 Euro nach § 192 SGG festgesetzt werden. In der mündlichen Verhandlung wurde dem Kläger wiederholt aufgezeigt, dass derzeit keine rechtlich zulässige Möglichkeit existiert, die Beitragserhebung erneut aufzurollen. Wiederholt wurde dem Kläger aufgezeigt, dass er den Erlass eines neuen Beitragsbescheides, was voraussichtlich zum Jahresanfang erfolgt, abwarten sollte und dagegen mit Widerspruch und Klage vorgehen könnte. Dem war der Kläger allerdings nicht zugänglich, sondern beharrte auf seine Sicht der Dinge. Die Fortführung des Rechtsstreits war daher missbräuchlich. Die Voraussetzungen auf der Tatbestandsebene des § 192 Abs. 1 SGG liegen somit vor. In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erschien es der Kammer geboten, Verschuldenskosten festzusetzen. Bei der Höhe beließ es die Kammer bei dem Mindestbetrag nach § 192 Abs. 1 Satz 3, § 184 Abs. 2 SGG.