Titel:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Bauliche Veränderung, Unbilligkeit, Beschlußfassung, Eigentümerversammlung, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sondereigentümer, Tieffrequente Geräusche, Elektronischer Rechtsverkehr, Anlagen zum Protokoll, Streitwert, Penthouse-Wohnung, Tatsachengrundlage, Wert des Beschwerdegegenstandes, Sonderrechtsnachfolger, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, TA-Lärm, Wohnungseigentumsgesetz
Schlagworte:
Klageabweisung, Beschlusskompetenz, Bauliche Veränderung, Unbillige Benachteiligung, Optische Beeinträchtigung, Nachahmungsgefahr, Störungsabwehranspruch
Rechtsmittelinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 03.05.2024 – 14 S 3411/23 WEG
BGH Karlsruhe, Urteil vom 28.03.2025 – V ZR 105/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56623
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 4.687,41 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Beschlusses Nr. TOP 8/22 aus der Eigentümerversammlung vom 23.11.2022.
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Die Klägerin ist Mitglied der W.
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Die Klägerin ist Eigentümerin einer Wohnung im zweiten Obergeschoss links (Nr. 9) und einer weiteren Wohnung im vierten Obergeschoss links (Nr. 15), welche sie selbst bewohnt. Sowie zweier Garagen. Die Firma P GmbH verwaltet die Eigentümergemeinschaft.
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In der Eigentümerversammlung vom 23.11.2022 fassten die Eigentümer unter TOP 8 mehrheitlich nachfolgenden Beschluss:
„1. Dem Sondereigentümer der Penthouse-Wohnung, 8. OG, Sondereigentumseinheit Nr. 25, Miteigentümers O wird gestattet, auf eigene Kosten durch eine Fachfirma ein Klimagerät an der westlichen Außenwand (Wand zwischen Essbereich und Dachterrasse) anzubringen bzw. anbringen zu lassen. Bei dem Klimagerät handelt es sich um das Fabrikat:
Daikin Perfera FTXM50R/RXM50R Inverter mit einem Leistungsbereich bis maximal 5,5 KW und den Maßen 734 x 870 x 373 mm. Der Schalldruckpegel beim Außengerät beträgt im Kühlbetrieb 48 dB (A) und im Heizbetrieb 49 dB (A). Die Montage des äußeren Splittgeräts erfolgt schwingungsgedämpft auf Dämpfungssockeln zur Körperschallentkoppelung.
Angebracht wird das Gerät an der westlichen Außenwand des Esszimmers zur Dachterrasse. Der genaue Ort der Anbringung ist der Skizze zu entnehmen, die in der Versammlung präsentiert wird und als Anlage zum Protokoll genommen wird. Ebenfalls als Anlage zum Protokoll wird das Datenblatt mit den technischen Daten gegeben; die Anlage ist dort gelb gekennzeichnet.
2. Sollte das näher beschriebene Klimagerät zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr lieferbar sein, gilt die Gestattung auch für ein technisch gleichwertiges Gerät, vorausgesetzt, der Schalldruckpegel des unter Ziffer 1 näher beschriebenen Geräts wird nicht überschritten und die Anbringung erfolgt an gleicher Stelle und unter Annahme der gleichen Maße.
3. Für die Montage wird eine Kernbohrung von max. 60 mm durch die Außenwand benötigt.
Anfallendes Kondenswasser wird fachgerecht aufgefangen und über die vorhandene Entwässerung abgeleitet.
4. Sollte das Klimagerät nicht mehr benötigt werden, verpflichtet sich der Sondereigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 25, die vorhandenen Maueröffnungen fachgerecht zu verschließen bzw. verschließen zu lassen. Er verpflichtet sich ebenso, diese Verpflichtung auch seinem Sonderrechtsnachfolger aufzuerlegen.“
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass diese Beschlussfassung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht. Nach Ansicht der Klägerin handelt es sich bei Einbau des Klimageräts um eine bauliche Veränderung des Eigentums im Sinne des § 20 Abs. 1 WEG. Die Klägerin ist der Ansicht, dass hier § 20 Abs. 4 WEG zum Tragen komme. Es handle sich bei dem Bau der Klimaanlage um eine Umgestaltung der Wohnanlage. Durch Anbringung an der Fassade sei der optische Gesamteindruck der Wohnanlage stark verändert und ein Nachahmungseffekt sei zu berücksichtigen.
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Zum anderen werde die Klägerin und andere Eigentümer unbillig benachteiligt. Es steje fest, dass Klimaanlagen neben normalem Schall auch tieffrequente Geräusche, hörbare „Brummtöne“, erzeugen würden. Diese seien deutlich störender als andere gleich laute Geräusche. Diese würden sich auch stärker über das Gebäude verteilen. Absorbtions- und die Dämmungsmaßnahmen würden kaum Wirkung zeigen. In der TA-Lärm sei keine Schädlichkeitsschwelle für tieffrequente Geräusche festgelegt. Tatsächlich seien tieffrequente Geräusche aber gesundheitsschädlich. Die Auswirkung auf den Organismus führe zu körperlichen Stressreaktionen und es komme erschwerend hinzu, dass die Klägerin an Migräne und ihr Lebensgefährte an Tinnitus leide.
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Die von dem Eigentümer vorgelegten Unterlagen würden auch jeweils nur das Innengerät der Klimaanlage betreffen, nicht den Lärm des Außengerätes.
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Die Klägerin stellt daher folgenden Antrag:
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 23.11.2022 (TOP 8/2022)
„1. Dem Sondereigentümer der Penthouse-Wohnung, 8. OG, Sondereigentumseinheit Nr. 25, Miteigentümers Michael Oser, wird gestattet, auf eigene Kosten durch eine Fachfirma ein Klimagerät an der westlichen Außenwand (Wand zwischen Essbereich und Dachterrasse) anzubringen bzw. anbringen zu lassen. Bei dem Klimagerät handelt es sich um das Fabrikat:
Daikin Perfera FTXM50R/RXM50R Inverter mit einem Leistungsbereich bis maximal 5,5 KW und den Maßen 734 x 870 x 373 mm. Der Schalldruckpegel beim Außengerät beträgt im Kühlbetrieb 48 dB (A) und im Heizbetrieb 49 dB (A). Die Montage des äußeren Splittgeräts erfolgt schwingungsgedämpft auf Dämpfungssockeln zur Körperschallentkoppelung.
Angebracht wird das Gerät an der westlichen Außenwand des Esszimmers zur Dachterrasse. Der genaue Ort der Anbringung ist der Skizze zu entnehmen, die in der Versammlung präsentiert wird und als Anlage zum Protokoll genommen wird. Ebenfalls als Anlage zum Protokoll wird das Datenblatt mit den technischen Daten gegeben; die Anlage ist dort gelb gekennzeichnet.
2. Sollte das näher beschriebene Klimagerät zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht mehr lieferbar sein, gilt die Gestattung auch für ein technisch gleichwertiges Gerät, vorausgesetzt, der Schalldruckpegel des unter Ziffer 1 näher beschriebenen Geräts wird nicht überschritten und die Anbringung erfolgt an gleicher Stelle und unter Annahme der gleichen Maße.
3. Für die Montage wird eine Kernbohrung von max. 60 mm durch die Außenwand benötigt.
Anfallendes Kondenswasser wird fachgerecht aufgefangen und über die vorhandene Entwässerung abgeleitet.
4. Sollte das Klimagerät nicht mehr benötigt werden, verpflichtet sich der Sondereigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 25, die vorhandenen Maueröffnungen fachgerecht zu verschließen bzw. verschließen zu lassen. Er verpflichtet sich ebenso, diese Verpflichtung auch seinem Sonderrechtsnachfolger aufzuerlegen.“
wird für ungültig erklärt.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte erklärt, dass das Klimagerät hinter der Brüstung montiert wird, an der Außenwand der Penthouse-Wohnung und, dass dies den Eigentümern in der Versammlung auch skizziert wurde. Eine Sichtbarkeit von außen, sei nicht vorhanden. Damit könne es sich auch nicht um eine grundlegende Umgestaltung der Anlage handeln, da das Gerät überhaupt nicht zu sehen sei. Auch der Nachahmungseffekt sei nicht zu berücksichtigen.
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Eine Überschreitung der TA-Lärm sei nicht gegeben. Die Anlage werde auf einen Dämpfungssockel montiert. Die Geräusche dürften angesichts der vielen Stockwerke zwischen den Wohnungen in der Wohnung der Klägerin nicht mehr hörbar sein. Die Beklagte bestreitet, dass tieffrequente Geräusche zu Belästigungen der Nachbarschaft führen. Der Dämpfungssockel verhindere bereits die Übertragung von Körperschall.
12
Die Vorerkrankungen der Klägerin und ihres Lebensgefährten seien nicht zu berücksichtigen, da das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß an Beeinträchtigungen die Grenze gemäß § 14 Abs. 2 Ziffer 1 WEG bilde.
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Bezüglich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Die Beschlussfassung unter TOP 8 am 23.11.2022 entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.
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1. Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft war gegeben.
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Gemäß § 20 Abs. 1 WEG können bauliche Veränderungen, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinaus gehen, beschlossen werden oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Hier ist die Anbringung und Inbetriebnahme eines Klimasplittgerätes dem Wohnungseigentümer Oser erlaubt worden. Dies stellt unstreitig eine derartige bauliche Veränderung dar Gemäß dem Vortrag der beiden Parteien und dem Inhalt des Beschlusses, ist davon auszugehen, dass die Eigentümer bei ihrer Beschlussfassung eine ausreichende Tatsachengrundlage zur Verfügung hatten.
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2. Diesem Gestattungsbeschluss steht § 20 Abs. 4 WEG nicht entgegen. Danach dürfen bauliche Veränderungen nicht beschlossen und gestattet werden, wenn diese die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen.
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a) Durch die Montage der Klimaanlage an der Penthouse-Wohnung im 8. Stock findet keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage statt. Die im Beschluss festgelegte Stelle ist von außen nicht einsehbar. Für eine grundlegende Umgestaltung müsste die Wohnanlage als ganzes ein neues Gepräge bekommen (Bärmann, WEG, 15 Auflage, 2023, Randnummer 357). Durch ein nicht sichtbares Gerät ist dies nicht denkbar.
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Die allgemeine Nachahmungsgefahr ist hier nicht zu berücksichtigen, da eine derart versteckte Anbringung in anderen Stockwerken nicht möglich sein wird und daher die Vergleichbarkeit fehlt.
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b) Es liegt auch keine unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers im Sinne der Vorschrift§ 20 Abs. 4 WEG vor. Eine solche setzt voraus, dass einem oder mehreren einzelnen Eigentümern ein nicht hinzunehmendes Sonderopfer abverlangt wird. Dabei ist jedoch nicht jeglicher Nachteil ausreichend, sondern nur Nachteile, die bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den Vorteilen aus der baulichen Veränderung einem verständigen Wohnungseigentümer nicht zugemutet werden können (Bärmann, WEG, 15 Auflage, 2023, Randnummer 370). Eine optische Beeinträchtigung der Klägerin durch die Anbringung des Gerätes kommt nicht in Betracht, da dieses nicht sichtbar angebracht wird. Weder von außerhalb des Gebäudes, noch von den Wohnungen der Klägerin ist bei beschlussgerechter Anbringung das Gerät zu sehen.
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Soweit die Klägerin eine Beeinträchtigung durch den Betrieb der Klimaanlage befürchtet, steht diese Beeinträchtigung bislang nicht fest. Sie ist zum einen in ihrem Ausmaß abhängig vom Nutzerverhalten nach der Installation der Klimaanlage. Zum anderen werden hier mögliche Beeinträchtigungen behauptet, bei welchen auch der Gesetzgeber bislang eine Regelung nicht für notwendig erachtet hat. Die Vorschriften der TA-Lärm sind eingehalten. Dies wird von der Klägerseite auch nicht anders behauptet. Soweit die Klägerin behauptet, dass tieffrequente Geräusche entstehen und in ihrer Wohnung, die mehrere Stockwerke entfernt ist, stören würden, handelt es sich lediglich um eine Befürchtung. Insoweit ist die Klägerin durch die Neuregelung des Wohnungseigentumsgesetzes auf Unterlassungs- und Störungsabwehransprüche im Fall der tatsächlichen Beeinträchtigung zu verweisen. Einen Anspruch auf vorbeugende Unterlassung ohne konkrete tatsächliche Beeinträchtigung gibt die Gesetzeslage nicht her. Dieser Umstand führt auch nicht zu einer unbilligen Benachteiligung der Klägerin. Er ergibt sich vielmehr aus der im Wohnungseigentumsrecht neu geschaffenen Möglichkeit, bauliche Veränderungen einfacher zu beschließen und zu gestatten und gilt für alle Arten baulicher Veränderungen gleichermaßen.
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Die Kostenentscheidung erging gemäß § 91 ZPO.
24
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.