Titel:
Deklaratorisches Schuldanerkenntnis, Neubeginn der Verjährung, Verjährungsverzicht, Verjährungsfrist, Verjährung der Gewährleistungsansprüche, Einrede der Verjährung, Nebenabreden, Leistungsbeschreibung, Vorschussanspruch, Anerkenntnis, Überraschende Klausel, Verlängerung der Gewährleistungsfrist, Gewährleistungsfristen, Leistungsverzeichnis, Auslegung von Willenserklärungen, Aussicht auf Erfolg, Darlegungs- und Beweislast, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Erklärung, Erstgericht
Schlagworte:
Berufung, Verjährung, Gewährleistungsfrist, Vertragsauslegung, Nebenabrede, Schuldanerkenntnis, Beweislast
Vorinstanz:
LG Augsburg vom 02.12.2021 – 63 O 547/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 30.05.2023 – 27 U 564/22 Bau
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 16.04.2025 – VII ZR 126/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56608
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 02.12.2021, Az. 063 O 547/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 65.000 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 10.05.2023.
Entscheidungsgründe
1
Das Endurteil des Landgerichts Augsburg entspricht der Sach- und Rechtslage.
2
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
3
2. Die Berufung ist aber offensichtlich unbegründet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das angefochtene Urteil unter Verstoß von § 309 ZPO ergangen ist, zumal sich das angefochtene Urteil auf Rechtsausführungen beschränkt. Insbesondere gebietet dieser Umstand nicht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Insoweit hat der Senat anhand des Beschlusses des Präsidiums des Landgerichts Augsburg vom 17.09.2021 verifiziert, dass Richterin W. zum 01.10.2021 das Landgericht Augsburg verlassen hat.
4
Die rechtliche Argumentation im Ersturteil, mit welcher die Durchsetzbarkeit des mit der Klage geltend gemachten Vorschussanspruchs infolge Verjährung abgelehnt wurde, ist nicht zu beanstanden.
5
Die mit der Berufung erhobenen Rügen verfangen nicht. Zu den Berufungsangriffen ist Folgendes anzumerken:
6
a) Entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung handelt es sich bei der im Streit stehenden Regelung (in Position 0710 des Leistungsverzeichnisses – „Zuschlag zu Positionen 230, 430, 270, 620, 280“: „Gewährleistung für 10 Jahre nach BGB“) unabhängig von deren Standort nicht etwa um eine Leistungsbeschreibung, die gerade nach der von der Berufung zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – VII ZR 73/00 –, Rn. 9, juris) dazu dient, Art und Umfang der vertraglichen Leistungspflicht zu regeln. Ganz im Gegenteil handelt es sich bei der Regelung zur Verlängerung von Gewährleistungsfristen um eine Vertragsklausel im Sinne einer Nebenabrede betreffend die in Bezug genommenen Leistungspositionen 230, 430, 270, 620 und 280. Insbesondere kann auch der in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. März 1987 (BGH, Urteil vom 26. März 1987 – VII ZR 196/86 –, juris = BauR 1987, 445-448) mitnichten entnommen werden, dass es sich bei der sich auf bestimmte Leistungsgegenstände beschränkten Regelung zur Verjährungsfrist um eine Beschaffenheitsvereinbarung handelt. Ganz im Gegenteil befasst sich die Entscheidung mit der Frage, ob die Regelung (als Nebenabrede) eine überraschende Klausel im Sinne des damals geltenden § 3 AGBGB ist.
7
Nach alledem greifen die klägerseits erhobenen Einwände gegen die vom Erstgericht vorgenommene Auslegung nicht.
8
Unabhängig von diesen Erwägungen geht der Senat mit dem Erstgericht davon aus, dass die Klausel „Gewährleistung für 10 Jahre nach BGB“ dahingehend auszulegen ist, dass sich für die in Bezug genommenen Leistungspositionen/ Gewerke die Gewährleistung insgesamt nach den Regelungen im BGB richten soll, jedenfalls aber für sämtliche die Verjährung der Gewährleistungsansprüche betreffenden Aspekte die Regelungen des BGB gelten sollen.
9
Bei der erfolgten Auslegung war sich der Senat dessen bewusst, dass nach §§ 133, 157 BGB bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen ist. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei der Willenserforschung sind aber auch der mit der Absprache verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2010 – VIII ZR 58/09 –, BGHZ 184, 128-137, Rn. 33 m.w.N.). Gerade ausgehend vom Empfängerhorizont ist nichts dafür ersichtlich, weshalb trotz der Vereinbarung einer Gewährleistungsfrist von 10 Jahren „nach BGB“ statt der nach § 13 Nr. 4 Abs. 1. S.1 VOB/ B (2002) regelmäßig geltenden Verjährungsfrist von 4 Jahren die Regelung des § 13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B (2002) zum „Quasi-Neubeginn“ der Verjährung Geltung beanspruchen sollte. Eine entsprechende Auslegung wäre unter dem Aspekt des „Rosinenpickens“ nicht interessengerecht.
10
Im Übrigen steht dem Vorbringen der Klagepartei, die Vertragsgrundlage in Gestalt der VOB/B (2002) stehe in der Vertragssystematik vorrangig vor der Einzelregelung des Leistungsverzeichnisses in Pos. 0710, die Regelung in § 1 Abs. 2 VOB/B (2002) entgegen. So wird in § 1 Abs. 2 Ziff. 1 VOB/B (2002) der Leistungsbeschreibung der Vorrang eingeräumt.
11
b) Entgegen der von der Berufung vertretenen Ansicht hat das Erstgericht ein möglicherweise in dem als K 1 vorgelegten Schreiben vom 09.05.2017 liegendes (tatsächliches) Anerkenntnis i.S. § 212 BGB nicht unberücksichtigt gelassen. Vielmehr ist das Erstgericht in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Recht davon ausgegangen, dass das vorgenannte Schreiben nicht mehr zu einem Neubeginn der Verjährung im Sinne von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB führen konnte, weil der Neubeginn einer bereits abgelaufenen Verjährungsfrist nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2014 – XI ZR 265/13 –, BGHZ 203, 162-174, Rn. 40, so auch Werner/Pastor-Dölle, Der Bauprozess, 17. Auflage 2020 Rn. 2898 m.w.N.).
12
Ausgehend von dem klägerischen Vorbringen (auf S. 4 der Berufungsbegründung), die Beklagtenpartei sei sich im Zeitpunkt der Erklärung mit Schreiben vom 09.05.2017 dessen bewusst gewesen, dass die Gewährleistungsfrist zehn Jahre beträgt – nebst der Anwendbarkeit der Regelung des § 13 Nr. 5 VOB (2002) –, ist von vornherein kein Raum für die Annahme eines Verjährungsverzichts. Wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt, setzt ein etwaiger Verzicht voraus, dass der Schuldner bei Abgabe seiner Erklärung bzw. Vornahme der Nachbesserung wusste oder es jedenfalls für möglich hielt, dass die Verjährungsfrist abgelaufen und Verjährung daher eingetreten ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2014 – XI ZR 265/13 –, BGHZ 203, 162174, Rn. 42).
13
Auch aus der in der Berufungsbegründung auf S. 3 in Fußnote 4 in Bezug genommenen Fundstelle aus Werner/Pastor-Werner, Der Bauprozess, 17. Auflage, Rn 2520 lässt sich ein (unverjährter) klägerischer Anspruch nicht herleiten. Für die Annahme eines dahin zielenden deklaratorischen Schuldanerkenntnisses ist vorliegend kein Raum. So ist nichts dafür ersichtlich, dass konkrete Umstände besonderen Anlass für eine Bestätigung gaben, insbesondere nicht Streit oder subjektive Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder andere rechtserhebliche Punkte (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1976 – IV ZR 222/74 –, BGHZ 66, 250-261, Rn. 17). Entsprechendes liegt bereits anhand des Wortlauts der Erklärung fern. Weiter ist kein Raum für die Annahme, dass die Parteien vorliegend mit einem etwaigen deklaratorischen Schuldanerkenntnis die Berufung auf die Einrede der Verjährung ausgeschlossen hätte. So hängt die Wirkung des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses vom Inhalt der Vereinbarung ab und ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Entsprechend seinem Zweck schließt es in der Regel Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur für die Zukunft aus, die der Schuldner bei der Abgabe kannte oder mit denen er rechnen musste (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1974 – VII ZR 65/72 –, juris). Hierfür ist – entsprechend der Argumentation zum Nichtvorliegen eines Verzichts – auf der Grundlage der Ausführungen der Klagepartei vorliegend kein Raum, als – wie ausgeführt – die Beklagtenpartei sich demnach im Zeitpunkt der Erklärung mit Schreiben vom 09.05.2017 dessen bewusst gewesen sei, dass die Gewährleistungsfrist zehn Jahre beträgt nebst der Anwendbarkeit der Regelung des § 13 Nr. 5 VOB (2002) zum „Quasi-Neubeginn“ der Verjährung.
14
Nicht zuletzt ist in der in Bezug genommen Fundstelle (Werner/ PastorWerner, Der Bauprozess, 17. Auflage, Rn. 2520) die Rede davon, dass aus einer „Zusage“ zur Mängelbeseitigung kein selbständiger Anspruch hergeleitet werden kann, wenn der Unternehmer nicht schon ohnehin für die Kosten des eingetretenen Schadens haftet. Allein vor diesem Hintergrund sind die weitergehenden Ausführungen in der zitierten Kommentarstelle zur Umkehr der Beweislast (betreffend das Vorliegen einer mangelhaften Werkleistung) zu verstehen. So entbehren auch die hierauf gestützten Ausführungen in der Berufungsbegründung unter Ziff. 2.3 zur Umkehr der Beweislast dahingehend, die Klagepartei sei darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass kein Anerkenntnis, sondern nur eine Mangelbeseitigung aus Kulanzgründen vorgelegen habe, der Grundlage. Insoweit verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen, dass jede Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass der Tatbestand der ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt ist (vgl. Thomas/Putzo-Seiler, 43. Auflage 2023 Vorb § 284 BGB Rz. 23 m.w.N.).
15
Aus den dargelegten Gründen hat die Berufung unter keinem Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg. Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
16
Nach Sachlage empfiehlt es sich, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen o. g. Frist zu prüfen. Im Falle einer Rücknahme ermäßigt sich gemäß Nr. 1222 S. 2 KV zum GKG die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen von 4,0 auf 2,0.