Titel:
Vorkaufssatzung, In-Betracht-Ziehen städtebaulicher Maßnahmen, Mindestmaß an Konkretisierung der Planvorstellungen
Normenkette:
BauGB § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Schlagworte:
Vorkaufssatzung, In-Betracht-Ziehen städtebaulicher Maßnahmen, Mindestmaß an Konkretisierung der Planvorstellungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56485
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 15. März 2021 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 15. März 2021, mit dem die Beklagte ihr Vorkaufsrecht an dem Grundstück …straße 176, 178, FlNr. 3574/8 der Gemarkung … ausgeübt hat.
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Das vorgenannte Grundstück liegt im Geltungsbereich der Vorkaufssatzung für …- … der Beklagten. Die Vorkaufssatzung wurde am 27. Juni 2018 durch den Stadtrat der Beklagten unter Bezugnahme auf den an demselben Tag gefassten Beschluss zur Erarbeitung eines kooperativen Stadtentwicklungsmodells beschlossen. Im Anschluss wurde die Vorkaufssatzung im Amtsblatt der Beklagten Nr. 19/2018 vom 10. Juli 2018 bekannt gemacht und trat am 11. Juli 2018 in Kraft. Nach § 2 Abs. 1 der Vorkaufssatzung steht der Beklagten im Geltungsbereich der Satzung entsprechend den als Anlage der Vorkaufsrechtssatzung beigefügten Lageplänen ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB an den unbebauten und bebauten Grundstücken zu. Die Satzung gilt für das Gebiet …- …, das im Norden durch die K. Straße, die Bundesautobahn A** und die Stadtgrenze, im Osten durch die Siedlung H. , im Süden durch die Siedlungen L. und F. sowie den Rangierbahnhof München- …, sowie im Westen durch die D. Straße und die Siedlung L. , sogenannte …siedlung, begrenzt wird. Ausgenommen bleibt der Ortskern von … Am 22. Juli 2020 beschloss der Stadtrat der Beklagten für dieses Gebiet die Einleitung vorbereitender Untersuchungen nach § 165 Abs. 4 BauGB für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme anstelle des bisherigen kooperativen Stadtentwicklungsmodells und die Fortgeltung der am 11. Juli 2018 in Kraft getretenen Vorkaufssatzung für …- … mit angepasster Begründung. Im Amtsblatt der Beklagten Nr. 21/2020 vom 30. Juli 2020 wurde die „Bekanntmachung städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach § 165 Abs. 4 Baugesetzbuch hier: Einleitungsbeschluss und Fortgeltung der Vorkaufssatzung für …- …“ veröffentlicht.
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Am 12. Januar 2021 schloss die Klägerin mit der Beigeladenen einen notariellen Kaufvertrag zum Erwerb des Grundstücks FlNr. 3574/8 der Gemarkung …
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Nachdem der Inhalt des zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossenen Kaufvertrags der Beklagten mit Schreiben vom 13. Januar 2021, eingegangen bei der Beklagten am 14. Januar 2021 (s. Bl. 4 der Behördenakte), mitgeteilt worden war, informierte die Beklagte die Klägerin und die Beigeladene, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts geprüft werde und die hierfür geltende zweimonatige Frist ausgeschöpft werden müsse.
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Entsprechend der Sitzungsvorlage Nr. … … beschloss der Kommunalausschuss der Beklagten in der Sitzung vom 11. März 2021, das Vorkaufsrecht bezüglich des streitgegenständlichen Grundstücks auszuüben.
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Mit Bescheid vom 15. März 2021 übte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen das Vorkaufsrecht gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB an dem mit notariellen Kaufvertrag vom 12. Januar 2021 verkauften Grundstück FlNr. 3574/8 aus. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte übe das Vorkaufsrecht zum Wohle der Allgemeinheit aus. Damit werde die Sicherstellung und Durchsetzung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung im Geltungsbereich der Vorkaufssatzung gewährleistet, um künftige Planungsvorhaben basierend auf dem städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb verwirklichen zu können. Eine konkrete Nutzung des gegenständlichen Grundstücks sei zwar noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren, jedoch sei in städtebaulichen Maßnahmegebieten gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB das Wohl der Allgemeinheit regelmäßig zu bejahen, wenn das Grundstück für eine Nutzung für öffentliche Zwecke oder sonstige besondere städtebauliche Zwecke in Betracht komme und die Gemeinde zumindest eine ungefähre Vorstellung entwickelt habe, in welchem Umfang sie voraussichtlich Flächen für die gewünschte städtebauliche Maßnahme benötige. Für das gegenständliche Grundstück bestehe im Rahmen einer großflächigen städtebaulichen Entwicklung ein spezifisches Interesse. Das Grundstück liege in einem Bereich, der sich im derzeitigen Planungsprozess als Fläche zur Sicherung von übergeordneten Grünverbindungen eigne. Von Bedeutung sei insbesondere die großräumige, klimatisch relevante Grün- und Freiraum-Vernetzung der Parkmeile „Drei Seen“ mit dem Stadtrand und weiter zum Olympiapark. Diese diene verschiedenen ökologischen und sozialen Zielen, insbesondere dem Stadtklima, der Biotopvernetzung, der Erholungsflächenvorsorge bzw. der grünen Wegeverbindung und solle in den kommenden Jahren forciert beplant und ausgebaut werden. Diese Maßnahmen würden den Zielvorgaben aus dem Regionalplan und dem Flächennutzungsplan mit integrierter Landschaftsplanung sowie dem Planungszielen der Freiraumkonzeption München 2030 (Parkmeilen) zur Schaffung und Erhaltung attraktiver Naherholungsräume entsprechen. Das gegenständliche Grundstück könne auch für einen Ausbau der Freizeitnutzung am … See genutzt werden. Es würden sich bereits zum großen Teil umliegende Grundstücke im Eigentum der Beklagten befinden, sodass sich durch die Ausübung des Vorkaufsrechts eine Arrondierung ergeben würde. Zur Bejahung des Wohls der Allgemeinheit reiche in der Regel bereits die Annahme, dass die spätere Verwirklichung der in Erwägung gezogenen Maßnahme durch vermehrten Grundbesitz der Gemeinde erleichtert werde. Darüber hinaus sei die Ausübung des Vorkaufsrechts aus Gründen der Beschaffung von Tausch- oder Ersatzland gerechtfertigt, wenn eine Gemeinde im Satzungsgebiet noch nicht über ausreichenden eigenen Grundbesitz verfüge und hierdurch die Umsetzung der städtebaulichen Maßnahme erleichtert werden könne. Im Hinblick auf die voraussichtlichen Flächenbedarfe für eine großflächige städtebauliche Entwicklung im Bereich …- … sei auch ein hoher Bedarf der Beklagten an Flächen in diesem Gebiet absehbar. Das Ausübungsinteresse der Beklagten überwiege daher die Interessen der Beigeladenen und der Klägerin.
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Am ... April 2021 hat die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Klage erhoben.
den Vorkaufsrechtsausübungsbescheid der Beklagten vom 15. März 2021 aufzuheben.
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Zur Begründung führten die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom … Juni 2022 im Wesentlichen aus, der Vorkaufsrechtsausübungsbescheid sei rechtswidrig, da die Ausübung des Vorkaufsrechts an Fehlern leide und damit die Klägerin in ihren Rechten verletze. Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch Bescheid vom 15. März 2021 sei bereits nicht rechtzeitig erfolgt. Nachdem die Beklagte die Mitteilung über den Kaufvertrag am 14. Januar 2021 erhalten habe, habe die Zwei-Monats-Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB a. F. am 15. Januar 2021 begonnen und sei am 15. März 2021 abgelaufen. Zwar habe die Beklagte eine mit „Empfangsbekenntnis und Zustellungsurkunde oder Ersatzzustellung (…) (Art. 5 VwZVG und §§ 208 ff. ZPO)“ überschriebene und von einer nicht bekannten Person unterzeichnete Bestätigung zwischenzeitlich vorgelegt. Danach sei der Ausübungsbescheid am 15. März 2021 um 16:35 Uhr in den Briefkasten der Beigeladenen eingeworfen worden. Dies stelle jedoch keine ordnungsgemäße Zustellung durch die Behörde gemäß Art. 5 VwZVG dar, da es sich bei den Mitarbeitern des von der Beklagten beauftragten Unternehmens gerade nicht um Bedienstete der Beklagten handle. Auch liege weder eine ordnungsgemäße Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde nach Art. 3 VwZVG noch eine Zustellung durch die Post mittels Einschreiben nach Art. 4 VwZVG vor. Gemäß Art. 9 Alt. 2 VwZVG gelte der angefochtene Bescheid daher in dem Zeitpunkt als zugestellt, indem er dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen sei. Von einem tatsächlichen Zugang in diesem Sinne sei erst dann auszugehen, wenn der Empfänger das Dokument tatsächlich in die Hand bekommen habe (VG München, B.v. 13.6.2018 – M 23 E 18.1325 – unter Verweis auf BFH, U.v. 28.7.2015 – VIII R 2/09). Bei einem Einwurf in den Briefkasten um 16:35 Uhr könne allerdings nicht von einem tatsächlichen Zugang noch am 15. März 2021 ausgegangen werden. Zudem bestünden erhebliche Zweifel an der Existenz eines Vorkaufsrechts. Ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 BauGB liege nicht vor, da die Vorkaufssatzung mangels Vorliegens der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage unwirksam sei. Auf Grundlage der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs habe die Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 27. Juni 2018 keine für den Erlass einer Vorkaufssatzung ausreichenden städtebaulichen Maßnahmen in Betracht gezogen. Die im Rahmen des Referentenvortrags in den Normaufstellungsakten formulierten zehn planerischen Ziele für einen rund 880 ha großen Untersuchungsraum seien nicht ausreichend, da es sich dabei lediglich um eine Aufzählung unterschiedlicher städtebaulicher Zielsetzungen handle, die die Beklagte für ihr gesamtes Gemeindegebiet verfolge. Diese Ziele würden letztlich auf jede andere Großstadt zutreffen. Zudem würden sich die Ziele teilweise auch widersprechen (z. B. Schaffung von Wohnsiedlungsflächen und Erhalt landwirtschaftlicher Flächen). Wo die Schwerpunkte der Planung liegen sollten, bleibe völlig offen. Ein Mindestmaß an Konkretisierung einer konkret in Betracht gezogenen städtebaulichen Maßnahme fehle vollständig. Würde man die bloße Angabe solcher allgemeinen Planungsziele für ein 880 ha großes Vorkaufsrechtssatzungsgebiet ausreichen lassen, könnten unzählige Kommunen ihre gesamten Gemeindegebiete oder Teile davon mit Vorkaufssatzungen belegen. Eine solche Vorgehensweise sei jedoch nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt und auch mit dem gesetzlich vorgegebenen Zweck der Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung nicht mehr zu vereinbaren. Sie würde letztlich einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundeigentum darstellen. Somit sei die streitgegenständliche Vorkaufssatzung unwirksam. In der Folge sei auch der streitgegenständliche Ausübungsbescheid vom 15. März 2021 rechtswidrig und aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt dagegen,
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Zur Begründung führte der Bevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 7. Juni 2023 im Wesentlichen aus, das Vorkaufsrecht sei von der Beklagten fristgerecht ausgeübt worden. Da eine förmliche Zustellung des Ausübungsbescheids gesetzlich nicht angeordnet sei, habe die Beklagte zwischen den verschiedenen Zustellungsmöglichkeiten wählen können. Ausweislich des Ausübungsbescheids vom 15. März 2021 habe die Beklagte die Zustellung „Per Boten“ gewählt, mithin die einfache bzw. individuelle Bekanntgabe nach Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG. Dies ergebe sich zudem aus dem Auftragsschreiben der Beklagten vom 15. März 2021 an das beauftragte Unternehmen (Bl. 76 der Behördenakte). Dass dem Boten das Formular „Empfangsbekenntnis“ gemäß Art. 5 VwZVG mitgegeben worden sei, ändere an der Zustellungsform nichts. Dies sei zum Zwecke der Dokumentation und des Nachweises über die rechtzeitige Bekanntgabe des Ausübungsbescheids unter Angabe des Datums und der konkreten Uhrzeit durch den Boten geschehen. Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts setze unabhängig von der jeweiligen Form den Zugang voraus. Zugang bedeute entsprechend § 130 BGB, dass der Verwaltungsakt tatsächlich derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt sei, dass dieser bei gewöhnlichem Verlauf und unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme habe. Nicht erforderlich sei, dass der Adressat das Schriftstück tatsächlich zur Kenntnis genommen habe. Das Einlegen der Sendung in den Briefkasten am 15. März 2021 um 16:35 Uhr sei rechtzeitig erfolgt, da Sendungen, die bis 18:00 Uhr in den Briefkasten eingeworfen würden, noch an diesem Tag zugehen würden. Dies habe der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der Entscheidung vom 15. Oktober 1992 (Vf.117-VI-91) bestätigt und ergebe sich zudem aus der einschlägigen Kommentarliteratur. Die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB sei rechtswirksam erfolgt, insbesondere auf rechtsgültiger Vorkaufsrechtssatzung. Bei der Vorkaufssatzung für …- … sei zunächst geplant gewesen, das Satzungsgebiet mit einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gemäß §§ 165 ff. BauGB zu belegen. Aufgrund der ablehnenden Haltung von Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümern habe der Stadtrat der Beklagten am 13. Juni 2018 bzw. am 27. Juni 2018 beschlossen, anstelle der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ein kooperatives Stadtentwicklungsmodell unter Beteiligung einer Entwicklungsgesellschaft und der betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu prüfen und durchzuführen. Zugleich sei die Satzung über das besondere Vorkaufsrecht gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beschlossen worden. Nachdem die Erwartungen an das kooperative Stadtentwicklungsmodell nicht erfüllt worden seien, habe der Stadtrat der Beklagten mit Beschluss vom 22. Juli 2020 das Verfahren der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gemäß §§ 165 ff. BauGB eingeleitet und die vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 BauGB angeordnet. Gleichzeitig habe der Stadtrat die Fortgeltung der Vorkaufssatzung für …- … unter Anpassung der Begründung beschlossen. Damit sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass die Vorkaufssatzung die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme gemäß §§ 165 BauGB sichere, was wiederum die Satzung legitimiere. Der Begriff der städtebaulichen Maßnahme sei vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst worden. Eine konkrete, in die Einzelheiten gehende Ziel- und Zeitvorstellung über die beabsichtigte Entwicklung des Gebiets sei gerade nicht erforderlich. Die vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 Satz 1 und 2 BauGB würden jedoch konkrete städtebauliche Maßnahmen darstellen, zu deren Sicherung eine Vorkaufssatzung beschlossen werden könne. Aber auch mit den vorbereitenden Untersuchungen seien förmlich konkretisierte Planungsabsichten sowie eine konkrete städtebauliche Maßnahme vorgelegen. Dem Ablauf der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme sei zu entnehmen, dass die Beklagte städtebauliche Maßnahmen für die Entwicklung des Bereichs …- … auch ernsthaft in Betracht gezogen habe. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses habe der Stadtrat der Beklagten sowohl einen bestimmten, räumlich abgegrenzten Teil des Stadtgebiets festgelegt, in dem eine geordnete und funktionsfähige städtebauliche, freiraumplanerische und grünordnerische Entwicklung angestrebt werde. Hierfür habe der Stadtrat zehn konkrete Planungsziele festgelegt. Die Größe des Gebiets von 880 ha sei so gewählt, dass eine sinnvoll miteinander verknüpfte Planung möglich werde, um die dringenden Bedürfnisse, insbesondere nach Wohnraum und der dafür erforderlichen Folgeinfrastruktur unter Berücksichtigung der verkehrlichen, ökologischen, landwirtschaftlichen und freiraumbezogenen Aspekte in entsprechenden Umfang zu decken. Das festgelegte Gebiet stelle das Ergebnis der Flächensuche, nicht die Flächensuche selbst dar. Dem könne nicht entgegengehalten werden, dass die Planung für diese Entwicklungen noch weiter konkretisiert werde. Denn hierbei gehe es um die Prüfung des „Wie“ der Umsetzung und der Suche nach Lösungen, mit der die unterschiedlichen Planungsziele miteinander in Einklang gebracht werden könnten. Vor diesem Hintergrund würden sie sich auch nicht widersprechen. Vielmehr sei wie bei jeder städtebaulichen Planung im Sinne der planerischen Abwägung ein Kompromiss zu finden, mit dem die Planungsziele jeweils bestmöglich erreicht werden könnten. Dieser Blickwinkel verhelfe der Beklagten, eine Vorstellung darüber zu entwickeln, in welchem Umfang sie Flächen für die gewünschte städtebauliche Entwicklung benötigen werde.
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Die Bevollmächtigten der Klägerin traten der Klageerwiderung der Beklagten entgegen und vertieften ihr bisheriges Vorbringen. Ergänzend führten sie im Wesentlichen aus, dass, auch wenn keine förmliche Zustellung eines Vorkaufsrechtsausübungsbescheides vorgeschrieben sei, die Behörde dennoch gemäß Art. 1 Abs. 5 Alt. 2 VwZVG die Zustellung anordnen könne. Die Beklagte habe hier eine förmliche Zustellung auch tatsächlich vornehmen wollen. Dies ergebe sich aus dem Zustellauftrag mit Mail vom 15. März 2021 und dem vorgelegten Zugangsnachweis. Mit der Wahl der Zustellung binde sich die Behörde dahingehend, dass dann auch tatsächlich förmlich zugestellt werden müsse. Es sei dann auch keine Umdeutung mehr in eine Bekanntmachung möglich, wenn dem Ausführenden der Zustellung ein Fehler unterlaufe. Unabhängig davon, sei die streitgegenständliche Vorkaufsrechtssatzung unwirksam. Daran würden auch die am 8./22. Juli 2020 gefassten Beschlüsse, insbesondere die Einleitung der vorbereitenden Untersuchungen gemäß § 165 Abs. 4 Satz 1 und 2 BauGB, nichts ändern. Es sei dadurch keine neue Vorkaufsrechtssatzung erlassen worden, auf welche die Vorkaufsrechtsausübung hätte gestützt werden können. Die vom Stadtrat beschlossene „Fortgeltung“ der Vorkaufsrechtssatzung aus dem Jahr 2018 mit geänderter Begründung stelle keinen für einen Neuerlass oder eine Änderung der Vorkaufsrechtssatzung erforderlichen Satzungsbeschluss dar. Da die Vorkaufsrechtssatzung nunmehr auf eine neue städtebauliche Maßnahme gestützt und zudem die Begründung in wesentlichen Punkte geändert worden sei, hätte es aber eines neuen Satzungsbeschlusses für die geänderte/neue Satzung bedurft. Es fehle auch an einer Bekanntmachung der geänderten/neuen Vorkaufsrechtssatzung, da die Bekanntmachung des Fortgeltungsbeschlusses im Amtsblatt Nr. 21/2020 nicht der Bekanntmachungssatzung der Beklagten entspreche. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, ob die Beklagte in ausreichender Art und Weise städtebauliche Maßnahmen in Betracht gezogen habe, sei somit der Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 27. Juni 2018. Zu diesem Zeitpunkt seien die von der Rechtsprechung an das In-Betracht-Ziehen von städtebaulichen Maßnahmen gestellten Voraussetzungen allerdings nicht gegeben gewesen. Der Planung habe zum damaligen Zeitpunkt auch wegen der gewaltigen Größe des Planungsgebiets das von der Rechtsprechung geforderte Minimum an Konkretisierung gefehlt.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Die Verwaltungsstreitsache ist am 28. Juni 2023 mündlich verhandelt worden. Dabei haben die Beteiligten die schriftsätzlich angekündigten Anträge gestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
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Der Bescheid vom 15. März 2021, mit dem die Beklagte ihr Vorkaufsrecht an dem streitgegenständlichen Grundstück ausgeübt hat, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Aufgrund der Unwirksamkeit der Vorkaufssatzung für …- … vom 11. Juli 2018 besteht bereits kein Vorkaufsrecht der Beklagten. Ob die Beklagte das Vorkaufsrecht rechtzeitig ausgeübt hat, kann daher dahinstehen.
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Die Vorkaufssatzung für …- … vom 11. Juli 2018 kann nicht auf die Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gestützt werden, weil die dort genannten Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Es fehlt an einem In-Betracht-Ziehen städtebaulicher Maßnahmen im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, weil die Planungsvorstellungen der Beklagten im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht hinreichend konkret gewesen sind. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Geltungsbereich der Vorkaufssatzung einen Umgriff von 880 ha aufweist.
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Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann eine Gemeinde in Gebieten, in denen sie städtebauliche Maßnahmen in Betracht zieht, zur Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung durch Satzung Flächen bezeichnen, an denen ihr ein Vorkaufsrecht an den Grundstücken zusteht. Der Begriff der städtebaulichen Maßnahme ist vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst worden (BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 4 B 43.09 – juris Rn. 9). Die Regelung stellt an den Erlass einer Vorkaufssatzung daher grundsätzlich eher geringe Anforderungen (BVerwG, B.v. 14.4.1994 – 4 B 70.94 – juris Rn. 5; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2023, § 25 Rn. 12). Als städtebauliche Maßnahme sind daher zunächst alle Maßnahmen/Schritte eines Vorhabens anzuerkennen, die einen städtebaulichen Bezug aufweisen und der Gemeinde dazu dienen, ihre Planungsvorstellungen zu verwirklichen (BVerwG, B.v. 14.4.1994 a.a.O.; B.v. 8.9.2009 – 4 BN 38.09 – juris Rn. 4; B.v. 15.2.2000 – 4 B 10.00 – juris Rn. 7). Eine solche, durch die Vorkaufssatzung zu sichernde städtebauliche Maßnahme wird aber erst im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB „in Betracht gezogen“, wenn ernsthafte Anhaltspunkte für die Absicht der Gemeinde vorhanden sind, dass sie bestimmte städtebauliche Maßnahmen ergreifen wird (BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 18 m.w.N.). Da über § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB einerseits der Gemeinde ermöglicht werden soll, durch eine an städtebaulichen Interessen orientierte Bodenvorratspolitik schon frühzeitig eine langfristig geordnete Planung und Entwicklung zu sichern, andererseits aber dieser kein Instrument an die Hand gegeben werden soll, um Grundstücke zu erwerben, die zur Umsetzung der von ihr betriebenen Bauleitplanung ersichtlich nicht benötigt werden (vgl. BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 18 m.w.N.), ist zur Erfüllung des Tatbestands der Ermächtigungsnorm ein Minimum an Konkretisierung der Planung ausreichend, aber auch erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.2011 – 1 N 08.1692 – juris Rn. 20 ff.; OVG NRW, U.v. 19.4.2010 – 7 A 1041/08 – juris Rn. 82). Die gebietsbezogenen Planungsziele müssen hierfür objektiv in groben Umrissen sichtbar sein. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB verlangt nicht in jedem Fall eine substantiierte, in die Einzelheiten gehende Ziel- und Zeitvorstellung über die beabsichtigte Entwicklung des Gebiets (BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 18 m.w.N.). Wie konkret die in Betracht zu ziehenden städtebaulichen Maßnahmen bezeichnet werden müssen, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (BVerwG, B.v. 8.9.2009 – 4 BN 38.09 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 24.2.2010 – 1 ZB 08.3231 – juris Rn. 31). Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB müssen allerdings auch und gerade für das festgesetzte Satzungsgebiet erfüllt sein, d.h. die planende Gemeinde muss städtebauliche Maßnahmen gerade auch bezogen auf das gesamte betroffene Planungsgebiet konkret in Betracht gezogen haben (BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 19; B.v. 6.4.2011 – 15 ZB 09.2047 – juris Rn. 12).
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Im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.2011 – 1 N 08.1692 – juris Rn. 20, 21) bestanden keine hinreichend konkret von der Beklagten in Betracht gezogenen städtebaulichen Maßnahmen. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung des Stadtrats der Beklagten am 27. Juni 2018 über die Vorkaufssatzung für …- … im Zusammenhang mit dem kooperativen Stadtentwicklungsmodell und nicht auf die Beschlussfassung am 22. Juli 2020 im Zusammenhang mit der Einleitung städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen nach § 165 Abs. 4 BauGB abzustellen. Zwar hat der Stadtrat der Beklagten am 22. Juli 2020 neben der Einleitung städtebaulicher Entwicklungsmaßnahmen nach § 165 Abs. 4 BauGB auch die Fortgeltung der am 27. Juni 2018 beschlossenen und am 11. Juli 2018 in Kraft getretenen Vorkaufssatzung beschlossen. Um die Vorkaufssatzung wirksam auf eine andere städtebauliche Maßnahme, nämlich auf eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme nach § 165 Abs. 4 BauGB anstelle des bisherigen kooperativen Stadtentwicklungsmodells stützen zu können, hätte die Vorkaufssatzung neu erlassen und in Kraft gesetzt werden müssen. Unabhängig davon, ob die Beschlussfassung des Stadtrats der Beklagten über die Fortgeltung der am 11. Juli 2018 in Kraft getretenen Vorkaufssatzung hierfür ausreichend war, hätte es jedenfalls nach § 25 Abs. 1 Satz 4, § 16 Abs. 2, § 10 Abs. 3 Satz 2 bis 5 BauGB einer ortsüblichen Bekanntmachung der Vorkaufssatzung, die nunmehr der Sicherung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach § 165 Abs. 4 BauGB dienen soll, bedurft. Hieran fehlt es. Für die ortsübliche Bekanntmachung ist erforderlich, dass entweder die Vorkaufssatzung insgesamt bekannt gemacht wird (§ 16 Abs. 2 Satz 1 BauGB) oder im Wege der Ersatzverkündung bekannt gemacht wird, dass die Gemeinde eine Vorkaufssatzung beschlossen hat. Bei der Ersatzverkündung muss die Gemeinde die Satzung zu jedermanns Einsicht bereithalten und über den Inhalt auf Verlangen Auskunft geben. In der Bekanntmachung ist dann darauf hinzuweisen, wo die Satzung eingesehen werden kann (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Februar 2023, § 25 Rn. 23a-24). Hier wurde in der Bekanntmachung im Amtsblatt der Beklagten Nr. 21/2020 lediglich über die Fortgeltung der am 11. Juli 2018 in Kraft getretenen Vorkaufssatzung für …- … informiert, ohne den Satzungstext abzudrucken oder auf die Möglichkeit der Einsichtnahme hinzuweisen. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bekanntmachung.
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Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 27. Juni 2018 lag der Vorkaufssatzung nach der Sitzungsvorlage Nr. … … das kooperative Stadtentwicklungsmodell für …- … unter Beteiligung einer Entwicklungsgesellschaft und der betroffenen Eigentümer und Eigentümerinnen zugrunde. Das kooperative Stadtentwicklungsmodell für …- … solle anstelle einer formellen städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme gemäß §§ 165 ff. BauGB ein Verfahren für großflächige Entwicklungen erarbeiten. Ziel der Maßnahme sei die Schaffung von verträglichen Siedlungsstrukturen im Gebiet …- … Mit der Verkaufsatzung solle vermieden werden, dass die spätere Umsetzung der Planungen durch maßgebliche Veränderungen in der heutigen Eigentümerstruktur erschwert werde (s. S. 14 f. der Sitzungsvorlage Nr. … …*).
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Dass es sich bei dem kooperativen Stadtentwicklungsmodell um informelle Planungen handelt, ist unschädlich. Denn die Planungsvorstellungen müssen nicht notwendig in einem förmlichen Verfahren entwickelt worden sein. Es kommen alle Arten städtebaulicher Planungen unabhängig von ihrer Rechtsqualität in Betracht und somit auch informelle Planungen. Dazu gehören etwa Rahmenplanungen (vgl. § 140 Nr. 4 BauGB), Entwicklungsplanungen und -konzepte sowie alle sonstigen von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Planungen im Sinn von § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB (vgl. BT-Drs. 10/4630, S. 83; BayVGH, B.v. 24.2.2010 – 1 ZB 08.3231 – juris Rn. 29; U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 19).
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Es fehlt jedoch gerade auch im Hinblick auf den Geltungsbereich der Vorkaufssatzung an einer hinreichend konkreten Planung. Zwar sind in der Sitzungsvorlage Nr. … … folgende zehn planerische Ziele aufgeführt (s. S. 12 der Sitzungsvorlage Nr. … …*):
- „Entwicklung eines übergeordneten räumlichen und funktionalen Gesamtbildes
- Schaffung von Wohnungssiedlungsflächen, insbesondere auch für unterschiedliche Einkommensgruppen, um die Versorgung mit qualitätsvollem Wohnraum gewährleisten zu können
- Ausbau und Verbesserung der bestehenden Verkehrsinfrastruktur sowie erforderliche Schaffung von neuen leistungsfähigen Verkehrsträgern, insbesondere einer geeigneten, barrierefreien und zukunftsfähigen verkehrlichen Erschließung mit dem ÖPNV und für den MIV
- Erschließung neuer Gewerbeflächen, um die gewerbliche Entwicklung weiter gewährleisten zu können
- Schaffung von sozialer und kultureller Infrastruktur einerseits, um die Bedarfe aus der Planung abzudecken und andererseits um Defizite im Bestand auszugleichen
- Erhalt von landwirtschaftlichen Flächen und gartenbaulichen Strukturen für die tägliche Münchner Nahversorgung mit regionalen Produkten
- Erhalt und Schaffung attraktiver Naherholungsräume gemäß dem Konzeptgutachten Freiraum München 2030 mit lokaler, stadtweiter und auch interkommunaler Bedeutung
- Sicherstellung eines qualifizierten Umgangs mit der großräumig wahrnehmbaren Niedermoorlandschaft und mit bestehenden Schutzgebieten und Biotopflächen sowie weiträumige Sicherung und Entwicklung des Landschaftsverbundes nördlich F. und der Siedlung H.
- Berücksichtigung der Aspekte klimafreundlicher und energieeffizienter Stadtentwicklung
- Abstimmung der Planung über die Stadtgrenzen hinweg und gegebenenfalls Herausarbeiten gemeinsamer Handlungsfelder“
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Diese genannten planerischen Ziele genügen in dieser Abstraktheit aber nicht für ein gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB sicherungsfähiges In-Betracht-Ziehen städtebaulicher Maßnahmen. Hieraus ergeben sich allenfalls allgemeine Erwägungen, die sich letztlich auf jedes beliebige, am Stadtrand gelegene Gebiet übertragen ließen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses hinreichend konkrete Vorstellungen der Beklagten zum voraussichtlichen Flächenbedarf geplanter Maßnahmen vorlagen, um einen Geltungsbereich der Vorkaufssatzung von 880 ha zu rechtfertigen.
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Soweit eine Vorkaufssatzung nicht der Sicherung einer förmlichen Planung (z.B. der Flächennutzungsplanung) dient – wie hier – und ihr Geltungsbereich mehrere tausend Quadratmeter umfasst – hier 880 ha – ist für ein In-Betracht-Ziehen einer städtebaulichen Maßnahme im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zu fordern, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses zumindest eine ungefähre Vorstellung entwickelt hat, in welchem Umfang sie voraussichtlich Flächen für die gewünschte städtebauliche Maßnahme benötigen wird. Denn nur in diesem Fall kann sich die Absicht zur Durchführung einer städtebaulichen Maßnahme in einem Maße verdichtet und konkretisiert haben, dass bei vernünftiger Betrachtung der Grunderwerb zur Sicherung der für die Entwicklung benötigten Fläche sinnvollerweise eingeleitet werden darf (BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 20).
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Zwar geht der 880 ha große Geltungsbereich der Vorkaufssatzung auf Voruntersuchungen im Rahmen des durch Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 20. Juli 2016 bei der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenen integrierten Strukturkonzepts für den Münchner Norden zurück (s. S. 9 der Sitzungsvorlage Nr. … …*). Hierzu wurden von einer referatsinternen, interdisziplinären Arbeitsgruppe alle laufenden und zukünftigen Planungen in einer Flächenkulisse zusammengetragen, gemeinsame Untersuchungen des Raumes vorgenommen sowie die Sozial- und Siedlungsstruktur ausgewertet. Im Ergebnis wurde ein 880 ha großes Gebiet zur vertieften Untersuchung empfohlen, das nun dem Geltungsbereich der Verkaufssatzung entspricht. Im Hinblick auf den 880 ha großen Umgriff bleiben die formulierten Planungsziele im Rahmen des kooperativen Stadtentwicklungsmodells aber viel zu vage und abstrakt. Auch wenn die Einzelheiten der städtebaulichen Maßnahme noch nicht feststehen müssen, z.B. welche Nutzungen auf einzelnen Flächen erwogen werden, verlangt das Inbetrachtziehen aber eine ungefähre Vorstellung mit einem Minimum an Konkretisierung der Maßnahme, damit erkennbar ist, welche Nutzung in dem Gebiet erwogen wird und zu welchem Sicherungszweck das Vorkaufsrecht eingesetzt wird (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 25 Rn. 18). Hier bleibt völlig unklar, welches planerische Ziel in welchen Bereichen des 880 ha großen Satzungsgebiets verfolgt wird. Nach der Darstellung des geplanten mehrstufigen Verfahrens in der Sitzungsvorlage Nr. … … (S. 13) soll zunächst zu den unterschiedlichen Belangen wie z. B. Verkehr, Landschaft, Landwirtschaft, Siedlungsentwicklung und Infrastrukturbedarfe Bestandserhebungen angestellt werden. Dies umfasse neben planerischen Aspekten wie Landschaft, Baustruktur, Verkehr oder Grundwasser auch rechtliche und wirtschaftliche Aspekte. Aufgrund der vorhandenen landwirtschaftlichen Struktur im Gebiet empfehle sich die Durchführung eines agrarstrukturellen Gutachtens. Auf dieser Basis soll dann in einer „Strukturskizze“ ermittelt werden, welche Bereiche innerhalb des Umgriffs für eine Siedlungs- oder Landschaftsentwicklung infrage kommen würden und wie diese Flächen grundsätzlich erschlossen seien. Es sei davon auszugehen, dass innerhalb des großzügig bemessenen Umgriffs nur ein gewisser Anteil für eine Bebauung infrage komme. Anschließend würden diese Untersuchungen in Form einer technischen Machbarkeitsstudie weiter ausgearbeitet und im Anschluss in einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung bewertet. Auf dieser Grundlage sollen dann die konkreten Rahmenbedingungen für das kooperative Stadtentwicklungsmodell für …- … ausgearbeitet und dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden. Hieraus wird deutlich, dass die Beklagte im relevanten Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses keine hinreichend konkrete Vorstellung entwickelt hatte, in welcher Art und Weise sowie in welchem ungefähren flächenbezogenen Umfang im betroffenen Bereich städtebauliche Maßnahmen für die Verwirklichung der planerischen Ziele umgesetzt werden sollten.
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Dies ist mit dem gesetzlich vorgegebenen Zweck einer Vorkaufsrechtssatzung nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB, die der „Sicherung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung“ dienen soll, nicht zu vereinbaren und würde letztlich einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundeigentum bedeuten. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Instrument des Vorkaufsrechts nicht als Mittel einer allgemeinen Bodenbevorratung vorgesehen ist (BVerwG, B.v. 15.2.2000 – 4 B 10.00 – juris Rn. 7). Es muss eine ausgewogene Relation zwischen einerseits der Planung und den hierfür in Betracht kommenden städtebaulichen Maßnahmen und andererseits dem Umfang der Flächen, für die das Satzungsvorkaufsrecht vorgesehen ist, bestehen (BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 21 m.w.N.). Vom Sicherungszweck und daher von § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht abgedeckt ist, ohne nähere Planungsvorstellungen zunächst einmal durch Begründung und anschließende Ausübung von Vorkaufsrechten über einen Zeitraum vieler Jahre einen Grundstock an Flächen zu erwerben, um erst dann – nach Maßgabe des Umfangs und des Zuschnitts der ggf. tatsächlich erworbenen Grundstücke – die eigentliche Planung städtebaulicher Maßnahmen im Ansatz zu beginnen (BayVGH, U.v. 17.9.2018 – 15 N 17.698 – juris Rn. 21).
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Aufgrund der oben genannten Umstände ist hier eine hinreichend konkrete Planung nicht ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei Erlass der streitgegenständlichen Vorkaufssatzung die Bodenbeschaffung im Vordergrund stand, um ggf. über Vorkaufsfälle zunächst sukzessive Teilflächen des Satzungsgebiets zu erwerben und erst im Anschluss – also nach bereits erfolgtem Erwerb bestimmter (Teil-) Flächen im Wege der Vorkaufsrechtsausübung – in eine konkretere Planung einzusteigen. Dies genügt aber den Anforderungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht.
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Die Vorkaufssatzung für …- … ist damit nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB gedeckt und unwirksam. In der Folge ist die Ausübung des Vorkaufsrechts mit Bescheid vom 15. März 2021 rechtswidrig und der Bescheid vom 15. März 2021 aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren der Beklagten nicht aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.