Titel:
Elektronisches Dokument, Willenserklärungen, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Auszahlungsansprüche, Elektronischer Rechtsverkehr, Streitwertfestsetzung, Objektiver Empfängerhorizont, Zinsanspruch, Wert des Beschwerdegegenstandes, Buchungsbestätigung, Pauschalreisevertrag, Kostenentscheidung, Basiszinssatz, Anderweitige Erledigung, Qualifizierte elektronische Signatur, Klageabweisung, Formlose Mitteilung, Aufgabe zur Post, Internetseite, Vorbehaltszahlung
Schlagworte:
Rückzahlungsanspruch, Leistungskondiktion, Rechtsbindungswille, Invitatio ad offerendum, Buchungsprozess, Willenserklärung, Vertragsabschluss
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56288
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.692,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.02.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 2.692,30 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über einen Rückzahlungsanspruch aus einem Pauschalreisevertrag.
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Die Beklagte erbringt Reiseleistungen. Sie bietet die Buchung dieser Reisen unter anderem über die Internetseite www.lastminute.de an. Dies ist eine Internetseite über die online Reisen gebucht werden können. Die Klägerin besuchte am 10. November 2021 besagte Internetseite, um nach Reisemöglichkeiten für den Zeitraum vom 06. Dezember 2021 bis 13. Dezember 2021 zu suchen. Unter den angezeigten Suchergebnissen befand sich auch eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die erforderlichen Personendaten von sich und ihrem Mitreisenden in die Maske ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.
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Anschließend wurde sie auf eine Internetseite weitergeleitet, die neben dem Text „Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise nach § 651 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Weiterführende Information zu Ihren wichtigsten Rechten nach der Richtlinie (EU) 2015/2302.“ außerdem den Text enthielt „Ich stimme gemäß Abschnitt 3. F der Datenschutzbestimmungen zu, personalisierte Angebote bezüglich der von der … oder seinen Partnern angebotenen Dienstleistungen zu erhalten. Diese Angebote werden durch die Erstellung eines Profils und die automatische Verarbeitung meiner Daten personalisiert, um relevanter für mich zu sein. Ich kann sie per Post, E-Mail, SMS, Telefon oder Online-Anzeigen erhalten.“ Darunter befand sich in einem farblich abgesetzten Kasten folgender Text: „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB der …, die AGB des Veranstalters und die Datenschutzbestimmungen der … GmbH. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Darunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Klägerin klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Internetseite.
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Noch am selben Abend schickte die Beklagte der Klägerin eine Buchungsbestätigung einer Reise nach Dubai für den Zeitraum vom 06. Dezember 2021 bis 13. Dezember 2021 zum Preis von insgesamt 2.834,- € und forderte die Klägerin zu Zahlung auf. Die Klägerin verweigerte die Zahlung. Am 02. Dezember 2021 stornierte die Beklagte deshalb die Reise und übersandte der Klägerin eine Stornierungsbestätigung, in der sie eine Stornierungsgebühr in Höhe von 95 % des Reisepreises forderte. Die Klägerin zahlte schließlich am 17. Januar 2022 die Stornierungsgebühr in Höhe von 2.692,30 € an die Beklagte unter Vorbehalt.
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Die Klägerin meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten durch das Klicken auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ zustande gekommen. Denn die Gestaltung der Internetseite genüge nicht den Anforderungen des § 312 j III BGB.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.692,30 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte meint, zwischen den Parteien sei ein wirksamer Vertrag geschlossen worden. Insbesondere genüge die Internetseite den Anforderungen des § 312 j III BGB.
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Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 2022 der … GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer … und … Straße, … München, den Streit verkündet mit der Aufforderung dem Rechtsstreit auf seiten der Beklagten beizutreten. Dieses Schreiben wurde der … GmbH am 18. Juli 2022 zugestellt.
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Im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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1.1. Die Klägerin hat gegen die Beklagtenpartei einen Anspruch auf Rückzahlung der 2.692,30 € aus § 812 I S. 1 Alt. 1 BGB, da die Klägerin etwas erlangt hat (a), durch Leistung der Klägerin (b), ohne rechtlichen Grund (c).
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a. Die Beklagte hat einen Auszahlungsanspruch gegen die Bank in Höhe von 2.692,30 € erlangt.
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b. Dies geschah auch durch Leistung der Klägerin. Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Maßgeblich ist dabei die Sicht des Leistungsempfängers. Die Klägerin hat die Zahlung an die Beklagte geleistet, um eine vermeintliche Verpflichtung aus dem Pauschalreisevertrag mit der Beklagten zu erfüllen.
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c. Die Leistung erfolgte allerdings ohne rechtlichen Grund nach § 8121 S. 1 Alt. 1 BGB. Denn zwischen den Parteien wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651 a I BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrages bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen, Angebot, § 145 BGB, und Annahme, § 147 BGB.
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aa. Ein Angebot im Sinne des § 145 BGB ist hier nicht schon im Bereitstellen der Suchmaske zu sehen. Der Beklagten fehlt es hierbei an einem Rechtsbindungswillen. Denn durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB, ist zu ermitteln, wie ein objektiver Dritter in der Person des Erklärungsempfängers die Aussage vernünftigerweise verstehen darf. Danach ist abzulehnen, dass die Suchmaske eine Willenserklärung in Form eines Angebots nach § 145 BGB darstellt. Denn unter Beachtung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit könnten die Interessen der Beklagten so schwerlich gewahrt werden, da sie keine Möglichkeit hätte die Annahme von Angeboten von beispielsweise zahlungsschwachen Vertragspartnern zu verhindern. Daher kann in dem zu Verfügung stellen der Suchmaske lediglich eine invitatio ad offerendum gesehen werden.
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bb. Weiter liegt kein Angebot seitens der Beklagten in dem zur Verfügung stellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ nach § 145 BGB. Unstreitig hat die Klägerin auf diesen Button geklickt. Allerdings genügt die Gestaltung der Internetseite der Beklagten vor Bestellabschluss nicht den Anforderungen des § 312 j III BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrages hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet. Außerdem ist der Text „Mit Klick auf Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB der … GmbH, die AGB des Veranstalters und die Datenschutzbestimmungen der … GmbH. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ irreführend. Denn durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB, ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“-Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten sowie den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise, sowie eine Preisangabe.
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cc. Ein Angebot der Beklagten nach § 145 BGB liegt allerdings in der per E-Mail übersandten Buchungsbestätigung vom 10. November 2021, die der Klägerin unstreitig zuging, § 130 I BGB. Allerdings hat die Klägerin dieses Angebot nicht angenommen, § 147 BGB. Denn das Schweigen der Klägerin bis zum 06. Dezember 2021 ist ein rechtliches Nullum. Diesem liegt kein Erklärungsgehalt zugrunde und kann daher nicht als Annahme im Sinne des § 147 BGB gesehen werden. Zudem kann die E-Mail der Klägerin an die Beklagte vom 06. Dezember 2021, in der sie erklärt, keine Reise gebucht zu haben, nach dem objektiven Empfängerhorizont als Ablehnung des Angebots der Beklagten ausgelegt werden, §§ 133, 157 BGB. Diese E-Mail ging der Beklagten unstreitig zu, § 130 I BGB.
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Ein Vertrag nach § 651 a I BGB wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen, §§ 145, 147 BGB. Der Anspruch ist auch nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen, da die Klagepartei den Reisepreis unter Vorbehalt zahlte.
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2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB seit dem 22.02.2022, § 1871 BGB. Der Zinssatz beträgt fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gemäß § 288 I S. 2 BGB.
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Die Kostenentscheidung erging aufgrund § 91 I 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 2 BGB. Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 3 ZPO.