Titel:
Besorgnis der Befangenheit, Abgelehnter Richter, Dienstliche Stellungnahme, Ablehnungsgesuch, Aktivlegitimation, Sofortige Beschwerde, Einrede der Verjährung, Verjährung des Anspruchs, gerichtlicher Vergleichsvorschlag, Landgerichte, Vorsitzender Richter, Schriftsätze, mündlich Verhandlung, Ablehnungsrecht, Streithelfer, Beschwerdegericht, Letzte mündliche Verhandlung, Dienstliche Äußerung, Sachverständigengutachten, Richterlicher Hinweis
Schlagworte:
Befangenheitsantrag, Verfahrensführung, richterliche Unabhängigkeit, Vergleichsvorschlag, Ablehnungsgründe, dienstliche Stellungnahme, Besorgnis der Befangenheit
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 14.10.2022 – 8 O 22966/15
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 03.03.2025 – 1 BvR 750/23, 1 BvR 763/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56034
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 27.10.2022 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 14.10.2022, Az. 8 O 22966/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe auf Beklagtenseite im Beschwerdeverfahren.
Gründe
1
Die Klägerin verfolgt im Beschwerdeverfahren ihre in erster Instanz erfolglosen Ablehnungsanträge gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht … und Richter … weiter.
2
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus Werkvertrag wegen mangelhafter Nacherfüllung bezüglich des Austausches der Isolierverglasung der … in … geltend.
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Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen …. Mit Verfügung vom 22.05.2020 wurde den Parteien mitgeteilt, dass nach Wechsel im Vorsitz der 8. Baukammer Vorsitzende Richterin am Landgericht … zuständig sei. In der mündlichen Verhandlung am 26.08.2020 wurde der Sachverständige … mündlich angehört. Noch im Termin zog das Landgericht ein Fazit und machte Vorschläge für das weitere Vorgehen.
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Mit Verfügung vom 28.06.2021 regte die Vorsitzende Richterin am Landgericht … eine einvernehmliche Lösung des Rechtsstreits an und ersuchte die Parteien für den Fall, dass dies nicht möglich sein sollte, die derzeitigen Streitschwerpunkte mitzuteilen und dazu abschließende Beweisanträge zu stellen.
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Mit Schriftsatz vom 08.10.2021 zeigte die Klägerin einen Parteiwechsel auf Klägerseite an.
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Die Vorsitzende Richterin am Landgericht … führte als beauftragte Richterin am 23.03.2022 eine mündliche Verhandlung durch, in der die Sach- und Rechtslage sowie eine einvernehmliche Lösung des Rechtsstreits erörtert wurden, auf die Überlastung der Kammer und die Unmöglichkeit, in den nächsten 6 Monaten einen umfangreichen Beweisbeschluss zu erlassen hingewiesen wurde, den Parteien ein Vergleichsvorschlag unterbreitet wurde und zur Förderung einer vergleichsweisen Lösung Termin zu einer neuen Güteverhandlung am 20.07.2022 anberaumt wurde. Im Termin teilte die Klägervertreterin mit, dass sie für eine vergleichsweise Lösung derzeit kein Mandat habe und dass sie auf einem Beweisbeschluss bestehe, während die Beklagte und die Streithelferinnen Gesprächsbereitschaft für eine einvernehmliche Lösung angaben.
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Unter dem 19.05.2022 erließ die Kammer einen Hinweisbeschluss, in dem sie u.a. das Ergebnis der bisherigen Begutachtung zusammenfasste und die derzeitige Einschätzung der Kammer zum bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme darlegte. Ferner wurde der im Termin vom 23.03.2022 unterbreitete gerichtliche Vergleichsvorschlag wiederholt und mitgeteilt dass der Vergleichsvorschlag in der bereits anberaumten Sitzung vom 20.07.2022 erörtert werden solle.
8
Mit Schriftsatz vom 13.07.2022 teilte die Klägerin u.a. mit, dass sie den von der Kammer vorgeschlagenen Vergleich nicht schließen werde, da er auf einer nicht nachvollziehbaren Würdigung des bisherigen Sach- und Streitstandes und insbesondere der Gutachten der gerichtlich bestellten Sachverständigen beruhe und der gerichtliche Vergleichsvorschlag nach dem Eindruck der Klägerin ausschließlich dazu diene, den Rechtsstreit möglichst umgehend zu beenden.
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In der mündlichen Verhandlung am 20.07.2022 wurde die Sach- und Rechtslage erneut erörtert und eine einvernehmliche Lösung seitens der Kammer angesprochen. Ferner teilte die Kammer den Parteien mit, dass sie auch in der jetzigen Besetzung an den Hinweisen vom 26.08.2020 festhalte und erörterte das weitere Vorgehen mit den Parteien.
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Mit Beschluss vom 28.07.2022, der Klägerin zugestellt am 03.08.2022, erteilte die Kammer u.a. umfangreiche Hinweise zu nach ihrer Ansicht entscheidungserheblichen klärungsbedürftigen Punkten. Für den Fall, dass diese Punkte streitig und unter Beweis gestellt werden, ordnete die Kammer die Fortsetzung der Beweisaufnahme durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … an.
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Mit Schriftsatz vom 11.08.2022, eingegangen beim Landgericht München I per beA am selben Tag, lehnte die Klägerin die Vorsitzende Richterin am Landgericht … und den Richter … wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Klägerin rügt eine Beeinträchtigung des richterlichen Vertrauensverhältnisses durch die Art und Weise der Verfahrensbehandlung, insbesondere durch die seitens der abgelehnten Richter erteilten Hinweise sowie darüber hinaus ein unsachliches und unangemessenes Verhalten der Vorsitzenden Richterin am Landgericht … in der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ablehnungsantrag der Klägerin vom 11.08.2022 Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 31.08.2022 überreichte die Klägerin weitere Eidesstattliche Versicherungen zu ihrem Ablehnungsantrag.
13
Die Vorsitzende Richterin am Landgericht … gab am 01.09.2022 eine schriftliche Stellungnahme zum Befangenheitsantrag vom 11.08.2022 ab. Mit Verfügung vom 01.09.2022 wurde den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben.
14
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 08.09.2022, das Ablehnungsgesuch der Klägerin zurückzuweisen. Der Antrag sei gem. § 43 ZPO unzulässig, da sich die Klägerin in Kenntnis der angeblichen Befangenheitsgründe zur Sache eingelassen und Sachanträge gestellt habe. Die vorgebrachten Gründe würden eine Ablehnung nicht rechtfertigen. Mit Schriftsatz vom 12.09.2022 schloss sich die Streithelferin … der Begründung der Beklagten an.
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Die Klägerin nahm mit Schriftsatz vom 12.09.2022 zur dienstlichen Stellungnahme der Vorsitzenden Richterin am Landgericht … i Stellung. Sie vertritt hierzu u.a. die Auffassung, dass auch die Äußerungen der abgelehnten Richterin in ihrer dienstlichen Stellungnahme die Annahme ihrer Befangenheit rechtfertigen würden.
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Mit Schriftsatz vom 13.09.2022 führte die Streithelferin … aus, dass sie keine Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter sehe.
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Der abgelehnte Richter … gab am 19.09.2022 eine dienstliche Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch ab.
18
Die Klägerin nahm mit Schriftsatz vom 11.10.2022 hierzu Stellung. Sie vertritt die Auffassung, dass dessen dienstliche Stellungnahme unzulänglich und verspätet sei und ihrerseits die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige.
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Mit Beschluss vom 14.10.2022 wies das Landgericht den Befangenheitsantrag gegen die beiden abgelehnten Richter zurück. Der Antrag sei in weiten Teilen unzulässig. Darüber hinaus sei er auch unbegründet. Soweit sich die Klägerin für ihr Ablehnungsgesuch auf den Beschluss vom 28.07.2022 stütze, verweist das Landgericht darauf, dass die Art und Weise der Verfahrensführung dem Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit zuzurechnen sei und die Besorgnis der Befangenheit, außer in Ausnahmefällen, nicht begründen könne. Anhaltspunkte für Willkür seien vorliegend nicht ersichtlich. Vergleichsbemühungen solle das Gericht in jeder Lage des Verfahrens machen. Auch ordne der monierte Beschluss gerade eine weitere Beweisaufnahme an. Es sei nicht zutreffend, dass alle Hinweise zu Lasten der Klägerin gingen, tatsächlich seien sie ergebnisoffen erteilt worden und seien Folge der vorläufigen rechtlichen Einschätzung der Kammer. Andere Erwägungen für die Erteilung der Hinweise seien nicht zu erkennen.
20
Soweit sich die Klägerin für ihren Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht … auf deren Verhalten in der letzten mündlichen Verhandlung gestützt hatte, erachtete das Landgericht den Vortrag der Klägerin nicht als ausreichend, um eine Befangenheit zu begründen. Die dienstlichen Stellungnahmen der beiden abgelehnten Richter würden die Besorgnis der Befangenheit ebenso wenig begründen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts vom 14.10.2022 Bezug genommen.
21
Gegen den ihr formlos übersandten Beschluss vom 14.10.2022 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.10.2022 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass das Landgericht ihren Ablehnungsantrag gegen die beiden Richter zu Unrecht abgelehnt habe. Soweit der Ablehnungsantrag auf die dienstlichen Stellungnahmen der beiden Richter gestützt worden sei, sei er ersichtlich nicht verspätet und in der Sache begründet. Soweit er auf die mit Beschluss vom 28.07.2022 erteilten Hinweise gestützt worden sei, sei er zulässig, da der Beschluss erst nach der letzten mündlichen Verhandlung ergangen sei und das Ablehnungsrecht auch nicht durch früher erteilte Hinweise untergegangen sei. In der Sache sei er begründet, da die mit Beschluss vom 28.07.2022 erteilten Hinweise ohne jeden nachvollziehbaren Anlass erfolgt seien und lediglich dem Zweck gedient hätten, in unangemessener Weise Druck auf die Klägerin auszuüben, damit diese den vom Landgericht gewünschten Vergleich abschließe. Soweit der Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht … auf deren Verhalten in der letzten mündlichen Verhandlung gestützt worden sei, habe das Landgericht diesen in Anbetracht des glaubhaft gemachten klägerischen Sachvortrags ebenfalls zu Unrecht als unbegründet erachtet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung der Klägerin vom 27.10.2022 Bezug genommen.
22
Mit Schriftsatz vom 21.11.2022 nahm die Beklagte zur sofortigen Beschwerde der Klägerin Stellung. Diese sei unbegründet, insbesondere würden die dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter deren Befangenheit nicht nahelegen. Im Übrigen wiederholt die Beklagte ihre bereits im Schriftsatz vom 08.09.2022 dargelegte Ansicht, wonach die Klägerin ihr Ablehnungsrecht gem. § 43 ZPO verloren habe. Der Beschluss vom 28.07.2022 wiederhole lediglich bereits früher erteilte Hinweise. Aus dem Inhalt der erteilten Hinweise ergebe sich kein Ablehnungsgrund. Hinsichtlich der Frage der Aktivlegitimation der Klägerin habe ein Aufklärungsbedürfnis bestanden.
23
Die Streithelferin … schloss sich mit Schriftsatz vom 21.11.2022 den Ausführungen der Beklagten an.
24
Mit Beschluss vom 06.12.2022 half das Landgericht der sofortigen Beschwerde der Klägerin vom 27.10.2022 gegen den Beschluss vom 14.10.2022 nicht ab und legte die Akten dem Beschwerdegericht vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Nichtabhilfebeschlusses Bezug genommen.
25
Mit Verfügung vom 12.12.2022 gab das Beschwerdegericht den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss sowie zum Streitwert des Beschwerdeverfahrens.
26
Hierauf ging ein Schriftsatz der Klägerin vom 20.12.2022 ein.
27
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 46 Abs. 2 ZPO) sowie form- und fristgerecht (§ 569 Abs. 1, 2 ZPO) eingelegt.
28
Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
29
Das Landgericht hat die Ablehnungsanträge der Klägerin vom 11.08.2022 gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht … und gegen Richter … zu Recht zurückgewiesen.
30
I. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsführung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe seiner Sache nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; unerheblich ist, ob er sich für (un)befangen hält oder Verständnis für Zweifel an seiner Unbefangenheit aufbringt; entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. (Zöller-Vollkommer, ZPO, Kommentar, 33. Auflage, § 42 ZPO, Rn. 8, 9 m.w.N.)
31
Der Richter ist zu unvoreingenommener und neutraler Amtsführung verpflichtet; dies verlangt auch strenge Sachlichkeit und Wahrung des gleichen „Abstands“ zu den Parteien. Als Ablehnungsgründe kommen daher Verstöße gegen die gebotene Objektivität, Neutralität und Distanz, das Gleichbehandlungs- und Fairnessgebot sowie alle Fälle unsachlichen, auf Voreingenommenheit oder Willkür hindeutenden Verhaltens des Richters im laufenden Verfahren in Frage; besondere Bedeutung kommt dabei Verfahrensmängeln zu (Zöller, a.a.O., Rn. 20, wegen der Einzelheiten siehe Rn. 21-23 m.w.N.).
32
Grobe Verfahrensverstöße und unsachgemäße Verfahrensleitung können im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen. Entbehrt das prozessuale Vorgehen des Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage und entfernt es sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren, kann sich für die dadurch betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängen. (Zöller, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.).
33
Eine unzulängliche oder unsachliche Stellungnahme des Richters zu den zum Ablehnungsantrag führenden Vorgängen in der dienstlichen Äußerung gem. § 44 ZPO können ebenfalls im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (siehe hierzu Zöller, a.a.O., Rn. 24).
34
Ein im Rahmen der richterlichen Aufklärungspflicht gebotenes richterliches Verhalten begründet niemals einen Ablehnungsgrund, selbst wenn dadurch die Prozesschancen einer Partei verringert werden; dabei ist vom Rechtsstandpunkt des Gerichts auszugehen (Zöller, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.).
35
II. Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Prämissen sind die vorgebrachten Ablehnungsgründe wie folgt zu würdigen:
1. Äußerungen der Vorsitzenden Richterin am Landgericht … in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2022.
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Sofern das Beschwerdevorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein sollte, dass sie ihr Ablehnungsgesuch u.a. auf etwaige, die Klägervertreterin zurechtweisende Bemerkungen der abgelehnten Richterin in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2022 (Anlage BA 4, dort I.) stützt, wäre das Ablehnungsgesuch unzulässig, da die Klägerin ihr Ablehnungsrecht gem. § 43 ZPO verloren hat.
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Denn die Klägerin hat sich, ohne deswegen einen Ablehnungsgrund geltend zu machen, ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung, ohne den ihr zum damaligen Zeitpunkt bereits bekannten, aus ihrer Sicht vorliegenden Ablehnungsgrund zu rügen, danach sowohl schriftsätzlich als auch in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung vom 20.07.2022 in eine Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt.
2. Hinweise der Vorsitzenden Richterin am Landgericht … und des Richters … im Beschluss vom 28.07.2022.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin auch insoweit ihr Ablehnungsrecht gem. § 43 ZPO verloren hat, weil, wie das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluss meint, die gerichtlichen Hinweise zu den Themen Aktivlegitimation, Verjährung/Gewährleistungsfristen und Verwirkung der Klägerin nicht erst durch diesen Beschluss, sondern bereits durch in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2022 und davor erteilte Hinweise bekannt gewesen wären und die Klägerin dennoch in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2022 verhandelt und Anträge gestellt hat.
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Denn der Inhalt des Beschlusses vom 28.07.2022 rechtfertigt bei objektiver, vernünftiger Betrachtung vom Standpunkt der Klägerin nicht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter.
40
a) Soweit in dem Beschluss unter Ziffer 2. eine „einvernehmliche Lösung“ thematisiert wird, ist den Ausführungen des Landgerichts bereits kein Drängen des Landgerichts auf den Abschluss des vom Landgericht vorgeschlagenen Vergleichs zu entnehmen. Vielmehr wird lediglich der diesbezügliche status quo dargestellt und auf die grundsätzliche Sinnhaftigkeit einer einvernehmlichen Lösung hingewiesen.
41
b) Der unter Ziffer 3.1 erteilte Hinweis, dass die Aktivlegitimation klärungsbedüftig sei, rechtfertigt die Ablehnung ebenso wenig.
42
Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob der Hinweis gem. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO im damaligen Stadium des Verfahrens zwingend erforderlich war, weil, wie die Klägerin meint, ihre Aktivlegitimation unstreitig gewesen sei. Jedenfalls war der Hinweis nicht sachwidrig und konnte seinem Inhalt nach in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles bei verständiger Würdigung durch die Klagepartei auch nicht als Ausdruck der Voreingenommenheit ihr gegenüber aufgefasst werden.
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Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Landgericht die Aktivlegitimation der Klägerin in dem Hinweis nicht in Zweifel zog bzw. sonst Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin geweckt hätte. Vielmehr hat es beide Parteien völlig ergebnisoffen darum ersucht, zur Thematik der Aktivlegitimation Stellung zu nehmen. Dabei hat es gegenüber den Parteien auch transparent erläutert, warum es hierzu eine Stellungnahme als erforderlich ansah. In Anbetracht des zweimaligen Wechsels auf Klägerseite war die Aufforderung des Landgerichts jedenfalls nicht sachwidrig, insbesondere auch deswegen nicht, weil die Beklagte nach den Schriftsätzen der Klägerin vom 4.10.2022 und vom 08.10.2022 mit Schriftsatz vom 04.11.2022 lediglich ihr Einverständnis mit dem Parteiwechsel auf Klägerseite erklärt hatte, sich jedoch zu der behaupteten Abtretung nicht geäußert hatte.
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c) Der unter Ziffer 3.3 erteilte Hinweis zur Thematik der Gewährleistungsfristen rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht.
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Das – auch insoweit ergebnisoffene – Ersuchen an beide Parteien, mitzuteilen, welche Gewährleistungsfrist ihrer Ansicht nach gilt und wann diese beginne und ende, war ebenfalls nicht sachwidrig und konnte seinem Inhalt nach bei verständiger Würdigung durch die Klägerin auch nicht als verkappte Aufforderung an die Beklagte aufgefasst werden, die Einrede der Verjährung zu erheben.
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Zwar ist ein richterlicher Hinweis auf Verjährung grundsätzlich geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Die Klägerin bezieht sich insoweit in ihrem Ablehnungsantrag zu Recht auf die Entscheidung des BGH vom 02.10.2003, Az.: V ZB 22/03, in welcher durch den BGH die maßgeblichen Kriterien dargelegt wurden.
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Anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall haben die abgelehnten Richter im Beschluss vom 28.07.2022 jedoch nicht darauf hingewiesen, dass der durch die Klägerin geltend gemachte Anspruch verjährt sei. Ebenso wenig hat das Landgericht die Beklagte aufgefordert, die Einrede der Verjährung zu erheben oder der Beklagten diese Möglichkeit erst vor Augen geführt. In ihrem beanstandeten Hinweis beziehen sich die abgelehnten Richter zunächst auf den eigenen Sachvortrag der Klägerin in der Klage betreffend den Verzicht der Beklagten auf die Einrede der Verjährung und geben diesen auszugsweise wieder. Sodann wird die Frage der Reichweite dieses Verzichts im Hinblick auf die streitgegenständlichen Mängel thematisiert und die Parteien werden – ergebnisoffen – gebeten, mitzuteilen, welche Gewährleistungsfrist ihrer Ansicht nach im Hinblick auf die vereinbarte Abnahme und die streitgegenständlichen Mängel gilt und wann diese beginnt und enden würde.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob der Hinweis im Hinblick auf die damalige Prozesssituation tatsächlich veranlasst und erforderlich war. Jedenfalls war auch dieser Hinweis nicht sachwidrig und konnte seinem Inhalt nach in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles bei verständiger Würdigung durch die Klagepartei nicht als Ausdruck der Voreingenommenheit ihr gegenüber aufgefasst werden. Nachdem die Thematik der Gewährleistungsfristen und des Verzichts auf die Einrede der Verjährung vorliegend durch die Klägerin selbst im Rechtsstreit thematisiert worden war, konnte sich aus dem Umstand, dass sich das Landgericht hiermit auseinandersetzte und Sachvortrag der Parteien dazu erbat, bei verständiger Würdigung für die Klägerin nicht der Anschein ergeben, dass das Landgericht ihrer Sache nicht unvoreingenommen gegenübersteht.
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d) Der unter Ziffer 3.4.1. erteilte Hinweis auf die Thematik der Verwirkung rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht.
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Der Einwand der Verwirkung stellt keine Einrede im Sinne des bürgerlichen Rechts dar, die der Geltendmachung durch den Einredeberechtigten bedürfte; er ist vielmehr, wenn er mit dem zugrundeliegenden Sachverhalt ordnungsgemäß vorgetragen ist, wie jeder Einwand aus § 242 BGB von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urteil vom 10.11.1965, Az.: Ib ZR 101/63).
51
Die abgelehnten Richter legten den Anlass ihres Hinweises durch Bezugnahme auf einen Hinweis des 28. Zivilsenats des OLG München in anderer Sache dar und ersuchten die Parteien – wiederum ergebnisoffen – um Stellungnahme. Mit ihrem Hinweis haben die abgelehnten Richter die Beklagte daher weder ausdrücklich noch indirekt dazu aufgefordert, eine Einrede zu erheben. Ebenso wenig haben sie einseitig zu Lasten der Klägerin die Ansicht vertreten, dass der geltend gemachte Anspruch verwirkt sei. Vielmehr haben sie lediglich darauf hingewiesen, dass in Anbetracht eines in anderer Sache ergangenen Hinweises des 28. Zivilsenats des OLG München auch im vorliegenden Fall – abhängig vom Sachvortrag der Parteien – der Einwand der Verwirkung zu prüfen sein könnte. Der Hinweis hatte seine Grundlage in § 139 ZPO, nämlich der Vermeidung einer etwaigen Überraschungsentscheidung und konnte bei verständiger Würdigung durch die Klägerin nicht die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter begründen.
3. Verhalten der Vorsitzenden Richterin am Landgericht … in der mündlichen Verhandlung am 20.07.2022
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Soweit die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht … auf unangemessenes Verhalten gegenüber der Klägerin bzw. den Vertretern der Klägerin in der letzten mündlichen Verhandlung am 20.07.2022 stützt (ostentatives Zuwenden zur Beklagten, barsche Zurechtweisung der Vertreter der Klägerin, Äußerungen der abgelehnten Richterin bezüglich der zeitlichen Reihenfolge von Vollstreckungsvergleich und Urteil im Vorprozess) ist das Ablehnungsgesuch bereits unzulässig, da die Klägerin ihr Ablehnungsrecht gem. § 43 ZPO verloren hat.
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Denn die Klägerin hat sich, ohne deswegen einen Ablehnungsgrund geltend zu machen, in der Folge in eine Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt.
54
Dass sich die Klägerin trotz des nun als Ablehnungsgrund geltend gemachten Verhaltens der Vorsitzenden Richterin am Landgericht … in eine Verhandlung eingelassen hat, ergibt sich bereits aus dem eigenen Sachvortrag der Klägerin in ihrem Ablehnungsgesuch vom 11.08.2022 und den hiermit vorgelegten Eidesstattlichen Versicherungen der Rechtsanwältinnen … und …. Dem ist zu entnehmen, dass die Vertreter der Klägerin, obwohl die abgelehnte Richterin sich bei ihren Ausführungen ostentativ der Beklagten zugewendet habe und die Vertreter der Klägerin für Unterbrechungen dieser Ausführungen barsch zurechtgewiesen habe, sich nachfolgend zu dem Ansinnen der abgelehnten Richterin, einen Vergleich zu schließen, (ablehnend) geäußert haben, deren Ausführungen zu dem im Vorprozess geschlossenen Vollstreckungsvergleich mehrfach korrigiert haben und diesbezüglich schließlich einen Protokollierungsantrag gestellt haben. Dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ist darüber hinaus zu entnehmen, dass sich die Vertreter der Klägerin auch an der Erörterung des gerichtlichen Vorschlags, den Auslagenvorschuss für das einzuholende Sachverständigengutachten hälftig zu teilen, beteiligt haben und den Vorschlag für gut befunden haben.
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Was die Antragstellung der Klägerin zur Sache angeht, ergibt sich diese aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2022.
4. Dienstliche Stellungnahme der Vorsitzenden Richterin am Landgericht … vom 01.09.2022.
56
Der Inhalt der von der abgelehnten Richterin abgegebenen Stellungnahme vom 01.09.2022 zum Ablehnungsantrag vom 11.08.2022 rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenso wenig.
57
a) Die abgelehnte Richterin setzt sich darin zunächst mit dem von Seiten der Klägerin erhobenen Vorwurf auseinander, „verkappte“ bzw. „unverhohlene“ Hinweise in Richtung nur einer Partei erteilt zu haben und vertritt in ihrer dienstlichen Stellungnahme die Auffassung, dass dieser Vorwurf bei objektiv-rechtlicher Betrachtung unbegründet sei, wenngleich eine Partei die gerichtlichen Ausführungen subjektiv als falsch empfinden könne. Hierin vermag das Beschwerdegericht keine unsachliche oder unangemessene Bewertung des Ablehnungsgesuchs bzw. unangebrachte Kritik an der Ausübung des Ablehnungsrechts durch die abgelehnte Richterin zu erkennen.
58
Zwar haben in der dienstlichen Äußerung gem. § 44 Abs. 3 ZPO Ausführungen zur Zulässigkeit und Begründetheit des Gesuchs zu unterbleiben, jedoch darf der abgelehnte Richter die zur Ablehnung führenden Vorgänge mit der gebotenen Zurückhaltung wertend beurteilen (siehe hierzu Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 44 ZPO, Rn. 9 m.w.N.).
59
Nachdem einer der Hauptvorwürfe, mit denen die Klägerin die Ablehnung begründet hatte, war, dass die abgelehnte Richterin in ihren Hinweisen „verkappte“ bzw. „unverhohlene“ Hinweise an die Beklagte betreffend die Aktivlegitimation, Gewährleistungsfristen/Verjährung und Verwirkung erteilt habe, rechtfertigt es nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn die abgelehnte Richterin zu diesem Vorwurf dann auch Stellung nimmt. Hiermit ist zwangsläufig eine Bewertung des Vorwurfs durch den Abgelehnten verbunden, wobei diese im vorliegenden Fall nach Ansicht des Beschwerdegerichts weder inhaltlich noch nach dem Wortlaut die gebotene Zurückhaltung vermissen lässt.
60
b) Auch soweit die abgelehnte Richterin zu dem auf ihr Verhalten in der letzten mündlichen Verhandlung gestützten Ablehnungsgrund Stellung nimmt, rechtfertigen ihre Ausführung die Besorgnis der Befangenheit nicht.
61
Die abgelehnte Richterin hat in ihrer dienstlichen Stellungnahme zu dem weiteren Vorwurf, mit dem die Klägerin ihre Ablehnung begründet hatte, nämlich ihrer Blickrichtung in der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2022 Stellung genommen, sich dabei auf die Sitzungsanordnung und anatomische Gegebenheiten bezogen und gemeint, dass die in den Eidesstattlichen Versicherungen geäußerten Empfindungen unterschiedliche höchstpersönliche Wahrnehmungen zeigen würden. Zwar ist der dienstlichen Stellungnahme ein gewisses Unverständnis über die Rüge der Klägerin zu entnehmen, die Grenze zu unangemessener Kritik wird aber nach Auffassung des Senats weder inhaltlich noch was die Wortwahl angeht, überschritten. Die Bezeichnung der sich aus den Eidesstattlichen Versicherungen ergebenen Empfindungen der vier Personen auf der Klägerseite als „interessant“, aber einer „unterschiedlichen höchstpersönlichen Wahrnehmung“ geschuldet, überschreitet die Grenze zu unsachlicher, unangebrachter Kritik am Ablehnungsvorbringen nach Ansicht des Senats ebenso wenig.
5. Dienstliche Stellungnahme des Richters … vom 19.09.2022.
62
Die von dem abgelehnten Richter abgegebenen Stellungnahme vom 19.09.2022 zum Ablehnungsantrag vom 11.08.2022 rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit ebenfalls nicht.
63
a) Soweit die Klägerin meint, dass sich die Besorgnis der Befangenheit aus der Kürze und Unzulänglichkeit der dienstlichen Stellungnahme ergebe, welche zeige, dass der abgelehnte Richter nicht bereit sei, sich mit den Argumenten der Klägerin auseinanderzusetzen, verfängt dies nicht.
64
Die dienstliche Äußerung nach § 44 Abs. 3 ZPO dient der Tatsachenfeststellung. Die Erklärungspflicht entfällt bei Aktenkundigkeit des Ablehnungsgrundes, z.B. bei protokollierten Hinweisen oder bei der Mitwirkung an einer Entscheidung (Zöller, a.a.O., § 44 Rn. 7 m.w.N.).
65
Nachdem die Klägerin ihre Besorgnis der Befangenheit, was den abgelehnten Richter N. angeht, nicht auf dessen Verhalten im Verlauf des Verfahrens, sondern ausschließlich auf den Inhalt der von diesem mitunterzeichneten Beschlüsse gestützt hat und diese Beschlüsse Bestandteil der Akte sind, war eine darüber hinausgehende Tatsachenfeststellung nicht erforderlich. Eine inhaltliche Stellungnahme zu den Beweggründen für die erteilten Hinweise war vom abgelehnten Richter nicht gefordert. Dass diese unterblieben ist, vermag die Besorgnis der Befangenheit daher nicht zu begründen.
66
b) Soweit die Klägerin ihre Besorgnis der Befangenheit damit begründet, dass der abgelehnte Richter … seine dienstliche Stellungnahme erst fünf Wochen nach dem Ablehnungsantrag abgegeben habe, reicht dieser Umstand ebenso wenig aus.
67
Dem Vortrag der Klägerin ist bereits nicht zu entnehmen, inwiefern dieser Umstand auf eine ihr gegenüber unsachliche bzw. negative Einstellung des abgelehnten Richters zurückzuführen wäre, zumal das Ablehnungsgesuch vom 11.08.2022 in die Ferienzeit fiel. Im Übrigen war die dienstliche Stellungnahme des abgelehnten Richters, wie oben dargelegt, zur Tatsachenfeststellung wegen Aktenkundigkeit der gegen diesen vorgebrachten Ablehnungsgründe, nicht erforderlich.
68
Auch bei einer Gesamtbetrachtung ist für den Senat nicht ersichtlich, dass vom Standpunkt der Klägerin aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung geweckt werden konnte, dass die abgelehnten Richter ihrer Sache nicht unvoreingenommen gegenüberstehen.
69
Dabei waren in die vom Senat vorzunehmende Gesamtbetrachtung ausschließlich die Ablehnungsgründe einzustellen, hinsichtlich derer die Klägerin ihr Ablehnungsrecht nicht bereits gem. § 43 ZPO verloren hatte. Der Inhalt des Beschlusses vom 28.07.2022 und die dienstlichen Stellungnahmen der beiden abgelehnten Richter rechtfertigen weder jeweils für sich genommen noch in der Gesamtschau die Besorgnis der Befangenheit. Etwaige davor liegende Äußerungen bzw. Verhaltensweisen der abgelehnten Richter waren bei der Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen.
70
Vorliegend ergibt sich gerade bei der durch die Beschwerdebegründung geforderten Gesamtbetrachtung aller Umstände, dass die Klägerin im Ablehnungsverfahren – insoweit unzulässig – eine Überprüfung der Richtigkeit der Verfahrensgestaltung der abgelehnten Richter zu erreichen versucht.
71
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
72
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO.