Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 09.08.2023 – AN 4 K 21.336
Titel:

Anspruch auf Widerruf der Äußerung eines Bürgermeisters

Normenketten:
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2
VwGO § 43 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Der Anspruch auf Widerruf einer Äußerung im Mitteilungsblatt einer Stadt findet gegen Werturteile nicht statt. (Rn. 46)
2. Zur Abgrenzung von Tatsachenbehauptungen und Werturteilen. (Rn. 47 – 59)
Schlagworte:
Widerruf, Äußerung, Werturteil, Tatsachenbehauptung, Folgenbeseitigungsanspruch, Meinungsäußerung, Feststellungsklage
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 17.03.2025 – 4 B 24.504
Fundstelle:
BeckRS 2023, 55779

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt nach teilweiser übereinstimmender Erledigung sowie teilweiser Verweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit zuletzt noch den Widerruf einer Äußerung durch den Beklagten, hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerung.
2
Im Mitteilungsblatt des Beklagten, Ausgabe Mai 2020, wurde unter der Rubrik „Informationen aus dem Gemeinderat – nichtöffentliche Sitzungen“ zur Sitzung des Marktgemeinderates vom 16. September 2019 folgender Text abgedruckt:
„1. Bürgermeister … gibt bekannt, dass das Kommunalunternehmen Grundstücke im Industriegebiet … von einer Familie erworben hat, welche für die eventuelle Verlegung der Kreisstraße wichtig sein könnten. Bei dieser Gelegenheit betont der 1. Bürgermeister die Wichtigkeit der Verschwiegenheit der Verwaltungsräte im KU, der Marktgemeinderäte sowie der Verwaltung. Der Verwaltungsrat handelt im Auftrag des Marktgemeinderates und gerade bei Verhandlungen in Millionenhöhe sind diese andernfalls gefährdet. Die Verhandlungen mit dieser Familie standen kurz vor dem Scheitern, da … offenbar Kenntnis davon hatte und massiv auf die Verkäufer einwirkte.“
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Der Klägervertreter erklärte vorprozessual gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 26. Mai 2020, dass die Aussage, der Kläger habe von den Verkaufsverhandlungen mit der betreffenden Familie Kenntnis gehabt und massiv auf die Verkäuferfamilie eingewirkt, unwahr sei. Diese falsche Tatsachenbehauptung sei geeignet, den Kläger in seiner Ehre herabzuwürdigen und auch seinen Ruf als neu gewählten Marktrat massiv zu schädigen. Der Kläger habe deshalb einen Anspruch auf Unterlassung und Widerruf dieser falschen Tatsachenbehauptung. Der Beklagte wurde aufgefordert, im Mitteilungsblatt für Juni 2020 eine Richtigstellung abzudrucken, der zufolge der Kläger keinerlei Kenntnis von Grundstücksverhandlungen für das Industriegebiet … und … gehabt und nicht massiv auf die Verkäufer eingewirkt habe. Dieser Text solle auch in der nächsten öffentlichen Sitzung des Marktgemeinderates zu Beginn vorgetragen bzw. verlesen werden.
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Der Beklagtenvertreter antwortete mit Schreiben vom 3. Juni 2020, dass die Mitteilung im Mitteilungsblatt vom Mai 2020 ausschließlich dazu gedient habe, Art. 52 Abs. 3 Gemeindeordnung (GO) Genüge zu tun. Da der in der nicht öffentlichen Gemeinderatssitzung am 16. September 2019 thematisierte Grundstücksverkauf abgeschlossen sei, beabsichtige der Beklagte weder gegenwärtig noch zukünftig, sich erneut hierzu zu erklären. Allein die Behauptung, der Kläger habe von den Grundstücksverhandlungen keinerlei Kenntnis gehabt und nicht versucht, in irgendeiner Weise Einfluss auf die Verkaufsverhandlungen zu nehmen, vermöge den Widerrufsanspruch nicht zu rechtfertigen. Diese vom Kläger zu beweisenden Behauptungen erschienen angesichts der Informationslage des Beklagten wenig glaubwürdig. Daneben könne bei der gebotenen Interessenabwägung nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger und seine Gattin bekanntermaßen engagierte Gegner des Gewerbegebiets seien. Der Beklagte gehe demnach davon aus, dass der Kläger Kenntnis von den Grundstücksverhandlungen für das Gewerbegebiet … gehabt habe, sodass die Behauptung des Gegenteils vom Beklagten nicht gefordert werden könne.
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Mit Schreiben vom 23. Juni 2020 forderte der Klägervertreter den Beklagten erneut zur Unterlassung auf.
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Mit weiterem Schreiben vom 3. Juli 2020 unterbreitete der Klägervertreter den Vorschlag, dass der Kläger auf eine öffentliche Entschuldigung des Bürgermeisters verzichte und dafür ein neutral gehaltener Text in der nächsten öffentlichen Marktgemeinderatssitzung veröffentlicht werde, der sich an dem Text der zunächst geforderten Gegendarstellung orientiere.
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Der Beklagtenvertreter nahm mit Schreiben vom 20. Juli 2020 dahingehend Stellung, dass der Beklagte den Vorstellungen des Klägers nur insoweit entsprechen könne, als sie nach dem derzeitigen Kenntnisstand vertretbar seien. Das Äußerungsrecht kenne keinen Anspruch auf öffentliche Entschuldigung. Der Kläger habe auch zu keinem Zeitpunkt eine Gegendarstellung gefordert. Es werde mit dem Vorschlag ein uneingeschränkter Widerruf verlangt, der nicht vertretbar und nicht neutral sei. Der Erste Bürgermeister des Beklagten werde die Angelegenheit zum nächstmöglichen Termin den nach der Geschäftsordnung zuständigen Gremien zur Entscheidung vorlegen.
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Der Kläger hat am 5. August 2020 Klage beim Amtsgericht … erhoben mit dem Ziel, (1.) den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten, dass die Verhandlungen mit der Familie, in deren Eigentum sich die Grundstücke im Bereich des geplanten Industriegebietes „…“ befinden, kurz vor dem Scheitern standen, da … offenbar Kenntnis hatte und massiv auf die Verkäufer einwirkte, und (2.) den Beklagten zu verurteilen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt die in Ziffer 1 genannte Behauptung im Mitteilungsblatt des Beklagten und in der nächsten öffentlichen Sitzung des Marktgemeinderates zu widerrufen bzw. richtig zu stellen. Mit Beschluss vom 17. Februar 2021 – … – hat das Amtsgericht … den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen.
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Der Kläger hat am 17. Februar 2021 wegen der streitgegenständlichen Veröffentlichung eine Beschwerde beim Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz erhoben. Dieser hat mit Schreiben vom 16. März 2021 mitgeteilt, dass die Offenbarung des Nachnamens des Klägers und seines Verhaltens mit einem Grundstückskauf mittels Veröffentlichung des kommunalen Mitteilungsblattes bzw. der Übermittlung dieser Daten an den Verlag eine Datenverarbeitung darstelle, für die der Beklagte keine Befugnis nachgewiesen habe. Der Beklagte hat auf Tätigwerden des Landesbeauftragten das Mitteilungsblatt aus dem Internet entfernt.
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Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 hat der Kläger die Klage hinsichtlich Ziffer 1 für erledigt erklärt und die Klage dahingehend erweitert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger ein Schmerzensgeld in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2023 hat sich der Beklagte der Erledigungserklärung hinsichtlich Ziffer 1 angeschlossen. Anschließend hat das Verwaltungsgericht Ansbach durch Beschluss vom 9. August 2023 Ziffer 1 des Klageantrages vom Verfahren AN 4 K 21.00336 abgetrennt und dieses Verfahren unter neuem Aktenzeichen eingestellt.
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Mit Beschluss vom 29. Oktober 2021 – AN 4 K 21.01374 – hat das Verwaltungsgericht Ansbach den Rechtsstreit hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruches an das Landgericht … verwiesen. Durch Urteil des Landgerichts … vom 16. August 2022 – … – ist der Beklagte auf Basis des streitgegenständlichen Sachverhalts verurteilt worden, an den Kläger 500,00 € zu zahlen (1.). Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden (2.) und eine Kostenentscheidung dahingehend ergangen, dass der Kläger von den Kosten des Rechtsstreits 90% und der Beklagte 10% zu tragen hat (3.).
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Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Hinblick auf den Klageantrag in Ziffer 2 ergänzend beantragt, hilfsweise festzustellen, dass der Abdruck der Aussage „Die Verhandlungen mit dieser Familie standen kurz vor dem Scheitern, da … offenbar Kenntnis davon hatte und (sic) massiv auf die Käufer einwirkte“ im Mitteilungsblatt des Beklagten rechtswidrig war und den Kläger in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt hat.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, zum nächstmöglichen Zeitpunkt die Behauptung „Die Verhandlungen mit der Familie, in deren Eigentum sich die Grundstücke im Bereich des geplanten Industriegebietes „…“ befinden, standen kurz vor dem Scheitern, da … offenbar davon Kenntnis hatte und massiv auf die Verkäufer einwirkte“ im Mitteilungsblatt der Beklagten und in der nächsten öffentlichen Sitzung zu widerrufen bzw. richtigzustellen.
2.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass der Abdruck der Aussage „Die Verhandlungen mit der Familie standen kurz vor dem Scheitern, da … offenbar Kenntnis davon hatte und massiv auf die Käufer einwirkte“ im Mitteilungsblatt der Beklagten rechtswidrig war und den Kläger in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt hat.
14
Zur Klagebegründung führte der Klägervertreter aus, dass der Kläger seit Mai 2020 gewähltes Mitglied des Marktgemeinderates des Beklagten sei. In den Jahren 2019 und 2020 habe sich der Kläger gemeinsam mit anderen Bürgern gegen die Planungen für zwei Industriegebiete in der Nähe der Autobahn … (Industriegebiete … und …*) engagiert. Die Aussage im Mitteilungsblatt des Beklagten, Ausgabe Mai 2020, der Kläger habe von den Verhandlungen mit der betreffenden Familie Kenntnis gehabt und massiv auf die Verkäuferfamilie eingewirkt, sei unwahr. Der Kläger habe weder Kenntnis von den Verkaufsverhandlungen gehabt noch habe er in irgendeiner Weise auf die Verkäufer Einfluss zu nehmen versucht.
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Der Kläger habe gemäß § 823 Abs. 1 und 2, § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 186 Strafgesetzbuch (StGB) einen Anspruch auf Unterlassung und Widerruf der unwahren Tatsachenbehauptung. Für die Wahrheit der behaupteten Tatsachen treffe im Rahmen des Unterlassungsanspruchs den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich sei die Unwahrheit der Behauptung zwar von demjenigen zu beweisen, der sich gegen die Äußerung wende, jedoch trete bei einer üblen Nachrede eine Beweislastumkehr hinsichtlich des Wahrheitsbeweises ein. Der Beklagte habe keinerlei Belege für seine veröffentlichte Behauptung vorgelegt. Die verbreitete falsche Tatsachenbehauptung sei geeignet, den Kläger in seiner Ehre herabzuwürdigen und seinen Ruf als neu gewählten Marktrat massiv zu schädigen. Der Kläger sei im Schutzbereich seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt, die auch die Gewährleistung des sozialen Geltungsanspruchs beinhalteten. Die Ehrbeeinträchtigung sei rechtswidrig, weil es sich nicht um eine Meinungsäußerung handele, sondern um eine reine Tatsachenbehauptung.
16
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
17
Zur Klageerwiderung trug der Beklagte vor, dass es richtig sei, dass der Erste Bürgermeister des Beklagten in einer nichtöffentlichen Sitzung am 16. September 2019 zur dringenden Einhaltung der Verschwiegenheit angehalten habe. Dies sei notwendig gewesen, weil an den Ersten Bürgermeister des Beklagten von Seiten der Verkäuferfamilie herangetragen worden sei, dass die Familie des Klägers diese wegen des Grundstücksverkaufs direkt und konkret konfrontiert habe. Daher hätten die Verhandlungen kurz vor dem Scheitern gestanden.
18
In der nichtöffentlichen Marktratssitzung am 16. September 2019 habe der Erste Bürgermeister des Beklagten über den Verlauf der beinahe gescheiterten Grundstücksverhandlungen berichtet und die Gemeinderatsmitglieder zur Einhaltung der Vertraulichkeit aufgefordert. Dabei habe der Erste Bürgermeister nicht erklärt, dass der Kläger von den Verkaufsverhandlungen Kenntnis hatte und massiv auf die Käufer eingewirkt habe, sondern dass dies offenbar [Hervorhebung des Beklagtenvertreters] der Fall gewesen sei. Es sei richtig und werde in der Klageschrift auch nicht in Abrede gestellt, dass der Kläger auf die Verkaufsverhandlungen Einfluss zu nehmen versucht habe.
19
Der Beklagte beabsichtige weder gegenwärtig noch künftig, diesen nach dem Kauf des Grundstücks 2019 längst abgeschlossenen Sachverhalt in irgendeiner Weise erneut zu thematisieren. Der Kläger sei durch die Mitteilung des Beklagten nicht in seiner Ehre und seinem Persönlichkeitsrecht verletzt worden, da der Beklagte nicht behauptet habe, dass der Kläger Kenntnis von den Vertragsverhandlungen gehabt und massiv auf die Verkäuferfamilie eingewirkt habe, sondern dass dies offenbar [Hervorhebung des Beklagtenvertreters] geschehen sei.
20
Der Widerrufsanspruch sei bereits unzulässig, weil er den Wortlaut des begehrten Widerrufs nicht enthalte. Weiter sei er unbegründet, da die angegriffene Mitteilung des Beklagten keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthalte. Weiter verstoße das Widerrufsbegehren gegen den Grundsatz, dass die schonendste Form gewählt werden müsse, die nicht zur Demütigung führen dürfe.
21
Auf die weitergehende Begründung der Klageerwiderung wird verwiesen.
22
Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2022 nahm der Prozessbevollmächtigte des Beklagten dahingehend Stellung, dass dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht … zu entnehmen sei, dass das Landgericht an einer Persönlichkeitsverletzung des Klägers durch die streitgegenständliche Mitteilung zweifle. Es sei darauf hinzuweisen, dass die Veröffentlichung in der Mai-Ausgabe 2020 des Mitteilungsblattes erfolgt sei, also zu einem Zeitpunkt, als der Kläger bereits Gemeinderat gewesen sei. Zudem sei öffentlich bekannt, dass der Kläger sich seit geraumer Zeit in einer intensiven und von ihm öffentlich scharf geführten Auseinandersetzung mit dem Beklagten befinde und den Ersten Bürgermeister fortwährend persönlich attackiere und ihn der Desinformation bezichtige. Der Kläger könne demnach im Rahmen einer öffentlich geführten Auseinandersetzung nicht für sich beanspruchen, über jede Kritik erhaben zu sein.
23
Sofern der Kläger im Übrigen die streitgegenständlichen Ansprüche auf das Datenschutzgesetz stützen wolle, sei festzustellen, dass der Schutz personenbezogener Daten allenfalls die Unterlassung der Verwendung solcher Daten, nicht aber die Unterlassung von Äußerungen und deren Widerruf und Richtigstellung zum Gegenstand haben könnten. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass für einen weitergehenden Widerrufsanspruch neben einem Schmerzensgeldanspruch kein Raum bestehe. Nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass der geltend gemachte Widerrufsanspruch nicht hinreichend bestimmt und damit unzulässig sei.
24
Dem Schriftsatz wurden diverse Zeitungsartikel sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht … vom 24. Mai 2022, eine Verfügung des Landgerichts … vom 1. Juni 2022, sowie ein Vergleichsentwurf vom 20. Juni 2022 beigefügt, welche zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden.
25
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2022 erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass der Kläger angesichts der gescheiterten Vergleichsverhandlungen vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit insoweit eine bewusste Verschleppung durch die Gegenseite befürchte.
26
Unter Bezugnahme auf den bereits streitgegenständlichen Lebensverhalt sei es offensichtlich, dass der Erste Bürgermeister mit der eigenmächtigen unrechtmäßigen Veröffentlichung im amtlichen Mitteilungsblatt den Zweck verfolgt habe, den Kläger vor dem Marktgemeinderat und nachfolgend öffentlich zu diffamieren und seinen Ruf zu schädigen.
27
Unter Bezugnahme auf den im Raum stehenden Datenschutzverstoß zeige auch die Tatsache, dass explizit und ausschließlich nur der Name des Klägers, nicht aber der Name der Grundstückseigentümer bzw. der Verkäuferfamilie genannt worden sei, dass es sich bei der Veröffentlichung um eine gezielte Aktion gegen den Kläger gehandelt habe.
28
Dass der Kläger als Privatmann zu sehen sei und dies dem Beklagten auch bewusst sei, zeige die Argumentation des Beklagten in dem parallel laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren (AN 4 K 21.01110). Mit Urteil vom 23. Juni 2022 habe das Verwaltungsgericht Ansbach in dortiger Sache den Bescheid gegen … über die Verhängung eines Ordnungsgeldes durch den Beklagten aufgehoben. Auslöser des Ordnungsgeldes sei die Benennung von … als Zeuge im Schriftsatz des Klägers vom 25. September 2020 gewesen, weil diesem vorgeworfen worden sei, Informationen an den Kläger weitergegeben zu haben, die der Verschwiegenheit unterliegen würden. Im Übrigen stehe der insoweit berücksichtigte Aspekt, dass die Weitergabe gerade von personenbezogenen Daten einen Vertrauensmissbrauch darstelle im krassen Widerspruch zum unrechtmäßigen Umgang des Beklagten mit den personenbezogenen Daten des Klägers.
29
Fest stehe, dass das einzige Gespräch zwischen dem Kläger und der Verkäuferfamilie am 6. Oktober 2018 im Zuge der Unterschriftensammlung für das mit von ihm initiierte Bürgerbegehren gewesen sei. Hierbei sei zu keiner Zeit über Grundstücksverkäufe gesprochen worden.
30
Im Übrigen bliebe beim Vortrag des Beklagten im Rahmen der Klageerwiderung vom 28. September 2020 unklar, ob das Kommunalunternehmen oder die Marktgemeinde den Vertrag mit den Grundstückseigentümern abgeschlossen habe. Nachdem das Grundstücksgeschäft offenbar vom Kommunalunternehmen abgewickelt worden sei, sei der Gemeinderat auch nicht das zuständige Gremium, sondern letztendlich der Vorstand und der Verwaltungsrat des Kommunalunternehmens. Die Information des Marktgemeinderates durch den Ersten Bürgermeister sei somit in der Funktion als Verwaltungsratsvorsitzender erfolgt. Es sei erkennbar, dass der Erste Bürgermeister über diesen Umweg den Kläger vor dem Gemeinderat diskreditieren und eine spätere Veröffentlichung des Vorfalles im Mitteilungsblatt habe ermöglichen wollen.
31
Es sei deutlich erkennbar, dass der Beklagte mit seinem Vortrag im Rahmen der Klageerwiderung vom 28. September 2020 versuche, seine Aussage und die Veröffentlichung nachträglich zu relativieren. Das Wort offenbar beziehe sich in der Veröffentlichung grammatikalisch eindeutig auf die Kenntnis von den Verhandlungen mit der Verkäuferfamilie und nicht auf die Aussage, dass er massiv auf die Verkäufer eingewirkt habe. Die Argumentation des Beklagten könne daher so nicht bestehen. Die gewählte Formulierung stelle bewusst einen Zusammenhang zwischen den Grundstücksverhandlungen und dem „massiven Einwirken“ dergestalt her, dass der Kläger offenbar Kenntnis gehabt habe und deswegen massiv auf die Verkäufer eingewirkt habe, und zwar direkt. Die Argumentation des Beklagten, dass die Einwirkung durch das öffentliche Auftreten des Klägers oder seine öffentliche Meinungsäußerung beeinflusst gewesen sei, habe mit den Grundstücksverhandlungen nichts zu tun.
32
Auf die weitergehende Begründung des Schreibens vom 27. Juli 2022 wird verwiesen.
33
Auf den gerichtlichen Hinweis vom 20. Januar 2023 nahm der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 14. Februar 2023 ergänzend Stellung. Die vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts, wonach es sich bei den Aussagen im Mitteilungsblatt um Werturteile handele, werde nicht geteilt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni 2022 (Az. 6 C 11/20 – Rn. 35) werde die streitgegenständliche Äußerung durch die Begriffe „massiv“, „offenbar“ und „einwirken“ nicht durch Elemente der Stellungnahme oder des Dafürhaltens geprägt. Das Verb „einwirken“ sei schon kein Wort, das Elemente einer Meinungsäußerung enthalte, sondern es beschreibe die Kausalität einer bestimmten Handlung. Bei den anderen Worten handele es sich um Adjektive, die zwar die Tatsachenbehauptung relativieren oder abschwächen haben sollen. Würde man unvoreingenommen den gesamten streitgegenständlichen Absatz lesen, so stehe aber die Tatsachenbehauptung im Vordergrund. Es bleibe beim Leser die Aussage haften, der Bürgermeister des Beklagten habe die starke Vermutung aufgrund eigener Kenntnisse, dass der Kläger Kenntnis von den Verhandlungen der betreffenden Familie mit der Gemeinde hätte und versuche, diese mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen. Damit äußere der Bürgermeister keine Meinung zu einer bestimmten Tatsache, sondern stelle eine – wenn auch vermutete – Tatsache in den Raum. Im Strafrecht werde die Behauptung einer nicht erwiesenen, ehrverletzenden Tatsache unter den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede subsumiert. Aus diesem Grund werde der Klageantrag hinsichtlich des Widerrufs aufrechterhalten. Hinsichtlich des Hilfsantrages sei anzuführen, dass es für den Kläger nicht nur um Datenschutz, sondern auch um seinen guten Ruf gehe.
34
Mit Schriftsatz vom 23. Februar 2023 erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, dass der Kläger mit dem nunmehr gestellten Hilfsantrag den Gesamtkontext ignoriere, in dem die streitgegenständliche Äußerung gefallen sei. Die Äußerung habe einzig dazu gedient, die Gemeinderatsmitglieder zur Verschwiegenheit anzuhalten. Dies sei ohne Weiteres daran erkennbar, dass die Sätze 1, 2, 3, und 5, in denen die Notwendigkeit der Verschwiegenheit betont werde, den hier streitgegenständlichen 4. Satz umschließen würden. Dass die Verhandlungen kurz vor dem Scheitern gestanden haben, sei eine Tatsache. Welche Gründe jedoch „offenbar“ verantwortlich gewesen seien, stelle jedoch ein Werturteil dar. Der Kläger berufe sich auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Das Landgericht … habe in seinem rechtskräftigen Urteil vom 16. August 2022 jedoch entschieden, dass die streitgegenständliche Äußerung den Kläger nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletze und ihm unter diesem Gesichtspunkt kein Schmerzensgeldanspruch zustehe. Demnach erweise sich der Anspruch auf Widerruf als unbegründet und für den Hilfsantrag fehle es am erforderlichen Feststellungsinteresse, zumal die Äußerung, wie sie im Feststellungsantrag wiedergegeben worden sei, so nicht isoliert gefallen sei.
35
Dem Schriftsatz wurde das Urteil des Landgerichts … vom 16. August 2022 – … – beigefügt, welches zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wird.
36
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 9. August 2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37
Die Klage hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.
A.
38
Nach Abtrennung des für erledigt erklärten Teils der Klage sowie Verweisung des Schadensersatzanspruches an die ordentliche Gerichtsbarkeit verbleibt als klägerisches Begehren i. S. v. §§ 86, 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) noch eine Entscheidung im Hauptantrag über den Anspruch auf Widerruf der veröffentlichten Textpassage sowie hilfsweise auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der veröffentlichen Textpassage.
39
Infolge des Verweisungsbeschlusses des Amtsgerichtes … vom 17. Februar 2021 - … – ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten hinsichtlich des verbleibenden Streitgegenstandes bindend festgelegt worden, § 173 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
B.
40
Die im Hauptantrag zulässige Klage ist unbegründet.
I.
41
Die Klage ist zulässig. Der Kläger begehrt mit dem Widerruf ein schlicht-hoheitliches Handeln, wofür die allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Im Übrigen ist er im konkreten Fall jedenfalls klagebefugt, denn er kann die Möglichkeit geltend machen, durch die Nichtvornahme des Widerrufs der streitgegenständlichen Äußerung in seinem dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht zuzurechnenden Ehrschutzanspruch verletzt zu sein.
II.
42
Die Klage ist im Hauptantrag jedoch unbegründet.
43
Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich um ein Werturteil. Der grundsätzlich auf den öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch zu stützende Anspruch auf Widerruf ist unabhängig davon, ob die Äußerung den Kläger in seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, ausgeschlossen, weil der Widerruf einer Meinungsäußerung für den Beklagten unzumutbar ist.
44
1. Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Widerruf und Richtigstellung kommt der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Nach diesem in den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wurzelnden Anspruch kann jemand, der durch öffentlich-rechtliches Handeln der Verwaltung in seinen Rechten verletzt wird, verlangen, dass diese die andauernden unmittelbaren Folgen ihres rechtswidrigen Vorgehens rückgängig macht. Voraussetzung für den Folgenbeseitigungsanspruch ist, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist (BVerwG, U.v. 29.6.2022 – 6 C 11/20 – juris Rn. 16).
45
2. Unabhängig von den weiteren Anspruchsvoraussetzungen kommt der Anspruch auf den Widerruf der streitgegenständlichen Äußerung vorliegend nicht in Betracht. Es liegt eine Meinungsäußerung vor. Ein Widerruf der getroffenen Meinungsäußerung, hinsichtlich welcher sich auch der Beklagte auf einen dem Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG vergleichbaren Schutz berufen kann, ist dem Beklagten im Lichte der Meinungs- bzw. Redefreiheit unzumutbar.
46
a) Es entspricht festen Rechtsprechungsgrundsätzen, dass mit Widerrufsklagen allein Tatsachenbehauptungen bekämpft werden können, nicht jedoch subjektive Wertungen, die nur falsch oder richtig, nicht aber wahr oder unwahr sind. Werturteilen kann lediglich mit der Unterlassungsklage begegnet werden (BayVGH, U.v. 10.10.1984 – 4 B 83 A/638 – BeckRS 1984, 110441).
47
Für die Abgrenzung von Wertungen und Tatsachen kommt es auf den Inhalt der Äußerung an. Eine Tatsache ist im Unterschied zur Wertung einer Überprüfung auf ihren Wahrheits- und Richtigkeitsgehalt, mithin dem Beweis zugänglich. Ob eine Tatsachenäußerung vorliegt, ist durch Deutung zu klären (BVerfG, B.v. 27.2.2003 – 1 BvR 1811/97 – juris Rn. 8).
48
Gegenstand des grundrechtlichen Schutzes aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG sind Meinungen. Auf sie bezieht sich die Freiheit der Äußerung und Verbreitung. Meinungen sind durch die subjektive Beziehung des Einzelnen zum Inhalt seiner Aussage geprägt. Für sie ist das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens kennzeichnend. Insofern lassen sie sich auch nicht als wahr oder unwahr erweisen. Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird. Der Schutz des Grundrechts erstreckt sich auch auf die Form der Aussage. Eine Meinungsäußerung verliert den grundrechtlichen Schutz nicht dadurch, dass sie scharf oder verletzend formuliert ist. In dieser Hinsicht kann die Frage nur sein, ob und inwieweit sich nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 2 GG Grenzen der Meinungsfreiheit ergeben (BVerfG, B.v. 13.4.1994 – 1 BvR 23/94 – juris Rn. 26).
49
Nach Auffassung der Kammer kann sich der Erste Bürgermeister einer Gemeinde in amtlicher Eigenschaft strenggenommen als Teil des Staates zwar nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Jedoch erwachsen ihm in Ansehung seiner Organstellung als gewähltes Stadtoberhaupt die aus dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Bayerische Verfassung (BV)) und dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) hergeleiteten, organschaftlichen Rechte der Repräsentationsfunktion sowie Redefreiheit, welche ihm im Ergebnis eine zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht anders zu behandelnde, vergleichbare Rechtsposition zur Äußerung verleihen (vgl. VG Ansbach, U.v. 23.3.2023 – AN 4 K 22.02123 – juris Rn. 52, 64).
50
Tatsachenbehauptungen sind dagegen keine Meinungsäußerungen. Im Unterschied zu diesen steht bei ihnen die objektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Realität im Vordergrund. Insofern sind sie auch einer Überprüfung auf ihren Wahrheitsgehalt zugänglich (BVerfG, B.v. 13.4.1994 – 1 BvR 23/94 – juris Rn. 27).
51
Die Abgrenzung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen ist im Einzelfall schwierig, weil beide häufig miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen. In diesem Fall ist eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile nur zulässig, wenn dadurch der Sinn der Äußerung nicht verfälscht wird. Wo das nicht möglich ist, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen und in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit einbezogen werden, weil andernfalls eine wesentliche Verkürzung des Grundrechtsschutzes drohte (BVerfG, B.v. 13.4.1994 – 1 BvR 23/94 – juris Rn. 28).
52
Der Inhalt einer Äußerung muss durch Interpretation ermittelt werden. Hat die Äußerung eine Einflussnahme auf den Prozess der Meinungsbildung zum Ziel, so müssen die Gesichtspunkte und Maßstäbe, die das Gericht bei der Interpretation heranzieht, mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar sein (BVerfG, B.v. 19.4.1990 – 1 BvR 40/86, 1 BvR 42/86 – juris Rn. 28). Es kommt auch darauf an sicherzustellen, dass der Sinn einer Äußerung nicht in einer Weise ermittelt wird, die der Bedeutung der Meinungsäußerung für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen und seine Teilnahme am politischen Leben wie auch für die freie Kommunikation in der Gesellschaft insgesamt widerspricht (BVerfG, B.v. 19.4.1990 – 1 BvR 40/86, 1 BvR 42/86 – juris Rn. 30).
53
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die streitgegenständliche Äußerung – „Die Verhandlungen mit dieser Familie (gemeint ist die Verkäuferfamilie) standen kurz vor dem Scheitern, da … offenbar Kenntnis davon hatte und massiv auf die Verkäufer einwirkte.“ – als Werturteil, weshalb ein Anspruch auf Widerruf wegen Unzumutbarkeit ausgeschlossen ist.
54
(1) Das Verb „einwirken“ wird in der Rechtschreibung als „jemanden gezielt beeinflussen“ bzw. „Einfluss nehmen“ definiert (https://www.duden.de/rechtschreibung/einwirken, Abrufdatum: 14. September 2023). Das Adverb „offenbar“ wird als „augenfällig“, „augenscheinlich“, „deutlich (erkennbar)“ bzw. „eklatant“ umschrieben (https://www.duden.de/rechtschreibung/offenbar_unzweifelhaft_augenfaellig, Abrufdatum: 14. September 2023). Und schließlich definiert sich das Adjektiv massiv als (von etwas Unangenehmen) „heftig“, „scharf“ bzw. „entschieden“ (und in grober Weise erfolgend) (https://www.duden.de/rechtschreibung/massiv, Abrufdatum: 14. September 2023).
55
(2) Das Gericht verkennt nicht, dass – wie vom Kläger vorgetragen – die streitgegenständliche Äußerung mit der Behauptung, dass der Kläger Kenntnis von den Grundstückverhandlungen gehabt und er auf die Verkäuferfamilie eingewirkt habe, einen gewichtigen Tatsachenkern aufweist. Jedoch ist auch festzustellen, dass der Kläger selbst davon ausgeht, dass beim Leser die Aussage haften bliebe, der Bürgermeister des Beklagten habe die starke Vermutung aufgrund eigener Kenntnisse, dass der Kläger Kenntnis von den Verhandlungen der betreffenden Familie mit der Gemeinde hätte und versuche, diese (Familie) mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen. Bereits aus diesem Vortrag wird deutlich, dass für sich genommen nicht die Behauptung der Kenntnis des Klägers von den Grundstücksverhandlungen und auch nicht die Behauptung der Einflussnahme auf die Grundstücksverhandlungen den klägerischen Ehrschutz betrifft, sondern vielmehr, dass der Eindruck entsteht, dass der Kläger dies mit unlauteren Mitteln versucht habe. Dieser Eindruck findet seinen Anknüpfungspunkt jedoch nicht in den behaupteten Tatsachen, sondern in dem Begriff des „massiven Einwirkens“. Entsprechendes bringen auch die Urteilsgründe der zivilrechtlichen Streitigkeit vor dem Landgericht … (S. 204 f. der Gerichtsakte) zum Ausdruck. Hiernach sei zu berücksichtigen, dass die veröffentlichte Äußerung des Beklagten aus Sicht eines verständigen und objektiven Empfängers einen erheblichen Interpretationsspielraum zulasse. Zwar mag die Äußerung für den Kläger und im allgemeinen Sprachgebrauch einen negativen Klang besitzen. Das dem Kläger zugeschriebene Verhalten lasse sich jedoch i. S. eines vielgestaltigen Vorgehens sowohl als bloßes argumentatives Einwirken im politischen Prozess als auch als grenzüberschreitendes Verhalten interpretieren. Zwingend sei weder die eine noch die andere Interpretation.
56
(3) In Ansehung des Vorangestellten gelangt das hiesige Gericht zu dem Ergebnis, dass dem Begriff des „massiven Einwirkens“ ein weiter Interpretationsspielraum zukommt und es sich daher bei der streitgegenständlichen Äußerung, gerade unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum umfassenden Schutz des Grundrechts der Meinungs- bzw. Redefreiheit, in der Gesamtschau um ein Werturteil handelt.
57
Den Anstoß des Klägers bildet nämlich – wie auch vom Prozessbevollmächtigten vorgetragen – der Umstand, dass dem Leser des Mitteilungsblattes suggeriert wird, dass der Kläger mit unlauteren Mitteln Einfluss auf die Verkäuferfamilie zu nehmen versucht habe. Als bekennender Gegner des geplanten Industriegebietes bildet aber weder die Frage, ob der Kläger „offenbar Kenntnis von den Grundstücksverhandlungen“ gehabt hat, noch ob er zur Verhinderung der Grundstücksverkäufe auf die Verkäuferfamilie im politischen Meinungsprozess (argumentativ) eingewirkt hat, ein verwerfliches Verhalten.
58
Zwar ist die Feststellung, ob der Kläger auf die Verkäuferfamilie eingewirkt hat als Tatsache dem Beweis zugänglich. Jedoch wird erst in Verbindung mit dem Adjektiv „massiv“ aus dem nicht verwerflichen „Einwirken“ auf die Verkäuferfamilie ein mögliches vorwerfbares Verhalten durch den Kläger. Letztendlich korreliert die negative Konnotation der gesamten streitgegenständlichen Äußerung mit der Frage, ob das „Einwirken“ tatsächlich „massiv“ gewesen ist, weil es etwa auf unlauteren Mitteln oder menschlich übergriffigem oder in sonstiger Weise unangemessenem Verhalten beruhte.
59
Angesichts des weiten Interpretationsspielraumes ist die Frage, ob das „Einwirken“ auch „massiv“ gewesen ist, jedoch nicht dem Beweis zugänglich. Es handelt sich mithin um eine Wertung des Ersten Bürgermeisters des Beklagten. Schon aus der Definition des Adjektivs wird deutlich, dass die Bedeutung des Wortes erheblichen Raum zur Beurteilung lässt. Was für den Einzelnen konkret ein „massives Einwirken“ darstellt, hängt von dem jeweiligen subjektiven Empfinden des Einwirkungsempfängers ab. Dementsprechend lässt sich die Frage, ab wann für den objektiven, durchschnittlichen Betrachter ein „massives Einwirken“ vorliegt, auch nicht verallgemeinern.
C.
60
Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Veröffentlichung gerichtete Hilfsantrag ist unzulässig. Es greift angesichts des bereits ausgeurteilten Schadensersatzanspruches vor dem Landgericht … zu Lasten des Klägers die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ferner besteht für den Kläger auch aus datenschutzrechtlicher Hinsicht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für eine Feststellung der Rechtswidrigkeit.
I.
61
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist die Feststellungsklage unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Vorschrift will unnötige Feststellungsklagen vermeiden, wenn für die Rechtsverfolgung eine andere sachnähere und wirksamere Klageart zur Verfügung steht. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden. Wegen der prinzipiellen Gleichwertigkeit der Rechtswege gilt diese Zielsetzung „rechtswegübergreifend“, d. h. auch dann, wenn die mit der Feststellungsklage konkurrierende Klage vor dem Zivilgericht zu erheben wäre oder bereits erhoben ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3/00 – juris Rn. 12).
62
Wesentlich ist dabei, dass die in Betracht kommende Gestaltungs- oder die Leistungsklage angemessenen und ausreichenden, der Feststellungsklage in Reichweite und Effektivität gleichwertigen Rechtsschutz bietet (BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 C 21/12 – juris Rn. 19). Das hat z. B. Bedeutung, wenn eine Gestaltungs- oder Leistungsklage das eigentliche Anliegen des Klägers nur als bloße nicht der Rechtskraft fähige Vorfrage erfassen würde (BVerwG, U.v. 29.4.1997 – 1 C 2/95 – juris Rn. 29).
63
Art. 19 Abs. 4 GG gewährt keinen bestimmten Rechtsweg. In dem im ordentlichen Rechtsweg zu führenden Prozess um Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung ist die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Nebenpflicht eine vom Zivilgericht zu beantwortende Vorfrage. Dies genügt der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, und zwar auf einfachere Weise, als wenn über einzelne Elemente des rechtlich gebotenen Schadensausgleiches in mehreren Verfahren unterschiedlicher Rechtswege entschieden würde. Eine Auslegung des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO dahin, die verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage sei nur dann unzulässig, wenn gleicher oder besserer Rechtsschutz durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage gerade im verwaltungsgerichtlichen Verfahren möglich wäre, ist nicht geboten (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1985 – 4 C 21/80 – juris Rn. 41). Nichts anderes bringt der Gesetzgeber gerade mit der Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 Var. 3 VwGO zum Ausdruck, bei der es sich hinsichtlich der Amtshaftungsansprüche um eine abdrängende Sonderzuweisung hin zur ordentlichen Gerichtsbarkeit handelt. Im Übrigen wird auf die Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG hingewiesen, wonach das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet.
64
Entsprechendes gilt auch im streitgegenständlichen Fall.
65
Im Zuge des durch Beschluss vom 29. Oktober 2021 an das Landgericht … verwiesenen Schadensersatzprozesses wurde sich bereits mit der Frage der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit der Rechtswidrigkeit des Handelns des Beklagten befasst (S. 205f. der Gerichtsakte). Ausweislich der Urteilsgründe des Urteils des Landgerichts … vom 16. August 2022 – … – komme ein über den datenschutzrechtlichen Schmerzensgeldanspruch hinausgehender Anspruch auf Basis des § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i. V. m. dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht in Betracht, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen würden. Das Landgericht hat sich insoweit im Zuge der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen ersichtlich mit der Frage der Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche nicht vorliegt.
II.
66
Zu keinem anderen Ergebnis gelangt das Gericht unter Berücksichtigung des zivil- und verwaltungsgerichtlichen Prozessablaufs.
67
In Fällen, in denen zunächst beim Verwaltungsgericht wegen eines für rechtswidrig gehaltenen Verwaltungshandelns mit einer Leistungs- oder Feststellungsklage primärer Rechtsschutz begehrt worden ist, dieses Begehren sich aber nach Klageerhebung erledigt hat und deshalb gegen den Beklagten nur noch ein Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werden kann, ist der Kläger in Anlehnung an die Regelung über die sog. Fortsetzungsfeststellungsklage in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO berechtigt, das Klageverfahren mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns fortzusetzen, um sich auf diese Weise die bisherigen Ergebnisse des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für den nachfolgenden Schadensersatzprozess vor dem Zivilgericht nutzbar zu machen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Schadensersatzprozess vor dem Zivilgericht dem auf primären Rechtsschutz zielenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren zeitlich nachfolgt, und zwar deshalb, weil durch eine nachträgliche Veränderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse sich das anfängliche Rechtsschutzbegehren erledigt hat und der Kläger damit auf einen Anspruch auf Schadensausgleich zurückgeworfen ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3/00 – juris Rn. 14).
68
Unabhängig davon, ob die Feststellungsklage auch subsidiär und damit unzulässig ist, wenn die Feststellungsklage erst erhebliche Zeit nach dem erledigenden Ereignis sowie Anhängigkeit des Schadensersatzanspruches erhoben wird, greift die oben dargestellte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes im konkreten Fall nicht, weil im Schadensersatzprozess bereits ein Urteil ergangen ist. Der Verwaltungsprozess ist damit zeitlich nachfolgend zum zivilgerichtlichen Prozess, weshalb es keiner späteren Nutzbarmachung der Ergebnisse des verwaltungsgerichtlichen Prozesses mehr bedarf.
III.
69
Im Übrigen gilt das oben Dargestellte – unabhängig davon, ob das klägerische Begehren gemäß §§ 86, 88 VwGO letztlich noch darauf gerichtet ist – auch für die Feststellung der Rechtswidrigkeit in datenschutzrechtlicher Hinsicht. Durch das landgerichtliche Urteil, welches den Schadensersatzanspruch auf die datenschutzrechtliche Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Veröffentlichung stützt, sowie durch die Ausführungen des Landesbeauftragten für Datenschutz besteht für die erneute Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Veröffentlichung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
D.
70
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.