Titel:
Voraussetzungen für eine Vorfälligkeitsentschädigung
Normenketten:
BGB § 355, § 489 Abs. 1 Nr. 2, § 490 Abs. 2 S. 3, § 495 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1
ZPO § 288 Abs. 1 S. 2, § 291, § 296 Abs. 1, § 296a
Leitsätze:
1. Wird in einem anwaltlichen Schreiben "Widerruf" erklärt, ist eine Auslegung dieser durch einen Rechtskundigen verfassten und ausdrücklich als Widerruf bezeichneten Erklärung als Kündigung nicht möglich. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Beklagten steht wegen § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB keine Vorfälligkeitsentschädigung infolge vorzeitiger Rückzahlung der Darlehensvaluta zu, wenn die Angaben im Darlehensvertrag sowohl zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als auch zum Kündigungsrecht des Darlehensnehmers unzureichend sind. (Rn. 32 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es greift Präklusion iSd § 296 Abs. 1 ZPO, wenn die Kläger erst in der mündlichen Verhandlung Einwände gegen die Höhe der Nichtabnahmeentschädigung erheben. (Rn. 90) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berechnung, Darlehen, Schadensersatz, Widerruf, Vorfälligkeitsentschädigung, Rückzahlung, Präklusion, Auslegung, Nichtabnahmeentschädigung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Urteil vom 20.03.2024 – 8 U 47/23 e
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 04.02.2025 – XI ZR 47/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 55252
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 473,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.01.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Der Streitwert wird auf 18.647,15 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Kläger begehren die Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, einer Nichtabnahmeentschädigung sowie einer Bearbeitungsgebühr, die die Beklagte nach vorzeitiger Beendigung eines Darlehensvertrages von den Klägern erhalten hat.
2
Zur Finanzierung eines privaten Bauvorhabens nahmen die Kläger am 29.03./05.04.2019 ein Verbraucherdarlehen über 254.000,00 € bei der Beklagten auf. Der Nominalzins in Höhe von 1,6 Prozent p.a. sollte bis 30.07.2037 unveränderlich sein. Der Darlehensvertrag enthält unter Ziffer 10.2 Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung und unter Ziffer 11 Ausführungen zur ordentlichen Kündigung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den als Anlage K1 vorgelegten Darlehensvertrag Bezug genommen.
3
Das Darlehen wurde entsprechend dem Baufortschritt nur in Höhe von 43.919,07 € ausgereicht.
4
Aufgrund eines Architektenfehlers konnten die Kläger das Bauvorhaben nicht wie ursprünglich beabsichtigt durchführen und entschlossen sich letztlich, dieses abzubrechen. Verhandlungen zwischen den Parteien über eine Fortsetzung bzw. eine Erhöhung des Darlehensvertrages führten zu keiner Einigung.
5
Mit Anwaltsschreiben vom 14.04.2020 (Anlage K3) wiesen die Kläger darauf hin, dass sie von ihrem Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens Gebrauch machen wollten und erklärten „vorsorglich“ den Widerruf ihrer Vertragserklärungen zum Darlehensvertrag.
6
Mit Schreiben vom 30.04.2021 (Anlage B2) meldete sich schließlich die von den Klägern mit der Ablösung des Darlehens beauftragte BHW Bausparkasse bei der Beklagten und bat um Mitteilung des Ablösebetrages. Mit Schreiben vom 12.04.2021 (Anlage B3) teilte die Beklagte der BHW mit, dass für die Ablöse des Darlehens die Vorlage der den Klägern zugesandten Aufhebungsbeträge erforderlich sei. Obwohl diese Aufhebungsverträge auch in der Folgezeit nicht vorgelegt wurden, entschloss sich die Beklagte, das Darlehen durch die BHW ablösen zu lassen.
7
Die Beklagte belastete dem Darlehenskonto der Kläger eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 471,41 € betreffend den ausbezahlten Darlehensteil sowie eine Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 18.075,74 € betreffend den nicht abgerufenen Betrag (vgl. Anlagen K6 und K7). Zudem erhob die Beklagte eine Bearbeitungsgebühr von 100,00 €.
8
Die Kläger ließen den offenen Darlehensbetrag inklusive der Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung und der Bearbeitungsgebühr durch die BHW an die Beklagte überweisen, so dass das Darlehen zum 16.06.2021 abgelöst war (vgl. Anlage K7).
9
Die Kläger sind der Auffassung, dass der Beklagten kein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung zustehe, weil die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Darlehensvertrag fehlerhaft seien, § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
10
Infolge der unzureichenden Angaben im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB stehe den Klägern auch ein Anspruch auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung zu. Angesichts der wirtschaftlich gleichen und -einschneidenden Folgen für den Verbraucher müssten sich die Hinweispflichten des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch auf die Nichtabnahmeentschädigung erstrecken, damit ein durchgreifender und gleichwertiger Rechtsschutz erreicht werde. Darüber hinaus müsse ein Verbraucherdarlehensvertrag die Verpflichtung zur Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung hinreichend klar und verständlich regeln. Kosten, die in Verbraucherdarlehensverträgen nicht angegeben werden, seien vom Darlehensnehmer gemäß § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht geschuldet. Dies gelte in gleicher Weise für einen Anspruch auf einer Nichtabnahmeentschädigung, da diese einen modifizierten Erfüllungsanspruch, mithin einen modifizierten darlehensvertraglichen Zinsanspruch darstelle. Da der vorliegende Darlehensvertrag und auch das ESIS-Merkblatt keinen Hinweis darauf enthalte, dass im Falle einer (teilweisen) Nichtabnahme des Darlehens eine Nichtabnahmeentschädigung geschuldet wäre, bestehe kein Anspruch auf die Nichtabnahmeentschädigung (§ 494 Abs. 4 Satz 1 BGB).
11
Auch die Bearbeitungsgebühren von 100,00 € habe die Beklagte zu erstatten. Soweit sich diese Kosten nicht schon vom Grunde her als unzulässig darstellten, weil es schon am Rechtsgrund für die Erhebung der Nichtabnahmeentschädigung und der Vorfälligkeitsentschädigung mangele, würden diese eine unzulässige Preisnebenabrede darstellen. Zudem habe der Darlehensnehmer – auch außerhalb der Informationspflichten des § 493 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BGB – einen Auskunftsanspruch über die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung aus § 488 BGB in Verbindung mit § 241 Abs. 2, 242 BGB. Für die Erfüllung nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten der Bank stehe dieser kein gesondertes Entgelt zu.
12
Letztlich entfalle der Anspruch der Klägerin auf die Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung auch, da die Kläger den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 14.04.2020 (Anlage K3) wirksam widerrufen haben.
13
Darüber hinaus seien die Kläger nicht zur Zahlung verpflichtet gewesen, da der Darlehensvertrag gemäß § 500 Abs. 2 BGB wirksam gekündigt worden sei.
14
Die Kläger beantragen:
- 1.
-
Die Beklagte zu verurteilen, 18.647,15 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.06.2021 an die Kläger zu zahlen.
- 2.
-
Die Beklagte zu verurteilen, weitere 1.673,14 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an die Kläger zu zahlen.
15
Die Beklagte beantragt,
16
Sie ist der Auffassung, dass weder die Angaben zum Kündigungsrecht noch zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung im Darlehensvertrag als unzureichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen sein. Die Beklagte habe somit zurecht eine Vorfälligkeitsentschädigung und hierzu ein Bearbeitungsentgelt beansprucht.
17
Die Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB sei auf die Nichtabnahmeentschädigung weder direkt noch analog anzuwenden. Es handele sich bei der Nichtabnahmeentschädigung um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 und 2, 281 Abs. 1 BGB, der unmittelbar aus dem Gesetz folge. Eines Hinweises der Beklagten auf die Möglichkeit einer Nichtabnahmeentschädigung habe es daher nicht bedurft. Ungeachtet dessen würde jedoch § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB selbst bei analoger Anwendung nicht gegen den Anspruch auf die Nichtabnahmeentschädigung sprechen, da die im Vertrag erteilte Hinweise ausreichend seien.
18
Ein Widerrufsrecht der Kläger sei nicht gegeben.
19
Hinsichtlich der Kündigung folge ein Kündigungsrecht zwar nicht aus § 500 Abs. 2 BGB, da dort gerade kein Kündigungsrecht geregelt sei, sondern aus § 490 Abs. 2 BGB. Jedoch würde selbst bei Ausübung dieses Kündigungsrechts auch eine Vorfälligkeitsentschädigung anfallen, wie sich ausdrücklich aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB ergebe.
20
Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat am 16.08.2023, dem Tag vor der mündlichen Verhandlung, einen weiteren Schriftsatz eingereicht und das Gericht hat in öffentlicher Sitzung am 17.08.2023 verhandelt. In dieser Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erstmals Einwendungen gegen die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung durch die Beklagte erhoben. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat den Vortrag als verspätet gerügt.
21
Mit nicht, nachgelassenem Schriftsatz vom 28.08.2023 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger weitere Ausführungen, insbesondere zur Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung gemacht.
Entscheidungsgründe
22
Die Klage ist zulässig, jedoch nur hinsichtlich des Anspruchs auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung von 471,41 € zzgl. anteiliger Bearbeitungskosten von 2,50 € begründet. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und unterliegt der Abweisung.
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1. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 471,41 € sowie des darauf anteilig entfallenden Bearbeitungsentgeltes von 2,50 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, weil die Beklagte diese Leistungen ohne Rechtsgrund erlangt hat.
24
Der Beklagten stand ein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung weder nach Kündigung seitens der Kläger aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB noch nach vorzeitiger Rückzahlung der Darlehensvaluta gemäß § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
25
a) Ein Anspruch der Beklagten ergibt sich mangels Kündigung seitens der Kläger nicht aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB.
26
Nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag, bei dem der Sollzinssatz gebunden und das Darlehen durch einen Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, unter Einhaltung der Fristen des § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB vorzeitig kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens sechs Monate abgelaufen sind. In diesem Fall hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber jedoch gemäß § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung).
27
aa) Es fehlt im vorliegenden Fall schon an einer Kündigungserklärung durch die Kläger.
28
In dem anwaltlichen Schreiben vom 14.04.2020 (Anlage K3) wurde ausdrücklich nur der Widerruf erklärt. Eine Auslegung dieser durch einen Rechtskundigen verfassten und ausdrücklich als Widerruf bezeichneten Erklärung als Kündigung ist nicht möglich.
29
Eine anderweitige Kündigungserklärung ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Kläger haben sich, anwaltlich vertreten, immer wieder auf ihr Recht zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens berufen. Hierin kann keine Kündigungserklärung gesehen werden.
30
bb) Im Übrigen lagen die Voraussetzungen des Kündigungsrechts gemäß § 490 Abs. 2 BGB nicht vor. Es fehlte insoweit an der Voraussetzung des vollständigen Empfangs des Darlehens. Nachdem das Darlehen nur teilweise ausgereicht worden war, konnte die Sechs-Monats-Frist nach § 490 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu laufen beginnen (vgl. C. Weber in: BeckOGK-BGB, Stand 01.04.2023, BGB § 490 Rn. 106).
31
Damit fehlt für die Annahme einer Kündigung jede rechtliche Grundlage.
32
b) Der Beklagten stand indes auch nicht infolge vorzeitiger Rückzahlung der Darlehensvaluta eine Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
33
Dieser Anspruch ist gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, da die Angaben im Darlehensvertrag sowohl zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als auch zum Kündigungsrecht des Darlehensnehmers unzureichend sind.
34
aa) Die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in Ziffer 10.2 des Darlehensvertrages sind unzureichend.
35
Unzureichend sind nicht nur Informationen, die für den Verbraucher nicht klar und verständlich im Sinne von Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB sind, sondern auch unrichtige Angaben (BGH NJW 2020, 461 Rn. 44; BT-Drucks. 16/11643, 88; Knops in: BeckOGK-BGB, 15.08.2022, BGB § 502 Rn. 57). Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers (BGH NJW-RR 2019, 867 Rn. 14).
36
(1) Die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung in Ziff. 10.2 des Vertrages sind deshalb fehlerhaft, da dort zur Erläuterung der Aktiv-Passiv-Methode ausgeführt wird, dass durch diese Berechnungsmethode die Beklagte so gestellt wird, als ob der Kredit bis zum Ablauf der Zinsbindung planmäßig fortgeführt worden wäre.
37
Der Zins war nach dem Vertrag vom 29.03./05.04.2019 bis zum 30.07.2037 und damit für einen Zeitraum von ca. 18 Jahren und 3 Monaten gebunden. Mit dem Begriff „Zinsbindung“ in Ziff. 10.2 kann aus Sicht des Verbrauchers nur diese Zinsbindung von 18 Jahren und 3 Monaten gemeint sein. Der streitgegenständlichen Regelung in Ziff. 10.2 ist jedoch gerade nicht zu entnehmen, dass es für die Berechnung des Zinsschadens auch darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt der Vertrag erstmalig ordentlich gekündigt werden kann. Dass sich nämlich aus dem Gesetz, insbesondere aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, für den Darlehensnehmer die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung nach 10 Jahren und 6 Monaten ergibt, ist für den Verbraucher nicht ohne weiteres erkennbar. Die Vorfälligkeitsentschädigung war aber nur bis zum Zeitpunkt der Möglichkeit für den Darlehensnehmer, das Darlehen ordentlich nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu kündigen, zu berechnen. Nur so weit reicht die rechtlich gesicherte Zinserwartung der Beklagten (vgl. BGH, NJW 2016, 1382, 1383, Rn. 25; BGHZ 104, 337, 343). Dieser Zeitraum stimmt nicht immer mit dem vereinbarten Zinsfestschreibungszeitraum überein (vgl. Samhat in: Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2022, § 54 Kündigungsrecht Rn. 169). Die Darstellung in Ziff. 10.2 des streitgetenständlichen Darlehensvertrages dagegen besagt, dass unter Ausblendung der Kündigungsmöglichkeit nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur die Zeit der Zinsfestschreibung bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung gilt, was im vorliegenden Fall nicht klar und verständlich und damit unzutreffend ist (LG Potsdam, Urteil vom 08.02.2023 – 8 O 102/22).
38
Auch dass die Beklagte vorliegend in Ziff. 11.1. den Verbraucher an anderer Stelle im Vertrag über sein gesetzliches Kündigungsrecht nach 10 Jahren und 6 Monaten belehrt hat, führt nicht zu einer anderen Bewertung. Im konkreten Zusammenhang mit der Vorfälligkeitsentschädigung und deren Berechnung hat die Beklagte jedenfalls nicht auf die Kürzung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung durch die Ausübung des Kündigungsrechts nach 10 Jahren und 6 Monaten verwiesen. In Ziff. 10.2, in welchem sich die Beklagte zu der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung äußert, findet sich überhaupt kein Hinweis auf das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, was im vorliegenden Fall jedoch geboten wäre, da eine Zinsbindung von 18 Jahren und 3 Monaten vereinbart wurde, und diese damit deutlich länger ist als 10 Jahre und 6 Monate. Es kann nicht verlangt werden, dass der Verbraucher allein aus dem Bestehen des gesetzlichen Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, worüber er zudem an gänzlich anderer Stelle belehrt worden ist, die Schlussfolgerung zieht, dass es für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung abweichend von der vertraglich vereinbarten Zinsbindung auf diesen Zeitraum der Kündigungsmöglichkeit maßgeblich ankommt. Dem normal informierten Verbraucher ist ein derartiger Zusammenhang in der Regel nicht bewusst und ergibt sich auch nicht aus der erteilten Belehrung – weder aus Ziff. 10.2 noch aus Ziff. 11.1. Dementsprechend entsteht der unzutreffende Eindruck beim Verbraucher, dass es für Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ausschließlich auf die vertraglich vereinbarte Zinsbindung ankommt, so dass die Regelung nicht hinreichend klar und verständlich und damit fehlerhaft ist (so auch: LG Potsdam, Urteil vom 08.02.2023 – 8 O 102/22; des Weiteren: LG Kiel, Urteil vom 04.11.2022 – 12 O 198/21, juris; LG Limburg, Urteil vom 22.12.2022 – 1 O 32/22, juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 12.12.2022 – 13 U 71/22, zitiert nach Lang/Rösler, ZIP 2023, 836, juris).
39
(2) Darüber hinaus sind die Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung in Ziff. 10.2 des Vertrages fehlerhaft, weil die Berechnungsmethode der Aktiv-Passiv-Methode unvollständig dargestellt ist.
40
Entscheidend ist, dass der Darlehensnehmer die Berechnung der Entschädigung nachvollziehen und seine Belastung, falls er sich zur vorzeitigen Rückzahlung entschließt, zuverlässig abschätzen kann. Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es, wenn der Darlehensgeber die für die – Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18, NJW 2020, 461).
41
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte zu der Berechnung unter Anwendung der Aktiv-Passiv-Methode informiert. Bei der Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode stellt sich der finanzielle Nachteil des Darlehensgebers als Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite dar, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergibt. Der Differenzbetrag ist um ersparte Risiko- und Verwaltungskosten zu vermindern und auf den Zeitpunkt der Leistung der Nichtabnahmeentschädigung abzuzinsen. (BGH, Urteil vom 07.11.2000 – XI ZR 27/00, NJW 2001, 509).
42
Aus den Informationen der Beklagten in Ziff. 10.2 ergibt sich diese Differenzberechnung nicht. Es werden zwar Parameter für die Berechnung der Entschädigung genannt, ohne jedoch transparent zu machen, wie. diese untereinander in Beziehung zu setzen sind, so dass der Darlehensnehmer nicht hinreichend zuverlässig die durch die vorzeitige Rückzahlung voraussichtlich anfallenden Belastungen abschätzen kann.
43
Im zweiten Absatz der Ziffer 10.2 wird ohne weitere Erläuterung für die weitere Bedeutung in der Berechnung der Entschädigung mitgeteilt, dass von einer Anlage der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel in sichere Kapitalmarkttitel ausgegangen werde. Im zweiten Satz wird der Eindruck vermittelt, dass nun die Methodik Schritt für Schritt erläutert werden soll, indem ausgeführt wird, dass „zunächst“ ein bestimmter Betrag ermittelt werde. Sodann werden weiter Parameter genannt, die diesen Betrag erhöhen oder verringern. Der Abzug der rechnerisch durch Anlage der vorzeitig zurückgezahlten Darlehensmittel erzielbaren Rendite und der Darlehensmittel selbst wird jedoch nicht erläutert.
44
Auch der letzte und entscheidende Rechenschritt, nämlich der Abzug der offenen Restschuld vom dem fiktiven Anlagebetrag, dessen Ergebnis dann der Betrag der Vorfälligkeitsentschädigung ist (vgl. hierzu etwa K. P. Berger in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 488 Rn. 73), fehlt im Text der Ziff. 10.2 vollständig.
45
Durch die lückenhafte und intransparente Information kann für den Darlehensnehmer der Eindruck einer sehr viel größeren Belastung entstehen, welche ihn von der vorzeitigen Rückzahlung abhalten könnte. Damit ist die Information unzureichend (ebenso LG Rostock, Urteil vom 10.02.2021 – 2 O 872/19 juris, bestätigt durch OLG Schleswig, Beschluss vom 21.12.2022 – 5 U 2227/22, juris; LG Limburg, Urteil vom 22.12.2022 – 1 O 32/22, juris).
46
bb) Die Angaben zur Kündigung in Ziffer 11.1 des Vertrages sind ebenfalls unzureichend, weil dort die tatsächliche Rechtslage nicht korrekt dargestellt wird.
47
(1) Die Rechtslage bezüglich der Kündigungsmöglichkeiten stellt sich wie folgt dar:
48
(a) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt zunächst voraus, dass ein gebundener Sollzinssatz vereinbart ist.
49
Dies ist vorliegend der Fall. Nach Ziffer 3.2 des Vertrages ist ein Sollzinssatz von 1,600 % p.a. bis zum 30.07.2037 fest vereinbart.
50
Aber auch für die Zeit danach ist in Ziffer 3.2 – vorbehaltlich einer anderweitigen Zinsvereinbarung – ein gebundener Sollzinssatz in Form einer periodischen Zinsanpassung vereinbart (vgl. K. P. Berger in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 489 Rn. 9). Es handelt sich hier nicht um eine Zinsanpassungsklausel, die es der Beklagten einseitig ermöglicht, den Sollzins anzupassen. Vielmehr haben die Parteien übereinstimmend vertraglich exakt festgelegt, dass sich die Höhe des Sollzinssatzes nach der Veränderung des 3-Monats-EURIBOR als Referenzzinssatzes berechnet und dass die Anpassung vierteljährlich automatisch erfolgt. Die am Ende von Ziffer 3.2 des Vertrages enthaltene Verpflichtung der Beklagten, den Darlehensnehmer vierteljährlich über den Sollzinssatz und die Höhe des Referenzzinssatzes zu informieren, stellt keine Voraussetzung des Inkrafttretens der Änderung des Sollzinssatzes dar. Diese Information des Darlehensnehmers dient lediglich dazu, diesem die Überprüfung der Richtigkeit der Sollzinsänderung und die Entscheidung über die Ausübung des ihm bei Erhöhungen des Sollzinses zustehenden Sonderkündigungsrechts zu ermöglichen.
51
(b) Weitere Voraussetzung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist, dass die Laufzeit des Darlehens länger ist als die vereinbarte Sollzinsbindung.
52
Auch dies ist hier der Fall. Die Laufzeit des Darlehens ergibt sich aus dem in Ziffer 4 des Vertrages vereinbarten Zahlungsplan, so dass sich gemäß Ziffer 4.4 eine Vertragslaufzeit bis 30.11.2056 ergibt. Die Vereinbarung des Festzinses nach Ziffer 3.2 des Vertrages endet zuvor, nämlich am 30.07.2037.
53
Auch die Vereinbarung über den variablen Sollzins endet vor der Vertragslaufzeit. Hier darf nicht darauf abgestellt werden, dass die Vereinbarung des veränderlichen Sollzinssatzes sich letztlich auf die gesamte Vertragslaufzeit erstrecken würde. Maßgeblich ist stattdessen, dass der Sollzinssatz jeweils für 3 Monate fest vereinbart wurde, so dass also jeder dieser Zeiträume gesondert zu betrachten ist. Mit Ausnahme des letzten 3-Monats-Zeitraums hätten alle vor der Gesamtlaufzeit des Darlehensvertrages geendet.
54
(c) Den Darlehensnehmern stand deshalb gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 BGB ein Kündigungsrecht „frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet“, zu.
55
Die Sollzinsbindung hinsichtlich des Festzinses endete hier am 30.07.2037.
56
Die Darlehensnehmer hätten daher unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist frühestens mit Wirkung zum 30.07.2037 kündigen können. Dies ist aber nicht der einzig mögliche Beendigungstermin. Vielmehr kann der Vertrag grundsätzlich auch zu jedem beliebigen späteren Termin innerhalb der Vertragslaufzeit gekündigt werden (C. Weber in: BeckOGK, 1.1.2023, BGB § 489 Rn. 42; K. P. Berger in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 489 Rn. 10).
57
Da die Vertragsparteien jedoch im Anschluss an die zum 30.07.2037 endende Festzinsvereinbarung eine periodische Anpassung des Sollzinssatzes im Sinne einer periodischen Festzinsvereinbarung getroffen haben, greift die Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 BGB ein, die das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers im Vergleich zu Hs. 1 einschränkt. Der Darlehensnehmer kann lediglich zum Ablauf der jeweiligen Festlegungszeiträume kündigen (C. Weber in: BeckOGK, 1.1.2023, BGB § 489 Rn. 43; K. P. Berger in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 489 Rn. 9).
58
(2) Die Ausführungen im zweiten Absatz von Ziffer 11.1 stellen die oben geschilderte Rechtslage falsch dar. Die Beklagte hat daher die Darlehensnehmer in Ziffer 11.1 des Vertrages über die gesetzlich geregelten Kündigungsmöglichkeiten aus § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht zutreffend informiert.
59
(a) Nicht zu beanstanden ist jedoch aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles die Formulierung im ersten Satz des zweiten Absatzes von Ziffer 11.1 „Das Darlehen kann beiderseits mit einer Frist von einem Monat zum Ablauf der ersten oder einer folgenden Festzinsvereinbarung gemäß Nr. 3.2 des Darlehensvertrages ganz oder teilweise gekündigt werden“.
60
Diese Formulierung ist zwar von einem durchschnittlichen Darlehensnehmer so zu verstehen, dass ausschließlich und einmalig „nur“ bei Ablauf der Festzinsvereinbarung am 30.07.2037 gekündigt werden kann, obwohl eine Kündigung nach dem Gesetz nur „frühestens“ zu diesem Zeitpunkt möglich und zu einem späteren Zeitpunkt keineswegs ausgeschlossen ist.
61
Die Besonderheit im vorliegenden Fall ist jedoch, dass unmittelbar im Anschluss an die Festzinsvereinbarung eine periodische Zinsanpassung vereinbart wurde, was zur Anwendbarkeit von § 489 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 BGB führt, so dass das Kündigungsrecht kraft Gesetzes eine Einschränkung erfährt (s.o.). Nach Auslaufen der Festzinsvereinbarung am 30.07.2037 wäre also nur eine Kündigung zum jeweils nächsten Quartalsende möglich gewesen.
62
Im Ergebnis führt dies faktisch dazu, dass das Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 BGB hier tatsächlich nur und ausschließlich „zum“ 30.07.2037 möglich gewesen wäre. Die nächste Kündigungsmöglichkeit wäre dann nach § 489 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 BGB der 30.10.2037 gewesen.
63
(b) Falsch ist die Information im zweiten Absatz von Ziffer 11.1 jedoch hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeit nach dem Ende der Festzinsvereinbarung am 30.07.2037. Denn anders als dort ausgeführt, konnte der Vertrag nicht „jederzeit mit einer Frist von drei Monaten“ gekündigt werden.
64
Der Hinweis auf die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit mit dreimonatiger Frist bezieht sich auf . ein Darlehen mit (jederzeit) veränderlichem Zinssatz gemäß § 489 Abs. 2 BGB. Da es sich im vorliegenden Fall aber gerade nicht um einen Fall des § 489 Abs. 2 BGB handelt, sondern um einen Fall des § 489 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 2 (Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr), greift keine Kündigungsfrist von drei Monaten ein, sondern eine Kündigung ist nur zum Ende des jeweiligen Festlegungszeitraums (hier Quartalsende) möglich, wobei eine Kündigungsfrist von einem Monat zu beachten ist (C. Weber in: BeckOGK, 1.1.2023, BGB § 489 Rn. 45).
65
Rechtlich zutreffend hätten die Darlehensnehmer also darauf hingewiesen werden müssen, dass nach Ablauf der Festzinsvereinbarung mit einer Frist von einem Monat jeweils zum Quartalsende gekündigt werden konnte.
66
c) Rechtsfolge der in mehrfacher Hinsicht fehlerhaften und damit unzureichenden Informationen im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist, dass der Anspruch der Beklagten auf eine Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen ist.
67
Im Ergebnis haben die Kläger daher einen Anspruch darauf, dass die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 471,41 € unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten von der Beklagten zurückgezahlt wird.
68
d) Konsequenz des fehlenden Anspruchs der Beklagten auf die Vorfälligkeitsentschädigung ist, dass auch dem hierauf entfallenden Bearbeitungsentgelt die Rechtsgrundlage fehlt.
69
Nachdem die Beklagte für die Bearbeitung von Vorfälligkeits- und Nichtabnahmeentschädigung insgesamt 100,00 € als Entgelt in Rechnung gestellt hat und das Verhältnis der Vorfälligkeitsentschädigung zur Nichtabnahmeentschädigung 2,50 % zu 97,5 % beträgt, sind im Wege der richterlichen Schätzung auf die zurückzuzahlende Vorfälligkeitsentschädigung anteilige Gebühren von 2,50 € hinzuzusetzen.
70
Damit ergibt sich ein Rückzahlungsanspruch der Kläger von insgesamt 473,91 €.
71
Dieser ist gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 ZPO ab Rechtshängigkeit mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen. Die Voraussetzungen eines früheren Verzinsungsbeginns sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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2. Ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 18.075,74 € besteht nicht.
73
Die Beklagte hat die Nichtabnahmeentschädigung mit Rechtsgrund erlangt, denn ihr stand gegen die Kläger ein entsprechender Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB in entsprechender Höhe zu.
74
a) Indem die Kläger hinsichtlich des nicht valutierten Darlehensbetrages eine endgültige Abnahmeverweigerung erklärt haben, haben sie eine Vertragsverletzung begangen, was einen Schadensersatzanspruch des Darlehensgebers dem Grunde nach auslöst (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2000 – XI ZR 27/00).
75
Die Kläger haben spätestens mit Anwaltsschreiben vom 10.07.2020 (Anlage K5) erklärt, dass sie sich entschlossen haben, das Darlehen insgesamt zurückzuführen, das heißt, den nicht valutierten Anteil des Darlehens nicht in Anspruch zu nehmen und baten im Hinblick auf die Ablösung des Darlehens um Mitteilung des Ablösebetrages per 31.12.2020. Hierin ist die endgültige Erklärung der Abnahmeverweigerung des nicht valutierten Darlehensteils zu sehen.
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b) Soweit die Kläger meinen, der Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung sei gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, mögen sie hiermit nicht durchzudringen. Diese Norm ist auf den Fall der Nichtabnahme des Darlehens und damit auf die Nichtabnahmeentschädigung weder direkt noch analog anwendbar (so auch LG Bonn, Urteil vom 24.03.2022 – 17 O 209/21, juris; LG Köln, Urteil vom 27.02.2020 – 15 O 379/19, juris; OLG Jena, Beschluss vom 08.12.2022 – 5 U 858/22, BeckRS 2022, 46775).
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Eine direkte Anwendung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung scheitert schon am eindeutigen Wortlaut der Norm. Aufgrund der eindeutigen Formulierung ist auch eine analoge Anwendung abzulehnen. Die Sanktion bezieht sich nur auf die Vorfälligkeitsentschädigung. Allein aus der Tatsache, dass beide Schadenspositionen in gleicher Weise zu berechnen sind, lässt sich nicht schließen, dass auch die Vorgaben für den Darlehensvertrag identisch sein müssten. Denn die Voraussetzungen der Ansprüche sind gerade nicht identisch. Im Fall der Nichtabnahmeentschädigung verweigert der Darlehensnehmer die Abnahme der Valuta, so dass dem Darlehensgeber die allgemeinen Rechte aus der Vertragsverletzung zustehen. Im Fall der Vorfälligkeitsentschädigung will der Darlehensnehmer das bereits abgenommene Darlehen vorzeitig zurückzahlen, was ihm das Gesetz in bestimmten Fallgruppen explizit gestattet. Die Ausübung dieses Rechts stellt darum gerade keine Vertragsverletzung dar. Nur entschädigt der Gesetzgeber die Bank mit dem Recht, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu verlangen, die dem Darlehensnehmer bereits im Vertrag in den Grundzügen klargemacht werden soll.
78
Auch die Entstehungsgeschichte der Norm spricht dagegen, dass sich § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung bezieht. Mit der gesetzlichen Regelung der Vorfälligkeitsentschädigung in § 502 BGB wollte der deutsche Gesetzgeber die Richtlinienvorgaben aus Artikel 16 Abs. 2, 3 und 5 der Verbraucherkreditrichtlinie 2800/48/EG umsetzen, wonach der Darlehensgeber unter bestimmten Voraussetzungen im Falle der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens eine angemessene und objektiv gerechtfertigte Entschädigung für die möglicherweise entstandenen, unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits zusammenhängenden Kosten verlangen kann.
79
Der Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung ist auch nicht nach § 502 Abs. 2 analog ausgeschlossen, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Im Zuge der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie hat sich der Gesetzgeber auch mit § 490 BGB befasst. In § 490 Abs. 1 BGB wird ausdrücklich zwischen der Situation „vor Auszahlung des Darlehens“ und der Situation „nach Auszahlung“ differenziert. § 490 Abs. 2 BGB knüpft an den vollständigen Empfang des Darlehens an. Dem Gesetzgeber war damit bewusst, dass die Zeiträume vor und nach der Auszahlung des Darlehens unterschiedlich zu behandeln sind. Hätte der Gesetzgeber eine Anwendung der Regelung § 502 Abs. 2 BGB auch im Zeitraum vor Auszahlung des Darlehens intendiert, hätte er den Wortlaut des 502 BGB entsprechend angepasst (vgl. LG Bonn, Urteil vom 24.03.2022 – 17 O 290/21, juris; zu der Problematik auch Lang/Rösler, ZIP 2023, 836, 847).
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c) Auch die Regelung des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB steht dem Anspruch der Beklagten auf die Nichtabnahmeentschädigung nicht entgegen.
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Bei der Nichtabnahmeentschädigung handelt es sich nicht um „Kosten“ im Sinne des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB, sondern um einen Schadensersatzanspruch wegen Vertragsverletzung durch den Darlehensnehmer, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Insofern bedurfte es im Vertrag auch keines Hinweises darauf, dass sich die Kläger im Falle der Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten schadensersatzpflichtig machen.
82
d) Der Anspruch der Beklagten auf die Nichtabnahmeentschädigung war auch nicht infolge eines durch die Kläger erklärten Widerrufs ausgeschlossen.
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Zwar stand den Klägern ein Widerrufsrecht gemäß § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 BGB zu. Die 14-tägige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 BGB war aber zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts mit Schreiben vom 14.04.2020 (Anlage K3) bereits abgelaufen. Die Kläger berufen sich darauf, dass das Widerrufsrecht gemäß § 356 b Abs. 2 BGB erst 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, vorliegend zum 19.04.2020, erloschen sei, weshalb der Widerruf fristgemäß erfolgt sei. Es fehlt jedoch an jeglichem substantiellen Sachvortrag dazu, weshalb nicht die 14-tägige Widerrufsfrist, sondern die verlängerte Frist anzuwenden wäre. Jedenfalls das etwaige Fehlen von Pflichtangaben im Rahmen des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB führt nicht dazu, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, denn die unzureichenden Angaben zum Kündigungsrecht und zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung stellen keine gesetzliche Pflichtangabe in Bezug auf das hier betroffene Immobiliar-Verbraucherdarlehen dar, die dem Beginn der Widerrufsfrist entgegenstehen hätten können.
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Die Frist beginnt, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat. Nach § 492 Abs. 2 BGB muss der Vertrag die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 § 6-13 EGBGB enthalten. Bei den fehlerhaften Angaben zur Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung und zum Kündigungsrecht handelt es sich nicht um derartige Pflichtangaben. Soweit diese unzureichend im Sinne von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB waren, verhindern diese den Beginn der Widerrufsfrist also nicht.
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e) Der Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung ist auch nicht infolge einer Kündigung durch die Kläger weggefallen.
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Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter 1. a) verwiesen werden. Es fehlt bereits an einer Kündigungserklärung. Darüber hinaus lagen die Voraussetzungen für ein Kündigungsrecht nicht vor.
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Jedenfalls führt die Ausübung des Kündigungsrechts ebenfalls zum Anfall einer Vorfälligkeitsentschädigung, § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB. Auch eine Kündigung würde daher dem Anspruch der Beklagten auf Nichtabnahmeentschädigung nicht entgegenstehen.
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f) Der Beklagten stand daher ein Anspruch auf eine Nichtabnahmeentschädigung in Höhe von 18.075,74 € zu.
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Gegen die Berechnung dieses Betrages haben die Kläger keine durchgreifenden Einwendungen erhoben. Demzufolge war die Beklagte auch nicht zur näheren Erläuterung zur Berechnung des Betrages verpflichtet.
90
aa) Erstmals in der mündlichen Verhandlung am 17.08.2023 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Richtigkeit der Berechnung bestritten. Dieser Einwand der Kläger unterliegt der Präklusion gemäß § 296 Abs. 1 ZPO. Den Klägern wurde mit Verfügung vom 14.03.2023 eine Frist zur Replik gemäß § 277 BGB gesetzt und dabei auf die Folgen einer Fristversäumnis hingewiesen. Gleichwohl haben die Kläger, obwohl ihnen dies ohne weiteres zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen wäre, erst in der mündlichen Verhandlung Einwände gegen die Höhe der Nichtabnahmeentschädigung erhoben. Nunmehr müsste über die Höhe der Nichtabnahmeentschädigung Beweis erhoben werden durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, wodurch sich die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Daher ist das Bestreiten der Kläger verspätet und kann nicht mehr berücksichtigt werden, so dass der Vortrag der Beklagten zur Höhe der Nichtabnahmeentschädigung als zugestanden gilt. Ohne, dass es noch entscheidungserheblich darauf ankäme ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger auch in der Sache mit ihrer Einwendung nicht durchdringen könnten. Der einzige in der mündlichen Verhandlung am 17.08.2023 konkret vorgebrachte Einwand betrifft die in Abzug gebrachten Risikokosten in Höhe von 0,06 %. Diese sind nach Auffassung des Gerichts nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dem entfallenen Darlehensrisiko bei vorzeitiger Darlehensrückführung durch einen prozentualen Abschlag Rechnung zu tragen. Dadurch wird berücksichtigt, dass das Risiko und damit die Risikoprämie auch von der jeweiligen Höhe der Schuld abhängen. Der Abschlag für die entfallende Risikovorsorge ist je nach den Risiken des konkreten Vertrages gemäß § 287 ZPO zu schätzen. In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung wurden dabei Abschläge zwischen 0,014-0,06 % gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2000 – XI ZR 27/00, Rn. 34). Der Pauschale Einwand des Prozessbevollmächtigten der Kläger im Termin am 17.08.2023, der vermuten lässt, dass klägerseits beanstanden werden soll, dass der Abschlag für die entfallenen Risiken zu niedrig angesetzt sei, verfängt bereits deshalb nicht, da die Kläger nicht weiter dazu vorgetragen haben, weshalb ausgerechnet bei ihnen höhere Risikokosten zu berücksichtigten sein sollten. Anhaltspunkte hierfür sind für das Gericht auch nicht ersichtlich. Denn den Klägern war es nicht nur möglich, das streitgegenständliche Darlehen abzulösen, es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kläger während der Vertragslaufzeit mit den zu erbringenden Zahlungen in Verzug geraten sind.
91
bb) Soweit die Kläger mit – nicht nachgelassenem – Schriftsatz vom 28.08.2023 weitere Ausführungen zum Bestreiten der Höhe der Nichtabnahmeentschädigung gemacht haben, unterliegt dieser Vortrag der Präklusion nach § 296 a S. 1 ZPO. Ein Schriftsatznachlass war den Klägern nicht gewährt worden. Der Schriftsatz vom 28.08.2023 bot auch keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 296 a S. 2 ZPO i.V.m. § 156 ZPO. Zwingende Gründe für die Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich. Auch im Rahmen der nach § 156 Abs. 1 ZPO vorzunehmenden Ermessensentscheidung ist ein Wiedereintritt in die Verhandlung nicht geboten. Die Frage der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung war von Anfang an Gegenstand des Rechtsstreits. Es ist – außer Nachlässigkeit bei der Prozessführung – kein Grund ersichtlich, weshalb diese Frage nicht bereits früher, nämlich innerhalb der im schriftlichen Vorverfahren gesetzten Fristen, thematisiert wurde.
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g) Ein Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der Nichtabnahmeentschädigung besteht daher im Ergebnis nicht.
93
Des Weiteren steht den Klägern auch kein Anspruch auf das anteilig auf die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung entfallene Bearbeitungsentgelt zu. Dass die Beklagte für die vorzeitige Darlehensauflösung ein Entgelt beansprucht hat, ist nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BGH kann die Bank ein angemessenes Entgelt für den mit der vorzeitigen Ablösung des Darlehens verbundenen Verwaltungsaufwand verlangen. Da sich dieser Aufwand kaum exakt berechnen lässt, ist eine Ermittlung im Wege Schätzung zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 01.07.1997 – XI ZR 267/96, Rn. 36).
94
Da die Nichtabnahmeentschädigung 97,5 % der von der Beklagten in Anspruch genommenen Ablösebeträge ausmacht, ist im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO auch ein Anteil von 97,5 % des Bearbeitungsentgelts von 100,00 € für die Nichtabnahmeentschädigung anzusetzen. Dies entspricht einen Betrag von 97,50 €. Der pauschale Ansatz dieses Aufwands mit 97,50 € ist gemäß § 287 ZPO als angemessen zu bewerten. Das Landgericht Bonn hat etwa einen Aufwand von 250,00 € für den mit einer vorzeitigen Darlehensrückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand als angemessen betrachtet (vgl. LG Bonn, Urteil vom 24.03.2022 – 17 O 209/21, juris Rn. 65). Wenn man zusätzlich in Betracht zieht, dass die Kläger im – nicht nachgelassenen – Schriftsatz vom 28.08.2023 behaupten, allein für die Berechnung der Nichtabnahmeentschädigung durch das „SV-Büro Hink“ seien ihnen Kosten von sage und schreibe 1.570,00 € entstanden, erscheint ein Entgelt von 97,50 € für den Aufwand der Beklagten als durchaus moderat und keineswegs übersetzt.
95
3. Ein Anspruch der Kläger auf Ersatz von vorgerichtlich aufgewendeten Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
96
Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht ersichtlich. Es fehlt schon grundlegend an Sachvortrag, welche konkrete vorgerichtliche Tätigkeit hinsichtlich der streitgegenständlichen Ansprüche auf Rückforderung der Ablöseentgelte überhaupt entfaltet worden sein soll.
97
Ein gerichtlicher Hinweis war insoweit nicht erforderlich, da es sich um eine Nebenforderung handelt, § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
98
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Norm ist auch bei geringfügigem Obsiegen entsprechend anwendbar. Danach ist festzustellen, dass sich das Obsiegen der Kläger mit 2,5 % als gering darstellt und überdies auch keine Gebührenstufe überschritten wurde, so dass es sachgerecht ist, den Klägern die vollständigen Kosten des Rechtsstreits trotz des geringfügigen Obsiegens aufzuerlegen.
99
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO bzw. auf § 709 ZPO.
100
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte nach Maßgaben von §§ 39, 40, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 2 S. 1 GKG. Der Streitwert richtet sich nach dem Wert des Zahlungsantrages gemäß Ziffer 1. der Klage, der mit 18.647,50 € zu bemessen ist. Nebenforderungen (Zinsen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) bleiben bei der Bemessung des Streitwerts außer Betracht.
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle