Inhalt

ArbG Bamberg, Endurteil v. 21.12.2023 – 1 Ca 336/23
Titel:

Personalratsmitglieder, Arbeitsentgelt, Bundesfreiwilligendienstgesetz, Gerichte für Arbeitssachen, Pflegefachkräfte, Jugendfreiwilligendienstegesetz, Sonderzahlung, Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, Erbrachte Arbeitsleistung, Kosten des Rechtsstreits, Kostenentscheidung, Klageabweisungsantrag, Arbeitsvertrag - Parteien, Rechtsmittelbelehrung, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Berufungsbegründungsschrift, Sitzungsniederschrift, Parteivorbringen, Besondere Belastung

Schlagworte:
Pflegebonus, Arbeitsentgelt, Lohnausfallprinzip, Personalratsmitglied, Freistellung, Klagebegründung, Zinsentscheidung
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 29.10.2024 – 7 SLa 22/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 55118

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.203,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 2.203,82 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sonderleistung an Pflegefachkräfte.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpfleger seit 01.04.1985 beschäftigt und seit dem 10.02.2020 vollständig von der Erbringung seiner Arbeitsleistung als Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Personalrats freigestellt. Wäre er nicht freigestellt gewesen, so hätte er als Pflegefachkraft im Jahr 2021 an mindestens 185 Tagen in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus gearbeitet. Die Beklagte hat an die bei ihr beschäftigten Pflegefachkräfte aufgrund eines Bescheides des Institutes für das Entgeltsystem im Krankenhaus GmbH vom 27.09.2022 (Bl. 39 ff d.A.) aufgrund der besonderen Belastung des Krankenhauses mit Coronapatienten im Jahr 2021 eine Prämie in Höhe von 2.203,82 € brutto bezahlt. Mit Schreiben der Gewerkschaft ver.di vom 03.03.2023 (Bl. 4 u. 5 d.A.) verlangte der Kläger ebenfalls die Zahlung der betreffenden Prämie. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 16.05.2023 (Bl. 7 ff d.A.) zurück.
3
Mit seiner Klage vom 22.05.2023, bei Gericht am 23.05.2023 eingegangen, der Beklagten zugestellt am 26.05.2023 macht der Kläger die Zahlung des Pflegebonus gerichtlich geltend. Bei der Zahlung handele es sich um Arbeitsentgelt in Form einer Sonderzahlung.
4
Auf dieses hätten freigestellte Personalratsmitglieder ebenso Anspruch wie auf sonstige Sonderzahlungen ohne Entgeltcharakter, wie etwa Weihnachtsgeld, Betriebstreue-Prämien und vergleichbare Leistungen. Die Zahlung stelle auch eine Gegenleistung für die von den Arbeitnehmern erbrachte Arbeitsleistung dar und werde von der Beklagten selbst geschuldet, auch wenn diese das Geld hierfür aus Bundesmitteln erhalten habe.
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Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.203,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2023 zu bezahlen.
6
Die Beklagte beantragt demgegenüber:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
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Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger die Zahlung nicht zu beanspruchen habe, weil er als Personalratsmitglied von der Arbeitsleistung freigestellt sei. Er habe deshalb die mit der Prämie abzugeltenden besonderen Belastungen in unmittelbaren Kontakt zur Hochrisikogruppe, das Tragen von Schutzkleidung und ein erhöhtes Ansteckungsrisiko nicht zu tragen gehabt. Die Zahlung sei nicht für Pflegefachkräfte gedacht, die lediglich fiktiv an dem Geschehen beteiligt gewesen seien. Bei der Zahlung handele es sich auch nicht um Arbeitsentgelt, sondern eine öffentlich-rechtliche Leistung, die die Beklagte lediglich als Zahlstelle an ihre Beschäftigten weitergegeben habe.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
9
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben. Die Parteien streiten gem. § 2 Abs. 1 Ziff. 3 a ArbGG als Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Bei dem geltend gemachten Anspruch handelt es sich um Arbeitsentgelt des Klägers. Dies ergibt sich daraus, dass die Leistung gem. § 26 e des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) in Absatz 2 Satz 1 nicht nur an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Pflegefachkraft im Krankenhaus anknüpft, sondern auch an die Art und Weise der Arbeitsleistung, indem eine Beschäftigung an mindestens 185 Tagen in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen verlangt wird. Damit steht der streitgegenständliche Anspruch im Unterschied zur Coronaprämie gem. § 150 a SGB XI im arbeitsvertraglichen Synallagma zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Die Coronaprämie wird gem. § 150 a Abs. 2 Satz 3 etwa auch an Freiwillige i.S.d. Bundesfreiwilligendienstgesetzes und des Jugendfreiwilligendienstgesetzes gezahlt. Im Unterschied hierzu wird der vorliegende Pflegebonus nur an Arbeitnehmer des Krankenhausträgers für ganz bestimmte arbeitsvertraglich zu erbringende Leistungen bezahlt und steht damit in einem Austauschverhältnis mit dieser Arbeitsleistung und ist damit Bestandteil des Arbeitsentgeltes als Sonderzahlung.
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Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für Arbeitssachen ist daher gegeben. Einer Vorabentscheidung bedurfte es gem. § 17 a Abs. 3 GVG insoweit nicht, weil die Beklagte die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht gerügt hat.
II.
11
Die Klage ist zulässig und auch begründet. Dem Kläger steht der Pflegebonus gem. § 26 e Abs. 2 Satz 1 KHG i.V.m. Art. 46 Abs. 2 BayPVG zu.
12
Bei der Leistung handelt es sich, wie oben ausgeführt, um Arbeitsentgelt. Ein freigestelltes Personalratsmitglied hat nach dem Lohnausfallprinzip dasjenige Arbeitsentgelt zu erhalten, das es erhalten hätte, wenn es nicht als Personalrat freigestellt gestellt gewesen wäre. Zwar hat der Kläger die im Gesetz in § 26 e Abs. 2 Satz 1 KHG vorgesehene Leistungen aufgrund seiner Freistellung nicht erbracht. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass der Kläger die entsprechenden Leistungen in seiner Eigenschaft als Pflegefachkraft an 185 Tagen in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen in einem Krankenhaus im Jahr 2021 erbracht hätte, wenn er nicht von der Arbeitsleistung als Personalratsmitglied freigestellt gewesen wäre. Es ist deshalb unerheblich, ob der Kläger die durch die Prämie abzugeltenden Arbeitsleistungen erbracht und die betreffenden Erschwernisse und Belastungen tatsächlich gehabt hat, denn er ist so zu stellen, als wäre dies der Fall gewesen. Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages auch ausdrücklich darauf, dass dem Kläger die Leistung deswegen nicht zusteht, weil er seit dem 10.02.2020 als Mitglied des Personalrats der Sozialstiftung A-Stadt von seiner dienstlichen Tätigkeit als Gesundheits- und Krankenpfleger freigestellt ist (Bl. 33 d.A. unten). Diese Begründung ist indes aus den oben genannten Gründen nicht tragfähig.
13
Der Klage war deshalb, wie geschehen stattzugeben, denn die Höhe der Leistung ist zwischen den Parteien nach Vorlage des Bescheides vom 27.09.2022 unstreitig.
14
Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 614, 288 Abs. 1 BGB.
III.
15
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
16
Der Streitwert wurde gem. §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff ZPO in Höhe der Klageforderung festgesetzt.