Titel:
Variable Vergütung, Personalakten, Überstundenvergütung, Arbeitsvertragliche Regelung, Konzernrechtsabteilung, für leitende Angestellte, Zielvereinbarung, Syndikusrechtsanwalt, Entfernung der Abmahnung, Arbeitsunfähigkeit, Allgemeine Geschäftsbedingungen, unangemessene Benachteiligung, Darlegungslast, Transparenzgebot, Entfernung einer Abmahnung, Abmahnungspauschale, Erkrankter Arbeitnehmer, Des Arbeitnehmers, Entgeltfortzahlungsgesetz, Darlegungs- und Beweislast
Schlagworte:
Abmahnung, Syndikusrechtsanwalt, Weisungsrecht, Variable Vergütung, Zielvereinbarung, Überstundenvergütung, Ermessen
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Beschluss vom 14.11.2024 – 4 SLa 2/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 55117
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 164.933,91 festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte sowie über Überstundenvergütung und über variable Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022.
2
Der Kläger, geboren am ... 1968, war seit dem 1. Januar 2002 als Syndikusrechtsanwalt in der C Gruppe und seit dem 1. April 2011 bei der Beklagten, zuletzt in der Konzernrechtsabteilung „E“ beschäftigt. Das Aufgabengebiet der Konzernrechtsabteilung umfasste unter anderem die Beratung von Vorstand- und Aufsichtsrat und die rechtliche Behandlung von konzernrelevanten Rechtsangelegenheiten (vgl. Anlage K 3 Blatt 51 ff. der Akte). Innerhalb des Referats Corporate Law & Governance war der Kläger insbesondere mit der Betreuung von Themen aus dem Bereich der regulatorischen Governance betraut, d. h. aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Geschäftsorganisation sowie dem System of Governance.
3
Im Arbeitsvertrag vom 12./27. Dezember 2012 (Anlage K 1, Blatt 29 bis 40 der Akte) hieß es unter anderem:
Für Ihre Tätigkeit erhalten Sie brutto:
1. Jahresfestbezüge in Höhe von EURO 91.200,00 (in Worten *einundneunzigtausendzweihundert Euro*) zahlbar in monatlichen Teilbeträgen von jeweils 7.600,00 €
2. Eine variable Vergütung nach Maßgabe besonderer Richtlinien der Gesellschaft.
Die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile kann unterbleiben oder eingeschränkt werden, wenn die staatliche Aufsichtsbehörde die Auszahlung bei der Gesellschaft oder einer anderen Konzerngesellschaft der C Gruppe in Deutschland auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigung untersagt oder beschränkt.
Die Bezüge werden im jeweiligen Auszahlungsmonat nachträglich zum betriebsüblichen Überweisungstermin auf ein von Ihnen anzugebendes Konto überwiesen.
§ 8 Zuschüsse im Krankheitsfall
Bei durch Krankheit oder Unfall verursachter Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie für einen Zeitraum von sechs Wochen volle Gehaltsfortzahlung unter den Voraussetzungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Vom Beginn der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit erhalten Sie eine Aufstockung des gesetzlichen Krankengeldes (bei privater Krankenversicherung eines vergleichbaren privaten Krankentagegeldes) auf 100% der bisherigen Nettobezüge bei einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 2 Jahren. Die Dauer dieser Leistungen erfolgt analog der Regelungen in §§ 10, 21 MTV.
§ 22 Sonstige Bestimmungen
Das Datum des Diensteintrittes bleibt unverändert.
Sie erhalten einen variablen Jahresbonus, dessen Höhe sich nach dem Erfüllungsgrad der noch zu vereinbarenden Ziele richtet. Für das Geschäftsjahr 2012 beträgt Ihre individuelle variable Vergütungsperspektive 30.000 EUR brutto. Dieser Betrag wird zu jeweils 50% in gesellschaftliche und individuelle Ziele aufgeteilt. Die Skala bei der Evaluierung der Zielerreichung für jedes gesellschaftliche und individuelle Ziel reicht von 0% bis 165%.
Der Bonus wird im April des Folgejahres ausgezahlt. Für das Geschäftsjahr 2012 wird dieser zeitanteilig ausgezahlt.
Die Auszahlung variabler Vergütungsbestandteile kann unterbleiben oder eingeschränkt werden, wenn die staatliche Aufsichtsbehörde die Auszahlung bei der Gesellschaft oder einer anderen Konzerngesellschaft der C Gruppe in Deutschland auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigung untersagt oder beschränkt.
Nachfolgende Vertragsanlagen sind Bestandteil dieses Arbeitsvertrages:
- Merkblatt Bezügesystem für Leitende
4
Im Nachtrag zum Arbeitsvertrag 17./18. März 2016 (vgl. Anlage K 2, Blatt 41/42 der Akte) regelten die Parteien die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwalt wie folgt:
„§ 2 Fachliche Unabhängigkeit
(1) Sie arbeiten im Rahmen der Berufsausübung als Syndikusrechtsanwältin/Syndikusrechtsanwalt fachlich unabhängig (§ 46 Abs. 3 und 4 BRAO). Sie unterliegen keinen allgemeinen oder konkreten Weisungen, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine enzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen.
(2) Das Direktionsrecht der Gesellschaft im Übrigen bleibt davon unberührt.“
5
Der Leiter der Konzernrechtsabteilung, F, wies den Kläger mit E-Mail vom 23. Januar 2020, vom 18. Februar 2020 sowie vom 7. Dezember 2020 an, in Bezug auf die Themen „rechtskonformes Dokumentenmanagement“ und „Einführung von Office365/SharePoint Online“ nicht ohne vorherige Abstimmung mit den Vorgesetzten mit anderen Personen zu kommunizieren. Beispielsweise teilte F mit E-Mail vom 18. Februar 2020 (Anlage K 8, Blatt 60 der Akte) dem Kläger folgendes mit: „Wie bereits persönlich mit dir besprochen, ist die Korrespondenz im Ton unangemessen und in der Sache unzutreffend. Leider entspricht das einer Linie, die schon seit längerem zu beobachten ist. G hatte dir mehrfach klar gesagt, dass derartige grundlegende E-Mails nicht ohne seine vorherige Einbindung verschickt werden können. (…)“
6
Am 18. Juni 2021 schrieb der Kläger eine E-Mail zu dem Thema Einführung von Office 365/Sharepoint Online, die er anlässlich eines Kickoff Termins verfasste und an den in diesem Projekt involvierten Verteilerkreis versandte. Hinsichtlich des Inhalts der E-Mail vom 18. Juni 2021 wird auf Anlage K 9, Blatt 61 ff. der Akte verwiesen.
7
Mit Schreiben vom 25. Juni 2021 (Anlage K 10, Blatt 66/67 der Akte) erhielt der Kläger folgende Abmahnung:
„(…), leider sehen wir uns gezwungen, sie aus folgenden Gründen abzumahnen:
Am Freitag, den 18. Juni 2021, haben Sie um 14:00 Uhr eine E-Mail-Nachricht zum Thema Einführung von Office365/Share Point Online (Betreff der E-Mail: AW: Kick Off: Risk and Impact Analysis – Sharepoint Online as Archive) unter der Signatur der Konzernrechtsabteilung (E) an einen umfangreichen Verteilerkreis mit über 30 Adressaten, einschließlich Senior Executives, versandt. Der Versand oder der Inhalt dieser Nachricht waren vorab weder mit dem Chefjuristen, Herrn F noch den Vorgesetzten Herren H oder G abgestimmt.
Mit diesem Verhalten verstießen Sie gegen die in Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers von Ihren Vorgesetzten erteilte Anweisung, in Bezug auf die Themen Dokumentenmanagementsystem (DMS) und Einführung von office365/Share Point Online nicht ohne vorherige Abstimmung mit den Vorgesetzten zu kommunizieren. Diese Anweisung wurde Ihnen wiederholt sowohl mündlich wie auch schriftlich übermittelt (vgl. nur E-Mail-Nachrichten von Herrn F an Sie vom 23. Januar 2020, 20.42 Uhr, vom 18. Februar 2020, 11.48 Uhr und vom 7. Dezember 2020, 08.59 Uhr) und wurde von Ihnen nachweislich auch zur Kenntnis genommen.
Mit Ihrem unabgestimmten und weisungswidrigen Vorgehen haben Sie die von der Abteilungsleitung in einem kontroversen und rechtlich komplexen Thema angestrebte zentrale Kommunikation der Rechtsabteilung zu diesem Thema in nicht vertretbare Weise gestört. Ihnen wurde wiederholt mitgeteilt, dass die Konzernrechtsabteilung zu diesem Themenkomplex nur mit einer abgestimmten konsolidierten Rechtsmeinung und entsprechenden Lösungsvorschlägen gegenüber ihren internen und externen Ansprechpartnern auftreten kann, um das Thema konstruktiv voranzubringen. Es sei klargestellt, dass sich diese Abmahnung nicht auf den rechtlichen Gehalt Ihrer Ausführungen bezieht. Es geht um die weisungswidrig nicht abgestimmte Kommunikation. Die schriftliche Kommunikation ist auch im Zusammenhang mit Ihrem Verhalten bei Arbeitsbesprechungen zu sehen. Auch mündlich haben Sie gegenüber Dritten trotz Weisung zur Zurückhaltung unabgestimmte Rechtspositionen geäußert und letztlich einen offenen Dissens der Rechtsauslegung durch die Konzernrechtsabteilung in Kauf genommen (zuletzt beispielsweise Besprechung am 16. Juni 2021, 13.30 Uhr zum Thema Workplace Advisory Board).
Wir fordern Sie auf, Ihre Arbeitsleistung in Zukunft ordnungsgemäß und unter Berücksichtigung der von Vorgesetzten erteilten Weisungen auszuführen und insbesondere keinerlei (schriftliche oder mündliche) Kommunikation zu den Themenbereichen DMS, Office365 oder Share Point Online sowie deren jeweilige Eignung als Ablage oder Dokumentenmanagementsystem sowohl gegenüber C-internen wie externen Adressaten ohne vorherige Abstimmung und Freigabe durch Herrn F, Herrn H oder Herrn G vorzunehmen.
Sollte sich die gleiche oder eine vergleichbare Pflichtverletzung wiederholen, müssen Sie mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen.
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Seit 21. Juni 2021 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
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Der Kläger erhielt für die Jahre 2018, 2019, 2020 und 2021 eine variable Vergütung ausgezahlt. Diese betrug für das Jahr 2018 € 33.425,00 brutto, für das Jahr 2019 € 31.325,00 brutto, für das Jahr 2020 € 10.207,38 brutto und für das Jahr 2021 € 2.363,00 brutto (vgl. Anlagenkonvolut K 11, Blatt 68 ff. der Akte). Für das Jahr 2022 erhielt der Kläger keine variable Vergütung.
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Mit Klageschrift vom 28. Februar 2023 sowie mit Klageerweiterung vom 29. Juni 2023 verlangt der Kläger die Entfernung der Abmahnung vom 25. Juni 2021 aus der Personalakte sowie variable Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022 in Höhe von insgesamt € 90.709,50 brutto und Überstundenvergütung in Höhe von € 65.557,41 brutto für 917,4 Überstunden.
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Der Kläger ist der Ansicht, die Abmahnung vom 25. Juni 2021 sei zu Unrecht erfolgt. Sie sei in rechtswidriger Weise und wegen sachfremden Motiven erfolgt. Der Kläger habe als Syndikus weder seine Kompetenzen überschritten noch falsch gehandelt. Die Tätigkeit des Klägers in der Konzernrechtsabteilung zähle zu den aufsichtsrechtlichen Schlüsselfunktionen, die sich im Besonderen durch ihre fachliche Unabhängigkeit bei der Beratung und der Beurteilung von Sachverhalten und Risiken auszeichne. Die unabhängige Analyse von Rechtsfragen, die unabhängige und eigenverantwortliche Erteilung von Rechtsrat und die Bewertung und Kommentierung organisationsrechtlicher Anforderungen gehörten zu den Tätigkeiten des Klägers. Mit E-Mail vom 18. Juni 2021 sei der Kläger seiner Pflicht zur Beratung und Beurteilung von Sachverhalten und Risiken nachgekommen und habe auf eine sehr diplomatisch formulierte Art und Weise darauf hingewiesen, dass die besprochenen und beabsichtigten Umsetzungen nicht den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügten und zudem gegen die bereits in der C bestehenden internen Regelwerke zum Risikomanagement verstießen. Die Untersagung einer Kommunikation zu organisationsrechtlichen Fragen, insbesondere an einen internen Teilnehmerkreis, hindere den Kläger daran, seine vertraglichen und berufsrechtlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß und gewissenhaft nachzukommen. Die Abmahnung sei allein deshalb erfolgt, weil die Vorgesetzten des Klägers nicht wünschten, dass die vom Kläger zu Recht bemängelte Vorgehensweise publik werde. Zudem sei die Abmahnung pauschal und allgemein und allein deshalb schon aus der Personalakte zu entfernen. Die Abmahnung enthalte keine Rüge bezüglich einer konkreten Pflichtverletzung des Klägers, sondern lediglich pauschal die Weisung nur nach „Freigabe“ durch den Vorgesetzten zu kommunizieren.
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Des Weiteren ist der Kläger der Ansicht, ihm stünden Ansprüche gegen die Beklagte auf variable Vergütung in Höhe von insgesamt € 90.709,50 brutto für die Jahre 2018 bis 2022 zu. Aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 ergebe sich für den Kläger ein durchschnittlicher Jahresbonus in Höhe von 37.206,16 brutto. Damit habe der Kläger einen Anspruch auf die Zahlung von variabler Vergütung wie folgt:
„für das Jahr 2018: € 3.781,16
für das Jahr 2019: € 5.881,16
für das Jahr 2020: € 26.998,78
für das Jahr 2021: € 34.843,16
für das Jahr 2022: € 19.205,24
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Berechnungsweise und Bewertungsgrundlagen des Bonussystems seien völlig intransparent. Aufgrund fehlender Objektivität des Systems sei das der Zielbewertung zugrundeliegende interne Bewertungssystem der Beklagten unwirksam. Auch die Berechnungsmethodik sei weder verständlich noch transparent. Eine objektive Beurteilung der Leistung des Klägers sei nicht erfolgt. Dem Kläger sei eine adäquate Leistungsbeurteilung vorenthalten worden. Die Beklagte lege eine Methodik zu Grunde, die bereits eine Objektivität über alle Mitarbeiter in der Gesamtbeurteilung verhindere. Die Vorgaben zum Bewertungsprozess der Gesellschaft mit dem Namen „I“ und die dort abgebildete Grafik geben eine prozentuale Verteilung der Mitarbeiter in der Performance vor. Dies bedeute, dass im Rahmen der Ergebnisse der Mitarbeiterbeurteilungen in jeder Abteilung eine vorbestimmte Normalverteilungskurve abgebildet werden müsse. Allein dies verstoße schon gegen ein objektives und transparentes Beurteilungssystem.“
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Da die Zielvereinbarungen der Beklagten allgemeine Geschäftsbedingungen seien, müsse der Arbeitgeber auf die Interessen des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht nehmen. Im Rahmen dieses Schutzes vor unangemessenen Klauseln gelte unter anderem, dass Unklarheiten bzw. Zweifel an der Auslegung zulasten des AGB-Verwenders gingen.
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Dies betreffe die Bonusansprüche des Klägers für die Jahre 2018, 2019 und 2020.
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Bezüglich der Bonusansprüche des Klägers für die Zeit ab Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der von der Beklagten weiteren Bezuschussung zum Krankengeld bis zum 6. Juli 2022 sei zu berücksichtigen, dass es ständiger Rechtsprechung entspreche, dass ein Arbeitnehmer nach dem modifizierten Entgeltausfallprinzip auch für den Zeitraum seinen anteiligen Zielbonus erhalte, in dem er noch eine Lohnersatzleistung wie die Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG erhalte. Da die Beklagte eine betriebliche „Entgeltfortzahlung“ dem Kläger bis zum 6. Juli 2022 zahle, habe dieser auch einen Anspruch auf Bonuszahlungen. Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelung sei es den erkrankten Arbeitnehmer ab der siebten Krankheitswoche wirtschaftlich gleichzustellen, dass dieser als Belohnung für dessen Betriebszugehörigkeit keine finanziellen Einbußen wegen der Erkrankung erleide.
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Weiter trägt der Kläger vor, es lägen keine konkreten Jahreszielvereinbarungen vor. Die von der Beklagten vorgelegten Mid-Year Reviews seien ein Versuch auf diesen Weg die dort ausgewiesenen Ziele als „Vereinbarte“ zu deklarieren. Zwar seien zwischen dem Kläger und dem Vorgesetzten jeweils Anfang des Jahres Ziele besprochen worden. Es handle sich dabei allerdings um Jahreszielvorgaben, nicht um Zielvereinbarungen, da dem Kläger kein Mitspracherecht gehabt habe. Zudem seien jeweils mehrere Ziele vorgegeben worden, eine Gewichtung oder Priorisierung sei nicht erfolgt.
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Zudem habe der Kläger einen Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von € 65.557,41 brutto. Der Vorgesetzte des Klägers, H, habe dem Kläger mitgeteilt, seine Kernarbeitszeit – und damit auch die klägerische Anwesenheitspflicht – sei von 09:00 bis 19:00 Uhr. Somit habe der Kläger ohne Kompensation zehn Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche bei der Beklagten verbracht. Der Kläger habe im Jahr 2019 an 219 Tagen 361,35 Überstunden, im Jahr 2020 an 223 Tagen 367,95 Überstunden sowie im Jahr 2021 an 114 Tagen 188,1 Überstunden geleistet. Unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen Stundenbruttolohnes von € 71,46 errechne sich eine Überstundenvergütung in Höhe von € 65.557,41 brutto.
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 25. Juni 2021 aus der Personalakte zu entfernen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 71.504,26 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 3.781,16 gemäß §§ 288 Abs. 1, 247 BGB seit dem 1. April 2019, aus weiteren € 5.881,16 seit dem 1. April 2020, aus weiteren € 26.998,78 seit dem 1. April 2021, aus weiteren € 34.843,16 seit dem 1. April 2022 zu zahlen.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere € 65.557,41 brutto zu zahlen.
- 4.
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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 19.205,24 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2023 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 25. Juni 2021 aus der Personalakte. Es mangle dem Kläger bereits am Rechtsschutzbedürfnis, denn der Kläger habe den geltend gemachten Anspruch verwirkt.
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Zudem sei die Abmahnung rechtmäßig. Der Kläger habe durch seine E-Mail vom 18. Juni 2021 unter der Signatur der Konzernrechtsabteilung an einen umfangreichen Verteilerkreis gegen die Weisung seiner Vorgesetzten verstoßen, in Bezug auf die Themen Dokumentenmanagementsystem (DMS) und Einführung von Office365/Share Point Online nicht ohne vorherige Abstimmung mit seinen Vorgesetzten zu kommunizieren. Der Kläger sei ausschließlich aufgrund des Verstoßes gegen diese Arbeitsanweisungen abgemahnt worden. Nicht durch den Inhalt seiner Stellungnahme, sondern durch die Kommunikationsweise habe der Kläger die angestrebte zentrale Kommunikation der Konzernrechtsabteilung gestört. Den Vorgesetzten sei es auf die Vermittlung einer abgestimmten, konsolidierten Rechtsmeinung mit entsprechenden Lösungsvorschlägen nach Außen angekommen. Durch die Versendung der E-Mail ohne Absprache mit seinen Vorgesetzten habe der Kläger einen nach außen erkennbaren, offenen Dissens bei der Rechtsauslegung durch die Konzernrechtsabteilung bewusst in Kauf genommen.
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Zudem habe der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren variablen Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022. Für eine höhere als die bezahlte variable Vergütung von 2018 bis 2021 bestehe bereits keine Anspruchsgrundlage. Die ausgezahlte variable Vergütung basiere auf einer nach billigem Ermessen der Beklagten erfolgten Beurteilung der individuellen Arbeitsleistung des Klägers anhand wirksamer Zielvereinbarungen zwischen den Parteien. Für die Jahre 2018 bis 2021 habe der Kläger eine variable Vergütung erhalten. Der Anspruch des Klägers sei damit erfüllt.
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Der Vortrag des Klägers sei zudem unschlüssig und widersprüchlich. Es sei bereits nicht erkennbar, aus welchem Grund der Kläger eine höhere variable Vergütung begehrt. Aus welchen Gründen die Ermessensausübung der Beklagten bei der Bestimmung der Höhe der variablen Vergütung unbillig gewesen sein soll, führe der Kläger nicht aus. Er trage insbesondere nichts zu seinen persönlichen Leistungen vor. Allein eine Rückschau auf die in der Vergangenheit ausbezahlten Vergütungen begründe keinen Anspruch auf eine zukünftige variable Vergütungsleistung. Der Kläger lege weder den Anspruch noch die Voraussetzungen für die variable Vergütung dar, sondern gehe von einer durchschnittlichen variablen Vergütung aus. Eine Differenzierung nach den Unternehmenszielen und den individuellen Zielen erfolge nicht. Die Forderung des Klägers, die variable Vergütung nicht auf die Erreichung persönlicher Ziele nach Maßgabe der jeweiligen Zielvereinbarung, sondern auf eine Durchschnittsberechnung zu stützen, sei von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht gedeckt.
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Weiter trägt die Beklagte vor, mangels schlüssigem Klagevortrag bestehe auch kein Anspruch des Klägers auf Überstundenvergütung. Es bestehe bereits keine Anwesenheitspflicht zwischen 9:00 und 19:00 Uhr. Die Behauptungen des Klägers zu den Überstunden seien zudem unschlüssig und prozessual unerheblich. Es fehle an einem Vortrag, an welchen konkreten Tagen er, wie lange und aus welchen Gründen, was gearbeitet habe.
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Im Einzelnen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
28
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist für die Leistungsanträge nach § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG gegeben. Das Arbeitsgericht München ist entsprechend dem Sitz der Beklagten nach § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 12, 17 ZPO örtlich zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
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Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 25. Juni 2021 aus der Personalakte noch einen Anspruch auf Zahlung weiterer variabler Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022 noch auf Überstundenvergütung.
30
1. Dem Kläger steht kein Anspruch in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB auf Entfernung der streitgegenständlichen Abmahnung zu, da diese formell ordnungsgemäß ist und keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen enthält.
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1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 11. Dezember 2001, 9 AZR 464/00) ist eine zur Personalakte genommene Abmahnung geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Der Arbeitnehmer kann daher in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus seinen Personalunterlagen verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht. Hinsichtlich der Richtigkeit der in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.
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1.2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 25. Juni 2021 aus der Personalakte.
33
Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die fachliche Unabhängigkeit der Berufsausübungen eines Syndikusrechtsanwalts vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten ist. Weisungen an einen Syndikusrechtsanwalt dürfen nicht zum Ausschluss einer eigenständigen Analyse der Rechtslage und einer einzelfallorientierten Rechtsberatung führen. Denn eine fachliche Unabhängigkeit ist nicht gegeben, wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestehen. Jedoch ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht in jeder Hinsicht ausgeschlossen. So hindern weder ein Vier-Augen-Prinzip (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2019 – AnwZ (Brfg) 25/18) noch eine fachliche Abstimmung mit anderen Syndikusrechtsanwälten die fachliche Unabhängigkeit eines Syndikusrechtsanwalts. Lediglich in fachlichen Fragen ist Weisungsfreiheit erforderlich.
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Die Weisungen der Vorgesetzten an den Kläger, dass die Konzernrechtsabteilung zu dem Themenkomplex Dokumentenmanagementsystem (DMS) nur mit einer abgestimmten konsolidierten Rechtsmeinung und mit entsprechenden Lösungsvorschlägen gegenüber ihren internen und externen Ansprechpartnern zu erfolgen hat, ist rechtmäßig. Denn diese Weisung betrifft nicht die Art und Weise der Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen. Sie zielt vielmehr darauf ab, dass die Konzernrechtsabteilung in einem schwierigen Themenkomplex mit einer konsolidierten Rechtsmeinung auftreten soll und vor der Kommunikation einzelner Rechtsansichten eine fachliche Abstimmung mit anderen Syndikusrechtsanwälten zu erfolgen hat, um eine widersprüchliche Beratung durch einzelne Arbeitnehmer der Konzernrechtsabteilung zu vermeiden. Die Abmahnung vom 25. Juni 2021 stellt dies auch ausdrücklich klar. Nicht der rechtliche Gehalt der klägerischen Ausführungen wird abgemahnt, sondern die Art und Weise der Kommunikation. Dies ist unter Zugrundelegung der oben genannten Grundsätze auch bei Sydikusrechtsanwälten zulässig.
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Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Pflichtverletzung des Klägers in der Abmahnung vom 25. Juni 2021 hinreichend konkret benannt. Abgemahnt wird das unabgestimmte Versenden der E-Mail vom 18. Juni 2021 unter der Signatur der Konzernrechtsabteilung.
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2. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf weitere Zahlung einer variablen Vergütung für die Jahr 2018 bis 2022 zu, da dieser weder einen Anspruch noch die Höhe der Bonuszahlung schlüssig dargelegt hat. Der Vortrag des Klägers hinsichtlich der variablen Vergütung ist unschlüssig und widersprüchlich. Es ist bereits nicht erkennbar, aus welchen Grund der Kläger eine höhere variable Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022 begehrt. Auch die Berechnung der variablen Vergütung anhand des Durchschnitts des bezahlten Bonus für die Jahre 2015 bis 2017 in Höhe von € 37.206,16 brutto kann nicht nachvollzogen werden, zumal keine Differenzierung hinsichtlich der beiden Komponenten der variablen Vergütung – individuellen Leistungen und des wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten – erfolgt.
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2.1. Der Kläger hat bereits die Anspruchsgrundlagen, auf die er seinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer variabler Vergütung stützt, nicht schlüssig dargelegt. Aus den vom Kläger vorgelegten Arbeitsvertrag sowie aus den vorgelegten jährlichen Erklärungen bezüglich seiner Vergütung geht hervor, dass sich die Höhe der variablen Vergütung nach der Erreichung von Konzernzielen sowie nach der individuellen Leistung des Klägers richtet und den einschlägigen Unternehmensrichtlinien unterliegt. Der Kläger beschränkt sich jedoch auf die pauschale Behauptung, dass das der Zielbewertung zugrundeliegende interne Bewertungssystem der Beklagten nicht objektiv sei und es im Hinblick auf die Berechnungsmethodik dem Grunde und der Höhe nach an Verständnis und Transparenz sowie an Nachvollziehbarkeit mangelt. Eine Darlegung der konkreten Voraussetzungen der variablen Vergütung, insbesondere der einschlägigen Unternehmensrichtlinien wie beispielsweise dem Merkblatt Bezügesystem für Leitende Angestellte der C SE, erfolgt seitens des Klägers nicht.
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2.2. Dem als Anlage K 1 beigefügten Arbeitsvertrag der Parteien vom 12./27. Dezember 2012 ist zu entnehmen, dass der Kläger nach §§ 4, 22 seines Arbeitsvertrages i. V. m. den Richtlinien Bezügesystem für Leitende Angestellt der C SE einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer variablen Vergütung unter Berücksichtigung seiner individuellen Leistung und ihres wirtschaftlichen Erfolges hat. Entgegen der Ansicht des Klägers begegnet die Regelung in §§ 4, 22 des Arbeitsvertrages mit der Verweisung auf das Merkblatt Bezügesystem für Leitende Angestellte der C SE keinen rechtlichen Bedenken.
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2.2.1. Zwar enthält der Arbeitsvertrag vom 12./27. Dezember 2012 allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. §§ 305 ff. BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., BAG 14. September 2011 – 10 AZR 526/10).
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2.2.2. § 4 des Arbeitsvertrags gewährt dem Grunde nach eine variable Vergütung, legt jedoch selbst nicht fest, in welcher Höhe und nach welchen Bedingungen eine Bonuszahlung zu erfolgen hat. Nach § 22 Abs. 2 des Arbeitsvertrages erhält der Kläger einen variablen Jahresbonus, dessen Höhe sich nach dem Erfüllungsgrad der noch zu vereinbarenden Ziele richtet. Für das Geschäftsjahr 2012 betrug die individuelle variable Vergütungsperspektive 30.000,00 € brutto. Dieser Betrag wird zu jeweils 50% in gesellschaftliche und individuelle Ziele aufgeteilt. Hinsichtlich der erforderlichen weiteren Ausgestaltung des Anspruchs verweist § 22 des Arbeitsvertrages auf das Merkblatt Bezügesystem für Leitende Angestellte der C SE. Aus diesem Merkblatt, welches die Beklagte dem Gericht in der mündlichen Verhandlung am 27. September 2023 zur Einsicht vorlegte, ergibt sich unter anderem, dass zunächst die Beklagte ein Gesamtbudget festlegt und sodann eine Festlegung der Höhe der variablen Vergütung für den Kläger durch dessen Vorgesetzten erfolgt. Somit erfolgt die Festsetzung der Höhe der variablen Vergütung durch eine Leistungsbestimmung der Beklagten unter Wahrung billigen Ermessens i.S.v. § 315 BGB. Durch die Bezugnahme auf das Merkblatt Bezügesystem für Leitende Angestellte der C SE wird für die Arbeitnehmer auch transparent gemacht, dass §§ 4 und 22 des Arbeitsvertrages den Bonus nicht abschließend regeln, sondern dass auch das Merkblatt, welches Bestandteil des Arbeitsvertrages ist, festlegt, auf welche Weise sich die variable Vergütungskomponente bestimmt. In der mündlichen Verhandlung am 27. September 2023 bestritt der Kläger nicht, dass das Merkblatt Bezügesystem für Leitende Angestellte der C SE seinem Arbeitsvertrag beilag. Er erklärte lediglich, dies jetzt nicht zu wissen, es aber sehr gut sein könnte. Es ist daher nach § 138 Abs. 4 ZPO davon auszugehen, dass das Merkblatt Bezügesystem für Leitende Angestellte der C SE dem Arbeitsvertrag beilag. Für einen verständigen Vertragspartner folgt aus den Regelungen des Arbeitsvertrages, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht in Bezug auf die Höhe des Anspruchs vorbehalten und die Festlegung der jeweiligen variablen Vergütung nach billigem Ermessen zu erfolgen hat. Die Ausübung des billigen Ermessens ist durch vertraglich festgelegte Vorgaben – 50% in gesellschaftliche und individuelle Ziele – bestimmt. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden.
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Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 1. September 2010 – 5 AZR 517/09). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 206/10).
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Diese Gefahr besteht vorliegend nicht. Die arbeitsvertraglichen Regelungen bestimmen, dass nach billigem Ermessen über die variable Vergütung zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Der Kläger hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den er gerichtlich gemäß § 315 Abs. 3 BGB durchsetzen kann (vgl. BAG, Urteil vom 20. März 2013 – 10 AZR 8/12).
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2.3. Da der Kläger sich darauf beruft, dass die Parteien keine Ziele zu Beginn eines jeden Jahres vereinbart haben, sondern diese durch die Beklagte vorgegeben worden seien, geht die Kammer davon aus, dass der Kläger einen Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener Zielvereinbarung oder aufgrund der Vorgabe unmöglicher Ziele auf entgangenen Gewinn nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3 i. V. m §§ 283 S. 1, 252 BGB geltend macht. Ein solcher besteht jedoch nicht.
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2.3.1. Entgegen der Ansicht des Klägers haben die Parteien in den Jahren 2018 bis 2021 eine Zielvereinbarung geschlossen. Der Kläger hat weder nachvollziehbar noch substantiiert vorgetragen, dass die Beklagte dem Kläger für die streitgegenständlichen Jahre Ziele einseitig vorgegeben hat. Nach übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der mündlichen Verhandlung am 27. September 2023 hat die Beklagte dem Kläger unstreitig zu Beginn eines jeden Jahres Ziele per E-Mail mitgeteilt. Im Nachgang einer solchen E-Mail sind Gespräche zwischen den Parteien geführt worden und der Kläger hat die Ziele durch einen Klick im System bestätigt. Damit ist zwischen den Parteien in den Jahren 2018 bis 2021 eine Zielvereinbarung geschlossen worden. Die vereinbarten Ziele ergeben sich jeweils für die Jahre 2018 bis 2021 aus den vorgelegten Leistungsformularen (Anlage B2 bis B 5, Blatt 160 ff. der Akte). Auch wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, er wisse nicht, ob er durch einen Klick Ziele bestätigt habe, ist vorliegend von dem Zustandekommen der Zielvereinbarungen auszugehen. Die Erklärung des Klägers mit Nichtwissen ist nach § 138 Abs. 4 ZPO unbeachtlich, da er das Verfahren über die Festsetzung seiner Ziele aus eigener Wahrnehmung kennt. Auch den Formularen selbst ist zu entnehmen, dass es sich um Zielvereinbarungen, nicht um Zielvorgaben handelt. So heißt es auf den Formularen einleitend, dass im Rahmen dieses Formulars der Kläger mit seinem Vorgesetzten spezifische individuelle Prioritäten für das Jahr vereinbaren sollte, welche dann einen wichtigen Teil der jährlichen Bewertung der individuellen Leistung bilden. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen eine Zielvereinbarung sprechen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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2.3.2. Auch wenn die Parteien für das Jahr 2022 aufgrund der Arbeitsunfähigkeit des Klägers keine Zielvereinbarung geschlossen haben, steht dem Kläger auch für dieses Jahr kein Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 i. V. m §§ 283 S. 1, 252 BGB zu. Der Kläger war seit dem 21. Juni 2021 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Er meint, dass er nach dem modifizierten Entgeltausfallprinzip auch für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit über die 6. Woche hinaus zumindest bis zum 6. Juli 2022 einen Anspruch auf die variable Vergütung hat. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus § 8 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit §§ 10, 21 MTV. Diese Vorschrift begründet von Beginn der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch des Klägers auf Aufstockung des gesetzlichen Krankengeldes (bei privater Krankenversicherung eines vergleichbaren privaten Krankentagegeldes) auf 100% der bisherigen Nettobezüge. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger neben dem Anspruch auf Aufstockung auf 100% der bisherigen Nettobezüge einen Anspruch auf Zahlung einer variablen Vergütung hat. Ein Anspruch auf Aufstockung macht der Kläger nicht geltend.
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2.4. Die dem Kläger nach §§ 4, 22 seines Arbeitsvertrages i. V. m. den Richtlinien Bezügesystem für Leitende Angestellt der C SE zustehende Ansprüche auf Zahlung einer variablen Vergütung hat die Beklagte erfüllt. Sie hat dem Kläger für das Jahr 2018 € 33.425,00 brutto, für das Jahr 2019 € 31.325,00 brutto, für das Jahr 2020 € 10.207,38 brutto und für das Jahr 2021 € 2.363,00 ausgezahlt. Der Kläger geht davon aus, ihm stünde für jedes Jahr eine variable Vergütung in Höhe von € 37.206,16 zu, da er diesen Betrag in den Jahren 2015 bis 2017 durchschnittlich erhalten hat. Eine Berechnung der variablen Vergütung anhand des Durchschnitts der bezahlten variablen Vergütung für die Jahre 2015 bis 2017 kann nicht nachvollzogen werden und entspricht nicht den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Vielmehr hätte der Kläger zwischen den gesellschaftlichen und individuellen Zielen differenzieren müssen. Er hätte im Einzelnen darlegen müssen, aus welchen Gründen er welchen Betrag bezogen auf die gesellschaftliche bzw. individuelle Zielerfüllung begehrt. Insbesondere hätte er den im Rahmen der Zielvereinbarung getroffenen und von der Beklagten für die einzelnen streitgegenständlichen Jahre dargelegten Bewertungen substantiiert erwidern und insbesondere darlegen müssen, welche der vereinbarten Ziele der Kläger in den jeweiligen Jahren im Einzelnen erfüllt hat.
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3. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. Arbeitsvertrag i.V.m. § 612 Abs. 1 BGB auf Vergütung von 917,4 Überstunden.
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3.1. Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611a BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt. Da die konkret zu leistende Arbeit in der Regel vom Arbeitgeber durch Weisungen zu bestimmen ist (§ 106 GewO), genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, er habe sich zur rechten Zeit am rechten Ort bereitgehalten, um Arbeitsanweisungen des Arbeitgebers zu befolgen. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern.
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Deshalb hat der Arbeitgeber im Einzelnen vorzutragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und ob der Arbeitnehmer den Weisungen nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden als zugestanden (vgl. zum Ganzen BAG Urteil vom 18. April 2012 – 5 AZR 248/11)
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Nichts anderes gilt für die Behauptung des Arbeitnehmers, er habe die geschuldete Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet. Verlangt der Arbeitnehmer aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung, tarifvertraglicher Verpflichtung des Arbeitgebers oder § 612 Abs. 1 BGB Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, indem er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer gestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen – nicht – nachgekommen ist.
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3.2. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger seiner Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die geltend gemachten 917,4 Überstunden nicht nachgekommen. Zwar hat der Kläger vorgetragen, es habe an fünf Tagen pro Woche eine Anwesenheitspflicht von 9:00 bis 19:00 Uhr bestanden. Jedoch legt der Kläger nicht dar, an welchen Tagen er in den Jahren 2019, 2020 und 2021 tatsächlich gearbeitet hat. Vielmehr berechnet der Kläger pauschal und unter Verweis auf die Quelle „Arbeitstage 2019 und 2020 Bayern“ für 219 bzw. 223 bzw. 114 Arbeitstage in Bayern seine Überstunden. Es ist jedoch nicht entscheidend, wie viele Arbeitstage es in Bayern nach dem Kalender 2019, 2020 und 2021 gab. Vielmehr hätte der Kläger unter Berücksichtigung seiner Urlaubssowie Arbeitsunfähigkeitstage konkret vortragen müssen, an welchen Tagen er gearbeitet hat. Mangels klägerischen Vortrag zu seinen konkreten Arbeitstagen war eine substantiierte Erwiderung der Beklagte nicht erforderlich und auch nicht möglich. Hierauf wies die Beklagte ausdrücklich hin.
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1. Der Kläger trägt als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG die Kosten des Rechtsstreits.
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2. Der Streitwert ist gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzen. Die Zahlungsanträge sind hierbei mit ihrem Nennwert zu berücksichtigen.
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Gegen diese Entscheidung steht der Beklagten mangels Beschwer ein Rechtsmittel nicht zu. Der Kläger kann gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht München einlegen, § 64 Abs. 2b ArbGG. Im Einzelnen gilt das Folgende: