Inhalt

SG Regensburg, Urteil v. 21.09.2023 – S 2 KR 144/22
Titel:

Widerspruchsverfahren, Elektronischer Rechtsverkehr, Widerspruchsbescheid, Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, Einstweilige Anordnung, Sozialgerichtsgesetz, Elektronisches Dokument, Vergütungsregelung, Wöchentliche Arbeitszeit, Formelle Rechtswidrigkeit, Kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, Auslegungshinweise, Elektronische Form, Sozialgerichte, Vertretungsberechtigte Personen, Kostenentscheidung, Berufungsschrift, Landessozialgericht, Rechtsmittelbelehrung, Antrag auf Erlaß

Schlagworte:
Formelle Rechtmäßigkeit, Materielle Rechtswidrigkeit, Strukturmerkmale, OPS-Codes, Wortlautauslegung, Strukturprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 55104

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 14.12.2021 und der Widerspruchsbescheid vom 09.02.2022 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, die Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale i. S. d. § 275d Abs. 2 SGB V für die stattgehabte Strukturprüfung … zu erteilen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 67.639,05 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Feststellung von Strukturmerkmalen des Operationen- und Prozedurenschlüssels … und die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung ….
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Am 23.11.2021 fand die Strukturprüfung als Vor-Ort-Prüfung statt. Im Nachgang dazu erließ der Beklagte am 14.12.2021 den hier streitgegenständlichen Bescheid. Der Antrag auf Erteilung der Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale gemäß § 275d Abs. 2 SGB V bezogen auf den Operationen- und Prozedurenschlüssel 8-550 gemäß § 301 Abs. 2 SGB V werde abgelehnt. Als Begründung wurde angeführt, dass eine werktägliche Verfügbarkeit der Logopädie und Psychologie nicht habe belegt bzw. plausibilisiert werden können. Gestützt wurde die Ablehnung auf das Gutachten des Beklagten vom 14.12.2021.
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Die Klägerin legte gegen den Ablehnungsbescheid mit Schriftsatz vom 10.01.2022, eingegangen bei dem Beklagten am 19.01.2022, Widerspruch ein. Zusammenfassend wurde vorgetragen, dass der Ablehnungsbescheid bereits formell rechtswidrig sei, da es an der erforderlichen Anhörung fehle. Zudem seien die erforderlichen Strukturvoraussetzungen des OPS 8-550 bei der Klägerin gegeben. Der Ansicht des Beklagten, dass eine werktägliche Verfügbarkeit von Logopädie bzw. Psychologie erforderlich sei, könne nicht gefolgt werden. Es werde auf die ständige Rechtsprechung des BSG hingewiesen, nach welcher eine wortlautgetreue Auslegung der Abrechnungsvorschriften – hier des zugrundeliegenden OPS-Codes – zu erfolgen habe.
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Mit Datum vom 07.02.2022 wurde sodann durch den Beklagten erneut ein Gutachten über die Prüfung von OPS-Strukturmerkmalen im Krankenhaus im Wege einer Dokumentenprüfung erstellt. Eine Abhilfe des Widerspruchs konnte nicht erfolgen, so dass der Beklagte am 09.02.2022 den Widerspruchsbescheid erließ. Im Rahmen des Widerspruchs seien keine neuen Dokumente nachgereicht worden, die geeignet wären, die werktägliche Verfügbarkeit des Therapiebereichs Logopädie und Psychologie zu belegen bzw. zu plausibilisieren.
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Mit Schriftsatz vom 01.03.2022, eingegangen am 02.03.2022, hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Regensburg erhoben.
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Zur Begründung wurde sich größtenteils auf die bereits im Widerspruchsverfahren angeführten Argumente gestützt.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2021 mit dem Aktenzeichen … und den Widerspruchsbescheid vom 09.02.2022 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale i. S. d. § 275d Absatz 2 SGB V für die stattgehabte Strukturprüfung des OPS-Codes 8-550 … zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
9
Der streitgegenständliche Bescheid sei formell rechtmäßig. Insbesondere sei im hier vorliegenden Fall eine Anhörung vor Erteilung des Bescheides entbehrlich gewesen. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig, da die Auslegung der OPS-Codes nicht nur eng am Wortlaut, sondern auch unterstützt durch systematische Erwägungen durchzuführen sei. Hauptziel der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung sei die akut auftretenden Defizite des Patienten so weit wie medizinisch möglich zu beheben. Eine werktägliche Verfügbarkeit der Therapiebereiche Logopädie und Psychologie sei folglich erforderlich, um den Anforderungen des OPS 8-550 gerecht zu werden.
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Bereits mit Schriftsatz vom 12.01.2022 wurde seitens der Klägerin ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 8 KR 20/22 ER geführt. Mit Beschluss vom 13.05.2022 wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei nicht begründet, da in § 275d SGB V eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt normiert sei. Dem Widerspruch und der Klage komme daher aufschiebende Wirkung zu.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Akte des Verfahrens S 8 KR 20/22 ER sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist begründet.
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Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gem. § 54 I 1 Var. 1 und 3 SGG zulässig.
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Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 14.12.2021 und der Widerspruchsbescheid vom 09.02.2022 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin erfüllt die Strukturmerkmale … . Ihr ist daher für den streitgegenständlichen Zeitraum … eine entsprechende Bescheinigung gem. § 275d II SGB V auszustellen.
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Der Bescheid des Beklagten ist zwar nicht formell rechtswidrig (siehe a.), jedoch materiell rechtswidrig (siehe b.).
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a. Der Bescheid des Beklagten ist formell rechtmäßig. Die nach § 24 I SGB X grundsätzlich erforderlichen Anhörung war hier entbehrlich. Die Kammer folgt insoweit der Ansicht des Beklagten.
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Aus dem Gesetzestext in Verbindung mit der Gesetzesbegründung lässt sich erkennen, dass in der Norm des § 275d SGB V eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt geregelt ist (vgl. dazu die ausführlichen Erläuterungen im Rahmen des Beschlusses vom 13.05.2022, Az.: S 8 KR 20/22 ER). Die Nichterteilung einer Bescheinigung über das Vorliegen von Strukturmerkmalen stellt mithin ein nachteiliges Eingreifen in die Rechtsposition der Klägerin dar, so dass die Kammer von einem Anhörungserfordernis bei Nichterteilung der Bescheinigung ausgeht.
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Im konkreten Fall konnte von der Anhörung jedoch nach § 24 II Nr. 3 SGB X abgesehen werden. Denn es wurde von den tatsächlichen Angaben der Klägerin, die diese in dem Antrag auf Erteilung der Bescheinigung über die Einhaltung der streitigen Strukturmerkmale gemacht hat, nicht zu ihren Ungunsten abgewichen wurde. Vielmehr wurden die von der Klägerin gemachten Angaben der Entscheidung des Beklagten vollumfänglich zugrunde gelegt. Die vorhandenen Arbeitsverträge und Dienstpläne der Psychologinnen bzw. Logopädinnen wurden bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.
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Darüber hinaus lässt sich aus der Ausgestaltung der Verfahrensweise der Strukturprüfung schließen, dass die Rechte des Antragstellers (mithin der Klägerin) hinreichend beachtet werden. So basiert das Verfahren der Strukturprüfung auf einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen dem Krankenhaus und dem Medizinischen Dienst. Der Ablauf der Strukturprüfung wurde in der Richtlinie des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen nach § 283 Abs 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V über die regelmäßigen Begutachtungen zur Einhaltung von Strukturmerkmalen von OPS-Kodes nach § 275d SGB V (STROPS-RL) festgelegt. Das Prüfverfahren basiert auf der Überprüfung von Selbstauskünften der Krankenhäuser mit geeigneten Nachweisen und Unterlagen, vgl. Seite 4, Nr. 3 der STROPS-RL. Bei einer wie im hier vorliegenden Fall durchgeführten Vor-Ort-Prüfung steht dem Medizinischen Dienst gemäß S. 10 der STROPS-RL ein Vertreter des Krankenhauses auf Nachfrage für den gesamten Zeitraum zur Verfügung, um den Medizinischen Dienst bei der ordnungsgemäßen Durchführung der Prüfung zu unterstützen. Ausweislich des Gutachtens des Beklagten vom 14.12.2021 waren sogar drei Vertreter der Klägerin bei der Vor-Ort-Prüfung anwesend. Eine (zusätzliche) Anhörung würde bei einer Strukturprüfung nur zu einer Wiederholung aller bereits bekannter Tatsachen führen, da die Klägerin bereits im Rahmen des Antragsverfahrens die Tatsachen aus ihrer Sicht vorgetragen hat, vgl. dazu jurisPK, § 24 SGX, Rn. 46. Dies widerspricht der Verfahrensökonomie.
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Der hier vorliegende Fall ist auch nicht mit der klägerseitig vorgetragenen Konstellation im Verfahren B 1 KR 16/20 R vergleichbar. So lag diesem Verfahren u.a. zugrunde, dass kein Vorverfahren stattfand, in welchem das Krankenhaus erkennbar unvollständige oder unplausible Angaben hätte ergänzen oder korrigieren können. Aufgrund des konkreten Ausgestaltung der Verfahrensweise der Strukturprüfung inkl. der Möglichkeit der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens vermag die Kammer der klägerseitig vertretenen Auffassung nicht folgen.
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Die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids des Beklagten ist mithin gegeben.
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b. Der Bescheid des Beklagten ist allerdings materiell rechtswidrig. Entgegen der Auffassung des Beklagten konnte sich die Kammer hinreichende Überzeugung vom Vorhandensein der Therapiebereiche Logopädie und Psychologie verschaffen. Das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des OPS 8-550 ist unstrittig.
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Der OPS-Code 8-550 umfasst u.a. folgendes Strukturmerkmal:
- Vorhandensein mindestens folgender Therapiebereiche: Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie
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Wie das dort genannten „Vorhandensein“ konkret auszulegen ist, war – mangels anderweitiger konkreter Festlegungen – von der Kammer zu ermitteln.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BSG hat eine wortlautgetreue Auslegung der Abrechnungsvorschriften, zu welchen auch der hier zugrundliegende OPS-Code gehört, zu erfolgen. So sind die OPS-Codes, die das Handeln der Beteiligten in Form einer Selbstbindung bestimmen, für die Frage maßgebend, wann eine zusätzliche Prozedur oder Prozedurenkomponente zu kodieren ist. Ausweislich des BSG-Urteils vom 18.09.2008, B 3 KR 15/07 R, Rn. 18, sind die Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben; dabei gibt es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen.
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In Anwendung dieser strengen Wortlautauslegung vermag die Kammer der Ansicht des Beklagten, dass zumindest eine werktägliche Verfügbarkeit der oben genannten Therapiebereiche gegeben sein muss, nicht zu folgen. Der Wortlaut des OPS-Codes bietet für diese Auslegung keine Anhaltspunkte.
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So spricht der Wortlaut des OPS-Codes 8-550 vom „Vorhandensein“ von Therapiebereichen. In anderen OPS-Codes finden sich Formulierungen wie „ständige Anwesenheit“ (OPS-Code 8-980), „24-stündige Verfügbarkeit“ (z.B. OPS-Codes 8-98f), „tägliche Verfügbarkeit (auch am Wochenende)“ (ebenfalls OPS-Code 8-98f) oder „werktägliche Verfügbarkeit“ (OPS-Code 8-718.8). All diese Formulierungen stellen verschiedene Abstufungen des zeitlichen Vorhandenseins von Ressourcen dar.
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So wurde beispielsweise in einigen OPS-Codes eine ständige Anwesenheit bestimmter Personen gefordert, was zusammenfassend als höchste Stufe des Vorhandenseins angesehen werden kann. In der Abstufung nachfolgend kann mithin eine 24-stündige Verfügbarkeit, sodann eine tägliche Verfügbarkeit und dann eine werktägliche Verfügbarkeit angenommen werden. Das im hier streitgegenständlichen OPS-Code genannte „Vorhandensein“ stellt ebenfalls eine Abstufungsvariante des zeitlichen Vorhandenseins von Ressourcen dar. Da jedoch keine konkreten Angaben in Bezug auf Stunden pro Tag bzw.
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Woche oder Tage pro Woche im Text des OPS-Codes 8-550 enthalten sind, genügt letztlich die Existenz der beschriebenen Therapiebereiche, um das Strukturmerkmal des Vorhandenseins bejahen zu können. Eine zeitlich wie auch immer geartete Mindestanwesenheitszeit der Therapeuten oder eine Verfügbarkeit an bestimmten Tagen lässt sich dem Wortlaut des OPS-Codes gerade nicht entnehmen und würde der wortlautgetreuen Auslegung der Abrechnungsvorschriften zuwiderlaufen.
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Auch die 2022 erfolgten Klarstellungen und Änderungen gemäß § 295 I 8 SGB V und § 301 II 6 SGB V stützen die Ansicht der Kammer. So wird dort beschrieben, dass für mehrere Codes für den OPS 2021 Strukturmerkmale für das Vorhandensein oder die Verfügbarkeit von Therapiebereichen oder Verfahren festgelegt wurden.
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Wörtlich heißt es in der Klarstellung:
„Der OPS legt nicht fest, dass für einen Therapiebereich oder ein Verfahren mehrere qualifizierte Personen vorzuhalten sind, um die Strukturmerkmale für das Vorhandensein oder die Verfügbarkeit von Therapiebereichen oder Verfahren zu erfüllen, sofern bei dem einzelnen Kode keine kodespezifischen Vorgaben zu berücksichtigen sind (z.B. 24-stündige Verfügbarkeit von Verfahren). Das bedeutet, dass sowohl das Vorhalten eines Therapiebereiches als auch die Gewährleistung eines Verfahrens auch durch eine Person, die entsprechend dem im jeweiligen OPS-Kode geforderten Therapiebereich oder Verfahren qualifiziert ist, sichergestellt werden kann. Für den Fall, dass diese Person für den Therapiebereich oder das Verfahren nicht zur Verfügung steht, ist eine entsprechende Vertretung mit der jeweils kodespezifisch geforderten Qualifikation sicherzustellen. Dies kann auch durch Kooperation erfolgen.
Diese Klarstellung ist rückwirkend gültig ab dem 1. Januar 2021 und ist auch für die jeweils aktuelle Version des OPS gültig.“
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In der Klarstellung wurde gerade nicht festgelegt, dass bei dem hier streitgegenständlichen OPS-Code eine wie auch immer geartete kodespezifische Vorgabe (z.B. eine (werk-)tägliche Verfügbarkeit bestimmter Therapiebereiche) vorliegen muss. Wäre dies von den Beteiligten so gewollt worden, hätte eine solche Vereinbarung beispielsweise im Rahmen einer solchen Klarstellung getroffen werden können. Eine solche Vereinbarung ist jedoch unterblieben. Die erfolgte Klarstellung legt die Kammer vielmehr dahingehend aus, dass die bloße Existenz der Therapiebereiche Logopädie und Psychologie ausreicht, um den Vorgaben des OPS-Codes 8-550 gerecht zu werden. So muss ausweislich der Klarstellung lediglich sichergestellt werden, dass der Therapiebereich mindestens einer hinreichend qualifizierten Person betreut werden kann. Im Falle der Abwesenheit dieser Person sei eine Vertretung sicherzustellen. Dass diese Person(en) an einer bestimmten Anzahl an Tagen in der Woche zur Verfügung steht/stehen oder anwesend sein muss/müssen, ergibt sich nicht.
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Die Klägerin hat im hier streitgegenständlichen Fall für den Bereich der Psychologie ausweislich der Gutachten des Beklagten vom 14.12.2021 und 07.02.2022 zwei Teilzeitkräfte mit 14 bzw. 15 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit angestellt. Im Bereich der Logopädie ist eine Teilzeitkraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden angestellt. Zudem besteht mit einer Logopädiepraxis ein Kooperationsvertrag, welcher von einem durchschnittlichen Einsatz von 2 Tagen pro Woche und 5 Stunden täglich ausgeht.
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Den Voraussetzungen der Klarstellung ist damit genüge getan.
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Auch die Auslegungshinweise des Bundesverbandes Geriatrie zum OPS 8-550 Version 2022 lassen keinen anderen Schluss zu. So ist dort auf Seite 8 beschrieben, dass „Vorhanden sein“ bedeutet, dass „ein Zugriff auf bestimmte Geräte, Verfahren oder Personal grundsätzlich möglich sein muss. Hieran sind keine Vorgaben z. B. zu Anzahl, Menge, Beschäftigungsverhältnis, Patientenkontakten oder Anwesenheiten geknüpft, es sei denn, diese werden kodespezifisch vorgegeben.“ Auch aus diesen Auslegungshinweisen lässt sich schließen, dass für die von der Beklagten geforderte werktägliche Verfügbarkeit der Therapiebereiche keinen Anhaltspunkt besteht.
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Im Ergebnis ist die Kammer aus den vorgenannten Gründen der Überzeugung, dass die Klägerin den Anforderungen des Vorhandenseins im OPS-Codes 8-550 hinreichend gerecht wird.
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Die Kammer weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass, sofern sich bei der Abrechnung bzw. Strukturprüfung Wertungswidersprüche und Ungereimtheiten ergeben, es die jeweils zuständigen Stellen durch Änderungen im OPS selbst in der Hand haben, diese für die Zukunft zu beseitigen, wenn sie Handlungsbedarf sehen, siehe dazu u.a. Urteil des BSG vom 18.09.2008, B 3 KR 15/07 R. Denn das DRG-basierte Vergütungssystem ist vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit „lernendes“ System angelegt, Urteil des BSG vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, Rn. 27. So besteht die Möglichkeit den Wortlaut des OPS-Codes 8-550 anzupassen und ggf. kodespezifische Angaben zur konkreten Verfügbarkeit bestimmter Therapiebereiche einzufügen.
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Allenfalls ergänzend kommt unter Umständen eine Auslegung von Vergütungsregelungen nach ihren systematischen Zusammenhängen in Betracht, vgl. dazu Urteil des BSG vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, Rn. 27. Ansonsten ist bei der Auslegung von Vergütungsregelungen eine besonders strenge Orientierung am Wortlaut geboten, während Bewertungen und Abwägungen zu versagen sind. Es ist also grundsätzlich erforderlich, dass Anforderungen ausdrücklich benannt werden. Nicht ausdrücklich Aufgenommenes ist grundsätzlich keine Voraussetzung für die Kodierbarkeit. Daher mag sich die Kammer den vom Beklagten angeführten Erwägungen, dass die Behandlung von Patienten im Rahmen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung aufgrund der besonderen Ausrichtung dieser Behandlung eine werktägliche Verfügbarkeit von Psychologen und Therapeuten erfordert, nicht anschließen. Der Wortlaut der Norm sowie die OPS Klarstellungen 2022 und die Auslegungshinweise des Bundesverbandes Geriatrie bieten dafür wie oben bereits erläutert keine Anhaltspunkte. Für eine ergänzende Auslegung aufgrund systematischer Erwägungen bleibt dabei kein Raum.
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Der Klage war damit stattzugeben.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 I VwGO.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a I 1 SGG i.V.m. §§ 63 II und 52 I GKG. Das Gericht teilt diesbezüglich die Auffassung der Klägerin.