Inhalt

LG München I, Endurteil v. 22.02.2023 – 26 O 15888/20
Titel:

Unklare Verkehrslage, Merkantiler Minderwert, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Markengebundene Fachwerkstatt, Informatorische Anhörung, Sachverständigengutachten, Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren, Gutachterkosten, Elektronischer Rechtsverkehr, Feststellungsantrag, Ergebnis der Beweisaufnahme, Gesamtschuldner, Aufgabe zur Post, Ergänzungsgutachten, Betriebsgefahr, Merkantile Wertminderung, Privatgutachter, Kosten eines Privatgutachtens, Gerichtlich bestellter Sachverständiger, Reparaturkosten

Schlagworte:
Verkehrsunfall, Schadenersatz, Prozessstandschaft, Beweisaufnahme, Sachverständigengutachten, Haftungsverteilung, Nutzungsausfallentschädigung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 55048

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.622,47 € nebst Zinsen aus 5.405,29 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.12.2020 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 41 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 59 % zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
6. Der Streitwert wird bis 12.08.2022 auf 10.857,41 €, danach auf 11.074,59 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Schadenersatzansprüche des Klägers aus einem Verkehrsunfall, der sich auf der F.-J. Straße in München ereignete.
2
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter des Pkws … mit dem amtlichen Kennzeichen … das von der Zeugin … gefahren wurde. Das Fahrzeug war von der … geleast und stand in deren Eigentum. Mit Schreiben vom 07.09.2021 erteilte die … eine entsprechende Entschädigungsfreigabe; auf den Inhalt der Anlage K8 wird Bezug genommen. Der Beklagte zu 1) fuhr im Unfallzeitpunkt den Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen …, der bei der Beklagten zu 2) Kfz-haftpflichtversichert war.
3
Am ... 10.2020 gegen 11:20 Uhr kollidierte das klägerische Fahrzeug an der hinteren rechten Seite mit dem Beklagten-Lkw. Die Einzelheiten der Kollision sind zwischen den Parteien streitig.
4
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.10.2020 ließ der Kläger die beklagte Partei unter Fristsetzung zum 17.11.2020 zur Regulierung des Schadens in Höhe von 9.494,80 € – auf Basis eines eingeholten Gutachtens des Sachverständigenbüros … (Anlage K1) – auffordern (Anlage K2). Die Forderung umfasste einen Fahrzeugschaden in Höhe von 7.365,70 €, eine merkantile Wertminderung in Höhe von 1.000,00 €, Gutachtergebühren in Höhe von 1.099,10 € und eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 €. Eine Zahlung erfolgte nicht.
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Der Kläger behauptet, der Beklagten-Lkw sei zum Unfallzeitpunkt bereits über einen längeren Zeitraum ohne geschaltete Signale ordnungswidrig in zweiter Reihe auf der Fahrbahn in Fahrtrichtung des klägerischen Fahrzeugs geparkt gewesen. Nach einiger Wartezeit habe sich die Zeugin … entschlossen, nach Passieren des Gegenverkehrs, mit gesetztem linken Blinker am Beklagtenfahrzeug vorbei zu fahren. Als dies nahezu vollständig geglückt gewesen sei, sei dieses jedoch völlig unvermittelt mit Lenkeinschlag nach links losgefahren, offenbar um links abzubiegen. Dabei sei es mit der hinteren Beifahrertür des klägerischen Kfz kollidieren. Der Kläger behauptet, unfallbedingt sei am klägerischen Fahrzeug ein Schaden in Höhe von netto 7.365,70 € entstanden. Der Kläger meint, das Unfallereignis sei für die Zeugin … unvermeidbar gewesen.
6
Zunächst hat der Kläger Zahlung von 9.489,80 € eingeklagt. Die Klageschrift ist dem Beklagten zu 1) am 08.12.2020 und der Beklagten zu 2) nicht nachweislich zugestellt worden. Die Verteidigungsanzeige der Beklagten zu 2) datiert vom 18.12.2020. Mit Schriftsatz vom 18.12.2020 ist die Beklagte zu 2) dem Rechtsstreit des Beklagten zu 1) im Wege der Nebenintervention beigetreten. Nach Einholung einer Stellungnahme des Privatgutachters … in Reaktion auf das gerichtliche Sachverständigengutachten hat der Kläger seine Klage in Höhe der insoweit zusätzlich angefallenen Gutachterkosten von 217,18 € mit Schriftsatz vom 12.08.2022 erweitert.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
1. die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 9.489,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2020 sowie weitere 934,61 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, zudem weitere 217,18€.
2. es wird festgestellt, dass die Beklagten darüber hinaus samtverbindlich verpflichtet sind, der Klagepartei sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die aufgrund des Verkehrsunfalls vom 08.10.2020 gegen 11:20 Uhr auf der F.-J. Straße in München noch entstehen werden.
8
Die Beklagten beantragen,
Klageabweisung.
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Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation.
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Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) habe auf Höhe der Franz-Joseph Straße 29 den linken Fahrtrichtungsanzeiger angeschaltet und das Beklagtenfahrzeug an der Mittellinie angehalten, um links in eine Einfahrt zu fahren. Die Zeugin … sei hinter dem Beklagten-Lkw gefahren und habe diesen sofort und ohne es vorher anzuzeigen mit nicht ausreichendem Seitenabstand links überholt. Beim Vorbeifahren habe sie mit ihrer hinteren rechten Fahrzeugseite die vordere linke Fahrzeugseite des Beklagten-Lkws gestreift. Die erforderlichen Reparaturkosten seien übersetzt geltend gemacht. Zudem seien die geltend gemachten Gutachterkosten nicht erstattungsfähig; die im Privatgutachten ausgewiesenen Reparaturkosten würden die tatsächlich erforderlichen Reparaturkosten über 100 % übersteigen, weshalb das Gutachten für die Schadenregulierung unbrauchbar sei. Daher sei auch allenfalls eine merkantile Wertminderung von 500,00 € eingetreten. Es bestehe zudem kein Verzug der Beklagten.
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Das Gericht hat in den mündlichen Verhandlungen vom 02.07.2021 und 26.11.2021 Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeuginnen … und … sowie der Zeugen … und … zudem ist der Beklagte zu 1) informatorisch angehört worden. Für das Ergebnis wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2021 (Bl. 67-76 d.A. mit Anlagen) und der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2021 (Bl. 84-90 d.A. mit Anlagen) Bezug genommen. Ferner hat das Gericht ein Sachverständigengutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Verkehrsunfallrekonstruktion und Kfz-Schäden und -Bewertungen Dipl.-Ing. …) eingeholt; insoweit wird auf das schriftliche Gutachten vom 10.06.2022 (Bl. 115-135 d.A. mit Anlagen) und das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 05.12.2022 (Bl. 156-161 d.A. mit Anlagen) Bezug genommen.
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Mit Zustimmung der Parteien hat das Gericht eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, als Termin, bis zu dem eingehende Schriftsätze berücksichtigt werden und der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, den 10.02.2023 bestimmt und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 22.02.2023 anberaumt. Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2021 (Bl. 67-76 c.A. mit Anlagen) und der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2021 (Bl. 84-90 d.A. mit Anlagen) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage erweist sich als nur teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 VVG, § 1 PflVersG; allerdings ist der ersatzfähige Schaden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts geringer als vom Kläger zugrunde gelegt.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass die beklagte Partei dem Grunde nach eine Alleinhaftung zu verantworten hat.
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1. Der Kläger ist aktivlegitimiert.
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Der Kläger macht vorliegend – neben eigenen – auch fremde Schadenersatzansprüche der Eigentümerin des Fahrzeugs, der … geltend. Auch hinsichtlich der Ansprüche aus fremdem Recht ist der Kläger aktivlegitimiert. Mit Schreiben vom 07.09.2021 hat diese den Kläger ermächtigt, Schadenersatzansprüche aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Das Gericht erachtet dies als ausreichend konkretisiert; es handelt sich dabei um eine zulässige gewillkürten Prozessstandschaft. Es bestehen keine durchschlagenden Bedenken gegen die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft; insbesondere hat der Kläger als Sicherungsgeber ein wirtschaftliches Interesse an der Durchsetzung der entsprechenden streitgegenständlichen Schadenersatzansprüche.
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2. Nach § 7 Abs. 1 StVG hat der Halter eines Kraftfahrzeugs derjenigen Person, deren Sache beim Betrieb dieses Kraftfahrzeugs beschädigt wird, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Auch der Führer des Fahrzeugs ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG zum Schadenersatz verpflichtet; allerdings nur, wenn er den Schaden schuldhaft verursacht hat. Dieser Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG kann gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVersG, §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG auch unmittelbar gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung geltend gemacht werden.
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Ist die geschädigte Person selbst Halter eines Kraftfahrzeugs, das an der Verursachung des Schadens ebenfalls beteiligt war, so hängen gemäß §§ 17 Abs. 2, Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG die Verpflichtung zum Ersatz und der Umfang des zu leistenden Ersatzes im Verhältnis der beiden Fahrzeughalter bzw. Fahrzeugführer zueinander von den Umständen und insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Zu berücksichtigen sind dabei namentlich das Maß der Verursachung und das Maß des Verschuldens. Die Verursachungs- und Verschuldensbeiträge, die zu Lasten der einen Partei gehen, sind jeweils von der anderen Partei vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen.
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Lässt sich der Unfallhergang trotz durchgeführter Beweisaufnahme nicht aufklären und damit nicht feststellen, welche der unfallbeteiligten Parteien einen größeren Verursachungsbeitrag zu dem Unfallgeschehen erbracht hat, so ist der Schader regelmäßig hälftig zu teilen (OLG München v. 24.02.2021 – 10 U 5726/20, Rz. 12; alle Entscheidungen, auch im Folgenden und soweit nicht anders gekennzeichnet, zitiert nach juris-Datenbank). Etwas anderes gilt demgegenüber dort, wo entweder eine Aufklärung möglich ist oder wo ein Anscheinsbeweis für den erhöhten Verursachungsbeitrag einer der Parteien spricht und dieser Anschein nicht erschüttert werden kann.
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3. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht fest (§ 286 ZPO), dass es zu einer Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen gekommen ist, indem das Beklagtenfahrzeug im Zuge eines geplanten Linksabbiegevorgangs gegen das klägerische Fahrzeug gefahren ist. Das Gericht geht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ferner davon aus, dass der Beklagte zu 1) den Abbiegevorgang nicht hinreichend angezeigt hat und die Zeugin … einen hinreichenden seitlichen Abstand eingehalten hat, als sie am Beklagten-Lkw vorbeigefahren ist.
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3.1 Die Fahrerin des klägerischen Pkws, die Zeugin … gab in ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2021 an, der Beklagten-Lkw sei auf der rechten Straßenseite gestanden und habe gewartet, ohne Lichter und ohne einen Warnblinker oder Fahrtrichtungsanzeiger oder ein anderes Zeichen zu geben. Er habe sich deutlich von der Mittellinie entfernt befunden. Sie habe mit dem klägerischen Pkw hinter diesem ein paar Sekunden gewartet. Sie sei dabei zu keinem Zeitpunkt stillgestanden, sondern sei auf das Beklagtenfahrzeug langsam zugerollt, schätzungsweise mit 5 km/h. Da das Beklagtenfahrzeug auf der rechten Seite gestanden habe, sei sie nicht davon ausgegangen, dass es nach links abbiegen wollte. Nachdem die Fahrzeuge hinter ihr bereits angefangen hätten zu hupen, habe sie den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt und begonnen, den Beklagten-Lkw auf der Gegenfahrbahn zu überholen. Dabei habe der Abstand zwischen den Parteifahrzeugen zirka 2 m betragen. Als sie auf Höhe seiner Türe gewesen und bereits wieder dabei gewesen sei, nach rechts einzulenken, habe sie plötzlich einen Schlag hinten am klägerischen Fahrzeug gespürt, daraufhin habe sich dieses gedreht. Die Kollision habe sich auf der Gegenfahrbahn ereignet. Sie schätzte ihre eigene Geschwindigkeit auf etwa 30 bis 40 km/h als sie an dem Beklagtenfahrzeug vorbeigefahren sei.
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3.2 Der neutrale … der sich zwei Fahrzeuge hinter den klägerischen Fahrzeug befunden habe, gab im Einklang mit der Zeugin … an, dass der Beklagten-Lkw plötzlich ohne Blinker oder irgendwelche Zeichen auf der rechten Seite stehen geblieben sei. Alle Fahrzeuge hinter dem Beklagtenfahrzeug seien kurz stillgestanden, vielleicht so zwischen drei und fünf Sekunden. Er selbst habe bereits zum Überholen angesetzt, weil er nicht gewusst habe, warum die anderen Fahrzeugführer noch gewartet hätte. Die Zeugin … habe dann den Blinker des klägerischen Fahrzeugs gesetzt und sei an dem Beklagtenfahrzeug vorbeigefahren. Der Abstand der Parteifahrzeuge habe vielleicht so zirka einen Meter betragen, es sei auf jeden Fall ausreichend gewesen. In diesem Moment sei der Beklagten-Lkw plötzlich nach links gezogen und in das klägerische Fahrzeug gefahren. Es habe so ausgesehen, als wolle der Beklagten-Lkw wenden, da er bereits sehr stark nach links eingeschlagen gehabt habe. Er wisse nicht mehr genau, ob sich das klägerische Fahrzeug beim Überholvorgang komplett auf der Gegenfahrbahn befunden habe; er meine schon, dass es über die Mittellinie gefahren worden wäre. Der Beklagten-Lkw habe sich eher Richtung der rechts parkenden Fahrzeuge befunden.
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3.3 Auch die neutrale … bestätigte den Vortrag der Klagepartei in ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2021 in wesentlichen Punkten. Sie habe sich mit ihrem Fahrzeug zwischen dem klägerischen Pkw und dem Fahrzeug des Zeugen … befunden. Der Beklagten-Lkw sei immer wieder gestanden und wieder losgefahren – und so auch die Fahrzeuge dahinter. Ob sie unmittelbar vor der Kollision gefahren oder gestanden seien, wisse sie nicht mehr. Die Zeugin … habe dann begonnen, diesen langsam – mit maximal 30 km/h – zu überholen; den Abstand zwischen den Parteifahrzeugen dabei schätze sie auf zirka einen halben Meter. Ob diese dabei geblinkt habe, wisse sie nicht. Als die Zeugin … gerade dabei gewesen sei, vorne wieder einzuscheren, habe das zu diesem Zeitpunkt stehende Beklagtenfahrzeug plötzlich nach links gelenkt und es sei zur Kollision gekommen. Dabei habe sich das Beklagtenfahrzeug noch komplett in seiner eigenen Fahrspur befunden.
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3.4 Demgegenüber schilderte der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2021, er habe eine Hausnummer gesucht, um seine Ware abzuliefern. Er sei langsam gerollt – maximal 5 km/h –, während er den linken Blinker am Beklagtenfahrzeug betätigt habe, um zu parken. Er habe allerdings keine Zeit zum Abbiegen gehabt, da er noch den Gegenverkehr habe durchfahren lassen. Dann sei bereits die Zeugin … von hinten mit hoher Geschwindigkeit angekommen und die Fahrzeuge seien kollidiert. Der Beklagten-Lkw habe sich noch komplett auf seiner Spur befunden, inklusive Reifen; er habe lediglich bereits innerhalb der Spur ein bisschen nach links eingeschlagen. Er sei in dieser Zeit nie stillgestanden. Der Beklagte zu 1) habe vor der Kollision nicht nach hinten geschaut, weil es viel zu schnell gegangen sei. Er habe sich nach vorne auf den Gegenverkehr konzentriert und habe abbiegen wollen. Danach hätte er sich nach hinten umgesehen dazu sei es aber noch nicht gekommen. Er habe schon gesehen, dass hinter ihm Fahrzeuge gewesen seien. Er habe hierzu in den linken Außenspiegel geschaut.
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3.5 Schließlich sagte der … in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2021 aus, er sei mit dem Beklagten zu 1) dabei gewesen, eine Lieferung auszufahren. Auf der linken Seite habe sich eine Einfahrt befunden, die sie hätten ungestört zum Parken nutzen wollen. Sie hätten zirka fünf Meter vor der Einfahrt gebremst und das Beklagtenfahrzeug sei zum Stehen gekommen. Es seien sodann zwei Fahrzeuge im Gegenverkehr vorbeigefahren. Danach hätten sie angefangen, links abzubiegen. Dabei sei das klägerische Fahrzeug ganz schnell – geschätzt mit zirka 60 bis 70 km/h – vorbeigefahren und sei zirka 20 bis 25 m später zum Stehen gekommen. Sie hätten es nicht richtig getroffen und es habe auch keinen lauten Knall gegeben. Auf nochmalige Nachfrage des Gerichts gab der Zeuge … sodann an, der Beklagten-Lkw sei nicht stillgestanden, sondern langsam gerollt, mit zirka 10 km/h. Er wisse nicht, ob der Beklagte zu 1) den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe. Er habe das klägerische Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision zum ersten Mal gesehen. Er schilderte auf Rückfrage des Gerichts, er habe nicht gesehen, wie das klägerische Fahrzeug vor der Kollision gefahren sei. Er könne daher auch nicht einschätzen, wie schnell es gefahren sei. Er wisse nicht, ob der klägerische Pkw einen Blinker gesetzt habe. Der Beklagten-Lkw sei zum Unfallzeitpunkt zirka 40 cm über der Mittellinie gewesen. Der vordere Reifen sei bereits über der Mittellinie, der Rest des Fahrzeugs noch auf der rechten Fahrspur gewesen.
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3.6 Die Angaben der Zeugin … waren schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Es bestehen keine Anhaltspunkte, die Zweifel an cer Richtigkeit der Aussagen begründen könnten. Auch der Umstand, dass die Zeugin mit dem Kläger verwandt ist und das klägerische Fahrzeug im streitgegenständlichen Zeitraum gefahren hat, bedeutet nicht, dass der Zeugin von vornherein weniger Glauben zu schenken wäre als anderen Zeugen, denn es gibt keine auf einen entsprechenden Erfahrungssatz gestützte Beweisregel, dass der Aussage eines wirtschaftlich Interessierten, eines Freundes oder Verwandten überhaupt nicht oder nur bei Bestätigung durch objektive Beweismittel geglaubt werden darf. Vielmehr verstößt es gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, den Aussagen von Verwandten nur für den Fall Beweiswert zuzuerkennen, dass sonstige objektive Gesichtspunkte für die Richtigkeit der Aussagen sprechen (vgl. KG v. 30.09.2008 – 12 U 196/08; OLG Hamm v. 23.07.2020 – 21 U 19/20, Rz. 11). Auch unter Berücksichtigung dieses Maßstabes gibt es aus Sicht des Gerichts im konkreten Fall keine Anhaltspunkte dafür, der Aussage der Zeugin … keinen Glauben zu schenken.
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Vielmehr bestätigten auch der neutrale Zeuge … und die neutrale Zeugin … im Wesentlichen die klägerische Unfallversion. Ihre Aussagen waren in sich schlüssig, frei von Widersprüchen und das Gericht sieht auch im Übrigen keine Veranlassung, an der Richtigkeit der Aussagen zu zweifeln. Beide vermittelten insbesondere deutlich, wie weit ihre eigenen Erinnerungen noch vorhanden waren und sie haben – mangels persönlicher Verflechtungen – keinerlei Veranlassung zugunsten einer der Parteien auszusagen.
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Alle drei stimmen in wesentlichen Punkten überein. Insbesondere schilderten sie übereinstimmend, sie hätten es für möglich gehalten, das Beklagtenfahrzeug gefahrlos zu überholen, weil sie davon ausgegangen seien, dieser halte an Straßenrand in der zweiten Reihe. Dies bestätigt sich auch dadurch, dass die neutralen Zeugen … und … nach eigenen Angaben selbst in Begriff waren, das Beklagtenfahrzeug zu überholen, obwohl sie in der Kolonne sogar weiter hinten standen als die Zeugin …
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Demgegenüber verstrickte sich der Zeuge … mehrfach innerhalb seiner Vernehmung in Widersprüche. So gab er etwa zunächst an, der Beklagten-Lkw sei gestanden, auf nochmalige Nachfrage, sei er dann gefahren. Außerdem berichtete er zunächst davon, dass das klägerische Fahrzeug mit zirka 60 bis 70 km/h gefahren sei; auf nochmalige Nachfrage gab er an, er habe dieses vor der Kollision nicht gesehen und könne daher zur Geschwindigkeit keine Angaben machen.
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Auch die Schilderungen des Beklagten zu 1) sind stellenweise widersprüchlich. Gerade die Frage der Rückschau vor Einleitung des Linksabbiegevorgangs vermochte der Beklagte zu 1) in seiner informatorischen Anhörung nicht widerspruchsfrei und nachvollziehbar darzulegen.
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3.7 Das Gericht hat zudem ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen … eingeholt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 10.06.2022 nach Auswertung des Bildmaterials, Analyse der Fahrzeugbeschädigungen sowie grafischer bzw. computergestützter Rekonstruktion des Unfallgeschehens zu dem Ergebnis gelangt, dass der genaue Sicherheitsabstand, den das klägerische Fahrzeug während der Vorbeifahrt am Beklagtenfahrzeug eingehalten habe – unter Berücksichtigung vernünftiger Toleranzen – zwischen 1,2 und 1,5 m gelegen haben könne. Sowohl ein geringerer als auch ein größerer Abstand würden zu Widersprüchen hinsichtlich der Erstkontaktsituation und der Spuren und Beschädigungen führen. Aus den Spuren und Beschädigungen der beiden Fahrzeuge lasse sich deren Kollisionsstellung ableiten. Die Bestimmung der umgebungsbezogenen Kollisionsstellung, also die Einordnung der relativen Kollisionsstellung in der Unfallörtlichkeit, könne mangels entsprechender Spuren jedoch nicht erfolgen. Demnach könne eine Eingrenzung des Kollisionsortes nur näherungsweise unter Berücksichtigung der Endlagen der Fahrzeuge vorgenommen werden. Der Kollisionswinkel, der die Fahrzeuglängsachsen umschließe, dürfte bei zirka 25 +/- 5° gelegen haben. Dies berücksichtige für das Beklagtenfahrzeug eine Linkslenkung mit einem Lenkwinkel, der geeignet wäre, von der rechten Fahrbahn in die gegenüberliegende Einfahrt zu gelangen. Des weiteren sei berücksichtigt worden, dass zunächst zur Zeichnung von Radkontaktspuren am klägerischen Fahrzeug und erst hiernach zu weiteren Spuren und Beschädigungen an den dortigen Karosseriekomponenten gekommen sei. Unter Berücksichtigung der von den Parteien bzw. den Zeugen genannten Geschwindigkeiten lasse sich die von der Klagepartei geschilderte Situation insoweit zwanglos nachvollziehen. Unabhängig von der Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs lasse sich hingegen nicht nachvollziehen, dass es zwischen der hinteren rechten Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeugs und der vorderen linken Fahrzeugseite des Beklagtenfahrzeugs zu Kontakten gekommen sei, wenn man von einer Vorbeifahr: des klägerischen Fahrzeugs an dem stehenden oder langsam fahrenden Beklagtenfahrzeug ausgehe. In dieser – von der beklagten Partei geschilderten – Situation wäre von einem anderen Kollisionswinkel und auch von einem anderen Spuren- und Beschädigungsbild an den Fahrzeugen auszugehen. Auch würde es in solch einer Situation nicht zuerst zur Zeichnung von Radkontaktspuren am klägerischen Fahrzeug und erst hiernach zu den weiteren Spurenzeichnungen kommen. Die Auswertungen hätten zudem ergeben, dass sich das klägerische Fahrzeug mit der Fahrzeugfront etwa auf Höhe des Hecks des Beklagten-Lkws befunden habe, als dieser angefahren sei. Aus der Kollisionsposition lasse sich nicht ableiten, wie die Fahrzeuge zum Zeitpunkt der Kollision tatsächlich innerhalb der Franz-Joseph Straße positioniert gewesen sein. Es lasse sich lediglich die Position des klägerischen Pkws in direkter Abhängigkeit zur Position des Beklagtenfahrzeugs bestimmen; je nach Ausgangsposition des Beklagtenfahrzeugs würde sich – in Abhängigkeit der Wahl der Position des Beklagtenfahrzeugs innerhalb des vorgenannten Intervalls – eine andere Position des klägerischen Fahrzeugs ergeben. Zur tatsächlichen Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs während der Vorbeifahrt lasse sich keine Aussage treffen. Unter Berücksichtigung der vorhandenen Spuren und Beschädigungen lasse sich lediglich sagen, dass das klägerische Fahrzeug schneller gewesen sei als das Beklagtenfahrzeug. Unter Berücksichtigung der von den Parteien bzw. den Zeugen genannten Geschwindigkeiten (Klägerfahrzeug 30 bis 40 km/h; Beklagtenfahrzeug … langsam gerollt …) lasse sich die von der Klagepartei geschilderte Situation jedoch zwanglos nachvollziehen.
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Der Sachverständige ist dem Gericht aus einer ganzen Reine von Verfahren als überaus sorgfältig, gründlich und sachkundig bekannt; er wird nicht nur von dieser Kammer, sondern auch von anderen mit Verkehrssachen befassten Kammern des Landgerichts München I wie auch des Oberlandesgerichts München ob seiner Sachkunde, Unvoreingenommenheit und Erfahrung regelmäßig beauftragt. Auch im vorliegenden Fall ist sein Gutachten gut begründet, anhand der beigefügten Anlagen zwanglos nachvollziehbar und insgesamt überzeugend; das Gericht legt daher seine Feststellungen zugrunde.
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4. Daraus ergibt sich eine alleinige Haftung dem Grunde nach der beklagten Partei.
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4.1 Der Beklagte zu 1) hat verschiedentlich gegen § 9 StVO verstoßen.
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4.1.1 Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO muss, wer abbiegen will, dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Diesen Anforderungen ist der Beklagte zu 1) nach der Überzeugung des Gerichts nicht nachgekommen. Sowohl die Zeugin … als auch der neutrale Zeuge … vermochten sich sicher, anschaulich und mit nachvollziehbaren Ausführungen zu erinnern, dass am Beklagten-Lkw kein Lichtzeichen gesetzt gewesen se. Die Zeugin … und der Zeuge … konnten sich nicht mehr erinnern. Lediglich der Beklagte zu 1) selbst gab an, dass er geblinkt habe. Das Gericht folgt insofern den überzeugenden Angaben, insbesondere des neutralen Zeugen …. Dieser schilderte nachvollziehbar, dass der Beklagten-Lkw etwas höher und frei gestanden habe, sodass er diesen deutlich habe sehen können. Zudem sei er selbst im Begriff gewesen, einen eigenen Überholvorgang einzuleiten, weshalb es überzeugt, dass er sich in besonderem Maße auf den vorwärtigen Straßenverkehr konzentrierte.
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4.1.2 Nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO ist vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Dagegen hat der Beklagte zu 1) verstoßen, indem er nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2021 nicht nach hinten geschaut habe. Er hat dann zwar noch versucht, seine Aussage zu korrigieren; jedenfalls hätte er bei einer Rückschau aber das klägerische Fahrzeug erkennen müssen und dadurch die Kollision vermeiden können. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige einen seitlichen Abstand der Parteifahrzeuge von mindestens 1,2 m beim Überholvorgang festgestellt hat. Hätte der Beklagte zu 1) rechtzeitig und sorgfältig nach hinten geschaut, hätte er das klägerische Fahrzeug mit ausreichend seitlichem Abstand feststellen müssen und eine Kollision verhindern können. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es dem Sachverständigen nicht möglich war, anhand der vorliegenden Anknüpfungstatsachen, insbesondere der Kollisionsposition, abzuleiten, wie die Parteifahrzeuge zum Kollisionszeitpunkt tatsächlich innerhalb der F.-J. Straße positioniert gewesen seien. Denn unabhängig von der konkreten Position des Beklagtenfahrzeugs durfte der Beklagte zu 1) nicht unvermittelt nach links fahren, ohne weiter auf den rückwärtigen Verkehr zu achten. Die Zeugin … durfte – wie auch von der Zeugin … und dem Zeugen … geschildert – davon ausgehen, dass ein Überholen des Beklagtenfahrzeugs möglich sei. Dies insbesondere, weil das Gericht anhand der Zeugenaussagen … und … die Überzeugung gewonnen hat, dass das Beklagtenfahrzeug stillstand, als die Zeugin … den Überholvorgang eingeleitet hat. Die Aussage des Zeugen … ist an dieser Stelle widersprüchlich. Bei eine Kollision des Linksabbiegers mit einem ordnungsgemäß Überholenden spricht in der Regel der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Abbiegenden (vgl. OLG München v. 23.01.2015 – 10 U 299/14, Rz. 20), da der Abbiegende zumindest die zweite Rückschaupflicht missachtet haben muss (vgl. Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 27. Auflage 2022, § 9 StVO Rz. 31 a m.w.N.). Das unstreitige Kerngeschehen besteht vorliegend darin, dass der Beklagte zu 1) auf der F.-J. Straße vorausgefahren war und nach einer (jedenfalls) Verlangsamung nach links eingeschlagen hatte, um nach links in eine Einfahrt zu fahren. Dies geschah zu einem Zeitpunkt als die Zeugin … bereits zum Überholen angesetzt hatte.
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4.1.3 § 9 Abs. 5 StVO schreibt vor, dass wer ein Fahrzeug führt, sich etwa beim Abbiegen in ein Grundstück und beim Wenden darüber hinaus so zu verhalten hat, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Die Vorschrift verlangt von allen Fahrzeugführern für den Spezialfall der besonders gefährlichen Einfahrt in ein Grundstück ein solches Maß an Sorgfalt, dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf der Straße ausgeschlossen ist. Zum Abbiegen gehören alle der Einleitung, Vorbereitung und Durchführung dienenden Manöver bis zu seiner Beendigung. Eine erhöhte Sorgfalt wird insbesondere deshalb verlangt, weil beim Abbiegen in ein Grundstück nachfolgende Verkehrsteilnehmer meistens schwerer als beim Abbiegen in eine andere Straße oder etwa in einen öffentlichen Parkplatz erkennen können, wo der Vorausfahrende abbiegen will. Dem muss durch besonders sorgfältige Ausführung der allgemeinen Abbiegerpflichten, insbesondere eine rechtzeitige Anzeige, Rechnung getragen werden. Die Pflicht zur Rückschau unmittelbar vor dem Abbiegen besteht selbst nach deutlicher Verminderung der Geschwindigkeit und rechtzeitiger Anzeige des Abbiegens (vgl. Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, a.a.O., § 9 StVO Rz. 52, 55 m.w.N.). Aufgrund der obigen Ausführungen hat der Beklagte zu 1) auch gegen diese Pflichten verstoßen, als er – wie er selbst vorgetragen hat – in Begriff war, nach links in eine Grundstückseinfahrt einzufahren.
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4.1.4 Ein Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 StVO, wonach sich der Beklagte zu 1) zum Linksabbiegen möglichst weit links auf seiner Spur einordnen muss, steht dagegen nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Hinsichtlich der exakten Position des Beklagten-Lkws divergieren die Angaben der Beteiligten; auch der gerichtliche Sachverständige vermochte hierzu keine Angaben zu machen. Überdies hat der Beklagte zu 1) nicht nachweislich gegen § 10 StVO verstoßen. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 1) im Sinns der Vorschrift in den Verkehr wieder eingefahren ist und er nicht lediglich verkehrsbedingt gehalten hat, um nach links in die Einfahrt einzufahren. Jedenfalls in letzterem Fall ist § 10 StVO nicht einschlägt.
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4.2 Demgegenüber ist eine Mithaftung der Klagepartei nach der Überzeugung des Gerichts ausgeschlossen; insbesondere ist es der beklagten Partei nicht gelungen, den gegen sie sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern.
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4.2.1 Zwar handelte es sich bei dem streitgegenständlichen Unfall nicht um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG für die Zeugin …. Denn wie auch der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, wäre die Kollision für sie durch Zurückstellen des Überholvorgangs/der Vorbeifahrt vermeidbar gewesen.
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4.2.2 Der Klagepartei bzw. der Zeugin … kann gleichwohl ein eigener Verursachungsbeitrag oder ein Verschulden nicht nachgewiesen werden.
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Für ein Verschulden dürfen nur solche Umstände herangezogen werden, die erwiesen sind (vgl. BGH v. 10.01.1995 – VI ZR 247/94 m.w.N.). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich.
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Zunächst steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Zeugin … … beim Überholen nicht den Fahrtrichtungsanzeiger benutzt hat (§ 5 Abs. 4 a StVO). Der einzige der sich hierauf festlegen wollte, war der Beklagte zu 1); die Zeugin … selbst und insbesondere der neutrale Zeuge … vermochten dagegen überzeugend und bildhaft darzulegen, dass die Zeugin geblinkt hat, bevor sie den Überholvorgang eingeleitet hat. Die beiden anderen Zeugen vermochten hierzu keine Aussage zu machen.
44
Auch hat die Zeugin … nicht zur Überzeugung des Gerichts gegen § 5 Abs. 4 Satz 2 StVO verstoßen, indem sie beim Vorbeifahren am Beklagten-Lkw keinen ausreichenden Seitenabstand eingehalten hätte. Das Gericht schließt sich auch insofern den überzeugend begründeten und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen an, wonach die Zeugin einen seitlichen Abstand von 1,2 bis 1,5 m eingehalten hat. Eingedenk der vorliegenden Verkehrssituation erscheint jedoch bereits ein seitlicher Abstand von 1,2 m als jedenfalls ausreichend. Der erforderliche Seitenabstand, der bis zur Beendigung des Überholmanövers einzuhalten ist richtet sich nach dem eigenen Fahrzeug und dessen Geschwindigkeit, den Fahrbahn- und Wetterverhältnissen und der Eigenarten des zu Überholenden (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, a.a.O., § 5 StVO Rz. 73). In der vorliegenden Konstellation, in der kein nachweislicher Gegenverkehr kam und auch im Übrigen keine Gegebenheiten vorgetragen sind, die besondere Vorsicht beim Überholen geboten hätten, ist ein seitlicher Abstand, wie er vom Sachverständigen festgestellt wurde, als erforderlich, aber auch ausreichend anzusehen. Insbesondere bestanden nach den Feststellungen des Gerichts keine Anhaltspunkte ausgehend von dem Beklagten-Lkw, die einer größeren Seitenabstand erforderlich gemacht hätten.
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Schließlich hat die Zeugin … nicht nachweislich gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO (Überholen bei unklarer Verkehrslage) verstoßen. Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, wenn also die Verkehrslage unübersichtlich bzw. ihre Entwicklung nach objektiven Umständen nicht zu beurteilen ist. Keine unklare Verkehrslage besteht bei einer bloß abstrakten Gefahrenlage; beispielsweise wenn ein Kfz vom rechten Fahrbahnrand anfährt, zumal nicht damit gerechnet werden muss, dass es grob verkehrswidrig quer über die Fahrbahnmitte nach links gelenkt wird, oder wenn sich ein Vorausfahrender einem langsameren Vordermann ohne Einschaltung des Richtungsanzeigers nähert (vgl. Heß, in: Burmann/Heß/Hühremann/Jahnke, a.a.O., § 5 StVO Rz. 26 f. mit weiteren Beispielen aus der Rspr.). Gemessen an diesen Maßstäben und eingedenk des Ergebnisses der Beweisaufnahme durfte die Zeugin … damit rechnen, dass sie das Beklagtenfahrzeug ohne Gefährdung überholen konnte.
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4.2.3 Dessen ungeachtet gilt daneben: Soweit der Kläger vorliegend aus fremdem Recht hinsichtlich der Reparaturkosten klagt, kann eine Mithaftung aufgrund Betriebsgefahr (bzw. aufgrund eines Mitverschuldens des Leasingnehmers) überdies schon von vornherein nicht greifen. Die Sicherungsnehmerin muss sich als Eigentümerin des Fahrzeugs, deren Ansprüche der Kläger vorliegend geltend macht, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs, mangels anwendbarer Zurechnungsnorm, nicht zurechnen lassen. In § 17 Abs. 2 StVG ist ausdrücklich die Haftungsverteilung der Halter untereinander geregelt. Eine analoge Anwendung dieser Norm auf Ansprüche des Fahrzeugeigentümers, welcher nicht Halter ist, scheidet aus. Denn trotz der Änderungen in § 17 Abs. 3 StVG hat der Gesetzgeber, dem ein Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung bewusst war, die Regelung in § 17 Abs. 2 StVG unverändert beibehalten. Eine Analogie scheidet daher sowohl mangels einer unbewussten Lücke als auch im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut aus (vgl. BGH v. 10.07.2007 – VI ZR 199/06).
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Ebenfalls scheiden als Zurechnungsnormen § 9 StVG sowie § 254 BGB aus. Nachdem § 254 BGB bereits keine Anwendung findet, da keine deliktische Haftung vorliegt, scheidet vorliegend auch eine Zurechnung gemäß § 9 StVG aus da ein Verschulden der Klagepartei bzw. der Zeugin … nicht festgestellt wurde. Es kommt insoweit auch keine analoge Anwendung des § 9 StVG in Betracht. Eine entsprechende verschuldensunabhängige Anwendung auf die mitwirkende Betriebsgefahr würde dem Haftungssystem des StVG, der die Abwägung der Betriebsgefahr ausschließlich in § 17 StVG regelt, nicht entsprechen (vgl. BGH v. 10.07.2007 – VI ZR 199/06).
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Jedenfalls soweit der Kläger damit aus fremdem Recht die Instandsetzungskosten und die merkantile Wertminderung geltend macht, bleibt es – neben den Ausführungen unter Ziffer 4.2.2 – auch aus diesen Erwägungen bei der Alleinhaftung der Beklagten. Soweit der Kläger Ersatz der Gutachterkosten und die Unkostenpauschale aus eigenem Recht geltend macht, muss sich der Kläger zwar grundsätzlich eine Betriebsgefahr entgegenhalten lassen. Aufgrund des nicht erschütterter Anscheinsbeweises gegen den Beklagten zu 1) und des Gewichts der mehrfachen Verstöße gegen § 9 StVO tritt dahinter eine Haftung der Klagepartei in Abwägung der Verursachungsbeiträge im Rahmen von §§ 17 Abs. 2 und 1, 18 Abs. 3 StVG aber jedenfalls zurück.
49
5. Danach hat der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens in voller Höhe.
50
5.1 Der Kläger hat zunächst Anspruch auf die zur unfallbedingten Schadensbeseitigung erforderlichen Reparaturkosten, die sich auf 3.281,19 € belaufen.
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5.1.1 Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadenersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Die Erforderlichkeit bestimmt sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (sog. Wirtschaftlichkeitsgebot). Diese Grundsätze gelten nicht nur für die konkrete, sondern auch für die fiktive Schadensabrechnung, denn der Geschädigte ist sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei, sodass er grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon hat, ob er das Fahrzeug voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. statt vieler nur BGH v. 29.10.2019 – VI ZR 45/19, Rz. 9 ff. m.w.N.).
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Rechnet der Geschädigte seine Reparaturkosten fiktiv ab, so leistet er dem Wirtschaftlichkeitsgebot regelmäßig Genüge, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Dies gilt regelmäßig auch für Ersatzteilkosten und die Frage der Berücksichtigung von UPE-Aufschlägen (vgl. BGH v. 29.10.2019 – VI ZR. 45/19, Rz. 13). Jedoch kann der Schädiger die Annahmen durch substantiierte Einwande in Einzelpunkten in Zweifel ziehen, etwa in Bezug auf UPE-Aufschläge oder die besondere, zu einer Kostenreduktion führende Situation des konkreten Geschädigten.
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5.1.2 Vorliegend belaufen sich die Reparaturkosten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auf netto 3.281,19 €. Der Sachverständige Dipl.-Ing. … hat dazu in seinem schriftlichen Ergänzungsgutachten vom 05.12.2022 in gut und überzeugend begründeter Weise dargelegt, dass nach nunmehr eigener Schadensbesichtigung – abweichend von den Bewertungen des privat beauftragten Gutachters … – hinsichtlich der Beschädigungen im Bereich der rechten Seitenwand des klägerischen Pkws sehr viel für eine fachgerechte Instandsetzung und sehr wenig für eine Erneuerung eines beschädigten Fahrzeugteils spreche. Der Sachverständige bestätigte und präzisierte damit seine Ausführungen aus dem schriftlichen Gutachten vom 10.06.2022. Er legte außerdem nachvollziehbar dar, weshalb er auch von dem Hintergrund der neuerlichen Einwände des Gutachters … in seiner Stellungnahme (Anlage K11) bei seinen Ausführungen bleibe. Insbesondere führte er aus, dass der von dem Privatgutachter geschilderte Knick an der Seitenwand nicht vorhanden sei, sondern es sich dabei vielmehr um eine bauartbedingte Gestaltung der Seitenwand handele. Diese, wie auch die andere Delle an der rechten Seitenwand, würden Sekundärdeformationen darstellen, die dadurch entstanden seien, dass die rechte Fondtüre durch die kollisionären Kontakte in den Türausschnitt gedrückt worden sei. Auch dieser Umstand lasse erkennen, dass es dadurch zu keiner signifikanten Intrusion in die Karosseriestruktur und einer damit verbundenen Deformation von außen nicht zugänglicher Fahrzeugbereiche gekommen sein könne. Die serienseitig vorhandenen Einstiegsblenden seien nach Rücksprache mit einem … Vertragshändler und dem Kalkulationssystem der … GmbH auch einzeln lieferbar. Die vom Privatgutachter angesetzten UPE-Aufschläge von 10 % seien ortsüblich, angemessen und daher vom Sachverständigen ebenfalls zugrunde gelegt worden. Der am klägerischen Fahrzeug vorliegende Schaden im Bereich des Radlaufbogens und am Seitenteil hinten rechts könne von einem qualifizierten Karosseriespengler unter Einsatz geeigneter Werkzeuge problemlos instandgesetzt werden. Der – im vorlegenden Fall völlig unnötige – Ersatz der Seitenwand bedeute einen Eingriff in die tragenden Karosseriestrukturen des Fahrzeugs und zerstöre zudem den werkseitig aufgebrachten Korrosionsschutz durch die kathodische Tauchlackierung.
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Dieses Ergebnis ist vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen gut nachvollziehbar und plausibel. Das Gericht legt daher auch diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde und geht davon aus, dass vorliegend eine Instandsetzung einer Erneuerung – insbesondere aus wirtschaftlichen Erwägungen – vorzuziehen ist.
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5.2 Weiter hat der Kläger einen Anspruch auf Ersatz einer merkantilen Wertminderung seines Pkws in Höhe von 1.000,00 €.
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5.2.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar. Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung, dass auf dem Gebrauchtwagenmarkt Unfallfahrzeuge einen geringeren Preis erzielen als unfallfreie, weil verborgene technische Mängel nicht auszuschließen sind und das Risiko höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur besteht, trifft trotz aller Fortschritte der Reparaturtechnik nach wie vor zu, zumal die technische Entwicklung im Fahrzeugbau insoweit auch höhere Anforderungen stellt (vgl. etwa BGH v. 23.11.2004 – VI ZR 357/03 m.w.N.).
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Es ist zu beachten, dass das Tatgericht bei der Ermittlung der Schadenshöhe nicht den strengen Anforderungen des § 286 ZPO unterliegt. Vielmehr werden gemäß § 287 ZPO geringere Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt – hier genügt je nach Lage des Einzelfalls eine überwiegende (höhere oder deutlich höhere) Wahrscheinlichkeit für die Überzeugungsbildung (vgl. OLG München v. 24.03.2021 – 10 U 6761/19, Rz. 25 m.w.N.).
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5.2.2 Demnach legt das Gericht zugrunde (§ 287 ZPO), dass in Anbetracht der Ausführungen des Sachverständigen zu den Schäden am klägerischen Fahrzeug keine Veränderung der Bewertung des merkantilen Minderwerts im Vergleich zum Privatgutachten veranlasst ist. Im Gegenteil dürfte durch den von dem gerichtlichen Sachverständigen vorgeschlagenen Reparaturweg eher von einem höheren merkantilen Minderwert ausgegangen werden bzw. der bereits festgestellte Wert bestätigt sein. Dies, weil eine Instandsetzung des Schadens – vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks des merkantilen Minderwerts – sich eher negativ auf den Wert des Fahrzeugs auswirken wird, als eine Schadensbehebung durch Austausch der beschädigten Teile durch Neuteile.
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5.3 Ferner hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten (1.099,10 €) einschließlich der nachträglich entstandenen Gutachterkosten (217,18 €) in Höhe von insgesamt 1.316,28 €.
60
5.3.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einholung eines Privatgutachtens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei de Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen (vgl. BGH v. 26.02.2013 – VI ZB 59/12, Rz. 5 m.w.N.). Der Geschädigte hat den Gutachter ungefragt auf Vorschäden hinzuweisen und den Gutachtenauftrag auf unfallkausale Schäden zu beschränken. Die Kosten eines Privatgutachtens sind zwar grundsätzlich auch dann zu ersetzen, wenn es sich später als unrichtig erweist, allerdings nur, sofern die Unrichtigkeit nicht auf falschen Angaben des Auftraggebers oder einem kollusiven Zusammenwirken mit dem Gutachter beruht (vgl. OLG München v. 27.01.2006 – 10 U 4904/05, Rz. 43 m.w.N.).
61
Kosten eines Ergänzungsgutachtens sind nur ersatzfähig, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs oder zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. OLG Hamm v. 14.07.1986 – 13 U 283/85).
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5.3.2 Gemessen daran sind die vom Kläger geltend gemachten Gutachterkosten vollumfänglich ersatzfähig. Insbesondere hat der gerichtlich bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. … in seinem Gutachten an die Ausführungen des Privatgutachters angeknüpft und im Wesentlichen lediglich einen anderen Reparaturweg angenommen als dieser. Es bestehen im Übrigen keine Anhaltspunkte, wonach die insofern bestehende Mangelhaftigkeit bzw. Verschiedenheit der Gutachten auf falschen Angaben des Klägers oder einem kollusiven Zusammenwirken des Klägers mit dem Privatgutachter fußen könnte. Vor diesem Hintergrund ist auch die klägerseits veranlasste Nachbegutachtung durch den Privatgutachter nicht zu beanstanden.
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5.4 Schließlich hat der Kläger Anspruch auf Ersatz einer Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 €. Die Position wurde von der beklagten Partei nicht angegriffen, ist mithin unstreitig.
64
5.5 Der Feststellungsantrag ist dem Grunde nach zulässig und begründet, § 256 ZPO.
65
Die Beklagten sind gemäß dem Feststellungsantrag des Klägers als Gesamtschuldner verpflichtet, ihm auch für alle weiteren materiellen Schäden aufzukommen. Konkret sind das bezogen auf die bei Durchführung der Reparatur des beschädigten Pkws, soweit diese die anzuerkennenden Schadenspositionen betrifft, anfallende gesetzliche Umsatzsteuer sowie die mit der Dauer der Reparatur verbundene Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietwagenkosten. Dem Feststellungsbegehren des Klägers ist daher stattzugeben; insoweit erkennt das Gericht ein besonderes Feststellungsinteresse des Klägers an, da zurzeit nicht feststeht, in welcher Höhe diese Zusatzkosten anzusetzen sind, § 256 ZPO.
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5.6 Darüber hinaus hat der Kläger Anspruch auf Ersatz der durch die vorgerichtliche Mandatierung seines Prozessbevollmächtigten entstandenen Rechtsanwaltskosten. Der Anspruch bemisst sich in der Höhe jedoch nur nach 1,3 Gebühren aus dem Gegenstandswert in Höhe der berechtigten Forderung in der Hauptsache, also eines Betrages von 6.546,01 € (Zahlungsforderung von insgesamt 5.622,47 € und 80 % des Feststellungsanspruchs in Höhe von 923,54 €). Entsprechend hat der Kläger Anspruch auf Ersatz von 1,3 Geschäftsgebühren (Nr. 2300 der VV zum RVG) aus diesem Gegenstandswert zzgl. der Kommunikationspauschale (Nr. 7002 der VV zum RVG) von 20,00 € und der Umsatzsteuer von 16 %, sodass sich ein Betrag von 633,94 € ergibt.
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5.7 Der Anspruch auf Verzugszinsen für die Hauptforderung seit dem 18.11.2020 folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Fälligkeit der klägerischen Forderungen ist gemäß § 271 BGB im Zeitpunkt der Rechtsgutsverletzung eingetreten (vgl. BGH v. 18.11.2008 – VI ZB 22/08). Dies unabhängig davon, wer Eigentümer zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens war; zumal der Kläger durch die Leasinggeberin explizit berechtigt und verpflichtet ist, sämtliche unfallbedingte, fahrzeugbezogene Schäden geltend zu machen. In dem Schreiben des Klägervertreters vom 20.10.2020 liegt eine Mahnung im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB.
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Der Anspruch auf Prozesszinsen hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klage ist dem Beklagten zu 1) am 08.12.2020 zugestellt worden. Ein Zustellnachweis hinsichtlich der Beklagten zu 2) liegt dem Gericht nicht vor; mit Schriftsatz vom 18.12.2020 hat der Prozessbevollmächtigte jedoch die Vertretung für die Beklagte zu 2) angezeigt. Demnach ist hinsichtlich der Beklagten zu 2) spätestens am Freitag, den 18.12.2020 Heilung eines Zustellungsmangels eingetreten gemäß § 189 ZPO. Rechtshängigkeit (§§ 261 Abs. 1, 253 ZPO) ist mithin eingetreten und die Forderung ist – in entsprechender Anwendung des §§ 137 Abs. 1, 193 BGB – seit Montag, dem 21.12.2020 zu verzinsen.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 BGB, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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7. Der Streitwert ist gemäß § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO festzusetzen.
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Dabei entfallen – entgegen der Ansicht des Klägers – 923,54 €; auf den Feststellungsantrag. Dieser ist mit 80 % des Wertes anzusetzen und umfasst Umsatzsteuer in Höhe von 498,74 € (100 % = 623,43 €; gemessen an der Höhe der zuzusprechenden Hauptforderung) und Nutzungsausfall in Höhe von 424,80 € (100 % = 531,00 €; 9 Tage zu je 59,00 €). Eine etwaige Reparaturkostenausweitung ist demgegenüber nicht anzusetzen; insofern wurde seitens des Klägers weder substantiiert vorgetragen, noch ergibt sich dies im Übrigen, insbesondere aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
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Die Streitwerterhöhung ab dem 13.08.2022 beruht auf der Klageerweiterung der Klagepartei im Schriftsatz vom 12.08.2022.