Inhalt

LG Landshut, Beschluss v. 02.03.2023 – 64 T 246/23
Titel:

Abschiebungshaft - Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Anhörung des Betroffenen

Normenketten:
AufenthG § 62 Abs. 3
FamFG § 417, § 420
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
EMRK Art. 6
Leitsätze:
1. Das Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehung verlangt, dass die Behörde die Abschiebung oder Überstellung ohne vermeidbare Verzögerung betreibt und die Dauer der Sicherungshaft auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird. Ein Verstoß gegen dieses Gebot führt dazu, dass die Haft aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht weiter aufrechterhalten werden darf (so auch BGH BeckRS 2020, 22509). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (so auch BGH BeckRS 2019, 33159). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebungshaft, Haftgrund, Fluchtgefahr, Beschleunigungsgebot, Verhältnismäßigkeit, faires Verfahren, Anhörung, Rechtsanwalt, Verfahrenskostenhilfe
Vorinstanz:
AG Erding, Beschluss vom 30.11.2022 – 309 XIV 354/22 (B)
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 14.01.2025 – XIII ZB 21/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54670

Tenor

1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts x vom 30.11.2022, Az. 309 XIV 354/22 (B), wird zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Betroffene ist x Staatsangehöriger.
2
Mit Schreiben vom 29.11.2022 hat das Landratsamt x den Antrag gestellt, gegen den Betroffenen zur Sicherung der Abschiebung in den Irak Haft bis längstens 28.11.2022 anzuordnen (vgl. Bl. 1/14 d.A.).
3
Zur Begründung wurde vorgetragen, der Betroffene sei abzuschieben und müsse gemäß § 62 Abs. 3 S.1 Nr. 1 AufenthG in Sicherungshaft genommen werden, weil Fluchtgefahr bestehe (vgl. Bl. 1/14 d.A.).
4
Die antragstellende Behörde führt aus:
5
Der Betroffene ist x Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und jesidischen Glaubens.
6
Der Betroffene reiste erstmals am 01.03.2009 ohne das erforderliche Visum als unbegleiteter Minderjähriger unter den Personalien x, auf dem Landweg über die Türkei, organisiert durch einen Schleuser (Schleusungskosten 9000 – 9500 US.Dollar, bezahlt durch seinen Vater), in Deutschland ein. Als Identitäts-Dokumente wurden den deutschen Behörden ein x Personalausweis sowie eine Religionsbescheinigung vorgelegt, die Schleusung sei durch einen gefälschten Reisepass, der durch den Schleuser wieder einbehalten wurde, erfolgt. Das Fluchtschicksal wurde mit der jesidischen Religionszugehörigkeit begründet.
7
Der Betroffene wurde zum 15.10.2020 erstmals dem Landkreis x zugewiesen. Ab 26.05.2021 bestand keine Beschäftigungserlaubnis mehr. Der Betroffene hielt sich seit der Zuweisung vom 15.10.2020 bis heute lediglich am 10.11.2020 und am 11.11.2020 in der ihm zugewiesenen Unterkunft auf. Der Betroffene unterliegt einer räumlichen Beschränkung auf den Landkreis, die seit 26.05.2021 unverändert fortbesteht. Für die Ausländerbehörde x ist der Betroffene nicht zu erreichen; weder postalisch noch durch die bekannt gewordene Telefonnummer. Eine Kontaktaufnahme erfolgte ausschließlich, wenn der Betroffene von sich aus Kontakt aufgenommen hat.
8
Der Betroffene hielt sich zuletzt unerlaubt in x, lt. seinen Angaben in der x, auf und konnte aufgrund eines noch offenen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft x (Verstoß gegen § 95 AufenthG) aktuell dort festgenommen werden.
9
Der Betroffene ist mehrfach und wiederholt wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
o vorsätzl. Geldwäsche, Verschleierung unrechtmäßig erlangter Vermögensgegenstände /180 TS á 10,00 € / x / Rechtskraft 06.05.2022 
o Verstoß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II (Änderung Verhältnisse nicht mitgeteilt / Bußgeldbescheid i.H.v. 70,00 € Hauptzollamt x / Rechtskraft 23.11.2021
o Vergehen nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG / 120 TS á 10,00 € / x / Rechtskraft 23.09.2021
o Zuwiderhandlung räuml. Beschränkung (§ 61 Abs. 1c Nr. 1 AufenthG) / Bußgeldbescheid v. 31.08.21.500,00 € / x
o Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht / 90 TS á 30,00 € (1800,00 €) / x / Amtsgericht x / Rechtskraft 08.12.2020
o Diebstahl / 3 Monate Freiheitsstrafe / x x / Rechtskraft 11.12.2018 / Untersuchungshaft 22.09.2018 – 10.12.2018 + Freiheitsstrafe 11.12.2018 – 20.12.2018 JVA x
o Geldfälschung in Tateinheit mit Betrug in Tatmehrheit mit Geldfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug / 2 Jahre 3 Monate; x x / Rechtskraft 16.12.2015 / 27.05.2015 – 14.06.2015 + 14.08.2015 – 15.12.2015 Untersuchungshaft JVA x, Freiheitsstrafe 16.12.2015 – 06.01.2016 JVA x + 07.01.2016 – 31.01.2016 JVA N. + 01.02.2016 – 12.09.2016 JVA N. + 13.09.2016 – 22.01.2017 + 23.08.2017 – 14.05.2018 JVA B. a. C...see
o Diebstahl / 7 Monate Freiheitsstrafe / x x / Rechtskraft 22.04.2015 / Freiheitsstrafe 23.01.2017 – 22.08.2017 JVA B. a. C....see
o Gefährliche Körperverletzung in Tatmehrheit mit 2 Fällen der Beleidigung / 7 Monate Freiheitsstrafe, 2 Jahre Bewährung / x x / Rechtskraft 26.06.2014 / Freiheitsstrafe 14.08.2014 – 13.03.2015 JVA x
o Hausfriedensbruch / 60 TS á 15,00 € / x x / Rechtskraft 27.05.2014 / Ersatzfreiheitsstrafe 15.06.2015 – 13.08.2015 JVA x
o Diebstahl / 20 TS á 15,00 € / x x / Rechtskraft 08.02.2014
o Gefährliche Körperverletzung / 4 Tage Jugendarrest / x x / Rechtskraft 05.10.2012
o Gefährliche Körperverletzung in zwei tatmehrheitlichen Fällen davon einmal in Tatmehrheit mit Bedrohung einmal in Tateinheit mit Sachbeschädigung / 3 Wochen Jugendarrest / x x/ Rechtskraft 05.10.2012
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Zudem sind weitere, durch Einstellung beendete Verfahren bekannt geworden (vgl. Bl. 1/14 d.A.).
11
Mit Bescheid vom 26.06.2017 wurde das Vorliegen des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt (vgl. Bl. 31/37 d.A.).
12
Mit Bescheid vom 24.08.2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen und forderte den Betroffenen auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Ferner wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet festgesetzt (vgl. Bl. 330 d. Ausländerakte).
13
Gegen den Bescheid wurde Klage erhoben. Mit Urteil vom 31.01.2022 wurde der Bescheid vom 24.08.2020 in Bezug auf das Wiedereinreiseverbot aufgehoben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Ein Rechtsmittel wurde hiergegen nicht eingelegt (vgl. Bl. 444 d. Ausländerakte).
14
Mit Bescheid vom 11.05.2022 ordnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz an und befristet dieses auf 9 Monate ab dem Tag der Abschiebung (vgl. Bl. 446 d. Ausländerakte).
15
Mit Schreiben vom 20.06.2022 wies das Landratsamt x den Betroffenen auf die Ausreisepflicht hin (vgl. Bl. 485 d. Ausländerakte).
16
Mit Beschluss vom 28.11.2022 ordnete das Amtsgericht x die einstweilige Freiheitsentziehung auf Dauer von längstens vier Wochen an (vgl. Bl. 15 d.A.).
17
Der Betroffene wurde aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts x vom 28.11.2022 in der kTA x untergebracht (vgl. Bl. 43 d.A.).
18
Mit Beschluss vom 29.11.2022 wurde das Verfahren gem. § 106 Abs. 2 S. 2 AufenthG an das Amtsgericht x abgegeben (vgl. Bl. 42 d.A.).
19
Das Amtsgericht x hörte den Betroffenen am 30.11.2022 in x an. In der Anhörung gab der Betroffene an, dass er momentan noch keinen Anwalt habe, er aber versuchen werden, über seine Familie einen Anwalt zu bekommen. Es habe sich noch kein Anwalt für ihn bestellt und er habe auch noch mit keinem Anwalt gesprochen. Nach Hinweis des Gerichts auf die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe erklärt der Betroffene, dass er ggf. selbst einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe über seinen Anwalt stellen werde. Momentan stelle er noch keinen Antrag. Des Weiteren gab der Betroffene an, dass er auf keinen Fall freiwillig zurückgehen werde. Die strafrechtlichen Urteile seien ungerechtfertigt, da er die Taten nur aus Armut begangen habe (vgl. Bl. 45 d.A.).
20
Mit Beschluss vom 30.11.2022 ordnete das Amtsgericht x die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 28.12.2022 an (vgl. Bl. 48/53 d.A.).
21
Mit Schreiben vom 08.12.2022 bestellte sich der Verfahrensbevollmächtigte und legte gegen den Beschluss des Gerichts vom 30.11.2022 Beschwerde ein. Er beantragt die Feststellung, dass der angefochtene Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat sowie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter seiner Beiordnung (vgl. Bl. 54/55 d.A.).
22
Mit Schreiben vom 23.01.2023 begründete der Verfahrensbevollmächtigte die Beschwerde. Es würde ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegen. Es hätte lediglich eine einstweilige Haft angeordnet werden dürfen, da aus den Äußerungen des Betroffenen in der Anhörung hervorgehe, dass dieser auf der Suche nach einem Anwalt gewesen sei. Des Weiteren seien die Angaben im Haftantrag zur beantragten und notwendig werdenden Haft nicht zutreffend gewesen (vgl. Bl. 68/69 d.A.).
23
Mit Beschluss vom 26.01.2023 half das Amtsgericht der Beschwerde des Betroffenen nicht ab und legte die Akte dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor (vgl. Bl. 71/72 d.A.).
24
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Antrag der Ausländerbehörde vom 29.11.2022 nebst Anlagen und die übermittelte Ausländerakte sowie sonstige mit dem Antrag übermittelte Unterlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
25
Die gemäß §§ 58 ff FamFG in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
26
Der Beschluss des Amtsgerichts x vom 30.11.2022 war rechtmäßig. Die Voraussetzungen der Anordnung der Abschiebungshaft lagen vor, sodass deren Anordnung rechtmäßig waren.
27
1. Es liegt ein zulässiger Haftantrag vor.
28
1.1. Der Antrag wurde vorliegend von der zuständigen Verwaltungsbehörde – dem Landratsamt x – gestellt, § 71 Abs. 1 S. 1 AufenthG i.V.m. § 1 S. 1 Nr. 1, § 2 ZustVAuslR, § 417 Abs. 1 FamFG.
29
1.2. Der Antrag wurde auch gemäß §§ 23, 417 Abs. 2 FamFG begründet. Die nötigen Darlegungen zur unerlaubten Einreise, zu den Voraussetzungen der Abschiebung, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer im konkreten Fall liegen vor. Diese beschränken sich auch nicht auf Leerformeln und Textbausteine.
30
Der Haftantrag enthält im übrigen umfassende Angaben zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung und ihrer erforderlichen Dauer gemäß § 417 Abs. 2 Nr. 3, 4 FamFG. Insbesondere sind konkrete Angaben dazu enthalten, bis wann mit einer Abschiebung gerechnet werden kann. Diese Angaben genügen den gesetzlichen Anforderungen. Ausreichend ist, dass die Behörde darlegt, in welchen Zeitraum die Abschiebung in den Zielort üblicherweise möglich ist und von welchen Voraussetzungen dies abhängig ist und wie die Situation im konkreten Fall zu beurteilen ist, vgl. BGH Beschluss vom 12.11.2019 – XIII ZB 5/19. Die Behörde gibt an, dass der erforderliche Reisepass des Betroffenen bereits vorliege. Die Genehmigung zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland durch die irakischen Behörden erfolge innerhalb von zwei Wochen. Innerhalb weiterer zwei Wochen könne der Flug gebucht und die ggf. erforderliche Sicherheitsbegleitung organisiert werden. Dies ist ausreichend. Dem steht auch nicht entgegen, dass im Rahmen des Haftverlängerungsverfahren dann von einer längeren Frist ausgegangen wird. Für die Kammer geht aus dem streitgegenständlichen Antrag der Behörde hervor, dass zu diesem Zeitpunkt nachvollziehbar mit einer Abschiebung innerhalb der beantragten vier Wochen zu rechnen ist.
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Die fehlende Berechtigung zur Einreise und die Ausreisepflicht wurde im Antrag ausreichend dargelegt, § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG.
32
Die Erforderlichkeit der Haft wurde im Antrag umfassend ausgeführt.
33
2. Der Haftantrag wurde dem Betroffenen vollständig übersetzt zugeleitet. Dies ergibt sich aus dem Protokoll der richterlichen Anhörung vom 30.11.2022. Dies erfolgte vor Beginn der persönlichen Anhörung. Der Betroffene erklärte, dass er den Antrag verstanden habe.
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3. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft gem. § 62 Abs. 3 AufenthG liegen vor.
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3.1. Der Betroffene ist vollziehbar ausreisepflichtig gem. § 50 Abs. 1 AufenthG. Der Betroffene ist Ausländer im Sinne des § 2 AufenthG und unterliegt nach §§ 3 und 4 AufenthG der Pass- und Aufenthaltstitelpflicht. Befreiungen von der Aufenthaltstitelpflicht nach der Aufenthaltsverordnung oder nach dem Recht der Europäischen Union liegen nicht vor. Der Betroffene verfügt über keinen gültigen Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 AufenthG bzw. keinen gültigen Pass im Sinn des § 3 AufenthG. Mit Bescheid vom 24.08.2020 wurde der Asylantrag des Betroffenen abgelehnt und der Betroffene aufgefordert innerhalb von 30 Tagen nach unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Die Abschiebung wurde angedroht. Die Klage wurde hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrags sowie der Ausreiseaufforderung rechtskräftig mit Urteil vom 31.01.2022 abgewiesen. Die Ausreisefrist ist bereits abgelaufen. Das Amtsgericht hat zu Recht den Abschiebungsgrund nach § 58 Abs. 1 AufenthG bejaht. Die freiwillige Ausreise des Betroffenen ist nicht gesichert. Dies ergibt sich ganz eindeutig aus dem Verhalten des Betroffenen. Diesbezüglich schließt sich die Kammer vollumfänglich den Ausführungen des Amtsgerichts an und nimmt hierauf Bezug.
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3.2. Das Amtsgericht ist auch zu Recht vom Haftgrund der Fluchtgefahr gem. § 62 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG ausgegangen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens des Betroffenen ist mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Abschiebung ohne seine Inhaftierung wesentlich erschwert oder vereitelt würde, da der Verdacht des (erneuten) Untertauchens besteht. Der Betroffene gibt in der Anhörung an, dass er keinesfalls freiwillig ausreisen werde. Die Kammer schließt sich auch hier den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts an und nimmt Bezug auf diese.
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3.3. Die Abschiebung ist auch durchführbar. Aus dem Antrag der Behörde ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar, dass die Abschiebung in dem beantragten Zeitraum von vier Wochen durchführbar ist. Hinderungsgründe für den tatsächlichen Vollzug der Zurückweisung sind nicht ersichtlich. Abschiebungsverbote liegen nicht vor. Vielmehr war davon auszugehen, dass der Betroffene fristgerecht abgeschoben werden kann. Die Organisation der Abschiebung war bereits hinreichend fortgeschritten. Die Prognoseentscheidung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Kammer schließt sich dem an.
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3.4. Haftausschließungsgründe liegen nicht vor. Die Freiheitsentziehung ist auch erforderlich, weil die Abschiebung ohne Inhaftnahme des Betroffenen voraussichtlich vereitelt würde. Mildere Mittel als die Inhaftnahme sind vorliegend nicht ersichtlich.
39
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, da kein milderes Mittel als die angeordnete Haft erkennbar ist. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist das öffentliche Interesse an der Abschiebung mit dem Freiheitsanspruch des Betroffenen abzuwiegen. Dabei überwiegt das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Abschiebung, da die Befürchtung besteht, dass der Betroffene sich einer Rückführung entzieht, wenn keine Sicherungshaft angeordnet wird. Damit wird die öffentliche Sicherheit und Ordnung verletzt, da der Betroffene sich bestehenden Aufenthalts- und Ausreisevorschriften widersetzt. Die Sicherungshaft ist damit zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhältnismäßig.
40
4. Ein Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz liegt nicht vor. Das Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehung verlangt, dass die Behörde die Abschiebung oder Überstellung ohne vermeidbare Verzögerung betreibt und die Dauer der Sicherungshaft auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird. Ein Verstoß gegen dieses Gebot führt dazu, dass die Haft aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht weiter aufrechterhalten werden darf (ständige Rechtsprechung vgl. BGH Beschlüsse vom 10. Juni 2010, V ZB 205/09, Juris Rdnr. 16, BGH vom 11.07.2019 – V ZB 28/18, Juris Rdnr. 7, BGH vom 24.06.2020 – XIII ZB 9/19, Juris Rdnr. 12). Vorliegend sind keine Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot ersichtlich.
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5. In Bayern ist gemäß § 62a Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG eine Einrichtung für Abschiebungshaft in x vorhanden. Es handelt sich um eine spezielle Hafteinrichtung zur Inhaftierung von Abschiebehäftlingen. Die Anforderungen nach Art. 16 Abs. 1 der RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 bzw. § 62a Abs. 1 Satz 1 AufenthG sind eingehalten.
42
6. Das Amtsgericht hat daher in verfahrensfehlerfreier Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebungshaft angenommen. Es liegt auch kein Verfahrensverstoß vor. Das Gericht konnte vorliegend eine endgültige Entscheidung erlassen. Dem stehen die Angaben des Betroffenen hinsichtlich der Suche eines Rechtsanwalts in der Anhörung nicht entgegen.
43
Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf die Möglichkeit hingewiesen, sich eines rechtlichen Beistands zu bedienen. Der Betroffene gab sodann an, dass er momentan keinen Anwalt habe, er aber versuchen werde, über seine Familie einen Anwalt zu bekommen. Es habe sich noch kein Anwalt bestellt und er habe auch noch nicht mit einem Anwalt gesprochen. Auf Hinweis des Gerichts auf die Möglichkeit der Verfahrenskostenhilfe gab der Betroffene an, dass er ggf. selbst einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe über seinen Anwalt stellen werde. Momentan stelle er keinen Antrag.
44
Dem Amtsgericht war aufgrund dieser Angaben nicht verwehrt, eine endgültige Entscheidung zu erlassen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2014 – V ZB 32/14, InfAuslR 2014, 442 Rn. 8, und vom 12. November 2019 – XIII ZB 34/19, juris Rn. 7).
45
Weder aus der Äußerung des Betroffenen bei seiner Anhörung noch aus der Akte ist zu entnehmen, dass der Betroffene zum Zeitpunkt seiner Anhörung bereits einen Rechtsanwalt hatte, dessen Teilnahme an der Anhörung er wünschte. Es liegt also nicht der Fall vor, bei dem das Gericht weiß, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, und deshalb dafür Sorge tragen muss, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2018 – V ZB 69/18, InfAuslR 2019, 152 Rn. 5, und vom 7. April 2020 – XIII ZB 84/19, juris Rn. 9 f.). Vielmehr gab der Betroffene an, dass er derzeit keinen Anwalt habe.
46
Aus den Angaben des Betroffenen in der Anhörung ergibt sich, dass er in der jetzigen Situation keinen Anwalt kontaktieren und zur Anhörung beiziehen möchte. Zwar gibt er an, dass er versuchen werde, über die Familie einen Anwalt zu mandatieren, hieraus ergibt sich aber nicht, dass der Betroffene derzeit auf der Suche nach einem Anwalt ist, sondern dies nur in Zukunft möglicherweise über die Familie veranlassen wird. Das Gericht ist nicht gehalten in derartigen Situationen, in denen die Bestellung eines Anwalts noch offen ist und auch keinerlei Kontakt mit einem bestimmten Anwalt aufgenommen wurde, auf unbestimmte Zeit abzuwarten, ob sich noch ein Anwalt bestellen wird. Es liegt gerade nicht der Fall vor, in dem der Betroffene angibt, er wolle sich jetzt des Beistands eines Anwalts bedienen und diesen zur Anhörung hinzuziehen. Das Gericht hat den Betroffenen ausdrücklich auf die Möglichkeit, sich eines anwaltlichen Bestands zu bedienen, hingewiesen. Aus den Angaben des Betroffenen geht hervor, dass er sich zum jetzigen Verfahrensstand keines Anwalts bedienen möchte. Eine endgültige Entscheidung des Amtsgerichts ist daher nicht zu beanstanden.
III.
47
Der Kammer lag im Zeitpunkt der Entscheidung die vollständige Ausländerakte in elektronischer Form vor.
IV.
48
Der Wert des Beschwerdegegenstands ergibt sich aus §§ 36 Abs. 3, 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG.