Inhalt

OLG München, Beschluss v. 08.12.2023 – 28 U 3311/23 Bau e
Titel:

Gegenerklärung, Bauträgervertrag, Generalunternehmervertrag, Sittenwidrigkeit, Unzulässige Rechtsdienstleistung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Bereicherungsrechtlicher Anspruch, Zurückweisung der Berufung, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Erfolgsaussichten der Berufung, Kosten des Berufungsverfahrens, Maklervertrag, Gesamtnichtigkeit, Honorarvereinbarung, Rückzahlung, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Planungsleistungen, Pauschalierung, Nebenleistungen

Schlagworte:
Nichtigkeit des Vertrags, Rückzahlungsanspruch, Sittenwidrigkeit, Substantiierung von Leistungen, Kostenfalle, Berufungszurückweisung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 26.07.2023 – 18 O 16670/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54592

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 26.07.2023, Aktenzeichen 18 O 16670/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 135.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung von 135.000 Euro.
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Die Parteien hätten am 15./16.02.2019 einen Konzeptionsvertrag geschlossen, der neben Architektenleistungen weitere Vertragsleistungen für den geplanten Bau eines Reihenhauses in G. vorsehe, u. a. die Erstellung eines GU-Vertrags nach deutschem Recht. Das Landgericht bewertete die Erstellung eines GU-Vertrags als zentrale Vertragspflicht, die wegen Verstoßes gegen das RDG zur Gesamtnichtigkeit führe. Die Kläger hätten daher Anspruch auf Rückzahlung von insgesamt 135.000 Euro in voller Höhe. Ein Anspruch der Beklagten auf Wertersatz bestünde nicht, da der Wert der im Raum stehenden erbrachten Einzelleistungen nicht ausreichend substantiiert dargelegt worden sei.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 26.07.2023 Bezug genommen.
4
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die auf Klageabweisung gerichteten Anträge weiter: Die Entwicklung eines GU-Vertrags nach deutschem Recht sei keine unzulässige  Rechtsdienstleistung. Im Übrigen käme eine Gesamtnichtigkeit nicht in Betracht, da die Parteien § 139 BGB abbedungen hätten. Schließlich seien die erbrachten Leistungen auch konkret substantiiert worden. Auf die Einzelheiten der Berufungsbegründung wird Bezug genommen.
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Im Berufungsverfahren wird beantragt.
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Die Beklagte beantragt,
I. Das Urteil des Landgerichts München I vom 26.07.2023 wird aufgehoben.
II.  Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kläger beantragen
die Zurückweisung der Berufung.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 10.11.2023 einen Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Auf den Hinweis und die hierauf eingegangene Gegenerklärung der Beklagten vom 6.12.2023 wird jeweils Bezug genommen.
II.
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Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 26.07.2023, Aktenzeichen 18 O 16670/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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1. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, die Voraussetzungen einer Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO lägen nicht vor, folgt der Senat dem nicht.
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a. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Berufung.
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Der Senat als Fachsenat hatte in den letzten fünf Jahren ein einziges weiteres Verfahren, das mit dem gegenständlichen Verfahren entfernte Parallelen aufweist. Entgegen der Ansicht der Beklagten hängt die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht vom Umfang der Berufungsbegründung oder der Gegenerklärung ab, da dann die Anwendbarkeit der Norm zur Disposition der Parteien stünde. Die Kernangriffe der Beklagten reduzieren sich auf zwei Rechtsfragen, denen aber für sich keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
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b. Auch die Voraussetzungen Fortbildung des Rechts bzw. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung liegt nicht vor.
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Die Entscheidung der zentralen Rechtsfragen – Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz und der Kondiktionsausschluss gemäß § 817 BGB – hängen von den atypischen und individuellen Besonderheiten des am 15. /16.02.2019 geschlossenen Konzeptionsvertrags ab.
15
c. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten:
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Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif und die Erfolgsaussichten der Berufung hängen ausschließlich von oben genannten Rechtsfragen ab.
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2. Die Berufung ist zurückzuweisen.
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Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen Die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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a. Die Kläger haben Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagten bezahlten 135.000 Euro gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB, da die Zahlungen rechtsgrundlos erfolgt sind, denn der Konzeptionsvertrag 15./16.02.2019 ist nichtig.
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Der Senat teilt die Einschätzung des Erstgerichts, dass die geschuldete Vertragsleistung Erstellung eines Generalunternehmervertrags – unzweifelhaft – eine unzulässige Rechtsdienstleistung darstellt und damit gegen §§ 2, 3 RDG verstößt.
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Die Argumentation in der Gegenerklärung verfängt nicht. Es ist nicht entscheidungserheblich, ob die Entwicklung eines Bauträgervertrags oder eines Maklervertrags abstrakt eine nach § 5 RDG erlaubte Nebenleistung sein kann; maßgeblich ist vielmehr der Inhalt der konkret geschuldeten Vertragspflicht, d.h. wie sich nach dem Empfängerhorizont die geschuldete Rechtsdienstleistung nach dem Konzeptionsvertrag vom 15./16.02.2019 darstellt.
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Der Senat hat insoweit in seinem Hinweis deutlich gemacht, dass die Erstellung eines Vertrags versprochen wurde. Dieses Versprechen wurde mit dem Hinweis bekräftigt, man habe entsprechende Fachanwälte zur Sicherung der juristischen Qualität. Weiter hat der Senat deutlich gemacht, dass für den typischen Erwerber aufgrund der Komplexität und der Bedeutung von GU-Verträgen – die im Raum stehende Materie wird üblicherweise von Fachanwälten betreut – diesem Versprechen eine erhebliche Bedeutung zukommt. Die Vertragsleistung wurde in dem konkreten Konzeptionsvertrag hervorgehoben und betont. Dies ist nur damit zu erklären, dass die Beklagte – quasi als Werbung – dem typischen Interesse eines Kunden hierdurch Rechnung tragen will. Der Verweis darauf, man habe nur standardisierte Formulare verwenden wollen, ist insoweit (§ 116 BGB) unbeachtlich.
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Die Gegenerklärung verhält sich zu diesen Erwägungen nicht; an dem Hinweis wird deshalb festgehalten.
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b. Der gesamte Vertrag ist nichtig, auch wenn die Parteien eine sogenannte Erhaltungsklausel vereinbart haben, da nach Auslegung des Vertrags die Aufrechterhaltung nicht dem beiderseitigen hypothetischen Parteiwillen entspricht.
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Soweit die Gegenerklärung in Zweifel zieht, dass es für die Kläger ein zentrales Anliegen war, dass das Bauprojekt von einem verantwortlichen Ansprechpartner betraut wird, folgt der Senat dem nicht. Das Wesen von Bauträgerverträgen oder – wie hier von Konzeptionsverträgen – ist, dass die Unternehmerseite u.a die Koordination der jeweiligen Vertragsgewerke übernimmt oder dem technisch nicht bewanderten Besteller gerade das Risiko abgenommen wird, den verantwortlichen Unternehmer möglicher Störungen und Fehlentwicklungen zu ermitteln. Diese Pflichten der Koordination, die Übernahme von Haftungsrisiken ist Mitrechtfertigung der synallagmatischen Vergütungspflicht. Dass der Unternehmer als Alleinverantwortlicher die gewichtige Rolle eines Ansprechpartners übernimmt, prägt solche Verträge und der Senat hat dies unter Verweis auf den konkret geschlossenen Konzeptionsvertrag vom 15./16.02.2019 deutlich gemacht. Auch hierzu verhält sich die Gegenerklärung nicht.
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c. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sind im Wege der Saldierung keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche der Beklagten für Planung, Bauüberwachung etc. gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu berücksichtigen.
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Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass das gewählte Rechtsmodell der Beklagten sittenwidrig ist. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass ein Indiz für die Sittenwidrigkeit in den Einzelheiten der Honorarvereinbarung liegt: Soweit die Gegenerklärung die erste Abschlusszahlung über 100.000 Euro – das sind 67% der Gesamtvergütung – damit rechtfertigt, die Planungsleistung sei schon erbracht, ist diese Annahme verfehlt. Die Planungsleistung war als Vorleistung nur abstrakt für das Objekt erbracht und hierauf baute die gesamte Werbungsleistung auf, war mithin teilweise durch die Reservierung abgedeckt; im Übrigen ist die Planungsleistung ein Bruchteil der sich aus dem konkreten Konzeptionsvertrag vom 15./16.02.2019 ergebenden Pflichten, die erst noch zu erbringen waren. Die konkrete Umsetzung der Planung war hierdurch gerade nicht abgedeckt, wie es sich gerade darin spiegelt, dass sich die Vorplanung in Ansehung des konkreten Objekts als unwirksam herausgestellt hatte.
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Der Verweis darauf, die Genehmigungsbehörde habe rechtswidrig die Baugenehmigung abgelehnt, ist unbehelflich, da die Beklagte den gegenteiligen Anschein erweckt hatte. Genau hierin zeigt sich der Makel zur Begründung der Sittenwidrigkeit deutlich: Den Klägern wird für 150.000 Euro im Konzeptionsvertrag mit einer weiteren zunächst nicht ersichtlichen Maklerprovision von über 20.000 Euro ein konkret geplantes und realisierbares Objekt versprochen; bevor mit der Realisierung im engeren Sinn aber begonnen werden sollte, mussten die Kläger bereits etwa 120.000 Euro zahlen, davon 100.000 Euro an die Beklagte. Wie ausgeführt, hat die Beklagte hierdurch erreicht, dass die Kläger zunehmend einer Kostenfalle ausgesetzt waren.
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Dass ein Ausstieg aus dem Konzeptionsvertrag jederzeit möglich gewesen sein soll, ist in Ansehung der gezahlten Beträge nicht verständlich, wie dies auch der gegenständliche Rechtsstreit belegt.
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Aus den Gesamtumständen wird zur Überzeugung des Senats somit deutlich, dass die Kläger unlauter zum Vertragsschluss bestimmt wurden. In einem solchen Fall wäre der Schutzzweck konterkariert, könnten die Beklagte nach der „Rosinentheorie“ ihre vermeintlichen Leistungen abrechnen.
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d. Mit dem Erstgericht geht der Senat zudem davon aus, dass die von der Beklagten behaupteten Tätigkeiten unsubstantiiert vorgetragen wurden.
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Das Novenrecht (§ 531 Abs. 2 ZPO) steht einer Berücksichtigung des neuen Vorbringens entgegen.
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(1) Der Senat hält daran fest, dass es der Beklagten verwehrt ist, im Hinblick auf die Pauschalierung nach den Grundsätzen der Marktüblichkeit abzurechnen.
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Die Argumentation der Gegenerklärung irritiert. Nach ständiger Rechtsprechung werden Pauschalverträge im Fall der Kündigung, des Rücktritts, etc. so aufgelöst, dass die Pauschalierung nicht einseitig den Unternehmer begünstigt. Warum nun im Fall der Unwirksamkeit eines Vertrags Gegenteiliges gelten soll, bleibt unklar und folgt aus den zitierten Entscheidungen gerade nicht. Letztlich würde ein Unternehmer, der eine nichtige Klausel verwendet, bessergestellt, als ein Unternehmer, der bei einem wirksamen Vertrag aufgrund einer regulären Vertragsbeendigung abrechnen dürfte.
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(2) Warum der Hinweis eines Gerichts, die Leistungen seien nicht substantiiert, unwirksam sein soll, bleibt unklar:
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Es ist das Wesen von Abrechnungsprozessen, dass die zu vergütenden Leistungen zu benennen sind. Das hat die Beklagte schlicht versäumt.
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Weitere Hinweise sind rechtlich nicht geboten.
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Die Berufung ist daher zurückzuweisen
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO bestimmt.