Titel:
Vergütungsvereinbarung, Kostenübernahmeerklärung, Private Krankenversicherung, Elektronisches Dokument, Honorarvereinbarung, Zinsanspruch, Rechtshängigkeit, Erstattungsstelle, Elektronischer Rechtsverkehr, Streitwert, Ärztlicher Behandlungsvertrag, Privat Krankenversicherte, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Wert des Beschwerdegegenstandes, Anderweitige Erledigung, Sicherheitsleistung, Nebenentscheidung, Kataraktoperationen, Basiszinssatz, Qualifizierte elektronische Signatur
Schlagworte:
ärztlicher Behandlungsvertrag, Vergütungsvereinbarung, Wirksamkeit der Vereinbarung, Individuelle Absprache, Zinsanspruch
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54576
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.293,04 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (21.07.2023) zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 34 % und der Beklagte 66 % zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 1.970,34 € und ab 26.09.2023 auf 1.293,04 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Frage, ob der die Klägerin von dem Beklagten für eine Kataraktoperation aus Nr. 1375 GOÄ noch einen Betrag in Höhe von 1.293,04 € verlangen kann.
2
Der Beklagte war an beiden Augen an einem Grauen Star (Katarakt) erkrankt und ließ sich beginnend ab September 2022 bei der Klägerin untersuchen und behandeln.
3
Am 21.09.2022 schlossen die Parteien eine Vergütungsvereinbarung nach § 2 GOÄ ab, wonach die Parteien für die Femtosekunden-Laser-Katarakt-Operation des rechten und linken Auges die Nr. 1375 GOÄ den 7,0-fachen Satz von 204,01 €, also 1.428,00 € vereinbarten. Es war zudem der Zusatz enthalten: „Eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen ist möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet.“ Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Anlage 2 (Bl. 12) Bezug genommen.
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In einem ebenfalls am 21.09.2023 aufgenommenen und von beiden Parteien unterschriebenen Dokument, das als „Kostenübernahmeerklärung – Katarakt – Operation“ überschrieben ist, hat die Klägerin die Kosten der „OP ohne Femto-Laser“ und die Kosten der „OP mit Femto-Laser“ nach den Gebieten Voruntersuchung, Operation, Nachsorge und Sachkosten im Einzelnen sowie hinsichtlich der Gesamtkosten gegenübergestellt. Die rechte Seite mit den Angaben zur OP mit Femto Laser war dabei handschriftlich eingekreist.
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In dem Dokument heißt es u. A.:
„Insbesondere bin ich mit einer Steigerung der GOÄ-Ziffern bis zum „3,5/7,0“-fachen Satz einverstanden.“, wobei die Angabe der Zahlen handschriftlich erfolgte.
6
Ferner waren folgende Punkte angekreuzt:
„Sollte meine Versicherung die Erstattung der Rechnung nicht oder nur teilweise übernehmen, so erkläre ich hiermit trotzdem meines Zahlungsverpflichtung für die gesamten Kosten.“ und „Ich habe diese Erklärung in allen Punkten verstanden und bin mit dem Inhalt einverstanden.“
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Wegen des weiteren Inhalts der Kostenübernahmeerklärung wird auf die Anlage (Bl. 36 d. A.) Bezug genommen.
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Am 27.09.2022 und 24.10.2022 ließ der Beklagte sich bei der Klägerin operieren, wobei diese hierbei einen Femtosekundenlaser einsetzte (Bl. 2). Der Eingriff wurde erfolgreich durchgeführt und das Sehvermögen des Beklagten vollständig wiederhergestellt (Bl. 2).
9
Die Klägerin stellte dem Beklagten daraufhin am 28.09.2022 sowie am 26.10.2022 jeweils die Nr. 1375 GOÄ „Extrakapsuläre OP des Grauen Stars mittels gesteuertem Saug-Spül-Verfahrens oder Linsenkernverflüssigung (Phakoemulsifikation) gegebenenfalls einschließlich Iridektomie Implantation einer intraokularen Linse schwierige anatimische Verhältnisse“ mit einem 7-fachen Gebührensatz in Höhe von 1.428,04 € in Rechnung (Bl. 10-11 und Bl. 7-9)
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Unter dem 20.01.2023 teilte die private Krankenversicherung dem Beklagten mit, dass eine Erstattung über den 3,5-fachen Satz nicht erfolgen könne und war der Ansicht, dass eine standardmäßige höhere Abrechnung der Hauptleistung nach GOÄ 1375 für die Verwendung des Lasers nicht möglich sei (Anlage 4 Bl. 13-14).
11
Unter Bezugnahme auf die Berechnung seiner privaten Krankenversicherung zahlte der Beklagte nicht, soweit die Abrechnung der Nr. 1375 GOÄ oberhalb des 3,5-fachen Satzes erfolgte (stattdessen vergütete die Versicherung die Nr. 441 GOÄ als sog. Laserzuschlagsposition in Höhe von 67,48 €). Bei dem Differenzbetrag handelt es sich um den eingeklagten Betrag in Höhe von 1.293,04 € (Bl. 2).
12
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Vereinbarung eines 7-fachen Faktors bei Nr. 1375 GOÄ keinen Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle. Es sei auch so, dass der Bundesverband der Augenchirurgen die Abrechnung aufgrund einer Honorarvereinbarung zum 7-fachen Satz empfehle, was zwischen den Parteien unstreitig ist (Bl. 35).
13
Die Klägerin hat ursprünglich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.970,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (21.07.2023) zu zahlen.
14
Nach einer Teilklagerücknahme wegen einer Zahlung in Höhe von 677,30 € vor Klageerhebung beantragt die Klägerin zuletzt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.293,04 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (21.07.2023) zu zahlen.
15
Der Beklagte beantragt,
16
Der Beklagte ist der Ansicht, dass der 7-fache Faktor bei Nr. 1375 GOÄ völlig unangemessen und gemäß § 138 BGB unwirksam sei (Bl. 19). Er behauptet, er sei anlässlich des Gesprächs zur Vergütungsvereinbarung nicht hinreichend darüber informiert worden, dass die Möglichkeit bestehe, dass seine Krankenversicherung diesen erheblich erhöhten Gebührenbetrag nicht bzw. nicht in vollem Umfang erstatte. Der in der schriftlichen Vergütungsvereinbarung erfolgte Hinweis auf „Erstattungsstellen“ sei für ihn nicht hinreichend deutlich und bestimmt gewesen, zumal in diesem Hinweis mit keinem Wort von einer privaten Krankenversicherung die Rede sei. Er sei davon ausgegangen, dass die Behandlungskosten in vollem Umfang von seiner Krankenversicherung übernommen würden (Bl. 19).
Entscheidungsgründe
17
Die Klage ist zulässig und begründet.
I. Begründetheit der Klage
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Die Klage erweist sich in voller Höhe als begründet.
1. Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 1.293,04 €
19
Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus dem ärztlichen Behandlungsvertrag ein Anspruch auf Zahlung von noch 1.293,04 € gemäß § 630 a Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Vergütungsvereinbarung vom 21.09.2022 zu.
20
Die Klägerin durfte die Vergütung nach Nr. 1375 GOÄ mit dem vertraglich vereinbarten 7,0-fachen Satz, also in Höhe von 1.428,00 € für jedes Auge berechnen.
21
Die Vergütungsvereinbarung der Parteien vom 21.09.2022 ist gemäß § 2 Abs. 2 GOÄ wirksam.
22
Nach dieser Vorschrift kann eine Vereinbarung nach persönlicher Absprache im Einzelfall vor Erbringung der Leistung des Arztes und in einem Schriftstück getroffen werden. Dieses muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten. Für Leistungen nach den Abschnitten A, E, M und O der GOÄ ist eine Vereinbarung unzulässig.
23
Die vorliegende Vergütungsvereinbarung erfüllt die oben genannten Kriterien. Die Vergütungsvereinbarung bezieht sich auch auf eine Leistung nach Abschnitt I der GOÄ (Augenheilkunde) und konnte damit grundsätzlich getroffen werden.
24
Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 GOÄ erlaubt in engen Grenzen eine Gebührenabweichung nur der Höhe nicht jedoch dem Grunde nach, was bedeutet, dass es vorliegend nicht möglich ist durch eine Vereinbarung eine ärztliche Leistung abrechenbar zu machen, die nach der GOÄ nicht abrechenbar ist. Vorliegend kann die Operation des Grauen Stars (Katarakt) mit dem Einsatz eines Femtosekundenlasers nach der GOÄ-Ziffer 1375 abgerechnet werden (vgl. BGH, Urteile vom 14.10.2021, III ZR 350/20 = juris Rz. 9 und III ZR 353/20 = juris Rz. 9; LG Würzburg, Beschluss vom 22.12.2022, 53 S 1296/22).
25
Die Klägerin durfte sich bei der Vergütungsvereinbarung auch eines Vordrucks bedienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.2004, 1 BvR 1437/02). Die Höhe des Faktors und des Betrages sind handschriftlich ausgefüllt worden, was auch insoweit für eine individuelle Vereinbarung spricht.
26
Soweit der Beklagte behauptet, er sei anlässlich des Gesprächs mit dem Arzt nicht hinreichend informiert worden und habe nicht gewusst, was mit „Erstattungsstellen“ gemeint ist, kann das Gericht diesen Ausführungen nicht folgen. Aus der Vergütungsvereinbarung ist klar ersichtlich, welchen Betrag der Beklagte schuldete. Dass es sich bei den „Erstattungsstellen“ um die private Krankenversicherung handelte, lag auf der Hand. Es ist auch nicht Sache der Klägerin zu überprüfen, welchen Versicherungsschutz der Beklagte hat. Dem Beklagten, der nach eigenen Angaben seit 50 Jahren privat krankenversichert ist, muss klar gewesen sein, dass die private Krankenversicherung lediglich maximal den 3,5-fachen Satz erstatten würde und er den Rest selbst zu zahlen hatte. Aus der Kostenübernahmeerklärung, die der Beklagte am selben Tag separat unterschrieb, wusste er im Übrigen auch, welche Kosten genau auf ihn zukamen. Im Übrigen heißt es dort explizit: „Sollte meine Versicherung die Erstattung der Rechnung nicht oder nur teilweise übernehmen, so erkläre ich hiermit trotzdem meine Zahlungsverpflichtung für die gesamten Kosten.“ (Bl. 36).
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Für die Annahme eines völligen überhöhten Faktors und eine Unwirksamkeit gemäß § 138 BGB hat die Beklagtenseite keinerlei Sachvortrag gebracht. Es ist insbesondere zwischen den Parteien unstreitig, dass der Bundesverband der Augenchirurgen die Abrechnung aufgrund einer Honorarvereinbarung zum 7-fachen Satz bei Einsatz eines Femtosekundenlasers empfiehlt (Bl. 35). Bereits aus diesem Grunde liegt es fern, von einem völlig überhöhten Faktor auszugehen, wie die Beklagtenseite meint.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
II. Prozessuale Nebenentscheidungen
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Klägerin hatte die Klage in Höhe von 677,30 € (Zahlung vor Anhängigkeit) zurückgenommen, weshalb sie einen entsprechenden Teil der Kosten zu tragen hatte.