Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 26.06.2023 – 10 Wx 11/23
Titel:

Tod des Vollmachtgebers, Transmortale Vollmacht, Zwischenverfügung, Vollmachtserteilung, Betreuungsvollmacht, Geschäftsunfähigkeit, Widerruflichkeit der Vollmacht, Vollmachtswiderruf, Vollmachtsurkunde, Notariell beurkundete Vollmacht, Erlöschen der Vollmacht, Auftragsverhältnis, Grundbuchamt, Kostenentscheidung, Sofortige Wirksamkeit, notarielle Urkunden, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Transmortalität, Nichtabhilfebeschluss, Außenverhältnis

Schlagwort:
Vorsorgevollmacht
Fundstellen:
ErbR 2025, 519
MittBayNot 2025, 40
LSK 2023, 54442
BeckRS 2023, 54442

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird die Zwischenverfügung vom 02.05.2023 sowie der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Forchheim vom 14.06.2023, Az. …, aufgehoben.
2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Vollzug des Antrags der Beteiligten vom 07.03.2023 nicht aus den in der Zwischenverfügung vom 02.05.2023 genannten Gründen abzulehnen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten beantragen den grundbuchamtlichen Vollzug einer Urkunde über die Vermächtniserfüllung mit Auflassung des Notars Dr. Z. vom 09.02.2023 (Urk. Nr. …), die das Amtsgericht Forchheim – Grundbuchamt – zunächst mit Zwischenverfügung vom 02.05.2023 und sodann mit Beschluss vom 14.06.2023 zurückgewiesen hat.
2
Der in der Zeit zwischen dem ... 2022 und ... 2022 verstorbene frühere Miteigentümer von mehreren in den Nachlass nach ihm und seiner zeitgleich verstorbenen Ehefrau fallenden Grundstücke, Herr E., hat der Beteiligten zu 2) mit notarieller Urkunde vom 19.02.2004 (Urk. Nr. …/2004 des Notars R.) eine Generalvollmacht erteilt. Diese soll „(…) insbesondere als Betreuungsvollmacht zur Vermeidung der Anordnung einer Betreuung dienen und […] daher bei Eintritt einer Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers ausdrücklich nicht erlöschen.“.
3
Während die Beteiligten in der Vollmacht eine über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirkende Bevollmächtigung der Beteiligten zu 2) erblicken, geht das Erstgericht von einem Erlöschen des der Bevollmächtigung zu Grunde liegenden Auftragsverhältnisses und damit auch von einem Erlöschen der Vollmacht mit dem Ableben des Vollmachtgebers aus.
II.
4
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
5
Die Annahme des Erstgerichts, wonach die vorliegende Vollmacht nicht als transmortale Vollmacht angesehen werden kann, gründet nicht in der Auslegung der Vollmachtserteilung selbst.
6
Zwar ist zutreffend, dass die Vollmachtserteilung nicht ausdrücklich auch als über den Tod des Vollmachtgebers hinaus geltend, also (auch) transmortal, erteilt ist, was ohne Weiteres möglich und auch rechtlich zulässig gewesen wäre. Gegenläufig enthält die Vollmachtsurkunde aber ebenso wenig eine explizite Beschränkung des zu Grunde liegenden Auftragsverhältnisses wie auch der Vollmachtserteilung selbst dahingehend, dass beides mit dem Tod des Vollmachtgebers erlöschen sollte.
7
Insbesondere der ausdrückliche Verzicht auf eine auch im Außenverhältnis beachtliche Wirksamkeitsbedingung indiziert ein insoweit durchaus beachtlich erscheinendes Vertrauen des Vollmachtgebers in die Person des Vollmachtnehmers, hier der Beteiligten zu 2). Es erscheint somit keineswegs ausgeschlossen, dass die Vollmachtserteilung nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch über den Tod des Vollmachtgebers hinaus ausgestaltet sein soll.
8
Die Ausgestaltung der Vollmacht „(…) insbesondere als Betreuungsvollmacht (…“), die auch „(…) bei Eintritt einer Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers ausdrücklich nicht erlöschen (…)“ (Urk. Nr. …/2004, S. 2) soll, steht der Annahme einer transmortalen Vollmacht nicht von vornherein entgegen.
9
Die Erteilung einer transmortalen Vollmacht stellt sich als Regelfall dar (vgl., statt vieler, Huber, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-GOK, § 168 Rn. 73), zumal der Gesetzgeber einen Fortbestand eines Auftragsverhältnisses über den Tod des Auftraggebers hinaus vermutet (§ 672 Satz 1 BGB; vgl. Huber, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-GOK, § 168 Rn. 22.2).
10
Anders als bei der Verwendung einer „Formularvollmacht“ (hierzu OLG München, 07.07.2014, 34 Wx 265/14), mag diese ihrerseits auch notariell beglaubigt worden sein, kann im Falle einer notariell beurkundeten Vollmachtserteilung durchaus davon ausgegangen werden, dass eine explizite, wenngleich wünschenswerte, Regelung dahingehend, dass die Vollmachtserteilung transmortal erfolgen sollte, aufgrund Vorgenannten unterblieben ist.
11
Indizien oder gar eindeutige Anhaltspunkte, die gegen einen derartigen Willen des Vollmachtsgebers sprechen könnten, lassen sich der Urkunde nicht entnehmen. Vielmehr finden sich, für sich genommen punktuelle, Indizien, die jedenfalls der Annahme einer auch transmortal geltenden Vollmacht nicht entgegen stehen.
12
Zwar wird in § 1 und § 2 wiederholt eine, indessen auch schwerlich anders formulierbare, Vertretung des Vollmachtgebers durch die Vollmachtnehmerin vorgesehen, die eine nur lebzeitige Geltung nahelegen könnte. Allerdings muss insoweit auch beachtet werden, dass schon die Einschränkung des Vorliegens einer bloßen „Betreuungsvollmacht“ ihrerseits insoweit eingeschränkt ist, als die Vollmacht „insbesondere“ – und nicht etwa ausschließlich – als Betreuungsvollmacht ausgestellt worden ist.
13
Für eine transmortale Vollmacht lässt sich zudem die jederzeitige Widerruflichkeit (§ 3 Nr. 3 der Urkunde) heranziehen, da hierdurch nach dem Tod des Vollmachtgebers dessen Erben ihrerseits jederzeit zum Vollmachtswiderruf berechtigt sind.
14
Schließlich findet sich in § 6 der Urkunde, neben dem Ausschluss eines zweiten Bevollmächtigten oder einer sonstigen Kontrollperson, auch der nach Belehrung aufrechterhaltene Wunsch des Vollmachtgebers, wonach die sofortige Wirksamkeit der Vollmacht im Außenverhältnis eintreten soll.
15
Nach alledem lässt sich nicht mit der notwendigen Sicherheit annehmen, dass die Vollmacht, abweichend vom gesetzlichen Leitbild des ihr zu Grunde liegenden transmortalen Auftragsverhältnisses, nur zu Lebzeiten des Vollmachtgebers Geltung und Wirksamkeit haben sollte.
III.
16
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 25 Abs. 1 GNotKG; e contrario zu Nr. 14510 und Nr. 14511 KV-GNotKG; vgl. Kramer, in: Hügel, BeckOK-GBO, 45. Edition, § 77 Rn. 42 <Stand: 01.03.2022>).
17
Damit bedarf es keiner Verfahrenswertfestsetzung.
18
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht geboten (§ 78 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GBO).