Inhalt

LG München I, Beschluss v. 14.12.2023 – 5 HK O 11456/21
Titel:

Coronavirus, SARS-CoV-2, Rente, Gesellschaft, Baugenehmigung, Abfindung, Hauptversammlung, Kapitalanlage, Eintragung, Tarifvertrag, Neubau, Kaufpreis, Marke, Barabfindung, Vergleich, Gutachten, Bundesrepublik Deutschland, Squeeze Out, Art und Weise

Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Rente, Gesellschaft, Baugenehmigung, Abfindung, Hauptversammlung, Kapitalanlage, Eintragung, Tarifvertrag, Neubau, Kaufpreis, Marke, Barabfindung, Vergleich, Gutachten, Bundesrepublik Deutschland, Squeeze Out, Art und Weise
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54413

Tenor

I. Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung als € 96,99 je Aktie der E. AG werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz sowie der Wert für die Berechnung der von der Antragsgegnerin geschuldeten Vergütung der gemeinsamen Vertreterin der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten Aktionäre werden auf € 200.000,-- festgesetzt.

Gründe

A.
1
1. a. Die Hauptversammlung der E. AG (im Folgenden auch: die Gesellschaft) fasste am 25.6.2021 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung in Höhe von € 96,99 je Aktie auf die Antragsgegnerin zu übertragen.
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Das Grundkapital der Gesellschaft belief sich zum Stichtag der Hauptversammlung auf € 4 Mio. und war in 1.312.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt. Ausweislich der Bestimmung in § 2 Abs. 1 der Satzung der E. AG liegt ihr Unternehmensgegenstand in der Herstellung und dem Vertrieb von Baustoffen, Bauteilen und Hochbauten aller Art sowie von allen mit den genannten Geschäftszweigen im Zusammenhang stehenden Erzeugnissen und im Handel mit diesen. Aufgrund von § 2 Abs. 2 ihrer Satzung ist die Gesellschaft berechtigt, für die Zwecke ihres Geschäftsbetriebs und zur Kapitalanlage Immobilien zu erwerben, zu veräußern, zu mieten und zu pachten, zu vermieten und zu verpachten. Die Gesellschaft ist ferner berechtigt, für die Zwecke ihres Geschäftsbetriebs Zweigniederlassungen zu errichten oder vorhandene gleichartige Geschäfte zu übernehmen und fortzuführen sowie sich bei anderen Unternehmen in beliebiger Form zu beteiligen.
3
Die Aktien der Gesellschaft sind seit dem Jahr 2016 nicht mehr zum Handel in einen Freiverkehr einbezogen und wurden nur mehr an der Handelsplattform Valora gehandelt.
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b. Im Vorfeld der Hauptversammlung vom 25.6.2021 erstattete die K. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden auch: K.) unter dem 5.5.2021 eine gutachtliche Stellungnahme zum Unternehmenswert der E. AG sowie zu der angemessenen Barabfindung je Aktie der Gesellschaft (Anlage AG 2). Die Wirtschaftsprüfer von K. ermittelten in Anwendung der Ertragswertmethode einen Unternehmenswert der Gesellschaft in Höhe von € 127,29 Mio., der sich aus dem Ertragswert von € 73,024 Mio. und Sonderwerten von € 54,267 Mio. zusammensetzte, woraus sich dann eine Barabfindung in Höhe von € 96,99 je Aktie errechnete. In ihrer Stellungnahme gingen die Bewertungsgutachter bei der Ermittlung des Ertragswerts von einer die Jahre 2021 bis 2025 umfassenden Detailplanungsphase aus, in der der Rohertrag von € 69,3 Mio. im Jahr 2021 auf € 69,470 Mio. im Jahr 2025 ansteigen soll. Aufgrund der umweltpolitischen Rahmenbedingungen mit der Verpflichtung zur Klimaneutralität im Jahr 2050 wurde das Jahr 2026 als Übergangsjahr vor dem Übergang in die Ewige Rente eingeschoben, in dem die Anpassungen bei den nachhaltigen Umsätzen aus dem Kamingeschäft, das Beteiligungsergebnis der A. S. Gesellschaft mbH, die nachhaltige Personalaufwandsquote, die Auswirkungen der Investitionen in Zukunftstechnologien zur Umstellung auf einen emissionsneutralen Produktionsprozess sowie die Höhe der nachhaltigen Erhaltungsinvestitionen in ihren Auswirkungen in den entsprechenden Ertrags- und Aufwandspositionen annualisiert wurden. Ab 2027 ff. schloss sich dann die Ewige Rente an, in der eine Wachstumsrate von 0,5% p.a. angenommen wurde. In den Jahren der Detailplanungsphase wurden Ausschüttungsquoten von 20,93%, 29,73%, 34,47%, 35,02% und 35,12% angesetzt. Im Übergangsjahr sowie im Terminal Value legten die Bewertungsgutachter eine Ausschüttungsquote von 40% zugrunde. Bei der Kapitalisierung der Überschüsse von jeweils € 966.000,- in Phase I, von € 3,276 Mio. in der Konvergenzphase und von € 3,043 Mio. im Terminal Value legten die Bewertungsgutachter einen Basiszinssatz vor Steuern von 0,2% und von 0,15% nach Steuern zugrunde. Den Risikozuschlag leiteten sie mit Hilfe des (Tax-)CAPM ab, wobei sie eine Marktrisikoprämie nach Steuern von 5,75% und einen unverschuldeten Beta-Faktor von 0,85 ansetzten, der aus einer insgesamt 15 in- und ausländische Unternehmen umfassenden P1. Group ermittelt wurde. Für die Ewige Rente legten die Bewertungsgutachter einen Wachstumsabschlag von 0,5% zugrunde. Zu dem auf den Bewertungsstichtag zum 31.12.2020 und auf den Stichtag aufgezinsten Ertragswert von € 73,024 Mio. wurden der Wert von € 24,767 Mio. für eine Gewerbeimmobilie in M. sowie freie Liquidität in einem Umfang von € 29,5 Mio. als Sonderwerte hinzuaddiert. Der Wertermittlung der Immobilie lag ein Gutachten von Herrn P. J. (Anlage AG 3) zugrunde, der für das Büro- und Geschäftshaus T.-straße …, das zu 1/3 im Eigentum der E. AG zum Bewertungsstichtag stand, einen Verkehrs-/Marktwert von € 74,3 Mio. annahm.
5
Die vom Landgericht München I mit Beschluss vom 15.12.2020, Az. 5HK O 16767/20 zur Abfindungsprüferin bestellte M. GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden auch: M.) gelangte in ihrem Prüfungsbericht vom 7.5.2021 (Anlage AG 4) zu dem Ergebnis, die mit Hilfe der Ertragswertmethode ermittelte Barabfindung stelle sich als angemessen dar.
6
Aus den Stichtagserklärungen von K. und M. (Anlage AG 6) ergaben sich in erster Linie Veränderungen beim Basiszinssatz, der auf 0,30% vor Steuern angestiegen war. Ebenso wurde auf verschärfte Emissionsziele auf dem Weg zur Klimaneutralität mit schneller notwendig werdenden Investitionen und höheren Beträgen sowie einen von € 42,- auf € 51,- angestiegenen Preis für Emissionszertifikate mit der Folge eines höheren Materialaufwands hingewiesen. Angesichts des wertmindernden Effekts dieser Einflüsse hielten die Abfindungsprüfer von M. die von K. bestätigte Abfindung von € 96,99 unverändert für angemessen.
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c. Der Beschluss über den Squeeze out wurde am 6.8.2021 in das Handelsregister der E. AG eingetragen und am 7.8.2021 gemäß § 10 HGB bekannt gemacht. Zum Zeitpunkt der Eintragung waren 48.386 Aktien von dem Squeeze out betroffen. Alle Antragsteller waren zu diesem Zeitpunkt Aktionäre der E. AG.
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2. Zur Begründung ihrer spätestens am 8.11.2021 beim Landgericht München I zumindest per Telefax eingegangenen Anträge machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, aufgrund ihrer zulässigerweise gestellten Anträge müsse die Barabfindung angesichts ihrer Unangemessenheit erhöht werden.
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a. Diese Notwendigkeit einer Erhöhung resultiere bereits aus den unplausiblen und folglich korrekturbedürftigen Planannahmen.
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(1) Dies zeige sich bereits am Fehlen einer unabhängigen Planung was sich bereits aus der Kooperationsvereinbarung zwischen der E. AG und der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1993 ableiten lasse, anhand derer der Schluss auf eine Einflussnahme des Geschäftsführers der Antragsgegnerin auf die Planung und damit auf eine unzulässige Anlassplanung gezogen werden müsse. Zudem bleibe unklar, ob die wirtschaftliche Verbindung zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern F. R. und M. G. mit der Antragsgegnerin geprüft worden sei. Das Übertreffen der Planung um 19,3% beim Umsatz und um 109,5% beim EBIT zeige die fehlende Planungstreue und das Vorliegen einer unsystematischen Planung. Hinterfragt werden müsse die Vornahme von Plananpassungen im April 2021 im Vergleich zur Mittelfristplanung des Vorstandes aus dem Dezember 2020. Die Ableitung des Finanz- und Steuerergebnisses dürfe keinesfalls durch die Bewertungsgutachter vorgenommen werden.
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(2) Bei der Umsatzplanung bleibe die Art und Weise der Berücksichtigung staatlicher Hilfsmaßnahmen unklar. Angesichts der in den Monaten vor dem Stichtag zu beobachtenden wirtschaftlichen Erholung nach der Zulassung von Impfstoffen sei die Planung zu pessimistisch erfolgt. Zu prüfen sei, inwieweit der Vorstand Volumen- und Preissteigerungen sowie Wechselkurseffekte in den verschiedenen Sparten der Gesellschaft einkalkuliert habe. Der Planung fehle wegen des im ersten Planjahr erfolgten Umsatzeinbruchs von € 132,45 Mio. auf nur noch knapp € 118 Mio. mit geringen Zuwachsraten in den Folgejahren sowie einem Rückgang des EBIT von € 19,325 auf € 8,74 Mio. bei einem konstant wachsenden Baumarkt und fehlenden Hinweisen auf einen Rückgang des pandemiebedingten Baubooms die Plausibilität. Auch stehe das Umsatzwachstum von 0,6% p.a. bei fehlendem Mengenwachstum in Widerspruch zur Prognose des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2021 und 2022 mit steigenden Wachstumsraten auch für Neubauten. In gleicher Weise gebe es einen Widerspruch zur allgemeinen Markterwartung, nachdem die Bundesinnung Bauwirtschaft für die Gesamtbranche in 2021 ein Umsatzwachstum von 1% vorhergesagt habe und angesichts einer Preiserhöhung durch die Gesellschaft um durchschnittlich 3,2% im Jahr 2021 Volumenrückgänge durch Preiserhöhungen kompensiert würden. Folglich stehe das angenommene Wachstum von jährlich 0,6% in Widerspruch zu den eigenen Preiserhöhungen, zumal der Wettbewerber W. AG die Preise zwischen 3,5% und 15% angehoben habe. Geprüft werden müsse, ob im Verhältnis zu Baustoff- und Bedachungsgroßhändlern in Zukunft Preiserhöhungen wie im Jahr 2020 von 2,9% durchsetzbar seien. Der Umsatzrückgang in 2021 stelle sich auch deshalb als nicht nachvollziehbar dar, weil er in Widerspruch zum Anstieg der Preise für Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten um 14.5% im Jahr 2021 stehe und der Umsatz im Bauhauptgewerbe bereits im Zeitraum von März bis April 2022 stärker gewesen sei entsprechend den allgemeinen Nachrichten zur Lage der Baukonjunktur. Die Planung müsse stärker den Renovierungsbedarf bei in den 50er- und 60er-Jahren errichteten Häusern berücksichtigen, woraus sich ein steigender Bedarf nach Dachziegeln ergebe, zumal die Klimavorgaben des Bundesverfassungsgerichts einen starken Anstieg von Sanierungstätigkeiten angesichts des Energieverlusts über unzureichend gedämmte Dächer nach sich zöge, wofür es auch staatliche Förderprogramme gebe. Die Gesellschaft müsse bei einem geschätzten Marktanteil von 14% stärker von einem weiter wachsenden Dachziegelmarkt profitieren, zumal ihr Fokus auf dem süddeutschen Markt liege. Die Planung vernachlässige angesichts der Wohnraumknappheit in Ballungsräumen und Mittelzentrum die weiter steigende Wohnraumnachfrage mit entsprechendem Bedarf für Bedachung und erhöhter Bautätigkeit vor allem im Jahr 2021. Angesichts aktueller Inflationserwartungen und stark steigender Baumaterialpreise sei das angenommene Umsatzwachstum unrealistisch, zumal auch ein Rückgang des Umsatzes bei Neubauten angesichts stark steigender Neubautätigkeit gerade in Süddeutschland einen Umsatzeinbruch bei der Gesellschaft nicht rechtfertige. Dieser moderate Anstieg sei auch deshalb fehlerhaft, weil die Belastung durch emissionsbedingt steigende Material- und Personalaufwendungen alle Ziegelproduzenten treffe und eine Weitergabe daher an Kunden erfolgen könne, zumal schwächere Wettbewerber aus dem Markt ausscheiden würden. Unklar bleibe der Einfluss der Covid-19-Pandemie auf die Entwicklung in der Detailplanungsphase. Vorteile aus der Einrichtung von Lüftungsnetzwerken beispielsweise in Schulen mit einem Volumen von insgesamt € 200 Mio. müsse die Planung im Segment „Lüftungsnetzwerke“ stärker abbilden. Die Planung lasse die steigende Nachfrage nach margenstarken selbstreinigenden Tonziegeln zu sehr außer Betracht. Nicht klar werde der Grund für den nach 2020 nicht mehr angesetzten Gewinn aus dem Verkauf rekultivierter Grundstücke. Auch übersehe die Planung Gewinne aus nicht in Anspruch genommenen Gewährleistungsrückstellungen. Sie vernachlässige weiterhin die positiven Effekte aus den in einer Lagerhalle mit automatischer Lagertechnik investierten Mitteln in einem Umfang von € 12 Mio. wie auch die in der Vergangenheit gewesene Fähigkeit, Unsicherheiten bei der Energiewende zu bewältigen und eine hervorragende Geschäftsentwicklung zu nehmen. Auch sei die Gesellschaft in der Lage, gestiegene Mehrkosten beim Energieverbrauch an ihre Kunden weiterzugeben. Ein Abfluss von etwa € 20,5 Mio. für Investitionen müsse zu höheren Umsätzen in den Jahren 2021 und 2022 führen. Beim Beteiligungsergebnis werde bei dem mit € 250.000,- konstant geplanten Beitrag die Ertragsverbesserung der Tochtergesellschaft A. S. Gesellschaft mbH in den Jahren 2018 bis 2020 von € 225 Mio. auf € 422 Mio. zu wenig berücksichtigt.
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(3) Unklar bleibe die Ursache für den Anstieg des Materialaufwands im Jahr 2025 auf € 51,76 Mio. trotz im Vergleich zu 2020 sinkender Umsätze. Bei einem Mengenwachstum von 0,0% könne der Anstieg der Personalaufwandsquote von 26,5% im letzten Ist-Jahr auf rund 31% im Jahr 2025 nicht nachvollzogen werden. Ebenso fehle diesem Anstieg die Plausibilität angesichts geplanter Großreparaturen in den Werken mit dem Ziel des Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit und der gesteigerten Kosteneffizienz im Logistikbereich. Der steigende Ansatz beim Materialeinsatz wie auch bei den Personalkosten belege, dass die Planung von einem insgesamt höheren Preisniveau ausgehe und die E. AG die eigenen Produktionssteigerungskosten an die Kunden weitergeben könne. Das Einrechnen steigender Aufwendungen aus Emissionszertifikaten ohne Berücksichtigung industrieller Ausnahmen sei fehlerhaft. Auch übersehe die Planung, dass dem Zukauf von Emissionsrechten angesichts des Trends zur Klimaneutralität der Ziegelindustrie bis 2050 die Zukunft fehle und stattdessen zu erwartende Fördermittel für den Umstieg hin zur Nutzung von grünem Wasserstoff einzuplanen gewesen wären. Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen dürfe man nicht mit dem höchsten Wert aus 2020 unkritisch fortschreiben. Möglicherweise erfolge der Vertrieb von Produkten der Hauptaktionärin zu marktunüblichen Konditionen, was die Unternehmensplanung negativ beeinflusse.
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(4) Der Anstieg der operativen Aufwendungen vor Abschreibungen belege wie auch der Anstieg der Personalkosten, dass die Entwicklung der Ergebnisse und der Ergebnismargen nicht plausibel sein könne und hinter den Normaljahren 2018 und 2019 zurückbleibe. Ebenso zeige die fehlende Schwäche der Baukonjunktur während der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021, dass sich der Rückgang des Jahresüberschusses von € 14,12 Mio. auf € 6,27 Mio. im Jahr 2021 nicht rechtfertigen lasse, zumal es auch zu einem Rückgang der sonstigen betrieblichen Erträge von 3,449 Mio. auf 0,485 Mio. bei fehlender Reduzierung baulicher Aktivitäten komme. Im Vergleich zu der in nahezu denselben Märkten tätigen W. AG sei die EBITDA-Marge zu gering.
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(5) Der Annahme eines Rückgangs des Kamingeschäfts um 30% bis 2030 und auf 0 bis zum Jahr 2050 fehle die Plausibilität, weil bis 2050 Kamine mit fortgeschrittener Abgastechnologie verbaut würden und ein mit Holz betriebener Kamin angesichts zuvor erfolgter Bindung von CO₂ klimaneutral sei, Sanierungen zum Zwecke des Weiterbetriebs von Kaminen erforderlich seien und die Schornsteinsysteme der Gesellschaft mit Edelkeramik auch für Pelletsbrennwertgeräte geeignet seien, weshalb es sich nicht um eine einbrechenden Markt handele; die Gesellschaft sei mit der Produktreihe V. V. S. in einem absoluten Wachstumsmarkt tätig. Die Planung übersehe, dass die hohen Unsicherheiten die gesamte Branche träfen, weshalb dies durch Preissteigerungen ausgeglichen werden könne. Das Folgegeschäft aus bereits im Markt vorhandenen Schornsteinen werde mit Ersatzteilen und Erweiterungen oder Nachrüstungen über das Jahr 2050 als besonders ertragreiches Geschäft bei rückläufiger Wettbewerbssituation hinausgehen. Fehlerhaft sei das ohnehin zu niedrig angesetzte Beteiligungsergebnis in der Konvergenzphase nochmals um 50% reduziert worden. Eine Verdoppelung der Abschreibungen von € 3,924 Mio. im Jahr 2021 auf € 7,791 Mio. könne nicht plausibel sein. Dasselbe gelte für die unterhalb des Jahres 2019 liegenden Annahmen zum EBIT von € 5,5 Mio. in 2026 und in der Ewigen Rente. Ebenso fehle dem Ansatz des Umsatzes im Terminal Value die Plausibilität, weil ein Rückgang von € 120 Mio. auf € 107 Mio. im letzten Jahr der Phase I nicht abrupt geschehen könne und der Absturz im Übergang zur Ewigen Rente einen eingeschwungenen Zustand ausschließe.
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(6) Synergien seien zu Unrecht nicht in die Planung einbezogen worden.
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(7) Die Ermittlung des Unternehmenswerts unterstelle die sachwidrige Thesaurierung ohne Wertbeitrag aus Thesaurierung, weil insgesamt € 15,4 Mio. in der Detailplanungsphase keinen Wertbeitrag darstellen würden. Unklar bleibe der Thesaurierungsbetrag von € 287.000,- im Terminal Value.
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b. Der Kapitalisierungszinssatz müsse in all seinen Komponenten zugunsten der Minderheitsaktionäre angepasst werden. Dabei seien persönliche Ertragsteuern nicht zu berücksichtigen.
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(1) Der mit 0,2% vor Steuern angesetzte Basiszinssatz reflektiere nicht das aktuelle Zinsniveau und müsse deshalb abgesenkt werden. Zudem müsse er um Credit Default Swaps gekürzt werden. Anstelle eines einheitlichen Basiszinssatzes müsse ein jeweiliger laufzeitspezifischer Zinssatz angesetzt werden.
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(2) Herabgesetzt werden müsse auch der Risikozuschlag, dessen Ansatz ohnehin fragwürdig sei. Das herangezogene arithmetische Mittel stelle sich als ungeeignet dar, was auch für das (Tax-)CAPM insgesamt gelte. Die angesetzte Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern sei überhöht. Die Ermittlung des Beta-Faktors erfolge fehlerhaft durch die Einteilung in zwei Gruppen, weil die W. AG ein großes Leistungsspektrum habe und daher nicht besser mit der Gesellschaft vergleichbar sei als beispielsweise H.C. oder B. U. S.p.A., die in ähnlicher Weise wie die Gesellschaft energieintensiv und daher gleichfalls vom Umstieg auf klimaneutrale Energieträger betroffen seien. Global aufgestellten Zementherstellern fehle die Vergleichbarkeit zu einem mit Naturprodukten handelnden Dachziegelhersteller. Fehlerhaft erfolgt sei auch die Aufnahme von R. A/S, Sto SE und S.G. S.A. angesichts des unterschiedlichen Produktangebots. Demgegenüber hätte C. und BMS Steildach in die P1. Group aufgenommen werden müssen.
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(3) Der Ansatz eines Wachstumsabschlags von 0,5% sei deutlich zu niedrig, nachdem der Hauptwettbewerber W. AG von einem Wachstum von 2,5% ausgehe, im Bereich der Gebäude- und Dachsanierung zur Erreichung der EU-Klimaziele von stark steigender Nachfrage ausgegangen werden müsse und die massive Nachfrage nach Handwerker- und Bauleistungen bei knappen Baumaterialien eine begrenzte Überwälzbarkeit gerade nicht verhindere. Auch vernachlässige der Ansatz eines Wachstumsabschlags von lediglich 0,5% die Produktinnovationen bei der Gesellschaft wie Dachziegel mit Lotuseffekt und hagelsichere Dachziegel mit erhöhtem Bedarf angesichts steigender Extremwetterlagen ebenso wie die langfristigen Chancen der Megatrends wie Bevölkerungswachstum, Mobilität, Urbanisierung und Digitalisierung, von denen die Gesellschaft profitieren werde.
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c. Korrekturbedarf bestehe auch bei den Sonderwerten.
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(1) Der zu erwartende Rückgang des Cashflow von insgesamt € 20,517 Mio. sei nicht notwendig angesichts des Ankaufs von Lehmvorkommen in Niederbayern und des frühen Stadiums des geplanten Logistikkonzepts. Der Sonderwert für nicht betriebsnotwendige Liquidität müsse mit mehr als € 29,5 Mio. angesetzt werden, nachdem nur € 20 Mio. für den Fortbestand des operativen Geschäfts erforderlich seien und die E. AG über viele Jahre hinweg immense Gewinnrücklagen gebildet habe. Die Liquiditätsreserve sei auch angesichts des Ansatzes jährlicher operativer Kosten im Terminal Value in Höhe von € 52,4 Mio. überhöht. Die Kürzung der freien Liquidität um 30% stelle sich als fehlerhaft dar, weil das angekündigte Logistikkonzept weder zu geringeren Personalkosten noch zu geringerem Materialaufwand noch zu signifikant höheren Umsatzerlösen führen solle. Als operative Kasse dürfe man maximal 3% des Jahresumsatzes ansetzen; auch sei die Annahme eines Bodensatzes angesichts freier Zahlungsmittelüberschüsse von € 8 Mio. verfehlt. Aufgrund der Innenfinanzierungskraft oder der Möglichkeit für Aufnahme kurzfristiger Fremdmittel für Investitionen müsse die gesamte Liquidität von € 70 Mio. aus dem Jahr 2020 als nicht betriebsnotwendig angesetzt werden, nachdem auch in der Vergangenheit Investitionen regelmäßig aus dem Cashflow finanziert worden seien, was im Jahr des Squeeze out bei deutlich höheren Investitionen nun nicht mehr erfolgen solle. Der Ansatz nicht betriebsnotwendiger Liquidität lasse sich nicht mehr über den Mindestbestand in strengen Wintern rechtfertigen, weil am Bau nur mehr an wenigen Wochen im Jahr nicht mehr gearbeitet werde und die Liquidität in den letzten Jahren um nie mehr als € 13,5 Mio. zurückgegangen sei.
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(2) Derzeit nicht ausgebeutete Grundstücke müsse man dem nicht betriebsnotwendigen Vermögen zurechnen. Zu klären sei, ob die Gesellschaft noch über Agrarflächen verfüge, die sie bei Landwirten gegen Grundstücke mit Lehmvorkommen tauschen könne. Unklar sei, ob 99,6 ha Wiesen und Waldflächen sowie 219,2 ha an landwirtschaftlichen Flächen tatsächlich in vollem Umfang betriebsnotwendig seien und ob die Buchwerte tatsächlich die aktuellen Marktpreise widerspiegeln würden.
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(3) Die Wertsteigerung der Immobilien in München falle mit € 4 Mio. bei einem Kaufpreis von € 22 Mio. im Jahr 2017 angesichts der Entwicklung der Immobilienpreise in München mit Steigerungsraten von nahezu 30% zu gering aus. Der Ansatz eines Werts von € 9.330,-/m² für eine Immobilie in bester Lage müsse bei einem Bodenwert von € 55,640 Mio. und einem Gesamtwert von € 74,3 Mio. erhöht werden. Ein Rohertragsvervielfältiger am unteren Rand der Spanne könne aufgrund der 1-a-Lage in der Fußgängerzone ungeachtet der Bausubstanz nicht angemessen sein.
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(4) Bei den Sonderwerten fehle der Ansatz einer Forderung gegen die Antragsgegnerin in Höhe von € 1,31 Mio.
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(5) Es komme beim Abzug des gesamten Cashflows vom Unternehmenswert zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung von Verbindlichkeiten angesichts deren Abbildung schon im Verschuldungsgrad.
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(6) Der Wert der Marke „E.“ müsse ebenfalls als Sonderwert in die Unternehmensbewertung einfließen.
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3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Anträge. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, die von der Hauptversammlung beschlossene Barabfindung stelle sich als angemessen dar.
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a. Kein Korrekturbedarf bestehe aufgrund ihrer Plausibilität bei den einzelnen Planansätzen.
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(1) Ordnungsgemäß erfolgt sei der Planungsprozess; eine unzulässige Anlassplanung könne nicht angenommen werden, nachdem der bisherige Planungsprozess beibehalten und lediglich anhand der Erkenntnisse aus dem Jahresabschluss 2020 und der geschäftlichen Entwicklung im Frühjahr 2021 aktualisiert worden sei. Von den Bewertungsgutachtern vorgenommene Bereinigungen sowie die Fortentwicklung zu einer voll umfänglichen integrierten Planungsrechnung seien nicht zu beanstanden und auch nicht zu Lasten der Minderheitsaktionäre durchgeführt worden. Den Eliminierungen im Bestandsvermögen komme kein Werteinfluss zu. Einen Einfluss der Hauptaktionärin oder von deren Vorstand auf die eigenständige Planung der Gesellschaft habe es nicht gegeben. Die Planung habe sich in der Vergangenheit durch eine hohe Planungstreue ausgezeichnet, weshalb einzelne vor allem das Ergebnis betreffende Abweichungen die grundsätzliche Verlässlichkeit der Planung nicht in Frage stellen würden.
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(2) Eine zu pessimistische Planung bei den Umsatzerlösen lasse sich nicht bejahen. Der für das Geschäftsjahr 2021 geplante Umsatz übersteige die Erlöse im letzten Jahr vor der COVID-19-Pandemie in Höhe von € 110,5 Mio. um 6,9%, den der gesamten Planungsperiode mit durchschnittlich € 119 Mio. sogar um 8%. Der deutliche Umsatz- und Ergebnisanstieg von 2019 auf 2020 beruhe auf den Folgen der Pandemie, durch die es zu einer Auflösung des Investitionsstaus, zu einem Rückgang der Neubauvorhaben bei Geschossbauten mit Flachdächern bei gleichzeitiger Freisetzung von Kapazitäten für Sanierungen mit einem hohen Anteil mit Steildächern und der Mobilität der Ausnutzung von Lieferengpässen bei den Wettbewerbern gekommen sei. Damit aber handele es sich vor allem um eine Kombination aus Nachhol- und Vorzieheffekten. Angesichts der Erwartungshaltung zum erwarteten Ende der Pandemie und einer Normalisierung der Ausgaben der privaten Haushalte sei die E. AG von einer Normalisierung der Auswirkungen der Pandemie ausgegangen, weshalb eine Fortschreibung der Sondereffekte des Jahres 2020 nicht erfolgen dürfe; der Umsatzrückgang im Geschäftsjahr 2021 sei folglich plausibel. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem Wohnungsbaumarkt, zumal die Gesellschaft nicht per se von jedem Bauboom in Deutschland profitiere, sondern nur von Neubauten mit Schwerpunkt im ländlichen Raum, weil für städtische Geschossbauten mit Flachdächern keine Ziegel verwendet würden. Der Anstieg der Preise für Produkte der Gesellschaft von durchschnittlich 3,2% beziehe sich auf die für den Endverbraucher relevanten Preise gemäß der Preisliste, wohingegen die Gesellschaft den überwiegenden Anteil ihrer Umsätze mit dem Baustoff- oder Bedachungsgroßhandel auf Basis spezieller Rahmenverträge mit einer von der Preisentwicklung für Endverbraucher abgekoppelten individuellen Preisgestaltung erwirtschafte. Der erzielte Stückerlös habe sich von 2015 auf 2019 um durchschnittlich 0,8% p.a. erhöht. Nur im Jahr 2020 seien einmalig deutlich höhere Preissteigerungen von 2,9% aufgrund des pandemiebedingten Nachfrageschubs und der Lieferengpässe bei Wettbewerbern durchsetzbar gewesen. Das angenommene moderate Umsatzwachstum beruhe in einem tendenziell rückläufigen Markt bei gleichbleibenden Absatzmengen auf dem Gewinn von Marktanteilen, der nur bei Preisstabilität realistisch sei. Die Planannahmen rückläufiger Neubauten widerspreche nicht der Prognose des Statistischen Bundesamtes, weil die E. AG im Zeitraum bis 2023 mit steigenden Umsätzen im Segment Neubau rechne, es aber auch den Trend zu Flachdächern mit einem entsprechenden Rückgang der Absatzflächen bei Steildächern im Bereich Neubau gebe. Erst ab dem Geschäftsjahr 2024 gehe die Gesellschaft davon aus, die ökologischen und politischen Entwicklungen in den nächsten Jahren würden zu einer rückläufigen Entwicklung im Kerngeschäft der Neubauten von Ein- und Zweifamilienhäusern führen. Die Gesellschaft gehe von einem steigenden Sanierungsgeschäft aus, das in den ersten Jahren deutlich über dem prognostizierten Marktwachstum liegen werde. Der Umsatzanteil aus Lüftungsnetzwerken trage dagegen nur marginal zum Gesamtumsatz bei, wobei dieses Geschäft im Gegensatz zum Kamingeschäft nach der Detailplanungsphase nicht auslaufen solle.
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Synergien aus dem seit 1993 bestehenden Kooperationsvertrag mit der Antragsgegnerin mit Vorteilen aus der Aufteilung der Produktion sowie der gemeinsamen Beschaffung einzelner Rohstoffe seien in die Planzahlen eingeflossen. Durch die laufende Anpassung der Verkaufspreise werde stets mit den aktuell günstigen Konditionen gerechnet, wobei die Angemessenheit der Leistungsverrechnungen im Rahmen der Prüfung des Abhängigkeitsberichts auf Marktüblichkeit hin überprüft werde.
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(3) Die Aufwandsplanung stelle sich als angemessen dar und führe zu einer nicht zu beanstandenden Rohertragsmarge. Der wesentliche Grund für den geringfügigen Rückgang um einen Prozentpunkt über vier Jahre liege in den steigenden Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Kauf von Emissionszertifikaten, für die die Gesellschaft angesichts einer deutlichen Verknappung sowie der politischen Rahmenbedingungen einen deutlichen Preisanstieg erwarte. Gerade die Verschärfung der Emissionsziele durch den Beschluss der Bundesregierung vom 12.5.2021 mit einer Emissionsneutralität bereits bis zum Jahr 2045 wirke sich negativ auf die Rohertragsmarge aus. Da ein steigendes Sanierungsgeschäft eine zentrale Planannahme der Gesellschaft darstelle, berücksichtige die Planung ausreichend die Folgen der Klimavorgaben des Bundesverfassungsgerichts auf das Sanierungskonzept. Die seit dem Jahr 2016 in vier aufeinanderfolgenden Jahren rückläufige EBITDA-Marge belege, dass das pandemiebedingt außerordentlich erfolgreiche Geschäftsjahr 2021 nicht fortgeschrieben werden könne, zumal in der Vergangenheit die EBITDA-Margen der Gesellschaft deutlich unterhalb der der P1. Group-Unternehmen gelegen habe. Der Anstieg der Personalkosten beruhe auf einem stetig steigend erwarteten Personalaufwand pro Mitarbeiter angesichts der zu erwartenden Tarifkostensteigerungen und der angespannten Situation am Arbeitstag an den (süddeutschen) Standorten mit hoher regionaler Konkurrenz, während ein Anstieg der Mitarbeiterzahlen mit Ausnahme des Jahres 2021 und der Übernahme von Leiharbeitern aus dem Jahr 2020 nicht geplant sei. In den weiteren Planjahren solle die Mitarbeiterzahl von 555 im Jahr 2021 auf 545 Mitarbeiter im Jahr 2025 fallen. Das Logistikkonzept verfolge das Ziel der Optimierung der Bereitstellung der Ware, ohne dass dadurch eine unmittelbare Kostenoptimierung eintrete.
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(4) Die Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern müsse sowohl im Zähler wie auch im Nenner des Bewertungskalküls erfolgen, weil die Nettozuflüsse nicht nur durch die Ertragsteuern auf der Unternehmensebene, sondern auch durch die auf der Ebene der Anteilseigner beeinflusst würden, die diesen zur freien Verfügung stünden.
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(5) Die Planung der sonstigen betrieblichen Erträge sei angesichts der notwendigen Bereinigung von diversen Sondereinflüssen in der Vergangenheit wie der Auflösung von Rückstellungen der Altlastenentsorgung über € 8,9 Mio. im Jahr 2018 und von Kulanzrückstellungen über € 2,2 Mio. im Jahr 2019 erfolgt. Der in Phase I angesetzte Betrag von € 500.000,- liege oberhalb der Bandbreite des bereinigten Niveaus zwischen € 373.000,- und € 485.000,-. Der Anstieg der sonstigen betrieblichen Aufwendungen beruhe vor allem auf Preissteigerungen bei den einzelnen Aufwandspositionen. Nach der Auflösung der gesamten außerordentlichen Rückstellungen in den Jahren 2018 und 2019 habe sich das Niveau normalisiert. Mit Ausnahme eines Anstiegs der Steuerrückstellungen in den Jahren 2018 bis 2020 seien die sonstigen Rückstellungen für Rekultivierung, Risikovorsorge, Personalverpflichtungen und sonstigen Verpflichtungen weitgehend konstant.
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(6) Keine Korrektur müsse beim Beteiligungsergebnis der A. S. Gesellschaft mbH vorgenommen werden. Angesichts sich ständig verschärfender Regularien für kleine und mittelgroße Holzfeuerungsanlagen auch in Österreich könne nicht auf die Ergebnisse der Vergangenheit im Kamingeschäft zurückgegriffen werden, weil dies die künftigen Entwicklungen nicht sachgerecht abbilde.
37
(7) Das Übergangsjahr reflektiere die sich aus den Marktbedingungen ergebenden langfristigen Marktentwicklungen, ohne deren Berücksichtigung die Bewertung mangels Vorliegens eines eingeschwungenen Zustandes am Ende des letzten Planjahres nicht angemessen wäre. Dies beruhe maßgeblich auf der im Jahr 2015 noch nicht beendeten Pflicht zur Klimaneutralität, die infolge veränderter Rahmenbedingungen in der deutschen Ziegelindustrie zu einem Umbruch führen werde. Dies betreffe das Kamingeschäft, die Einführung einer neuen, emissionsneutralen Produktionstechnologie, das Niveau der nachhaltigen Personalaufwandsquote, das in der Nachhaltigkeit um rund 1 Prozentpunkt niedriger als am Ende der Detailplanungsphase angesetzt werde, sowie die Höhe der nachhaltigen Erhaltungsinvestitionen von € 4 Mio. in der Nachhaltigkeit. Beim Kamingeschäft werde der Schwellenwert von € 5 Mio., ab dem es nicht mehr rentabel sei, im Jahr 2044 erreicht. Bei der schwer zu prognostizierenden neuen Produktionstechnologie werde davon ausgegangen, dass diese neue Technologie ihre Kapitalkosten verdiene. Von den nachhaltigen Investitionen in Höhe von € 7,8 Mio. falle die Hälfte auf die notwendigen Investitionen in die neue, emissionsneutrale Produktionstechnologie.
38
(8) Die Thesaurierung in Phase I diene der Refinanzierung des korrespondierend zu den Umsatzerlösen steigenden Netto-Umlaufvermögens sowie der Finanzierung von Investitionen, was die Aufnahme von Fremdkapital vermeide, weshalb der Beta-Faktor sinke, was sich werterhöhend auswirke. Die Besteuerung nachhaltiger inflationsbedingter Wertsteigerungen könne nicht beanstandet werden.
39
(9) Bei der nachhaltigen EBIT-Marge bestehe kein Korrekturbedarf, zumal die EBITDA-Marge deutlich aussagekräftiger sei angesichts des Anstiegs der Abschreibungen in der Konvergenzphase. Das EBITDA übertreffe in der Ewigen Rente mit 12,5% die Planungsperiode wie auch die Vergangenheit mit Ausnahme des durch die Sondereffekte geprägten Jahres 2020. Diese höhere Profitabilität lasse sich nur über Investitionen erreichen, auch wenn diese höhere Abschreibungen zur Folge hätte. Das EBIT liege mit einer Marge von 5,2% zwischen den in den Jahren 2018 und 2019 erzielten EBIT-Margen.
40
b. Der Kapitalisierungszinssatz müsse nicht verändert werden.
41
(1) Nicht zu beanstanden sei die Ableitung des Basiszinssatzes anhand der Svensson-Methode, bei der es zu einer Abrundung auf 0,2% vor Steuern gekommen sei. Trotz des Anstiegs zum Stichtag auf 0,34%, abgerundet auf 0,3% vor Steuern sei die Abfindung nicht herabgesetzt worden. Angesichts des Anstiegs der Rendite von 30-jährigen Anleihen zum Tag der Hauptversammlung mit 0,31% p.a. habe eine Anlagemöglichkeit zu diesem Stichtag in der Höhe des Basiszinssatzes bestanden. Das Bestehen eines Marktes für Credit Default Swaps auf deutsche Staatsanleihen lassen keinen Rückschluss auf die fehlende (Quasi-)Risikolosigkeit zu.
42
(2) Der zwingend anzusetzende Risikozuschlag sei sachgerecht mit Hilfe des (Tax-)CAPM hergeleitet worden. Die in der Mitte der vom FAUB zum Bewertungsstichtag empfohlenen Bandbreite liegende Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern beruhe auf einem pluralistischen Ansatz unter Einschluss impliziter Marktrisikoprämien und könne zugrunde gelegt werden. Die Gesamtrenditeerwartung sei in deutlich geringerem Maße rückläufig als der Basiszinssatz. Das arithmetische Mittel sei der angemessene Schätzwert, weil die Renditen von Aktienmärkten deutlich eher unabhängig als abhängig seien. Die Ableitung des Beta-Faktors beruhe auf einer sachgerecht zusammengesetzten P1. Group, deren unverschuldete Beta-Faktoren in einem Bereich von 0,77 bis 0,98 lägen. Mangels Börsennotiz könne auf einen unternehmenseigenen Beta-Faktor nicht zurückgegriffen werden. Die zum Relevern angesetzten Verschuldungsgrade seien angemessen. Ein Abstellen auf den MSCI World Index könne nicht zwingend gefordert werden; eine Regression könne auch nur gegen lokale Indizes erfolgen.
43
(3) Der Wachstumsabschlag von 0,5% müsse nicht angehoben werden. Die allgemeine Inflationsrate könne dabei nicht ausschlaggebend sein. Bei der allein maßgeblichen unternehmensspezifischen Inflationsrate falle ins Gewicht, dass eine kostendeckende Produktion von Dachziegeln für die Gesellschaft aufgrund ihrer speziellen Wettbewerbssituation, der stagnierenden Nachfrage nach Steildächern und des Mangels an verfügbaren alternativen Produktionstechnologien zunehmend erschwert werde. Diese Ansatz führe allerdings nicht zu einem Schrumpfen des Unternehmens angesichts einer Gesamtwachstumsrate von 3% p.a., die das thesaurierungsbedingte Wachstum berücksichtige. Ein Vergleich mit der zu einem früheren Stichtag im Jahr 2017 angenommenen Wachstumsabschlag bei der C. AG verbiete sich schon wegen der unterschiedlichen Bewertungsstichtage. Ein Widerspruch zur Marktrisikoprämie lasse sich nicht bejahen.
44
c. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen sei ordnungsgemäß bewertet worden.
45
(1) Der auf einem Gutachten von Herrn P. J.beruhende Ansatz für das als Sonderwert bewertete sechsgeschossige Büro- und Geschäftshaus in der T.-straße … in der M.er Innenstadt berücksichtige insbesondere angemessen die Wertentwicklung seit dem Kauf im Jahre 2017 zu einem Preis von € 66 Mio. Der Bodenwert beruhe auf den zum Stichtag bekannten Werten des Jahres 2018; der Wert zum 31.12.2021 betrage € 105.000,- und führe nur zu einer unwesentlichen Erhöhung des Verkehrswerts der Immobilie um etwa 2%. Der Rohertragsfaktor von 44,4 stehe im Einklang mit den vom Gutachterausschuss der Landeshauptstadt M. für Geschäftshäuser in zentraler Innenstadtlage ermittelten Mittelwert von 46. Sämtliche Mieten seien von Herrn J. bei seinem Gutachten verprobt und festgestellt worden.
46
(2) Kein Korrekturbedarf bestehe bei den nicht betriebsnotwendigen liquiden Mitteln in einem Umfang von € 29,5 Mio. ungeachtet eines Bestandes von € 70 Mio. am Ende des Jahres 2020. Der Mittelabfluss in 2021 und 2022 von insgesamt € 20,5 Mio. beruhe auf den Großinvestitionen für das geplante Logistikkonzept in Höhe von € 12 Mio. und dem Erwerb von Grundstücken von € 8,5 Mio. und jährlichen Erhaltungsinvestitionen von insgesamt € 9,2 Mio. Gleichfalls erforderlich sei eine Liquiditätsreserve vor allem aufgrund der starken Saisonalität des Geschäftsmodells der E. AG. Bei den gebildeten Gewinnrücklagen handele es sich dagegen nicht um ausschüttungsfähige Liquidität.
47
(3) Den zum 31.12.2020 gebildeten sonstigen Rückstellungen in Höhe von € 19,4 Mio. komme keinerlei zusätzliches Wertpotenzial für die Aktionäre zu.
48
(4) Ein Abzug des negativen Gesamt-Cashflow der Jahre 2021 und 2022 sei sachgerecht von den liquiden Mitteln zum Zwecke des Sonderwerts für die freie Liquidität abgezogen worden, nicht aber direkt vom Unternehmenswert. Dieser Abzug diene der Kalkulation des Sonderwerts und ändere nichts am Cash-Bestand zum 31.12.2020 in Höhe von rund € 70 Mio., der durch die Annahme eines Sonderwerts und bei der Bestimmung des verschuldeten Beta-Faktors direkt in die Unternehmensbewertung eingeflossen sei.
49
(5) Die Erfassung der Marke „E.“ als Sonderwert könne nicht erfolgen, weil sie angesichts ihrer Betriebsnotwendigkeit Niederschlag in den Planannahmen der Gesellschaft finde.
50
(6) Bei Wiesen-, Wald- und landwirtschaftlichen Flächen mit einem Buchwert von € 1,9 Mio. zum 31.12.2020 handele es sich um betriebsnotwendige Vermögensgegenstände, weil diese zweckgebundene, der Erfüllung von Naturschutzauflagen dienende Ausgleichsflächen seien, die im direkten Zusammenhang mit der operativen Geschäftstätigkeit der E. AG stünden. 63 ha landwirtschaftliche Flurstücke mit einer Fläche von insgesamt 219,2 ha mit einem Buchwert von € 13,2 Mio. seien größtenteils Lehm- und Tongruben und folglich betriebsnotwendig.
51
(7) Eine Forderung in Höhe von € 1,2 Mio. gegen die Antragsgegnerin könne angesichts ihrer Herkunft aus dem operativen Geschäftsverkehr nicht als Sonderwert angesetzt werden. Der Vertrieb der Dachziegel der Antragsgegnerin beruhe auf der seit 1993 bestehenden Kooperationsvereinbarung auf der Grundlage von marktüblichen Konditionen.
52
d. Über den Börsenkurs lasse sich keine höhere Barabfindung herleiten, weil außerbörslichen Kursen über die Plattform Valora keine Aussagekraft zukomme. Vorerwerbspreise hätten für die Abfindung keine Bedeutung.
53
4. a. Das Gericht hat mit Beschluss vom 14.6.2022 (Bl. 193 d.A.) Frau Rechtsanwältin … zur gemeinsamen Vertreterin der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre der E. AG bestellt. Mit Verfügung vom selben Tag (Bl. 198 d.A.) hat der Vorsitzende die Veröffentlichung der Bekanntmachung dieser Bestellung (Bl. 194 d.A.) veranlasst. Die gemeinsame Vertreterin rügt in erster Linie das Absinken der Umsatzerlöse im ersten Planjahr mit anschließender Stagnation des Umsatzes bei gleichzeitig steigenden Personalkosten ebenso wie den Rückgang der EBITDA-Marge von 17,6% auf 7,7% und die auslaufende Tätigkeit im Kaminbereich als nicht plausibel. Beim Kapitalisierungszinssatz müsse der originäre Beta-Faktor von 0,57 angesetzt und die Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern abgesenkt werden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass die E. AG wie in den Jahren 2020 und 2021 in der Lage sei, inflationsbedingte Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. Die im Miteigentum stehende Immobilie sei angesichts der exquisiten Lage in der M.er City unterbewertet.
54
b. Das Gericht hat mit Verfügung vom 21.02.2023 (Bl. 254 d.A.) den auf den 23.2.2023 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund Erkrankung der Abfindungsprüfer aufgehoben und mit Beschluss vom 5.4.2023 (Bl. 258/262 d.A.) die Abfindungsprüfer gebeten, in einer schriftlichen Stellungnahme Fragen zu den Rügen der Antragsteller zu beantworten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.12.2023 hat das Gericht die Abfindungsprüfer von M. – Frau Wirtschaftsprüferin … I. und Herrn Wirtschaftsprüfer … D. – mündlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der schriftlichen und mündlichen Anhörung der Abfindungsprüfer wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten schriftlichen Stellungnahme der Abfindungsprüfer vom 5.7.2023 (Bl. 269/302 d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2023 (Bl. 329/337 d.A.).
55
c. Mit Beschluss vom 5.4.2023 (Bl. 258/262 d.A.) hat das Gericht die Antragsgegnerin aufgefordert, das Gutachten zur Immobilienbewertung von Herrn J. den Antragstellern zu übermitteln, die dessen Vorlage verlangt haben.
56
5. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.12.2023 (Bl. 329/337 d.A.) nebst Anlagen.
B.
57
Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung als € 96,99 je Aktie sind zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
58
Die Anträge aller Antragsteller sind zulässig.
59
1. Die Antragsteller sind jeweils antragsbefugt im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 SpruchG a.F., weil sie im Zeitpunkt der Eintragung des Beschlusses über den Squeeze out in das Handelsregister der E. AG am 6.8.2021 Aktionäre der Gesellschaft waren. Die Antragsgegnerin hat den entsprechenden Antrag aller Antragsteller entweder von vornherein nicht bestritten oder im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt bzw. nicht mehr bestritten, weshalb er gemäß §§ 8 Abs. 3 SpruchG, 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
60
2. Die Anträge wurden jeweils fristgerecht gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG a.F. beim Landgericht München I eingereicht, also innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses entsprechend den Vorgaben aus § 10 HGB. Diese Bekanntmachung erfolgte am 7.8..2021, weshalb die Frist dann am 8.11.2021 endete, nachdem der 7.11.2021 ein Sonntag war. Demgemäß endet die Frist gem. §§ 17 Abs. 1 SpruchG a.F., 16 Abs. 2 FamFG., 222 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des nächsten Werktages endet. Dies war Montag, der 8.11.2021.
61
3. Alle Antragsteller haben innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation erhoben, weshalb die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 SpruchG erfüllt sind. Aufgrund dieser Vorschrift sind konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit nach § 1 SpruchG oder gegebenenfalls den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert in die Antragsbegründung aufzunehmen. Diesen Anforderungen werden alle Anträge gerecht, weil die Anforderungen an die Konkretisierungslast nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer in Übereinstimmung mit dem BGH nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH NZG 2012, 191, 194 = ZIP 2012, 266, 269 = WM 2012, 280, 283 = DB 2012, 281, 284; LG München I ZIP 2015, 2124, 2126; Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.2.2024, § 4 SpruchG Rdn. 24). Die Antragsgegnerin hat insoweit auch keine Bedenken geäußert, weshalb weitere Ausführungen hierzu nicht veranlasst sind.
II.
62
Die Anträge sind jedoch nicht begründet, weil die Barabfindung in Höhe von € 96,99 je Aktie der E. AG als angemessen angesehen werden muss.
63
Aufgrund von § 327 d Abs. 1 Satz 1 AktG legt der Hauptaktionär die Höhe der Barabfindung fest; sie muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Die Barabfindung ist dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also den vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts aus Art.14 Abs. 1 GG muss der Aktionär einen vollständigen wirtschaftlichen Ausgleich für die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung als Aktionär gewährt werden. Hierzu muss der „wirkliche“ oder „wahre“ Wert des Anteilseigentums widergespiegelt werden. Zu ermitteln ist also der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (vgl. nur BGH NJW 2023, 2114, 2116 = NZG 2023, 937, 939 = AG 2023, 443, 444 = ZIP 2023, 795, 796 = WM 2023, 714, 716 = DB 2023, 953, 954 = Der Konzern 2013, 217, 219; OLG München WM 2009, 1848 f. = ZIP 2009, 2339, 2340; ZIP 2007, 375, 376; AG 2020, 133, 134 f. = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Düsseldorf ZIP 2022, 1269, 1271; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 21 W 15/11, zit. nach juris; OLG Stuttgart ZIP 2010, 274, 276 = WM 2010, 654, 646; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 791 = Der Konzern 2018, 74, 75; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; LG München I AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17096/11; Beschluss vom 22.2.2022, Az. 5HK O 16226/08; Beschluss vom 25.8.2023, Az.5HK O 12034/21).
64
Der für die Abfindung der Aktien maßgebliche Unternehmenswert wurde dabei im Ausgangspunkt zutreffend unter Anwendung der Ertragswertmethode ermittelt, bei der es sich um eine in der Wissenschaft wie auch der Praxis anerkannte Vorgehensweise handelt (vgl. hierzu nur Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 8. Aufl., S. 353), die folglich auch der Ermittlung des Unternehmenswertes der E. AG zugrunde gelegt werden kann. Danach bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird.
65
Der Ertragswert eines Unternehmens wird dabei durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert zum Stichtag nicht geben kann. Vielmehr kommt dem Gericht die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert als Grundlage der Abfindung im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. nur BGHZ 208, 265, 272 = NZG 2016, 461, 462 = AG 2016, 359, 360 f. = ZIP 2016, 666, 668 = WM 2016, 711, 713 f. = DB 2016, 883, 885 = MDR 2016, 658 f. = NJW-RR 2016, 610, 611 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; AG 2007, 287, 288; NZG 2022, 362, 364 f.; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; Beschluss vom 9.4.2021, Az. 31 Wx 2/19; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 130; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; AG 2016, 329 = ZIP 2016, 71, 72 = WM 2016, 1685, 1687; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189; AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20; Beschluss vom 25.8.2023, Az. 5HK O 12034/23). Dabei ist es nicht geboten, zur Bestimmung des wahren „Wertes“ stets jede denkbare Methode der Unternehmensbewertung heranzuziehen oder die Kompensationsleistung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zu berechnen. Demgemäß müssen gerade nicht die für die Minderheitsaktionäre stets günstigsten Zahlen herangezogen werden. Verfassungsrechtlich geboten sind nur die Auswahl einer im vorliegenden Fall geeigneten, aussagekräftigen Methode und die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Anwendung (vgl. BVerfG NJW 2011, 2497, 2498 = NZG 2011, 869, 870 = AG 2011, 511 f. = ZIP 2011, 1051, 1053 = WM 2011, 1074, 1075 f. = BB 2011, 1518, 1520; NZG 2012, 907, 908 f. = AG 2012, 625, 626 = ZIP 2012, 1408, 1410 = WM 2012, 1374, 1375 = BB 2012, 2780 f.; OLG München AG 2020, 133, 134 = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 30.7.2018, Az. 31 Wx 136/16; OLG Düsseldorf AG 2016, 864, 865). Die Ertragswertmethode ist – wie ausgeführt – in Rechtsprechung und Literatur wie auch der bewertungsrechtlichen Praxis weithin anerkannt. Auch bei dem Standard IDW S1 handelt es sich um eine fachliche Bewertungsweise, mit deren Hilfe der Ertragswert bestimmt werden kann. Die Kammer sieht diese Methode, auch wenn sie von einem privaten Verein entwickelt wurde und daher keinen bindenden Rechtsnormcharakter haben kann, als zur Unternehmenswertermittlung geeignet an, weshalb sie hier zugrunde gelegt werden kann (vgl. auch OLG Düsseldorf AG 2023, 129, 130; 284, 287).
66
Die Möglichkeit, den Unternehmenswert anhand des Ertragswertverfahrens entsprechend den Grundsätzen des IDW S1 sachgerecht zu ermitteln, zeigt sich letztlich auch aus der Wertung der §§ 199 ff. BewG. Aufgrund von § 201 BewG bildet der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag die Grundlage für die Bewertung bei steuerlichen Anlässen. Dieses Verfahren ist zwar von Typisierungen und Vereinfachungen geprägt, um die steuerliche Abwicklung zu erleichtern (vgl. Krumm in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, 39. Erg.Lfg, Stand: Oktober 2021, Kap. 94 Rdn. 25), orientiert sich aber von der Methodik her an den Grundsätzen des Ertragswertverfahrens entsprechend dem Standard IDW S1, wie es sich in der – auch von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gebilligten – Praxis durchgesetzt hat. Der Gesetzgeber geht in §§ 199 ff. BewG sehr wohl davon aus, dass sich der Unternehmenswert auf diese Art und Weise durch Kapitalisierung der künftig zu erzielenden Überschüsse ermitteln lässt, wie dies auch dem Standard IDW S1 zugrunde liegt (vgl. auch OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113 f.). Daher ist den im Hinweisbeschluss des Landgerichts Köln, Az. 82 O 2/16 geäußerten Zweifeln an der Tragfähigkeit der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts nach dem Standard IDW S1 nicht zu folgen.
67
Diesem Ansatz lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Berechnung müsse in Anlehnung an die Best Practice-Empfehlungen der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management zumindest plausibilisiert werden. Die Ertragswertmethode ist in der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis weithin anerkannt und üblich, weshalb sie entsprechend den Vorgaben insbesondere auch des BGH der Ermittlung des Unternehmenswerts als Grundlage der angemessenen Barabfindung bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen zugrunde gelegt werden kann. Angesichts dessen bedarf es nicht zwingend einer weiteren Überprüfung durch eine andere Methode, die zudem nicht unerheblicher Kritik in der Fachliteratur ausgesetzt ist, weil das Konzept des markttypischen Erwerbers sich vom relevanten Bewertungsobjekt unzulässiger Weise entferne und es auch zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung der Unsicherheit im Bewertungskalkül komme (vgl. Olbrich/Rapp CF 2012, 233 ff.; auch Quill, Interessengeleitete Unternehmensbewertung – Ein ökonomisch-soziologischer Zugang zu einem neuen Objektivismusstreit, Diss. Universität des Saarlandes, 2016, S.330 f.). Auf eine variable Bandbreite abzielende Empfehlungen sind keinesfalls besser geeignet als die Ertragswertmethode, weil eine Bandbreite keine angemessene Barabfindung darstellen kann, nachdem diese auf einen bestimmten Betrag lauten muss.
68
Für die E. AG ergibt sich zum Stichtag der Hauptversammlung ein Unternehmenswert von € 127,29 Mio. und damit eine Barabfindung von € 96,99 je Aktie.
69
1. Grundlage für die Ermittlung der künftigen Erträge ist die Planung der Gesellschaft, die auf der Basis einer Vergangenheitsanalyse vorzunehmen ist und vorliegend auch vorgenommen wurde. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge allerdings nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. BVerfG NJW 2012, 3020, 3022 = NZG 2012, 1035, 1037 = AG 2012, 674, 676 = ZIP 2012, 1656, 1658 = WM 2012, 1683, 1685 f.; OLG München BB 2007, 2395, 2397; ZIP 2009, 2339, 2340 = WM 2009, 1848, 1849; NZG 2022, 362, 367 f.; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 114; AG 2006, 420, 425; 2007, 705, 706). Demzufolge kann eine Korrektur der Planung nur dann erfolgen, wenn diese nicht plausibel und unrealistisch ist. Eine derart unvertretbare und damit unplausible Planung kann nur dann angenommen werden, wenn sie im Vergleich zu den Ergebnissen der Vergangenheit, den Planansätze aus den Planungen der Vorjahre und unter Berücksichtigung vorhandener Analystenschätzungen für den Detailplanungszeitraum zu konservativ ist und überdies Planabweichungen zur vergangenen Entwicklung nicht schlüssig erklärbar sind, die Planung einseitige, systematische Verzerrungen aufweist oder wenn bei entsprechender Marktkontinuität ein bisher auch in den besten bzw. schlechtesten Zeiten nie erreichtes Niveau ohne nachvollziehbare Begründung geplant wird (vgl. OLG München WM 2009, 1148, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 354; OLG Stuttgart AG 2014, 291, 296 f.; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = Der Konzern 2016, 94, 96 = DB 2015, 2200, 2202; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189 f.; ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20; Beschluss vom 25.8.2023, Az. 5HK O 12034/21).
70
Diese Grundsätze wurden bei der E. AG zutreffend beachtet, weshalb die Planung der Gesellschaft als Grundlage für die Herleitung des Ertragswerts in Höhe von 73,024 Mio. herangezogen werden kann.
71
a. Dies gilt zunächst für die allgemeinen Erwägungen, auf die Planung beruht.
72
(1) Die die drei Jahre 2018 bis 2020 umfassende Vergangenheitsanalyse lässt nicht auf eine fehlerhafte Planungssystematik schließen. Diese verfolgt in erster Linie den Zweck zu ermitteln, inwieweit die für die Ermittlung des Ertragswerts wesentlichen und bestimmenden Zukunftsprognosen tragfähig und plausibel sind (vgl. OLG Frankfurt AG 2020, 955, 958; LG München I AG 2020, 222, 224 = Der Konzern 2020, 311, 312). Der hierfür heranzuziehende Betrachtungszeitraum beträgt üblicherweise zwei bis drei Jahre, wie der Kammer aus einer Vielzahl bei ihr anhängiger Spruchverfahren bekannt ist. Die Abfindungsprüfer gelangten zu dem Ergebnis, dass bei der E. AG im Grundsatz von einer Planungstreue ausgegangen werden kann und die Planabweichungen im Jahr 2018 mit einer Verfehlung des Umsatzziels um 2,9% auf einen im Vergleich zu den Erwartungen stärkeren Rückgang der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäusern sowie einen stagnierenden Sanierungsmarkt zurückzuführen sind, wobei der Einbruch unerwartet im letzten Quartal des Jahres 2018 kam, so dass keine Gegenmaßnahmen mehr zur Erreichung des geplanten Ergebnisses möglich waren. Der Rückgang des unbereinigten EBIT im Jahr 2019 beruhte vor allem auf der Auflösung von Rückstellungen der Altlastenentsorgung in Teistungen in Höhe von € 7,493 Mio. und auf Erträgen aus der Auflösung von Rückstellungen der Pensionsverpflichtungen und Rekultivierung in Höhe von € 1,377 Mio. im Jahr 2018, während die sonstigen betrieblichen Erträge im Jahr 2019 lediglich deutlich geringere Erträge aus der Auflösung von Kulanzrückstellungen in Höhe von € 2,194 Mio. und Gewinne aus Anlagenabgängen in Höhe von € 858.000,- beinhalteten. Zudem stieg der Materialaufwand im Jahr 2019 um € 5,007 Mio. auf € 49,018 Mio. aufgrund höherer Reparaturaufwendungen für Tunnelöfenwägen und höhere Kosten für Handelswaren an. Die sehr deutliche Planüberschreitungen beim geplanten Umsatzes um 19,3% und beim geplanten EBIT um 109,5% im Jahr 2020 lassen nicht auf eine fehlerhafte Planungssystematik schließen. Das Jahr 2020 war geprägt durch die Sondereinflüsse der im Februar 2020 begonnenen und sich im März 2020 verstärkenden COVID-19-Pandemie. Vor dem Hintergrund der nationalen Lockdown-Regelung kam es im Frühjahr 2020 zu einer stark erhöhten Nachfrage nach Produkten der E. AG, was unter anderem auf der Befürchtung der Kunden beruhte, die Produktion der Gesellschaft könne als Folge der Pandemie stillgelegt werden. Zudem verwiesen Frau I. und Herr D. in ihrer ergänzenden Stellungnahme auf die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice mit einem Fokus auf das Eigenheim mit der Folge verstärkter Sanierungstätigkeiten sowie auf Nachhol- bzw. Vorzieheffekte der auf das zweite Halbjahr befristeten Umsatzsteuersenkung von 19% auf 16%. Außerdem profitierte die E. AG von dem zum 1.1.2020 gestarteten „Klimapaket 2020“ zur Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen. Aufgrund dieser Sondersituation verbietet sich ein Rückschluss auf eine unsystematische Planung. Bei der Beurteilung dieser Frage muss nämlich vor allem auch gesehen werden, dass die Entwicklung der Umsatzerlöse von exogenen Faktoren wie der Entwicklung der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie des Sanierungsmarktes, gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Witterung abhängt, deren Auswirkungen nur eingeschränkt planbar sind. Bei einer negativen Umsatzentwicklung ist die Gesellschaft bestrebt, dies durch die Verschiebung geplanter Investitionen oder Neueinstellung von Mitarbeitern zu kompensieren.
73
(2) Von einer fehlerhaften anlassbezogenen Planung kann nicht ausgegangen werden. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus vorgenommenen Plananpassungen im Zuge der Aktualisierung der Planung im April 2021 im Vergleich zur Mittelfristplanung von Dezember 2020, wobei die Anpassungen vor allem den geplanten Materialaufwand für das Jahr 2020 von € 51,51 Mio. um € 140.000,- auf € 51,37 Mio. und für das Jahr 2025 von € 52,62 Mio. um € 860.000,- auf € 52,76 Mio. reduzierten. Bei den Strom- und Gaskosten konnten bei der Überarbeitung im April 2021 nämlich bereits die bekannten CO₂-Preise beim Strom und Gas angesetzt werden, während im Dezember 2020 die Entwicklung in den Materialkosten nur fortgeschrieben wurde. Die überarbeitete Planung vom April 2021 ging nach den von den Abfindungsprüfern vermittelten Erkenntnissen von einer Entspannung im Arbeitsmarkt in der Region aus, während die Planung vom Dezember 2020 noch einen Mangel an geeigneten Arbeitskräften zugrunde legte. Damit aber konnte mit der üblichen Lohnanpassung von 2% bis 3% pro Jahr gerechnet werden, was zu einer Reduktion des Personalaufwands im Jahr 2024 um € 230.000,- und im Jahr 2025 von € 850.000,- führte.
74
Aus diesen Aktualisierungen kann nicht auf eine unzulässige Anlassplanung geschlossen werden. Zwar muss davon ausgegangen werden, dass ausschließlich zu Bewertungszwecken außerhalb des regulären Planungsprozesses erstellte Sonderplanungen kritisch zu hinterfragen sind (vgl. OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 330 = ZIP 2016, 71, 72 f. = WM 2016, 1685, 1687 f. = Der Konzern 2015, 550, 553; OLG Frankfurt Der Konzern 2018, 74, 76; OLG Karlsruhe, AG 2016, 672, 674; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., Anh § 305 Rdn. 27 b). Ohne Berücksichtigung neuerer Entwicklungen bei den Planansätzen würde die Abfindung aber nicht mehr die Verhältnisse zum Stichtag der Hauptversammlung widerspiegeln, wie dies von der maßgeblichen Vorschrift des § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG jedoch gefordert wird (vgl. OLG München AG 2019, 659, 660; LG München I, Beschluss vom 2.12.2016, Az. 5 HK O 5781/15; Beschluss vom 14.6.2023, Az. 5HK O 2103/22).
75
(3) Eine Einflussnahme der Antragsgegnerin auf die Planung des Vorstands mit dem Ziel, Planansätze zum Nachteil der Minderheitsaktionäre vorzusehen, kann zur Überzeugung der Kammer nicht angenommen werden. In ihrer schriftlichen Stellungnahme wiesen Frau I. und Herr D. darauf hin, bei der E. AG habe es einen regulären Planungsprozess gegeben, auf den die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin keinen Einfluss genommen habe. Die Planung erfolgt bottom up durch die Bereichsverantwortlichen, deren Ergebnisse zu den einzelnen Planansätzen dann durch den Vorstand aggregiert und mit den Bereichsverantwortlichen diskutiert wird. Nach der Vornahme etwaiger Anpassungen top down zur Sicherstellung der Konsistenz werden die Planansätze durch den Vorstand zu einer Planung der Umsatzerlöse, des Materialaufwands, der übrigen Ertrags- und Aufwandsposten sowie der Investitionen für das Budgetjahr überführt. Auf dieser Planansätze erfolgt dann die Budgetplanung wie dies im Bewertungsgutachten von K. und im Prüfungsbericht von M. dargestellt ist.
76
Aus wirtschaftlichen Verbindungen der Aufsichtsratsmitglieder F. R. und M. G. zu der Antragsgegnerin lässt sich eine unzulässige Anlassplanung nicht rechtfertigen. Herr F. R. war bis zum Jahr 2017 Aktionär der E. AG und verkaufte dann seine Aktien an die Antragsgegnerin. Er hatte zudem ein Vorkaufsrecht an einem Miteigentumsanteil von 1/3 an der Immobilie in der T.-straße …, das er ausübte; nach Beendigung seiner Aktionärsstellung verkaufte er den Anteil an der Immobilie an die E. AG für € 20 Mio. zuzüglich Nebenkosten. Allein aufgrund seiner Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats ist es ihm nicht möglich, die Planung zulasten der Minderheitsaktionäre zu beeinflussen, zumal er selbst keinerlei Interesse an einer Einflussnahme aufgrund seiner fehlenden Aktionärsstellung haben konnte. Frau M. G. erhielt einen Nießbrauch an 170.000 Aktien, die ihr Sohn C. G. im Wege eines Wertpapierdarlehens zusammen mit weiteren 156.275 Aktien an die Antragsgegnerin übertragen hatte. Aufgrund dieser Stellung als Nießbraucherin mit einem Anteil von 12,95% der Aktien der Gesellschaft hat sie keine Möglichkeit, die Planung des Vorstands der E. AG zu beeinflussen. Nicht anderes gilt für ihre Stellung als Aufsichtsratsmitglied, nachdem einem Aufsichtsratsmitglied keine operative Leitungsbefugnis auch im Hinblick auf die Planerstellung zukommt.
77
Eine Einflussnahme auf die Planung konnte auch nicht über die im Jahr 1993 abgeschlossene Kooperationsvereinbarung erfolgen. Dieser Vertrag sieht die Übernahme der Vermarktung der von der Antragsgegnerin hergestellten Tondachziegel durch die E. AG vor. Die Abfindungsprüfer wiesen darauf hin, dass die in der Planung enthaltenen Umsatzerlöse mit Handelswaren der Antragsgegnerin oberhalb des Niveaus der Vergangenheit lägen und dass die damit verbundenen Aufwendungen in dem Vertrag festgelegt seien. Die Planung reflektiert die gelebte Praxis des Vertrages. Vor allem aber ergibt sich aus der Stellungnahme von Frau I. und Herrn D., dass die Preis- und Mengenhoheit der Produkte, um die es im Kooperationsvertrag geht, bei der E. AG liegt. Folglich ist aufgrund eines geschlossenen, definierten und automatisierten Verfahrens eine Einflussnahme der Antragsgegnerin oder durch Herrn G. nicht möglich. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses hatte der Aufsichtsratsvorsitzende C. G. weder bei der Antragsgegnerin noch bei der E. AG eine leitende Funktion inne, weshalb über den Kooperationsvertrag keine Einflussnahme auf die Planung erfolgen kann.
78
(4) Der Unternehmensbewertung konnten die Planzahlen des Vorstands zugrunde gelegt werden. Diese Vorgehensweise entspricht dem Konzept der Ertragswertermittlung, das auf die künftige Entwicklung der Gesellschaft aufbaut, wie sie in der Planung niedergelegt ist. Die Erstellung einer Planung für die kommenden Geschäftsjahre gehört indes zu den originären Aufgaben des Vorstands einer Aktiengesellschaft (vgl. Kort in: Großkommentar zum AktG, 5. Aufl., § 76 Rdn. 46).
79
(5) Soweit die Bewertungsgutachter das Finanzergebnis abgeleitet und die Steuerplanung vorgenommen haben, lässt sich daraus keine Fehlerhaftigkeit der Bewertung ableiten. Die Planung der Gesellschaft umfasst die einzelnen Ertrags- und Aufwandspositionen bis auf die Ebene des EBIT, nicht aber das Zinsergebnis und die Steuern, die jedoch bei der Ermittlung des Konzernjahresergebnisses als Grundlage der zu erwartenden Ausschüttungen einfließen müssen. Die Zinseinnahmen wie auch die Zinsausgaben ergeben sich regelmäßig auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen; die Ertragsteuern ergeben sich aus den gesetzlichen Vorgaben insbesondere des KStG und GewStG. Dann aber können die Bewertungsgutachter angesichts dieser klar definierten Vorgaben ihre Vorstellungen von einer sachgerechten Planung gerade nicht an die Stelle des Vorstands setzen.
80
(6) Stille Reserven können nicht in die Ermittlung des Ertragswerts einfließen. Diese werden aufgedeckt, wenn ein in der Bilanz unterbewerteter Vermögensgegenstand zu einem höheren Wert veräußert wird. Diese unterstellte Veräußerung zum Stichtag würde indes einen Widerspruch zur Fortsetzung des Unternehmens darstellen, bei der das betriebsnotwendige Vermögen weiter genutzt werden muss und folglich gerade nicht veräußert werden kann (vgl. LG München I, Beschluss vom 7.2.210 Az. 5 HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.20217 Az. 5 HK O 26513/11; Beschluss vom 25.8.2023, Az. 5HK O 12034/21; LG Stuttgart, Beschluss vom 7.10.2019, Az. 31 O 36/16 KfH SpruchG – zit. nach juris).
81
b. Die Umsatzplanung der Gesellschaft muss als plausibel eingestuft werden, weshalb keine Änderungen bei den geplanten Umsätzen in Höhe von € 118,07 Mio., € 118,67 Mio., € 119,33 Mio., € 120,02 Mio. und € 120,71 Mio. in den Jahren der Detailplanungsphase von 2021 bis 2025 veranlasst sind.
82
(1) Der Rückgang von € 132,457 Mio. vom Jahr 2020 auf das erste Planjahr 2021 begründet nicht die mangelnde Plausibilität.
83
(a) Die Zahl der Baubeginne in Deutschland entsprechend der nach dem Stichtag der Hauptversammlung vom 25.6.2021 veröffentlichten Statistik des Statistischen Bundesamtes kann kein Maßstab für die Umsatzentwicklung der E. AG sein. Zum einen ist die Gesellschaft lediglich auf den süddeutschen Raum fokussiert und vertreibt ihre Produkte gerade nicht in ganz Deutschland. Vor allem aber beinhalten Baubeginne neben Ein- und Zweifamilienhäusern auch Mehrfamilienhäuser, die in der Regel keine Steil-, sondern Flachdächer haben, für die dann aber keine Dachziegel benötigt werden. Die Prognosen der B + L M2. GmbH für Steildächer sagen für das Jahr 2021 einen Rückgang der im Rahmen des Neubaus erstellten Steildachflächen von 1,1% und für das Jahr 2022 von 1,6% voraus. In gleicher Weise sollen nach diesem Marktbericht vom September 2020 die Baugenehmigungen für Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäuser um durchschnittlich 0,4% zurückgehen. Daher kann gerade nicht von einem Wachstum der für die Umsatzentwicklung der E. AG ganz maßgeblichen Bauten ausgegangen werden. Etwas anderes kann auch nicht auf der Markterwartung der Bundesvereinigung Bauwirtschaft für die Gesamtbranche in 2021 mit einem Wachstum von 1,0% und einer Preiserhöhung um durchschnittlich 3,2% abgeleitet werden. Diese Markterwartung bezieht sich nämlich auf das in die Bereiche Hochbau, Verkehrs- und Tiefbau sowie Garten und Landschaftsbau aufgeteilte Bauhauptgewerbe. Für die E. AG ist dabei nur der Hochbau relevant, von dem wiederum der Wohnungsbau und dort nur relevant ist, in welchen Gebäuden Wohnungen entstehen. Die Gesellschaft unterscheidet in erster Linie nach Geschossbau und Ein- und Zweifamilienhausbau. Im Wohnungsbau wird Wachstum vorwiegend im Geschossbau generiert, wo es aber weder ein Steildach noch einen Keramikschornstein gibt, weshalb die Gesellschaft von dieser Art von Wohnungsbau nicht profitieren kann. Aber auch bei Ein- und Zweifamilienhäusern kommen immer häufiger Flachdächer und/oder Wärmepumpen zum Einsatz. Auch zeigt die das gesamte Bauhauptgewerbe betreffende Prognose der Bundesvereinigung Bauwirtschaft entsprechend einer Presseerklärung vom 11.3.2021 ein deutliches Nachlassen der Wachstumsdynamik im Jahr 2021, was insbesondere mit Vorzieheffekten im Wohnungsbau aus dem Jahr 2020 begründet wird. Damit aber ist dieselbe Entwicklung mit einem Rückgang der Umsatzerlöse im Jahr 2021 auch bei der E. AG als plausibel zu bezeichnen.
84
(b) Ein Umsatzwachstum von durchschnittlich 0,6% p.a. soll bei konstanten Mengen durch entsprechende Preiserhöhungen erreicht werden. Diese werden dabei vor allem bei Sanierungstätigkeiten mit durchschnittlich 1,2% jährlich erwartet, wobei diese einen wesentlichen Teil der Umsatzerlöse ausmachen. Aus Preissteigerungen von 2,9% wie im Jahr 2020 kann kein Schluss gezogen werden, dies werde auch in Zukunft möglich sein. Die Nachfrage stieg durch die COVID-19-Pandemie an, während das Angebot aufgrund von Produktionsausfällen zurückging. Dadurch waren die Hersteller kurzfristig in der Lage, die Kostensteigerungen weiterzugeben, weil dies von den Verbrauchern angesichts der Knappheit des Angebots akzeptiert wurde. Allerdings führt diese Erlössteigerung nicht automatisch zu einer Gewinnerhöhung, weil auch Personal- und Materialkosten anstiegen.
85
Für die Plausibilität dieser Annahmen spricht insbesondere auch die tatsächliche Entwicklung in den ersten drei Monaten des ersten Planjahres 2021, die für eine Normalisierung der Nachfrage nach Dachziegeln und Schornsteinsystemen der E. AG spricht. Im Vergleich zu dem nicht durch die Sondereinflüsse der Pandemie geprägten Jahr 2019 ergab sich rechnerisch ein Umsatzanstieg von 6,9% im Jahr 2021. Über einen langen Zeitraum zeigt sich aber, dass derartige Umsatzanstiege nicht die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft prägen, so dass die Umsatzplanung mit einem CAGR von 0,6% mit dem größten Wachstum von 1,2% im Bereich Sanierung als plausibel angesehen werden muss.
86
(c) Über in der Planung angenommene Preiserhöhungen hinausgehende Erhöhungen sind dagegen nicht durchsetzbar, weil die E. AG zum einen der Konkurrenz durch andere Hersteller von Wohndachziegeln und zum anderen dem Wettbewerb durch das Angebot von Dachbedeckungen aus anderen preisgünstigeren Materialien wie beispielsweise Blech, Beton oder Kunststoffen ausgesetzt ist.
87
(d) Der Umsatzrückgang im Jahr 2021 kann ungeachtet eines Anstiegs der Preise für Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten um 17,5% und eines starken Wachstums im Bauhauptgewerbe bereits im Zeitraum März bis April 2021 im Vergleich zu den Vorjahresmonaten nicht als unplausibel bezeichnet werden. Das Statistische Bundesamt veröffentlichte am 9.4.2021 einen Preisanstieg für Dachdeckungs- und Dachabdichtungsarbeiten im Februar 2021 um lediglich 2,5% im Vergleich zum Vormonat. Der Wert von 14,5% entstammt einer Auswertung vom 7.10.2021 und damit von einem etwa 3 ½ Monate nach dem maßgeblichen Stichtag der Hauptversammlung liegenden Zeitpunkt. Vor allem aber umfasst dieser Preisindex nach den Ausführungen in der schriftlichen Stellungnahme die Kategorien Unterspannbahn, Dachabdichtung mit Bitumenbahnen, Dachabdeckungen auf Massivdecke, Deckung mit Stahlblechen, Dachflächenfenster, Lichtkuppeln aus Kunststoff und Dachdeckung mit Lattung. Auch hier gilt, dass die Gesellschaft nur in einem Teilbereich dieses Preisindex Umsätze erwirtschaftet, weshalb die beobachtbaren Preisentwicklungen nicht unmittelbar auf die Preisentwicklung bei der E. AG übertragen werden kann.
88
(2) Die Planung vernachlässigt nicht den zunehmenden Renovierungsbedarf mit einer darauf aufbauenden ansteigenden Nachfrage nach Dachziegeln und einem Anstieg der Sanierungstätigkeiten zur Erfüllung der Klimavorgaben. Die Umsatzerlöse in dem Segment „Sanierung“ sollen von € 76,954 Mio. im ersten Planjahr auf € 80,825 Mio. anwachsen, was einem CAGR von 1,2% entspricht. Der Vorzieheffekt im Jahr 2020 führt in den beiden ersten Planjahren zu Wachstumsraten, die leicht unterhalb des von der B + L M2. GmbH im September 2020 prognostizierten Wachstums der im Rahmen von Sanierungen erstellten Steildachflächen von rund 2,0% im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr liegen. In den nachfolgenden Jahren 2023 und 2024 entspricht aber das Umsatzwachstum im Sanierungsgeschäft der E. AG mit 2,1% pro Jahr dem prognostizierten Marktwachstum.
89
(3) Die Umsatzplanung steht nicht in Widerspruch zur erwarteten Entwicklung der Baugenehmigungen. Diese sollen ausweislich der Prognosen im B + L Marktbericht Dachdeckungen nach einem leichten Anstieg von rund 315.000 Wohnungen im Jahr 2019 auf ca. 317.000 Wohnungen im Jahr 2020 in den Folgenjahren von 2021 bis 2023 um durchschnittlich 2,6% p.a. auf etwa 301.000 Wohnungen zurückgehen. In dem für die E. AG besonders relevanten Bereich der Ein- und Zweifamilienhäusern ist seit dem Jahr 2016 eine rückläufige bis stagnierende Entwicklung der Baugenehmigungen zu beobachten; dieser Trend soll sich in den Planjahren 2021 bis 2023 mit einem leichten Rückgang von durchschnittlich 0,4% pro Jahr fortsetzen. Dies steht auch in Einklang mit der tatsächlichen Entwicklung des Jahres 2022, in dem die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser um 15,9% und für Zweifamilienhäuser um 10,1% zurückging.
90
Auch diese in einer Marktstudie prognostizierte Entwicklung belegt, dass sich die Gesellschaft ungeachtet ihres Marktanteils von 14% gerade nicht in einem weiter wachsenden Dachziegelmarkt bewegt, sondern sich angesichts ihres bei Ein- und Zweifamilienhäuser liegenden Schwerpunkts in einem tendenziell stagnierenden oder gar rückläufigen Markt bewegt. In diesem Markt wird das Wettbewerbsumfeld durch einige wenige Anbieter – C. GmbH, B. St. GmbH, D. N. GmbH und W. GmbH – dominiert, die zusammen über 61% Marktanteil verfügen. Die Stagnation beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern führt zur nachvollziehbaren Erwartung eines sich weiter intensivierenden Wettbewerbsdrucks. Da der Planung der E. AG konstante Absatzmengen zugrunde liegen, muss der Marktanteil von 14% gesteigert werden, nachdem angesichts des Wettbewerbsdrucks eine Umsatzsteigerung allein über die Preise nicht realistisch erscheint.
91
(4) Die Planung vernachlässigt gleichfalls nicht die steigende Nachfrage nach Wohnraum angesichts der Wohnungsknappheit in Ballungsräumen und Mittelzentren mit daraus resultierendem Bedarf für Bedachung und einer erhöhten Bautätigkeit gerade im Jahr 2021. Auch hier muss der auf einem Trend zu Flachdachlösungen beruhende Rückgang der Absatzflächen im Bereich Neubau bei Steildächern gesehen werden. Die positive Entwicklung des Jahres 2020 kann auch unter Berücksichtigung der Marktprognose der B + L M2. GmbH nicht als nachhaltig eingestuft werden. Die Gesellschaft ist neben der Konkurrenz durch andere Hersteller dem Wettbewerb durch das Angebot von Dachbedeckungen aus anderen Materialien aufgesetzt. Aus einer langfristigen Analyse der Umsatzerlöse der Jahre 2004 bis 2020 und anschließend in der Detailplanungsphase ergibt sich, dass das Jahr 2020 aufgrund von Sondereffekten, die auch in den Jahren 2006 und 2011 auftraten, nicht als repräsentativ eingestuft werden kann. Deshalb lässt sich dieses Wachstum um nahezu 20% in der Detailplanungsphase nicht fortschreiben. Die Entwicklung der historischen Umsatzerlöse macht ausweislich der Grafik auf Seite 16 der Stellungnahme der Abfindungsprüfer vom 5.7.2023 deutlich, dass es zyklische Schwankungen im Geschäftsmodell der Gesellschaft gab und auch Jahre mit Umsatzrückgängen wie beispielsweise in den Jahren von 2006 bis 2009 oder von 2012 bis 2017 zu verzeichnen waren. Bei einer langfristigen Entwicklung wird indes ein kontinuierliches, wenngleich nicht zu starkes Wachstum prognostiziert. Gerade diese Entwicklung der Vergangenheit belegt aber, dass die Gesellschaft nicht immer in der Lage war, Einbrüche problemlos zu bewältigen. Dann aber ist der Schluss nicht gerechtfertigt, es müsse auch in der Zukunft eine dauerhaft hervorragende Geschäftsentwicklung in der Planung abgebildet werden.
92
(5) Das angesetzte durchschnittliche jährliche Wachstum von 0,6% in Phase I steht nicht in Widerspruch zu aktuellen Inflationserwartungen und stark steigenden Baumaterialpreisen. Zum Stichtag der Bewertung am 25.6.2021 lag die Inflation deutlich niedriger; demgemäß prognostizierte der Internationale Währungsfonds in seinem Ausblick auf die Weltwirtschaft vom April 2021 für Deutschland eine Inflationsrate zwischen 1,1% und 2,2% für die Jahre von 2021 bis 2025. Angesichts des bereits oben unter B. II. 1. b. (2) und (4) beschriebenen Rückgangs der Absatzflächen im Bereich Neubau bei Steildächern muss dann aber auch das Umsatzwachstum von 0,6% p.a. als plausibel eingestuft werden.
93
Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die emissionsbedingt stärker steigenden Personal- und Materialkosten gerade auch beim Energieaufwand treffe alle Ziegelproduzenten, die diese dann jeweils an ihre Kunden weitergeben könnten, zumal schwächere Wettbewerber aus dem Markt ausscheiden würden. Auch hier muss die Wettbewerbssituation der Gesellschaft mit anderen Herstellern von Tondachziegeln, aber vor allem auch der Wettbewerb durch das Angebot von Dachbedeckungen aus anderen Materialien gesehen werden. Keramische Dachziegel sind leicht durch günstigere (Beton-)Dachsteine, Metallschindeln beispielsweise der Firma PR. oder Kunststoffprodukte zu ersetzen. Diese Wettbewerbssituation führt dazu, dass die Preissteigerungen auf der Beschaffungsseite gerade nicht so einfach an Kunden überwälzt werden können, weil Marktanteile bei einem intensiven Wettbewerb unter anderem über den Preis gewonnen werden. Das Ausscheiden schwächerer Wettbewerber im Dachziegelbereich ist zwar nicht auszuschließen. Doch erachten es die Abfindungsprüfer auch in dieser Situation nachvollziehbar als wahrscheinlich, dass die Hersteller von Betondachsteinen in diese Lücke stoßen, weil ihre Fertigungsanlagen und -kapazitäten in Gegensatz zu Dachziegelwerken verhältnismäßig gut skalierbar und günstig erweiterbar sind.
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(6) Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie flossen sachgerecht in die Planung unter Berücksichtigung des zum maßgeblichen Stichtag der Hauptversammlung vorhandenen Kenntnisstandes ein.
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(a) Im Jahr 2020 als dem letzten Jahr der Vergangenheitsanalyse profitierte die Gesellschaft in erheblichem Ausmaß von den Auswirkungen der Pandemie. Gerade die freien Mittel, die aufgrund der Beschränkungen beispielsweise nicht für den Konsum und dabei gerade auch angesichts der internationalen Restriktionen nicht für Reisen ausgegeben werden konnten, wurden vielfach für Investitionen in Ein- und Mehrfamilienhäuser verwendet. Mit der wirtschaftlichen Erholung vor dem Stichtag und vor allem auch der Verfügbarkeit von Impfstoffen wurde ein Ende der Pandemie prognostiziert. Es wurde davon ausgegangen, dass im Sommer 2020 jedem ein Impfangebot unterbreitet und daher die Beschränkungen aufgehoben werden könnten. Somit ging die Planung in Übereinstimmung mit den damals vermittelten Informationen von einer Normalisierung hin zum Stichtag der Hauptversammlung am 25.6.2021 mit der Folge einer Normalisierung auch beim Konsumverhalten und den privaten Investitionen aus. Dies führte zum Umsatzrückgang im Jahr 2021, so dass der Kenntnisstand zur Entwicklung der Pandemie angemessen berücksichtigt wurde.
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(b) Staatliche Hilfsmöglichkeiten wie beispielsweise staatliche Unterstützungen von Sanierungsmaßnahmen, von denen die Gesellschaft indirekt profitierte, flossen in die Absatzplanung ein, soweit sie auch absehbar waren. Direkte staatliche Hilfsmaßnahmen oder Zahlungen wurden seitens der Gesellschaft nicht geplant. Für Mittelstandshilfen erfüllte die Gesellschaft nicht die Voraussetzungen hinsichtlich der maximalen Größen. So übertraf sie beispielsweise die in den beiden bilanziell abgeschlossenen Geschäftsjahren vor dem 1.1.2020 mit Umsatzerlösen von jeweils über € 100 Mio., Bilanzsummen von über € 120 Mio. und mehr als 500 Arbeitnehmern beispielsweise die Grenzen aus den Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 1 (Überbrückungshilfe I) deutlich, die bei der Bilanzsumme € 43 Mio., bei den Umsatzerlösen € 50 Mio. und bei 249 Beschäftigten im Jahresdurchschnitt lagen. Die Voraussetzungen der Überbrückungshilfen III und IV erfüllte die E. AG schon wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen eines coronabedingten Einbruchs, nachdem der Umsatz im Jahr 2020 bei mindestens 100% des Jahres 2019 lag. Andererseits wiesen die Abfindungsprüfer darauf hin, für andere staatliche Hilfen fehle es der E. AG an der Größe, um politisch interessant oder gar systemrelevant zu werden.
97
(c) Soweit im Verlaufe der Pandemie beispielsweise in Schulen verstärkt Lüftungsnetzwerke mit einem Volumen von rund € 200 Mio. eingebaut wurden, vermochte die Gesellschaft davon nicht zu profitieren. Das Lüftungsnetzwerk der E. AG ist nach den Ausführungen der Abfindungsprüfer ein Kaminschacht ohne Innenrohr, der nichts mit der pandemiebedingt notwendigen Luftreinigung in geschlossen Räumen wie Klassenzimmern in Schulen zu tun hat. Insgesamt spielt zudem der Anteil des Produktbereichs Lüftungsnetzwerk bei der E. AG eine untergeordnete wirtschaftliche Rolle; so machte er im Jahr 2019 nicht einmal 1% des Umsatzes aus. Die Planung geht zwar in diesem Unternehmenssegment von einem Umsatzwachstum aus, das jedoch angesichts des insgesamt geringen Beitrags zum Gesamtumsatz die rückläufige Entwicklung im Bereich der Dachziegel im Neubau nicht kompensieren kann.
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(7) Soweit geltend gemacht wird, die Planung übersehe die steigende Nachfrage nach margenstarken selbst reinigenden Tonziegeln, übersieht diese Rüge, dass die Gesellschaft solche Tonziegel seit Jahren nicht mehr im Programm führt, wobei diese ohnehin nicht sehr margenstark waren.
99
(8) In der Planungsrechnung mussten keine Gewinne aus dem Verkauf rekultivierter Grundstücke angesetzt werden, weil hier eine wirtschaftliche Verwertung nicht angenommen werden kann. Die Abfindungsprüfer verwiesen in ihrer Stellungnahme darauf, dass diese Grundstücke nach dem Abbau der Lehmvorräte durch die E. AG rekultiviert werden und oftmals zu einem großen Teil als Biotopflächen gestaltet werden, die dann über lange Zeit von der Gesellschaft gehalten werden. Demgemäß waren auch in der Vergangenheit Gewinne aus dem Verkauf rekultivierter Grundstücke die Ausnahme und zudem unwesentlich.
100
(9) In der Planung ist nicht mit Gewinnen aus nicht in Anspruch genommenen Gewährleistungsrückstellungen zu rechnen gewesen. Im Anhang des geprüften Jahresabschlusses der Gesellschaft zum 31.12.2020 wird dargestellt, dass die sonstigen Rückstellungen in Höhe des Erfüllungsbetrages angesetzt werden, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Es handelt sich somit um einen Erwartungswert, der unter Abwägung sämtlicher Chancen – mithin geringere Gewährleistungsansprüche – und Risiken – mithin höhere Gewährleistungsanspruche – ermittelt wurde. Dieser Ansatz liegt auch der Planung zugrunde, weshalb in ihr keine Gewinne aus nicht in Anspruch genommenen Gewährleistungsrückstellungen angesetzt werden konnten. Hinsichtlich der Kulanzrückstellungen geht die Planung zum Ende des ersten Planjahres am 31.12.2021 von einem Betrag von € 2,7 Mio. aus, der dann kontinuierlich auf € 2,3 Mio. zum 31.12.2025 zurückgehen soll.
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c. Da die Aufwandsplanung als plausibel eingestuft werden muss, kann es zu keinen Anpassungen der hier getroffenen Annahmen kommen.
102
(1) Der Anstieg des Materialaufwands auf einen Betrag von € 51,76 Mio. bei einem niedrigeren Umsatz im Jahr 2025 im Vergleich zum Jahr 2020 mit einem Materialaufwand von 51,67 Mio. bei einem erheblich höheren Umsatz von € 132,45 Mio. beruht auf der Art und Weise, wie die E. AG Umsätze erwirtschaftet. Die Ursache des Anstiegs des Materialaufwands liegt in einem im Verhältnis zu den Umsatzerlösen überproportionalen Anstieg der Gasaufwendungen von 4,0% des Umsatzes im letzten Ist-Jahr 2020 auf 6,3% des Umsatzes im Jahr 2025, der wiederum auf einen steigenden Anteil der entgeltlich zu erwerbenden Emissionszertifikate zurückzuführen ist. Zudem rechnet die E. AG mit weiteren Preissteigerungen bei den CO₂-Emissionszertifikaten. Vor allem aber erwartet die Gesellschaft nachvollziehbar und damit plausibel, dass sie deutlich mehr Zertifikate zu einem deutlich höheren Zertifikatspreis erwerben muss, weshalb die Materialaufwendungen steigen werden. In der Vergangenheit bis zum Ende des Jahres 2020 erhielt die Gesellschaft im Rahmen der bis zum Ende 2020 laufenden dritten Handelsperiode des EU-Emissionshandelssystems Emissionszertifikate zugeteilt und musste nur eine geringe Zahl von Zertifikaten zukaufen, weshalb dieser Erwerb von untergeordneter Bedeutung war – von 45.387 benötigten Zertifikaten erhielt sie 90,8% oder 41.228 Zertifikate zugeteilt. Mit dem Beginn der vierten Handelsperiode kommt es zu einer deutlichen Verringerung der Zuteilung von Zertifikaten auf nur noch 59,0% der in der Detailplanungsphase benötigten Zertifikate; bis zum Jahr 2050 soll sich dieser Anteil auf Null verringern. Diese im Interesse des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen politisch gewollte Verknappung wird nach den damit verbundenen Erwartungen entsprechend den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage zu einem deutlichen Preisanstieg der Emissionszertifikate führen. Dabei geht die Planung der Gesellschaft von einem Zertifikatspreis von € 25,- im Jahr 2020 aus, der im Jahr 2025 auf € 55,- ansteigen soll. Die Abfindungsprüfer konnten diese Planannahmen entsprechend plausibilisieren. In ihrem Prüfungsbericht wie auch der schriftlichen Stellungnahme schilderten sie einen durchschnittlichen Preisanstieg der Zertifikatspreise von € 10,16 im Februar 2018 um etwa 60% p.a. auf € 41,98 im März 2024. Für das Jahr 2022 wird ein Anstieg um rund 17,8% von durchschnittlich € 39,24 im Jahr 2021 auf durchschnittlich € 46,24 prognostiziert. Im Zeitpunkt der Stichtagserklärung lag der Stichtagskurs bereits bei rund € 51,- und erreichte damit nahezu das Niveau, das die Gesellschaft für das Jahr 2025 erwartet hatte. Zu beachten ist insbesondere auch, dass der Bundesrat am Tag der Hauptversammlung auch dem Beschluss des Deutschen Bundestages über das Erste Gesetz zur Änderung des Klimaschutz-Gesetzes den Vermittlungsausschuss nicht angerufen hat, so dass insbesondere auch zu beachten war, dass das Ziel der Klimaneutralität bereits 2045 und nicht erst 2050 erreicht werden sollte.
103
Zum Zeitpunkt der Planerstellung wie auch zum Stichtag der Hauptversammlung waren keine alternativen Technologien erkennbar, die es ermöglichen würden, innerhalb der Detailplanungsphase bis 2025 auf einen emissionsneutralen Produktionsprozess umzustellen, der wesentlich geringere oder gar keine Aufwendungen für den Erwerb von Emissionszertifikaten zur Folge hätte. Ungeachtet dessen haben die Wirtschaftsprüfer von K. zusätzliche Investitionen in eine bislang noch nicht entwickelte Produktionstechnologie berücksichtigt, nachdem der zunehmende Bedarf an Emissionszertifikaten und künftig steigende Gaspreise zu einer kontinuierlichen Margenverschlechterung führen würden mit der Folge, dass langfristig die Zukunftstätigkeit des Geschäftsmodells der E. AG in Frage gestellt wäre.
104
Fördermittel für den Umstieg hin zu grünem Wasserstoff waren zum maßgeblichen Stichtag indes nicht absehbar, zumal die Technologie für den Einsatz von Wasserstoff in der Dachziegelbranche sowie die Verfügbarkeit von ausreichend grünem Wasserstoff weder gegeben noch absehbar war. Daher konnten entsprechende Subventionen in der Planung nach der Wurzeltheorie auch nicht berücksichtigt werden. Danach sind nämlich nur solche Faktoren zu berücksichtigen, die zu den am Stichtag herrschenden Verhältnissen bereits angelegt waren (vgl. nur BGHZ 138, 136, 140; 140, 35, 38 = NZG 1999, 70, 71; BGH NZG 2016, 139, 143 = AG 2016, 135, 141 = ZIP 2016, 110, 115 = WM 2016, 157, 162 = = BB 2016, 304, 305 = DB 2016, 160, 165 = NJW-RR 2016, 231, 236 = DStR 2016, 424, 427 = MDR 2016, 337, 338; OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1169; OLG Frankfurt AG 2016, 551, 553; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; OLG Stuttgart NZG 2007, 478, 479; AG 2008, 510, 514; LG München I, Urteil vom 18.1.2013, Az. 5HK O 23928/09; Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585715; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 25.8.2023, Az. 5 HK O 12034/21; Riegger in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Anh § 11 SpruchG Rdn. 10; Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S.365; Riegger/Wasmann in: Festschrift für Goette, 2011, S. 433, 435; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rdn. 315).
105
(2) Kein Korrekturbedarf lässt sich bei den Personalaufwendungen bejahen, die jährlich um durchschnittlich 2,2% ansteigen sollen. Die geplante Entwicklung beruht auf den jährlichen tariflichen Gehaltssteigerungen von durchschnittlich 2,3% bis 2,8%, wobei aber gleichzeitig die Anzahl von 555 Vollzeitstellen auf 545 im Jahr 2025 verringert werden soll. Mit dieser Entwicklung ist ein Anstieg der Personalaufwandsquote verbunden, die von 26,5% im letzten Ist-Jahr auf etwa 31% im Jahr 2025 ansteigen soll. Die deutlich niedrigere Personalaufwandsquote des Jahres 2020 beruht auf dem pandemiebedingten Anstieg der Umsatzerlöse. In den beiden Jahren davon lag sie bei 28,3% bzw. 28,9%. Der Anstieg auf 29% im Jahr 2021 resultiert aus einem geplanten Personalaufbau in den Bereichen Vertrieb und Fertigung aufgrund der geplanten Übernahme von Leiharbeitern aus dem Jahr 2020 sowie auf den tariflichen Lohn- und Gehaltserhöhungen bei gleichzeitig niedrigeren Umsatzerlösen. Nicht übersehen werden darf bei der Entwicklung der Personalkosten der Wettbewerb mit anderen Unternehmen beispielsweise aus der Automobilbranche bei der Rekrutierung von Personal im Großraum München sowie in Niederbayern, der zu höheren Einstiegsgehältern für neue Mitarbeiter führen wird.
106
Die Planung übersieht nicht die positiven Effekte aus den in eine Lagerhalle mit automatischer Lagertechnik investierten Mittel von € 12 Mio. auf die Gewinn- und Verlustrechnung und damit verbundene Einsparungen. Diese Einsparungen sollten besonders im Jahr 2025 durch Effizienzsteigerungen erfolgen, die unter anderem auf der Einrichtung des geplanten Logistikkonzepts beruhen.
107
(3) Eine Korrektur der sonstigen betrieblichen Aufwendungen nach unten ist nicht veranlasst, weil die Annahmen in der Planung plausibel sind. Dabei kann insbesondere nicht von einem unkritischen Fortschreiben des höchsten Werts aus dem Jahr 2020 in Höhe von € 22,425 Mio. ausgegangen werden: Ebenso wenig müssen die sonstigen betrieblichen Aufwendungen auf den Wert des Jahres 2018 mit € 19,685 Mio. zurückgehen. Aufgrund der erwarteten Normalisierung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft im Jahr 2021 geht die Planung von einem Rückgang auf € 22,065 Mio. in diesem Jahr aus. In den Folgejahren setzt die Planung ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,4% an. Aufgrund des geringen Umsatzniveaus im ersten Planjahr, das aus den oben genannten Gründen indes plausibel ist, steigt die Quote der sonstigen betrieblichen Aufwendungen notwendigerweise von 16,9% im Jahr 2020 auf 18,7% an. Damit aber liegen sie auf dem Niveau des Jahres 2018 und nur etwas über dem des Jahres 2019, als die Quote 18,5% betrug. Der weitere Verlauf der Planung nimmt eine Quote der sonstigen betrieblichen Aufwendungen zwischen 18,6% und 18,8% des Umsatzes an. Diese Entwicklung beruht auf einen im Vergleich zu den Umsätzen überproportionalen Anstieg von Instandhaltungen, Werbekosten und sonstigen Betriebskosten, insbesondere Personalnebenkosten sowie Kosten für Versicherungen. Andererseits sollen gegenläufige Entwicklungen aus geplanten Einsparungen von Verwaltungskosten wie bei den Rechts- und Beratungskosten sowie sonstigen Vertriebskosten wie Fremdlager- und Entsorgungskosten resultieren.
108
(4) Eine negative Beeinflussung der Unternehmensplanung kann nicht aus dem Vertrieb von Produkten der Antragsgegnerin als Großaktionärin hergeleitet werden; der Kooperationsvertrag zwischen der Gesellschaft und der Antragsgegnerin aus dem Jahr 1993 über die Übernahme der Vermarktung der von der Antragsgegnerin hergestellten Tondachziegel enthält keine marktunüblichen Konditionen, wie die Abfindungsprüfer schriftlich erläutert haben. Die Basis der Verrechnungspreise der Antragsgegnerin an die E. AG bilden jeweils die durch den Vertrieb der Gesellschaft erzielten Verkaufspreise. Diese werden entsprechend der Kooperationsvereinbarung um 7% Erlösschmälerungen, mithin Skonti und Boni, und um eine Marge in Höhe von 13,5% gemindert. Die in der Planung enthaltenen Umsatzerlöse mit Handelswaren der Antragsgegnerin liegen oberhalb des Niveaus der Vergangenheit. Damit aber wird die Umsatzplanung der Gesellschaft positiv durch die Kooperationsvereinbarung beeinflusst.
109
d. Die angenommenen Ergebnisse und Ergebnismargen können nicht als unplausibel eingestuft werden.
110
(1) Der bereits oben unter B. II. 1. c. (1) und (2) dargelegte Anstieg der operativen Aufwendungen und der Personalkosten führt zwar zu einer rückläufigen Entwicklung der Ergebnismargen. Angesichts der erwarteten Steigerung der Energiekosten für energieintensive Betriebe zur Erreichung der Klimaneutralität, der Abhängigkeit der E. AG von Energieträgern zur Herstellung qualitativ hochwertiger Produkte und der Einbindung der Gesellschaft in den Tarifvertrag muss der Ergebnis- und Margenrückgang unter Berücksichtigung der geänderten Rahmenbedingungen als plausibel bezeichnet werden, auch wenn er unter das Niveau der Vergangenheit fällt.
111
(2) Die fehlende Schwäche der Baukonjunktur während der COVID-19-Pandemie lässt keinen Rückschluss auf eine fehlende Plausibilität des Rückgangs des Jahresüberschusses von € 14,2 Mio. auf € 6,27 Mio. im Folgejahr 2021 zu. Die COVID-19-Pandemie führte zu dem bereits angesprochenen positiven Sondereffekt auf die Ertragslage der Gesellschaft, weshalb der Rückgang von Umsatz und Ergebnis im Jahr 2021 zum Zeitpunkt des Stichtags als plausibel angesehen werden muss. Daran vermag auch die Entwicklung der sonstigen betrieblichen Erträge nichts zu ändern. Im Jahr 2019 betrugen diese € 3,449 Mio., wobei dieser Betrag periodenfremde Erträge aus der Auflösung von Kulanzrückstellungen in Höhe von € 2,194 Mio. und Rekultivierung in Höhe von € 13 Mio. sowie Gewinne aus Anlageabgängen in einem Umfang von € 858.000,- aus einem Verkauf an einen Landwirt enthielten. Die um diese Sondereffekte bereinigten sonstigen betrieblichen Erträge lagen im Jahr 2019 bei € 383.000,- und im Jahr 2020 bei € 485.000,-. Die Planung setzte einen konstanten Wert von € 500.000,- an, der höher ist als der des Jahres 2018 (bereinigt) und des Jahres 2019, in dem keine Sondereffekte zu verzeichnen waren.
112
(3) Die EBITDA-Marge der E. AG kann nicht aufgrund eines Vergleichs mit der der W. AG infrage gestellt werden, auch wenn dieses Unternehmen von steigenden Margen ausgeht. Ungeachtet der grundlegenden Vergleichbarkeit der beiden Unternehmen muss nämlich gesehen werden, dass mehrere Faktoren die unterschiedliche Entwicklung der EBITDA-Marge der W. AG und der E. AG begründen. Die E. AG hat ein kleines Produktsortiment und ist nicht so stark diversifiziert wie die W. AG. Auch ist sie kleiner und kann daher weniger Skaleneffekte auf der Kostenseite nutzen. Zudem hat die E. AG aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation in Süddeutschland durch die Wettbewerber mit anderen attraktiven Arbeitgebern wie aus der Automobilindustrie zu kämpfen, was höhere Personalaufwendungen mit negativen Auswirkungen auf die Marge nach sich zieht. Neben dem Segment Building Solutions, in dem bei der W. AG auch die Dachziegelherstellung enthalten ist und das 52,5% der Umsatzerlöse und 74,4% des EBITDA ausmacht, wovon 16% der Umsatzerlöse in Deutschland und Österreich anfallen, gehören zum Betrieb dieses Unternehmens auch das europäische Kunststoffrohrgeschäft sowie keramische Rohraktivitäten. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Vergleichsunternehmen nicht in dem Maße von Investitionen in die neue emissionsneutrale Produktionstechnologie betroffen sind. Dies muss dann aber auch dazu führen, dass die EBITDA-Marge der Gesellschaft in der Phase I unterhalb der der P1. Group-Unternehmen und auch der W. AG liegt, worauf das Bewertungsgutachten von K. hinweist. Auch in den Jahren der Vergangenheitsanalyse lagen die EBITDA-Margen der E. AG – mit Ausnahme des Jahres 2020 und den dort auftretenden Sondereffekten – zum Teil deutlich unter der der P1. Group-Unternehmen. Dann aber ist es sehr gut nachvollziehbar, dass die Gesellschaft nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums und der Notwendigkeit erheblicher Investitionen den Rückstand bei der EBITDA-Marge aufholen wird.
113
(4) Die EBITDA-Marge von knapp über 10,5% im ersten Planjahr 2021 ist auch unter Berücksichtigung des Jahresabschlusses der Antragsgegnerin für das Geschäftsjahr vom 1.4.2021 bis zum 31.3.2022 nicht zu niedrig angesetzt, auch wenn hier 85,1% der Umsatzerlöse mit Tonbaustoffen erwirtschaftet werden. Zum einen entfällt ein erheblicher Teil dieses Geschäftsjahres auf den Zeitraum nach der Hauptversammlung vom 25.6.2021. Aus der tatsächlichen Entwicklung in einem Zeitraum von mehr als neun Monaten nach dem allein maßgeblichen Bewertungsstichtag kann kein zwingender Rückschluss auf die mangelnde Plausibilität der Planung gezogen werden. Zudem erläutert der Konzernabschluss selbst, dass sich die Bauwirtschaft besser entwickelt hat als erwartet. Selbst wenn die E. AG nur in einem vergleichsweise kleinen Segment des Steildachbaus mit Schwerpunkt Ein- und Zweifamilienhäusern tätig ist, zeigt diese Einschätzung doch, dass zum Zeitpunkt der Hauptversammlung eine pessimistischere Entwicklung durchaus nachvollziehbar sein kann. Die Planannahmen der E. AG stehen insbesondere in Einklang mit den Prognosen der B + L M2. GmbH und insbesondere auch dem Branchenreport von IBIS World zur Herstellung keramischer Baumaterialien, wo für die Jahre 2021 bis 2026 ein durchschnittliches Wachstum von durchschnittlich 0,7% p.a. erwartet wird. Allerdings wird diese Prognose vor allem auf das Wachstum der Branche mit der steigenden Nachfrage nach Wohnungsdächern mit mehr als drei Wohneinheiten zurückgeführt. Für die Dachziegelproduktion, also das Tätigkeitsfeld der E. AG, soll sich nach diesem Branchenreport der Trend sinkender Produktionszahlen aus der Vergangenheit auch in den nächsten Jahren fortsetzen. Zum anderen wies Herr B. von der Bewertungsgutachterin K. im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hin, dass das Tonbaugeschäft mit einem Anteil von 85,1% am Gesamtumsatz der Antragsgegnerin nicht ausschließlich von der E. AG stammen müsse. Der vom Antragsteller zu 74) vorgelegte Konzernabschluss zum 31.3.2022 bestätigt diese Aussage, weil zu den voll konsolidierten Unternehmen auch die M. K. GmbH, Am. gehört, an der die Antragsgegnerin eine 100%-ige Beteiligung hält. Dieses Unternehmen arbeitet ebenfalls mit Keramikziegeln und trägt somit zum Umsatz mit Tonbaustoffen bei.
114
(5) Aus den EBITDA-Margen und EBIT-Margen zu einem zeitnah zum Stichtag der Hauptversammlung liegenden Datum wie dem 31.5.2021 lassen sich keine Rückschlüsse auf die fehlende Plausibilität der Planannahmen ziehen. Frau I. erläuterte im Verlauf des Termins zur mündlichen Verhandlung, dass es für die Gesellschaft ein innerjährlich zyklisches Geschäft gebe, weil in den Wintermonaten angesichts fehlender Verkäufe die Margen extrem schlecht seien. Die EBIT-Marge zum 31.5.2021, die bei 5,58% lag, kann daher ebenso wenig wie die EBITDA-Marge zu diesem Stichtag repräsentativ für die innerhalb eines gesamten Jahres erzielten Margen sein. Demgemäß liegt auch die EBIT-Marge zum 31.5.2021 unterhalb der für das gesamte Jahr 2021 in der Planung angenommene EBIT-Marge von 7,1%.
115
e. Soweit es um die Berücksichtigung von Synergien geht, muss die Ableitung des Unternehmenswerts nicht angepasst werden.
116
(1) Bei der Ermittlung des Ertragswerts im Zusammenhang mit aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen finden angesichts des grundlegenden Stand alone-Prinzips nur solche Synergien oder Verbundeffekte Berücksichtigung, die auch ohne die geplante Strukturmaßnahme durch Geschäfte mit anderen Unternehmen hätten realisiert werden können (vgl. OLG Stuttgart NZG 2000, 744, 745 f. = AG 2000, 428, 429; AG 2011, 420; BayOblG AG 1996, 127, 128; LG München I AG 2016, 51, 54 = ZIP 2015, 2124, 2129; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 9122/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Beschluss vom 29.11.2023, Az. 5HK O 5321/19; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 178; Zeidler in: Semler/Stengel, UmwG, 4. Aufl., § 9 Rdn. 47; Decher in: Festschrift für Hommelhoff, 2012, S. 115, 123 ff.), während sogenannte echte Synergien, derentwegen üblicherweise die Strukturmaßnahme durchgeführt wird, regelmäßig nicht in die Bewertung einfließen können (vgl. OLG München AG 2018, 753, 755 = Der Konzern 2019, 277, 280; OLG Düsseldorf AG 2017, 712, 714; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., Anh § 305 Rdn. 31a; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 180). Unechte Synergien sind zu berücksichtigen, wenn die synergiestiftende Maßnahme am Bewertungsstichtag bereits eingeleitet oder im Unternehmenskonzept dokumentiert war (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 840, 843; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh § 305 Rdn. 31b).
117
(2) Die aus der Kooperationsvereinbarung seit dem Jahr 1993 resultierende Zusammenarbeit zwischen der Antragsgegnerin und der E. AG floss analog zur Vergangenheit in die Planungsrechnung ein. Weitere unechte Synergieeffekte konnten die Abfindungsprüfer nicht identifizieren.
118
f. Das Übergangsjahr 2026 musste vor Beginn der Ewigen Rente eingeschoben werden, weil im Jahr 2025 als letztem Jahr der Detailplanungsphase noch kein eingeschwungener Zustand erreicht war.
119
(1) Ein solcher Gleichgewichts- oder Beharrungszustand liegt vor, wenn sich Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bewertungsobjektes am Ende von Phase I im sogenannten Gleichgewichts- oder Beharrungszustand befinden und sich die zu kapitalisierenden Ergebnisses annahmegemäß nicht mehr wesentlich verändern bzw. mit einer konstanten Rate, der mit dem Wachstumsabschlag im Kapitalisierungszinssatz Rechnung getragen wird, verändern. Dabei zeichnet sich die Ewige Rente durch die Berücksichtigung langfristiger Entwicklungstendenzen bei der Projektion der in der Detailplanungsphase gewonnenen Erkenntnisse aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.9.2011, Az. 20 W 7/08 – zit. nach juris; LG München I, Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5 HK O 5884/20; Beschluss vom 22.06.2022, Az 5 HKO 16226/08; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 72; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 126).
120
(2) Dieser Zustand konnte bei der E. AG noch nicht erreicht gewesen sein, wie Frau I. und Herr D. in ihrer Stellungnahme erläuterten.
121
(a) Dies hat seine Ursache zum einen in den umweltpolitischen Vorgaben, die zu zusätzlichen Investitionen in eine emissionsneutrale Produktionstechnologie führen, die wiederum durch die Unsicherheit hinsichtlich der Nutzung fossiler Brennstoffe als Energieträger bedingt wird. Der zunehmende Bedarf an künftigen Emissionszertifikaten und künftig steigenden Gaspreisen führt zu einer kontinuierlichen Margenverschlechterung mit der Folge einer langfristigen Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der E. AG. Aufgrund der bei der Gesellschaft vorhandenen Tunnelöfen benötigt es eine durchschnittliche Investitionshöhe pro Produktionslinie von jeweils € 25 Mio., die im Rhythmus von drei Jahren erfolgen soll. Der Barwert der Investitionen wurde sodann in eine Annuität überführt und im Jahr 2026 berücksichtigt. Grundlage der Ermittlung dieses Wertes waren die vom Bundesverband der deutschen Ziegelindustrie e.V. für die Ziegelbranche insgesamt auf € 2,3 Mrd. geschätzten Gesamtinvestitionen für Maßnahmen des Klimaschutzes bis zum Jahr 2050, in dem nach den Vorgaben der EU-Kommission Klimaneutralität erreicht werden soll. Da der Marktanteil der Gesellschaft bei 8% liegt, entfallen auf die E. AG von den Gesamtinvestitionen mindestens € 175 Mio. Bei sieben Produktionslinien ergibt sich eine durchschnittliche Investitionshöhe von je € 25 Mio. pro Produktlinie. Neben diesen Investitionen in emissionsneutrale Produktionstechnologien setzten die Bewertungsgutachter nachhaltige Erhaltungsinvestitionen in Höhe von € 4 Mio. an, die ebenfalls eine Übergangsphase erforderlich machen. Diese nachhaltigen Erhaltungsinvestitionen setzen sich entsprechend den Ausführungen in der schriftlichen Stellungnahme der Abfindungsprüfer aus Investitionen in technische Anlagen und Maschinen in Höhe von € 1,75 Mio., Betriebs- und Geschäftsausstattung in einem Umfang von € 1,3 Mio. sowie in Grundstücke und Bauten in Höhe von € 0,95 Mio. zusammen.
122
Hinsichtlich der Rentabilität dieser Investitionen wurde eine Kapitalwertneutralität angenommen, wie im Prüfungsbericht von M. dargestellt wurde. Demgemäß soll sich die nachhaltige EBITDA-Marge um 3,7 Prozentpunkte erhöhen. Damit aber ist sichergestellt, dass die neue Technologie ihre Kapitalkosten verdient und keinen Einfluss auf den Unternehmenswert hat. Die Kapitalwertneutralität basiert auf der Annahme, dass die neue Technologie ausschließlich aufgrund regulatorischer Vorgaben eingeführt wird und gerade nicht das unternehmerische Ziel einer Rentabilitätssteigerung verfolgen soll.
123
(b) Zum anderen muss aufgrund der EUweiten regulatorischen Vorgaben von einem Rückgang des Kamingeschäfts ausgegangen werden, was sich in einem Umsatzrückgang im Jahr 2026 um ca. 11,4% im Vergleich zum letzten Planjahr 2025 widerspiegelt. Bei einer Fortschreibung der Umsatzerlöse mit der nachhaltigen Wachstumsrate von 0,5% ging das Bewertungsgutachten von einem Rückgang der Umsätze im Kamingeschäft um rund 30% bis zum Jahr 2030 und einem weiteren Rückgang auf 0 bis zum Jahr 2050 aus. Weiterhin wurde angenommen, dass das Kamingeschäft ab einem Umsatz von weniger als € 5 Mio. wegen mangelnder Profitabilität eingestellt wird. Dieser Umsatzrückgang wurde gleichfalls als Annuität bei den Umsatzerlösen des Jahres 2026 in Abzug gebracht.
124
Die hiergegen vorgebrachten Einwände vermögen die Kammer nicht zu überzeugen. Dem Ansatz eines Umsatzes von Null im Jahr 2050 lässt sich nicht entgegenhalten, bis 2050 würden Kamine mit fortgeschrittener Abgastechnologie verfeuert und ein mit Holz betriebener Kamin sei wegen der zuvor erfolgten Bindung von CO₂ klimaneutral. Das Problem liegt nämlich in der Feinstaubbelastung und den zunehmenden Verboten von offenen Feuerstätten und von Schornsteinen in Städten. Es gibt nach den Erkenntnissen der Abfindungsprüfer viele Regionen, in denen Häusern mit Schornsteinen keine Baugenehmigung mehr erteilt wird. Die zunehmenden Regularien insbesondere durch das Bundesemissionsschutzgesetz mit darauf aufbauenden Rechtsverordnungen wie namentlich der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen – 1. BImSchV sowie das steigende umweltpolitische Bewusstsein der Bevölkerung senken die Attraktivität für Kaminöfen in der Zukunft. Aus einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach ergibt sich, dass die Zahl der Deutschen, die binnen der nächsten zwei Jahre einen Kamin oder Kachelöfen einbauen wollen, von 830.000 im Jahr 2016 auf nur mehr 530.000 im Jahr 2020 sank, was zu stark rückläufigen Märkten für Schornsteinsysteme in Deutschland führt. Dasselbe gilt für den Trend weg von Ein- und Zweifamilienhäusern hin zu großen Wohnanlagen; auch dies führt voraussichtlich zu einer geringeren Nachfrage nach Schornsteinsystemen. Demgemäß gehen auch die Marktprognosen der B + L M2. GmbH von einem Rückgang der Schornsteinsysteme mit Keramikinnenrohren im Jahr 2021 um 0,4% und um 2,5% im Jahr 2022 aus. Der für die Gesellschaft relevante Anteil von Schornsteinsystemen mit Keramikinnenrohr – also dem einzigen von der Gesellschaft eingesetzten Material – soll zugunsten höherer Anteile von Kunststoffinnenrohren von 33,2% im Jahr 2020 auf 31,4% im Jahr 2022 zurückgehen. Damit aber bestätigt dieser Marktbericht die Plausibilität der Planannahmen rückläufigen Kamingeschäfts auch nach dem Ende der Phase I. Bestehende Kamine werden von der Gesellschaft nicht saniert, weshalb sie in diesem Bereich keine Umsätze erwarten kann, selbst wenn Sanierungen zum Weiterbetrieb von Kaminen notwendig sein sollten. Das weitere Argument, die Schornsteinsysteme der Gesellschaft mit Edelkeramik seien auch für Pelletsbrennwertgeräte geeignet, weshalb es sich gerade nicht um einen einbrechenden Markt handeln könne und die Gesellschaft im Bereich Lüftungstechnik mit der Produktreihe V… V… in einem absoluten Wachstumsmarkt tätig sei, trägt ebenfalls nicht. Frau I. und Herr D. erläuterten in ihrer schriftlichen Stellungnahme, das Lüftungsnetzwerk der Gesellschaft stelle gerade keinen Wachstumsmarkt für die E. AG dar, sondern lediglich eine Ergänzung zur schlecht ausgelasteten Kaminproduktion. Ein Lüftungsnetzwerk der Gesellschaft ist im Wesentlichen ein Kaminschacht ohne Innenrohr; im Jahr 2019 lag dieser Umsatzanteil bei unter 1%. Schornsteinsysteme mit Edelkeramik können zwar auch bei Pelletsbrennwertgeräten eingesetzt werden, wobei dies aber gerade nicht zwingend notwendig ist. Daher muss beim Erwerb eines solchen Geräts nicht zwingend zusätzlich ein relativ teurer Kamin mit Edelkeramik angeschafft werden. Ein Kaminsanierungsgeschäft mit keramischen Produkten gibt es in Deutschland nicht. In Österreich ist die Kaminsanierung stark rückläufig. Eine Sanierung findet nahezu ausschließlich mit den preisgünstigeren Stahlrohren statt und wird folglich von Wettbewerbern durchgeführt.
125
(c) Gleichfalls angepasst wurde die Personalaufwandsquote, die im Vergleich zum Jahr 2025 um einen Prozentpunkt im Vergleich zum Jahr 2025 niedriger angesetzt wurde, weil mit einer Entspannung des regionalen Arbeitsmarkts gerechnet wird. Zudem ist die geringere Personalaufwandsquote auf Effizienzsteigerungen zurückzuführen, die unter anderem aus den Investitionen in das neue Logistikkonzept herrühren. Neben bereits in der Phase I abgebildeten Effekten wird erwartet, dass weitere positive Effekte aus der Optimierung des Warenflusses resultieren, was eine geringere Personalaufwandsquote nach sich ziehen wird. Eine noch stärkere Reduktion ist angesichts dieser Entwicklungen allerdings nicht zwingend angezeigt.
126
(d) Der in der Konvergenzphase angenommene Rückgang der Beteiligungsergebnisse aus der 30%-igen Beteiligung an der Ahrendts Schornsteintechnikgesellschaft mbH muss als nachvollziehbar und plausibel bewertet werden. In Österreich findet mit der sogenannten Vereinbarung gemäß Art. 15 a B-VG ein ähnlicher Ansatz wie in Deutschland Anwendung. Demgemäß geht die Bewertung der Gesellschaft von einem rückläufigen Beteiligungsertrag aus, der bis zum Jahr 2050 insgesamt nur mehr 65% ausmachen soll. Der geringere Rückgang beruht darauf, dass die Ahrendts Schornsteintechnikgesellschaft mbH vom Kamingeschäft weniger stark beeinflusst ist, weil ihr Fokus auf der Sanierung bestehender Schornsteinsysteme liegt.
127
g. Die in der Konvergenzphase und im Terminal Value ab dem Jahr 2027 ff. getroffenen Annahmen bedürfen angesichts ihrer Plausibilität keiner Korrektur.
128
(1) Der Ansatz des Umsatzes kann ungeachtet des Rückgangs von € 120 Mio. im letzten Jahr der Detailplanungsphase auf € 107 Mio. im Übergangsjahr 2026 nicht als fehlerhaft angesehen werden. Der Rückgang soll gerade nicht abrupt geschehen; vielmehr wurde die Konvergenzphase genutzt, um die langfristige Entwicklung der Gesellschaft abbilden zu können. Zunächst wurden die Umsatzerlöse des Jahres 2025 mit der nachhaltigen Wachstumsrate von 0,5% fortgeschrieben sowie ein Rückgang der Umsätze um rund 30% bis zum Jahr 2030 und ein weiterer Rückgang auf 0 bis zum Jahr 2050 im Kamingeschäft angenommen. Zudem wurde davon ausgegangen, dass das Kamingeschäft ab einem Umsatz von weniger als € 5 Mio. angesichts dann mangelnder Profitabilität ganz eingestellt werde. Dieser Rückgang der Umsätze aus dem Kamingeschäft wurde wiederum als Annuität bei den Umsatzerlösen in Abzug gebracht und spiegelt sich demgemäß im Rückgang der Umsatzerlöse im Jahr 2026 um etwa 11,1% gegenüber dem Jahr 2025 wider. Dieser Wert bildet dann den Aufsatzpunkt für die Umsatzerlöse in der Ewigen Rente.
129
(2) Das EBIT lässt sich nicht mit der Situation des Jahres 2019 vergleichen. Die Marktsituation hat sich durch die steigenden Energiekosten erheblich verändert, weshalb die in der Vergangenheit erwirtschafteten Renditen künftig nachhaltig nicht mehr zu erzielen sein werden. Zudem kann nicht allein auf das EBIT abgestellt werden, weil es auch die erhöhten Abschreibungen, die aufgrund der bereits beschriebenen Investitionen in neue Produktionstechnologien benötigt werden, beinhaltet. Bei einer Betrachtung des EBITDA dagegen erhöhte sich die nachhaltige EBITDA-Marge um 3,7 Prozentpunkte. Dann aber zeigt sich, dass das EBITDA sowohl absolut als auch im Verhältnis zu den Umsatzerlösen oberhalb der in den Jahren 2018 und 2019 beobachtbaren Zahlen des EBITDA bzw. der EBITDA-Marge liegen.
130
(3) Eine Verdoppelung der Abschreibungen von € 3,924 Mio. im Jahr 2021 auf € 7,791 Mio. im Terminal Value muss als plausibel eingestuft werden. Dies beruht auf der Notwendigkeit der Berücksichtigung der zusätzlichen Investitionen in eine emissionsneutrale Produktionstechnologie, die bei der Ableitung der Investitionen in der Konvergenzphase des Jahres 2026 berücksichtigt wurde. Diese Notwendigkeit beruht auf der zeitlich begrenzten Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe als Energieträger und dem zunehmenden Erwerb von Emissionszertifikaten, wie bereits oben unter B. II. 1. c. (1) angeführt wurde. Folglich kann ein direkter Vergleich der Abschreibungen im Jahr 2021 und der nachhaltigen Abschreibungen bzw. Investitionen nicht sachgerecht sein.
131
(4) Die Annahmen in der Ewigen Rente übersehen nicht weiter steigende Anforderungen an die Qualität des Dämmmaterials, auch wenn daraus eine steigende Nachfrage nach teureren Baumaterialien abgeleitet werden könnte. Zwar haben sich die einzelnen Dämmstoffe vor allem für Fassadendämmung deutlich verteuert. Doch kann die E. AG davon nicht profitieren, weil die steigenden Dämmungsanforderungen nicht in Zusammenhang mit den beim Bau eingesetzten Dachziegel stehen. Die Dämmmaterialien liegen unter den Ziegeln; die Art der Ziegel ist somit für die Dämmung ohne Relevanz.
132
h. Kein Korrekturbedarf besteht in Bezug auf die Ausschüttungs- und Thesaurierungsquote, weil die Ansätze sowohl in der Detailplanungsphase als auch in der Konvergenzphase und im Terminal Value sachgerecht erfolgten.
133
(1) Die Ansätze zur Thesaurierung und zur Ausschüttung entsprechen dem Unternehmenskonzept der Gesellschaft und können daher nicht infrage gestellt werden. Es wird nämlich regelmäßig davon ausgegangen, dass sich der Umfang der Ausschüttungen bzw. Thesaurierung in der Planungsphase I an den konkreten Planungen der Gesellschaft zu orientieren hat (vgl. nur LG München I, Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5 HK O 17095/11; Beschluss vom 6.11.2013, Az. 5 HK O 2665/12; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 25.8.2021, Az. 5HK O 12034/21; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh § 305 Rdn. 35 a und 35 b; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., Rdn. 5.49). Die Gesellschaft plant in der Detailplanungsphase eine Thesaurierung der Jahresüberschüsse von insgesamt € 15,4 Mio., um damit vor allem einen Teil der anstehenden Investitionen von insgesamt € 43,2 Mio. zu finanzieren, während der restliche Teil von € 25 Mio. durch die vorhandenen flüssigen Mittel zum 31.12.2020 sowohl die jährlichen Cashflows finanziert werden soll.
134
(2) In der Ewigen Rente konnte eine Ausschüttungsquote von 40% angesetzt werden. Es ist nämlich sachgerecht, auf den Durchschnitt der Marktteilnehmer abzustellen (vgl. OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1170; WM 2020, 2104, 2112; Beschluss vom 26.6.2018, Az. 31 Wx 382/15; OLG Frankfurt Beschluss vom 15.10.2014, Az. 21 W 64/13; OLG Stuttgart AG 2011, 560, 563; LG München I AG 2020, 222, 224; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 13671/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5 HK O 5884/20; Beschluss vom 29.11.2023, Az. 5HK O 5321/19; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh § 305 Rdn. 35 a; Hachmeister/Ruthardt/Mager DB 2014,1209, 1211 f.). Der Kammer sind die marktüblichen Werte auch aus anderen Spruchverfahren bekannt, weshalb gegen den Ansatz der am unteren Rand, aber innerhalb der genannten Bandbreite zwischen 40 und 60% bzw. 70% liegenden Ausschüttungsquote von 40% keine Bedenken bestehen.
135
(3) Der Abzug eines Betrages von € 287.000,- in der Ewigen Rente zur Finanzierung des nachhaltigen Wachstums erfolgte zutreffend.
136
(a) Die im nachhaltigen Ergebnis angesetzte Thesaurierung in dieser Höhe berücksichtigt, dass das mit dem langfristig erwarteten Wachstum der G+V-Rechnung bzw. der Überschüsse einhergehende Wachstum der Bilanz entsprechend finanziert werden muss. Demgemäß bedingt das nachhaltige Wachstum der finanziellen Überschüsse auch ein entsprechendes Wachstum der Bilanz, was entweder über Eigenkapital erfolgen kann oder aber durch Fremdkapital aufgebracht werden muss. Für die Finanzierung über das Eigenkapital müssen zu dessen Stärkung Erträge thesauriert werden. Die Alternative der Finanzierung über Fremdkapital würde zwangsläufig das Zinsergebnis (negativ) beeinflussen. Ein Wachstum ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel ist folglich nicht möglich; nachhaltiges Gewinnwachstum kommt ohne Finanzierung nicht in Betracht. Das im Unternehmen regelmäßig zu reinvestierende gebundene Kapital unterliegt – selbst im Falle einer nachhaltigen fiktiven Vollausschüttung – inflationsbedingten Preiseinflüssen; auch die in den Plan-Bilanzen zum Ende der Detailplanungsphase berücksichtigten Aktiva und Passiva entwickeln sich inflationsbedingt fort. Aus diesen Tatsachen resultieren Finanzierungserfordernisse, die entweder durch Thesaurierung oder Fremdkapitalaufnahme erfolgen können, müssen dann aber bei der Ableitung der nachhaltigen Überschüsse einfließen (so ausdrücklich: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06 – zit. nach juris; OLG München AG 2018, 753, 755 = Der Konzern 2019, 277, 281; AG 2020, 440, 442 = WM 2020, 1028, 1032; LG München I, Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 16.4.2019, 5HK O 14963/17; auch Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 2. Aufl., S. 326 f.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei einer sich im eingeschwungenen Zustand befindlichen Gesellschaft die Kapitalstruktur in der Ewigen Rente konstant bleiben soll. Auch dies spricht für die Notwendigkeit des Ansatzes eines entsprechenden thesaurierungsbedingten Wachstums.
137
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dadurch werde der Effekt des Wachstumsabschlags rückgängig gemacht. Es ist nämlich eine differenzierende Betrachtungsweise erforderlich. Die Erfassung von thesaurierungsbedingtem Wachstum erfolgt in der Phase des Terminal Value zum einen zur Abbildung des preisbedingten Wachstums in Form des Wachstumsabschlages und zum anderen zur Berücksichtigung des durch die Thesaurierung generierten Mengenwachstums durch eine nominale Zurechnung des über die Finanzierung des preisbedingten Wachstums hinausgehenden Thesaurierungsbeitrages. Damit aber hat der Wachstumsabschlag eine andere Funktion als der Ansatz des thesaurierungsbedingten Wachstums. Dabei müssen Investitionen in der Ewigen Rente höher sein als die Abschreibungen, weil auch das Anlagevermögen im Terminal Value wächst und es ohne Finanzierung auf dem Niveau des letzten Jahres der Detailplanungsphase verharren würde.
138
Grundlage für die Ermittlung des Betrags der wachstumsbedingten Thesaurierung ist dabei das Eigenkapital zum 31.12.2020 abzüglich nicht wachsender Bilanzposten wie Grundstücke, Beteiligungen und Rechnungsabgrenzungsposten.
139
Ein Abzug von Unternehmensteuern konnte in diesem Zusammenhang nicht erfolgen. Ein solches Vorgehen zöge eine Verminderung des wirtschaftlichen Eigenkapitals als Bemessungsgrundlage für die Wachstumsthesaurierung nach sich. Zum Ausgleich müsste ceteris paribus ein laufender in Marktwerten gemessener Anstieg des Verschuldungsgrades angenommen werden. Zudem wird die Wachstumsthesaurierung aus dem Jahresüberschuss gebildet, der naturgemäß ein Wert nach Unternehmensteuern ist. Auch kennt das deutsche Steuerrecht keine Steuerermäßigungen für Thesaurierungen. Zwar führt die anteilige Deckung der Finanzierungslücke durch Fremdkapital zu einer höheren Zinsbelastung und damit verbunden geringerem Steueraufwand. Allerdings lässt sich ein Abzug von Unternehmensteuern vom Betrag der Wachstumsfinanzierung damit nicht rechtfertigen. Eine weitergehende Belastung des Betrags der Wachstumsthesaurierung lässt sich nicht aus dem Argument herleiten, dass die verbleibenden Mittel der Unternehmenswertsteigerung nach dem letzten Planjahr dienen. Die auch über eine Wachstumsthesaurierung jährlich steigenden Überschüsse unterliegen ihrerseits ceteris paribus jährlich steigenden Unternehmensteuerbelastungen. Demgemäß haben die Abfindungsprüfer in ihrer ergänzenden Stellungnahme darauf verwiesen, dass in der Bewertungspraxis und der Literatur ein derartiger Abzug von Unternehmenssteuern nicht befürwortet wird.
140
(4) Im Rahmen der Ermittlung des Ertragswerts konnte die Besteuerung auch unter Einschluss inflationsbedingter Kursgewinne erfolgen.
141
(a) Der Ansatz einer typisierten Einkommensteuer auf den Wertbeitrag aus Thesaurierung mit dem hälftigen Steuersatz zuzüglich des Solidaritätszuschlages ist angemessen. Die Festlegung eines Steuersatzes bedarf typisierender Annahmen. Aus empirischen Studien, die es wenigstens in den Vereinigten Staaten von Amerika, wenn auch nicht für Deutschland gibt, erkennt man eine durchschnittliche Haltedauer zwischen 25 und 30 Jahren. Auch wenn diese lange Dauer entsprechend den Erkenntnissen der Kammer aus anderen Spruchverfahren mit der Existenz von sehr langfristig engagierten Pensionsfonds zusammenhängt und dies für Deutschland nicht zwingend sein mag, kann es beim angesetzten Steuersatz bleiben. Dem lässt sich insbesondere auch nicht die Regelung aus § 52 a Abs. 10 EStG entgegenhalten. Ohne eine typisierende Betrachtung ließe sich nämlich ein einheitlicher Unternehmenswert nicht festlegen. Die Verwendung typisierter Steuersätze ist die notwendige Folge der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts und folglich unvermeidbar. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn eine inländische unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person als Anteilseigner angenommen wird. Wenn für Stichtage nach dem 1.1.2009 im Rahmen der Ermittlung der Zuflüsse an die Anteilseigner von der Besteuerung der Veräußerungsgewinne auszugehen ist, im Einzelfall aber ein Anteilsinhaber einen steuerfreien Veräußerungsgewinn haben kann, so muss dies bei der notwendigen Typisierung außer Betracht bleiben (vgl. OLG München NJW-RR 2014, 473, 474; AG 2015, 508, 511 f. = ZIP 2015, 1166, 1170; Beschluss vom 18.6.2014, Az. 31 Wx 390/13; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 957; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; AG 2014, 208, 211; Beschluss vom 18.12.2009, Az. 20 W 2/08; LG München I, Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/16; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585/15; König in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 1692 f.; in diese Richtung auch Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rdn. 488 ff., insbesondere 491).
142
Ein Abstellen auf die individuelle Haltedauer und die individuellen Steuersätze eines jeden einzelnen Aktionärs – gegebenenfalls auch mit Sitz im Ausland – würde eine Unternehmensbewertung unmöglich machen, zumal die Gesellschaft über Inhaberaktien verfügt und folglich die Aktionäre nicht einmal namentlich bekannt sind. Angesichts dessen ist die hier vorgenommene typisierende Betrachtung unausweichlich und rechtlich unbedenklich.
143
(b) Allerdings muss auch eine effektive Ertragsteuer auf inflationsbedingte Wertsteigerung in das Bewertungskalkül einfließen. Soweit die Kammer hierzu in der Vergangenheit die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. LG München I, Beschluss vom 29.8.2028, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; auch LG Dortmund, Beschluss vom 26.8.2019, Az. 20 O 4/12) wird daran nicht mehr festgehalten. Die Berücksichtigung einer effektiven Ertragsteuer führt zu einer besseren Annäherung an den „wahren“ oder „wirklichen“ Unternehmenswert. Dies beruht zunächst auf der Erwägung, dass der Teil des Unternehmenswertes, der auf laufenden operativen Gewinnen beruht, den Anteilseignern über eine fiktive Vollausschüttung zugerechnet wird. Im Terminal Value steigt der Unternehmenswert aber nicht nur durch diese laufenden operativen Gewinne, sondern auch inflationsbedingt. Auch diese Wertsteigerung steht den Aktionären zu, die aber konsequenterweise ebenso wie die Dividende in Phase I und thesaurierungsbedingte Wertsteigerungen in der Ewigen Rente um die persönlichen Steuern zu kürzen sind. Soweit Steuern abfließen, kann dieser Teil des Unternehmenswerts den Anteilseignern nicht fiktiv als Nettozufluss zugerechnet werden. Die von der Kammer bislang als Argument für die unterbliebene Berücksichtigung angeführte Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner im Bewertungskalkül kann nach nochmaliger Überprüfung nicht aufrechterhalten werden. Erst durch die Berücksichtigung der Besteuerung inflationsbedingter Kursgewinne kann das sogenannte Steuerparadoxon vermieden werden. Die Marktrisikoprämie im Nenner wird aus nominellen, empirisch am Markt beobachtbaren Aktienrenditen abgeleitet, in denen alle Wachstumsaspekte enthalten sind, mithin auch inflationsbedingtes Wachstum. Bei einer Umrechnung des Vorsteuerin den Nachsteuerwert werden also auch die inflationsbedingten Kursveränderungen hiervon erfasst. Wenn aber im Nenner (implizit) das inflationsbedingte Wachstum berücksichtigt ist, muss dies dann konsequenterweise auch bei den Überschüssen im Zähler folgen. Folglich kann von einer Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegt darin ein Widerspruch zwischen der grundsätzlichen Annahme einer unbegrenzten Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens einerseits und einer Besteuerung von tatsächlich nur durch Veräußerung zu realisierenden Kursgewinnen. Es handelt sich hierbei um eine bewertungstheoretische Annahme, ohne die den Aktionären wesentliche Teile des Unternehmensvermögens vorenthalten würden (so OLG München, Beschluss vom 3.12.2020, Az.: 31 Wx 330/16 – zit. nach juris; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 956; Popp/Ruthardt in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., § 12.150 ff.; WP Handbuch 2014, Band 2, Rdn. 399; Popp Der Konzern 2019, 149, 153 ff.; Laas WPg 2020, 1256, 1258 ff.).
144
Angesichts dessen stellen sich die zu kapitalisierenden Überschüsse der E. AG wie folgt dar:

Plan

Plan

Plan

Plan

Plan

Übergangs-jahr

Ewige

in TEUR

2021

2022

2023

2024

2025

2026

Rente

Umsatzerlöse

117.770

118.370

119.030

119.720

120.410

107.095

107.630

Bestandsveränderungen

-

-

-

-

-

-

-

Sonstige betriebliche Erträge

[500]

[500]

[500]

[500]

[500]

[445]

[447]

Gesamtleistung

118.270

118.870

119.530

120.220

120.910

107.540

108.077

Materialaufwand

(49.490)

(50.580)

(50.950)

(51.370)

(51.760)

(42.071)

(42.281)

Rohertrag

68.780

68.290

68.580

68.850

69.150

65.469

65.796

Personalaufwand

(34.190)

(35.010)

(35.920)

(36.630)

(37.240)

(32.021)

(32.181)

Sonstige betriebliche Aufwendungen

(22.065)

(22.280)

(22.330)

(22.370)

(22.410)

(19.932)

(20.032)

Sonstige Steuern

(185)

(187)

(190)

(195)

(200)

(178)

(179)

EBITDA (bereinigt)

12.340

10.813

10.140

9.655

9.300

13.338

13.404

Abschreibungen

(3.924)

(4.952)

(5.113)

(4.708)

(4.367)

(7.753)

(7.791)

EBIT

8.416

5.861

5.027

4.947

4.933

5.585

5.613

Zinsergebnis

(122)

(122)

(124)

(125)

(127)

(127)

(128)

Beteiligungsergebnis

[250]

[250]

[250]

[250]

[250]

[123]

[124]

Ergebnis vor Unternehmensteuern

8.544

5.989

5.153

5.072

5.057

5.581

5.609

Unternehmensteuern

(2.274)

(1.574)

(1.346)

(1.323)

(1.319)

(1.496)

(1.503)

Ergebnis nach Unternehmensteuern

6.270

4.414

3.807

3.748

3.737

4.085

4.106

Thesaurierung

4.958

3.102

2.495

2.436

2.425

-

[287]

Ausschüttungsquote

20,9%

29,7%

34,5%

35,0%

35,1%

40,0%

40,0%

Wertbeitrag aus Ausschüttung

1.313

1.313

1.313

1.313

1.313

1.634

1.642

Ertragsteuer auf Ausschüttung

(346)

(346)

(346)

(346)

(346)

(431)

(433)

Wertbeitrag aus Thesaurierung

-

-

-

-

-

2.451

2.176

Effektive Ertragsteuer auf Thesaurierung

-

-

-

-

-

(378)

(342)

Zu kapitalisierende Ergebnisse

[966]

[966]

[966]

[966]

[966]

3.276

3.43

145
2. Der Wert der so ermittelten Überschüsse muss nach der Ertragswertmethode auf den Stichtag der Hauptversammlung abgezinst werden. Der hierfür heranzuziehende Kapitalisierungszinssatz, der die Beziehung zwischen dem zu bewertenden Unternehmen und den anderen Kapitalanlagemöglichkeiten herstellen soll, wurde in der Detailplanungsphase im Geschäftsjahr 2021 auf 3,39%, im Geschäftsjahr 2022 auf 4,61%, im Geschäftsjahr 2023 auf 4,80% im Geschäftsjahr 2024 auf 4,57%, im Geschäftsjahr 2025 auf 4,40%, im Übergangsjahr 2025 auf 4,18% sowie in der Ewigen Rente auf 3,63% festgesetzt und muss nicht zugunsten der Minderheitsaktionäre angepasst werden.
146
Zutreffend ist der Ausgangspunkt bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes unter Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern in der Bewertung durch die Antragsgegnerin. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung der Unternehmenseigner unterliegen, ist der Kapitalisierungszinssatz unter Berücksichtigung der persönlichen Steuerbelastung zu ermitteln (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722, 1725; AG 2007, 287, 290; NJW-RR 2014, 473, 474; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 95 = ZIP 2019, 370, 373 f. = DB 2018, 2108, 2111 f.; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 134: OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 355; LG München I, Beschluss vom 26.8.2023, Az. 5HK O 12034/21; Laas WPg 2020, 1256, 1257). Dabei ist im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem im Zeitpunkt der Hauptversammlung maßgeblichen Steuerregime der Abgeltungssteuer von einem Steuersatz von 25% entsprechend der gesetzlichen Regelungen in §§ 43, 43 a Abs. 1 Nr. 1, 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG auszugehen, der auch angesetzt wurde. Zudem ist der Solidaritätszuschlag zu beachten, woraus sich dann ein Steuersatz von 26,375% errechnet. Auch hier muss von typisierenden Annahmen ausgegangen werden.
147
a. Der Basiszinssatz von 0,2% vor Steuern und 0,15% nach Steuern wurde dabei sachgerecht unter Anwendung der Svensson-Methode ermittelt. Dieser Ansatz kann namentlich als für die Minderheitsaktionäre nicht nachteilig angesehen werden, weil der Basiszinssatz in einem Zeitraum von drei Monaten bis zum letzten Tag vor der Hauptversammlung auf 0,34% vor Steuern, abgerundet auf 0,3% vor Steuern angestiegen ist, was einen niedrigeren Unternehmenswert zur Folge gehabt hätte. Ungeachtet dessen erfolgt die Ableitung des Unternehmenswerts und damit der Barabfindung auf dem niedrigeren Basiszinssatz von 0,2% vor Steuern.
148
(1) Der Basiszinssatz bildet eine gegenüber der Investition in das zu bewertende Unternehmen risikolose und laufzeitadäquate Anlagemöglichkeit ab. Die Ermittlung des Basiszinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve von Zerobonds quasi ohne Kreditausfallrisiko kann methodisch nicht beanstandet werden. Es ist nämlich betriebswirtschaftlich gefordert, dass der Kapitalisierungszinssatz für den zu kapitalisierenden Zahlungsstrom hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein muss. Die Zinsstrukturkurve stellt den Zusammenhang zwischen der Verzinsung und den Laufzeiten von den am Markt gehandelten Anleihen dar und gibt den Zusammenhang zwischen Verzinsung bzw. Rendite einer Anleihe und deren Laufzeit wieder. Die nach der sogenannten Svensson-Methode ermittelte Zinsstrukturkurve bildet den laufzeitspezifischen Basiszinssatz – den sogenannten Zerobond-Zinssatz – ab. Sie ist in der Rechtsprechung zu Recht weithin anerkannt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06; OLG Frankfurt NZG 2012, 1382, 1383; 2013, 69, 70; OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; AG 2012, 749, 752 = Der Konzern 2012, 561, 564; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1170; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I AG 2016, 95, 98; 2020, 222, 225; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; auch Baetge/Kümmel/Schulz/Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 448 f.). Nur dadurch kann der Grundsatz der Laufzeitäquivalenz verwirklicht werden. Die Annahme, es müsse auf den zum Bewertungsstichtag aktuellen Zinssatz für langläufige Bundesanleihen abgestellt werden, übersieht, dass die Unternehmensbewertung auf die Ewigkeit ausgelegt ist. Gerade die Anwendung der Svensson-Methode zeigt auch, dass hier gerade nicht auf Daten der Vergangenheit abgestellt wird, sondern künftige Entwicklungen der Ermittlung des Basiszinssatzes zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15). Mit ihrer Hilfe wird ein Zinssatz auf der Grundlage laufzeitabhängiger, zukunftsorientierter Kapitalmarktdaten verwendet (vgl. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, 3. Aufl., S. 481). Auf dieser Grundlage ergibt sich zum Stichtag der Hauptversammlung ein Basiszinssatz in Höhe von 0,2065%, der dann auf 0,20% vor Steuern abgerundet werden konnte. Diese vorgenommene Abrundung wirkt sich – wenn auch vergleichsweise geringfügig – zugunsten der Minderheitsaktionäre aus.
149
(2) Eine Reduktion wegen der Existenz von Credit Default Swaps muss nicht erfolgen. Allein der Umstand, dass am Markt auch Credit Default Swaps in Bezug auf staatliche Anleihen der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten sind, rechtfertigt nicht den Ansatz einer Kürzung des Basiszinssatzes. Zum einen ist die Bundesrepublik Deutschland – ungeachtet einer möglichen, aber keinesfalls sicheren Verwirklichung von Haftungsrisiken als Folge der Staatsschuldenkrise innerhalb des Euro-Raums – unverändert ein sicherer Schuldner. Auf ein theoretisches Restausfallrisiko kommt es nicht entscheidend an, weil völlig risikofreie Anlagen ohnehin nicht verfügbar sind. Zudem ist aus anderen Spruchverfahren gerichtsbekannt, dass es zwar Spekulationen gegen die Bundesrepublik Deutschland gibt; diese sind indes zahlenmäßig so gering, dass eine Berücksichtigung beim Basiszinssatz nicht gerechtfertigt sein kann. Weiterhin kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Staatsschulden der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Neuregelungen in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG zumindest nicht in dem Ausmaß ansteigen dürfen, wie dies in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten war (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011, Az. 21 W 7/11; LG München I Der Konzern 2020, 311, 313 f.; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/14; Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 26513/11). Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 15.11.2023, Az. 2 Bvf 1/22 die Vorgaben zur Kreditaufnahme des Bundes präzisiert hat, was eine strikte Einhaltung der Schuldenbremse nach sich zieht. Namentlich die Vorschrift des Artikel 115 Abs. 2 Satz 6 GG gebietet eine voll umfänglich Prüfung, inwieweit die Voraussetzungen für eine notlagenbedingte Kreditaufnahme erfüllt sind. Zudem gelten die allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsätze der Jährlichkeit und Jährigkeit sowie bei dem grundsätzlichen Verbot der strukturellen Neuverschuldung nach Artikel 109 Abs. 3, 115 GG als auch bei der notlagenbedingten Kreditaufnahme, die sich der Kontrolle des Staates entzieht (vgl. BVerfG NJW 2023, 3775, 3782 f. = WM 2023, 2236, 2242 f. = NVwZ 2023, 1892, 1898 f.)
150
(3) Ebenso wenig ist es geboten, den Basiszinssatz in Phase I jeweils für ein konkretes Planjahr gesondert auszuweisen. Die einheitliche Festlegung des Basiszinssatzes für den gesamten Beurteilungszeitraum stellt eine allgemein übliche und nicht zu beanstandende Vorgehensweise dar (so ausdrücklich OLG München NJW-RR 2014, 423, 474; Beschluss vom 30.7.2018, Az., 31 Wx 122716). Dies ergibt sich letztlich auch aus der Überlegung, dass Erträge zwar jährlich erzielt und ausgeschüttet werden sollen, die Dauer des Unternehmens und damit die Ermittlung des Ertragswertes in die Ewigkeit angelegt ist und demzufolge auch nicht von einer jährlich neu stattfindenden Alternativanlage ausgegangen werden kann, wenn Bewertungsanlass das Ausscheiden eines Aktionärs aus der Gesellschaft ist (vgl. LG München I, Beschluss vom 30.3.2012, Az. 5 HK O 11296/06; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 29.11.2023, Az. 5HK O 5321/19).
151
b. Für die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes muss der Basiszinssatz um einen Risikozuschlag erhöht werden, der nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen ist und vorliegend in den Planjahren mit 3,25% in 2021, 4,46% in 2022, 4,65% in 2023, 4,42% in 2024 und 4,26% in 2025, 4,02% im Übergangsjahr sowie mit 3,98% jeweils nach Steuern in der Ewigen Rente festzusetzen ist.
152
(1) Der Grund für den Ansatz eines Risikozuschlages liegt darin, dass Investitionen in Unternehmen im Vergleich zur Anlage in sichere oder zumindest quasi-sichere öffentlichen Anleihen einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Dieses Risiko wird bei einem risikoaversen Anleger durch höhere Renditechancen und damit einen erhöhten Zinssatz ausgeglichen, weshalb der Ansatz eines Risikozuschlages unumgänglich ist, zumal der Verzicht auf diesen die ohnehin nicht durch die Planung abgegoltenen Risiken wie politische Krisen, Naturkatastrophen oder weitere nicht in die Planungsrechnung einzubeziehenden allgemeinen wirtschaftlichen Risiken vernachlässigen würde. Ebenso kann die Gefahr des Verfehlens der Planungsziele nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Angesichts dessen geht die heute nahezu einhellig vertretene obergerichtliche Rechtsprechung vom Erfordernis des Ansatzes eines Risikozuschlages aus (vgl. nur OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; KG NZG 2011, 1302, 1304 = AG 2011, 627, 628 f. = ZIP 2011, 2012, 2013 = WM 2011, 1705, 1706 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2011, Az. 20 W 7/11; AG 2013, 724, 729; AG 2014, 208, 211; OLG Frankfurt NZG 2012, 549, 550 = Der Konzern 2012, 199, 205 f.; AG 2017, 790, 793 = Der Konzern 2018, 74, 78; ebenso Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 394; Baetge/Kümmel/Schulz/Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 455).
153
(2) Allerdings wird die Frage, wie der Risikozuschlag im Einzelnen zu ermitteln ist, nicht einheitlich beurteilt.
154
(a) Mehrheitlich wird heute davon ausgegangen, der Risikozuschlag könne mittels des (Tax-)CAPM (Capital Asset Pricing Model) ermittelt werden. Danach wird die durchschnittliche Marktrisikoprämie, die anhand empirischer Daten aus der langfristigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und risikolosen staatlichen Anleihen errechnet wird, mit einem spezifischen Beta-Faktor multipliziert, der sich aus der Volatilität der Aktie des zu bewertenden Unternehmens ergibt (vgl. OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1685, 1690; OLG Stuttgart AG 2010, 510, 512; AG 2008, 510, 514 f.; NZG 2007, 112, 117 = AG 2007, 128, 133 f.; OLG Frankfurt AG 2016, 551, 554; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 144; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 126 f.). Zur Begründung der Maßgeblichkeit dieses kapitalmarkttheoretischen Modells wird vor allem ausgeführt, dass bei der Feststellung des Unternehmenswertes intersubjektiv nachvollziehbare Grundsätze unter Zugrundelegung von Kapitalmarktdaten Anwendung fänden und dass es kein anderes Modell gebe, das wie das CAPM die Bewertung risikobehafteter Anlagenmöglichkeiten erläutere.
155
Die weiteren in der Literatur diskutierten Modelle sind jedoch dem (Tax-)CAPM keinesfalls überlegen, sondern weisen – wie der Kammer aus anderen Spruchverfahren wie dem Verfahren 5HK O 16226/08 bekannt – deutliche Schwächen auf, weshalb sie zur Ermittlung des Risikozuschlages nicht herangezogen werden können.
156
(aa) Die Arbitrage Pricing Theory (APT) kann nicht als geeignetes Modell bezeichnet werden. Durch diese Methode wird ein Zusammenhang zwischen erwarteter Rendite und Risiko hergestellt. Die dabei zugrundeliegende Annahme unterscheidet sich allerdings deutlich von der des (Tax-)CAPM. Während das CAPM bei der Schätzung der Security Market Line davon ausgeht, dass alle Anlagen effizient diversifizierende Portfolios bilden und sich der Kapitalmarkt im Gleichgewicht befindet, nimmt das APT an, in funktionierenden Märkten könne es zu keinem Fortbestehen von Arbitragemöglichkeiten kommen. Grundgedanke ist dabei, dass bei kurzfristig auftretenden Arbitragemöglichkeiten der Marktpreis von den Marktteilnehmern dahingehend beeinflusst wird, dass sich die Arbitragemöglichkeit als Ausnutzen von Preisdifferenzen für dasselbe Wertpapier an zwei unterschiedlichen Handelsplätzen auflöst. Eine Verletzung dieser Beziehung spräche daher für einen irrationalen Markt. Die zweite Annahme des APT liegt in der Erklärung von Aktienrenditen durch ein Faktorenmodell, wobei sowohl Ein- als auch Mehrfaktorenmodelle Verwendung finden. Dabei wird die Aktienrendite unter Berücksichtigung mehrerer Risikofaktoren bestimmt, wie beispielsweise die Risikoprämien für makroökonomische Größen, die das Bruttoinlandsprodukt oder die Inflationsrate darstellen. Die dritte zentrale Annahme besteht im Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Wertpapieren, um wertpapierspezifische Risiken durch Diversifikation zu eliminieren. Ein erheblicher Nachteil dieses Modells liegt darin, dass keine konkrete Vorgehensweise in Bezug auf die Bestimmung von relevanten Faktoren, bzw. den korrespondierenden Risikoprämien aufgezeigt wird.
157
(bb) In gleicher Weise kann auch für das Drei-Faktoren-Modell nach Fama French eine Überlegenheit gegenüber dem (Tax-)CAPM nicht angenommen werden, weshalb es wie das APT zur Ableitung der Marktrisikoprämie nicht herangezogen werden muss. Dieses Modell berücksichtigt neben der Marktrisikoprämie und dem Beta-Faktor zusätzlich noch weitere Faktoren, die sich auf die Marktkapitalisierung und das Kurs-Buchwert-Verhältnis beziehen, wodurch die erwartete Überrendite von kleinen Unternehmen und Unternehmen mit einem hohen Quotienten aus Buch- und Marktwert berücksichtigt werden sollen. Die gerichtlich bestellten Sachverständigen haben in ihrem Hauptgutachten dargestellt, dass die Ermittlung der Faktoren auf empirischer Erklärungsgüte von Aktienrenditen basiert und somit theoretisch nicht fundiert ist. Aus einem anderen Spruchverfahren, Az. 5 HK O 16505/08 ist der Kammer aufgrund der Ausführungen des dortigen Sachverständigen, Herrn Dipl.-Kfm. M. W., zudem bekannt, dass eine durchgeführte Untersuchung von Schulz aus dem Jahr 2009 für den deutschen Kapitalmarkt gerade keine Überrendite für kleine und große Unternehmen feststellen konnte. Angesichts dessen wird das Modell von Fama French den deutschen Marktgegebenheiten nicht gerecht. Auch dieser Umstand spricht neben der kontrovers diskutierten Auswahl der Risikofaktoren gegen den Ansatz der Überlegungen von Fama und French zur Ermittlung des Risikozuschlags bei der Gesellschaft.
158
(cc) Auch die Sicherheitsäquivalenzmethode, die im Zähler des Bewertungskalküls ansetzt, stellt keine vorzugswürdige alternative Methode zur Bestimmung des Risikozuschlags dar. Sie beruht auf der Erwägung, dass der unsichere künftige Zahlungsstrom als Grundlage der Bewertung nach der Ertragswertmethode durch einen Zahlungsstrom ersetzt wird, der anstelle des Erwartungswertes risikoneutrale Erwartungswerte abbildet. Die Diskontierung des Zahlungsstroms erfolgt dann mit dem risikofreien Zinssatz. Das Sicherheitsäquivalent ist dabei diejenige Ergebnishöhe, die bei sicherem Eintreten aus Sicht des Bewerters den gleichen Nutzen stiftet wie das volle (unsichere) Ergebnis-Verteilungsspektrum. Hierzu ist indes die Bestimmung einer Risikonutzenfunktion erforderlich. Die dieser zugrundeliegende Schätzung risikoneutraler Wahrscheinlichkeiten lässt sich beispielsweise über Marktdaten wie Optionspreise bei Annahme der Arbitragefreiheit ermitteln. Indes stellt die Risikonutzenfunktion ein abstraktes Konzept dar, dessen Bestimmung in Bezug auf den konkreten Funktionsverlauf mit solchen Herausforderungen verbunden ist, dass sie in der Bewertungspraxis keine Anwendung findet und schon deshalb nicht geeignet sein kann, den Risikozuschlag abzuleiten. Die Überlegungen für den Ansatz einer bestimmten Methode, wie sie oben einleitend unter B. II. dargestellt wurden, müssen hier in gleicher Weise geltend. Zudem ist, wie der Kammer aus den Verfahren 5 HK O 7819/09 durch die Aussage der dort bestellten Sachverständigen W. A. und W. W. bekannt ist, dass eine darauf beruhende Bewertung intersubjektiv kaum oder gar nicht nachprüfbar ist, nachdem sie die Kenntnis der Risiko-Nutzen-Funktion der Eigentümer voraussetzt.
159
(dd) Für die von Gleißner entwickelte Ermittlung der Kapitalkosten auf der Grundlage des Ertragsrisikos, das anhand von Variationskoeffizienten von Ertrag oder von freiem Cashflow gemessen wird, wobei dieser das Verhältnis der Standardabweichung zum Ertragswert darstellt, muss ungeachtet des dieser Methode innewohnenden Vorteils einer Ermittlung ohne Heranziehen von Kapitalmarktdaten gelten, dass sie in der wirtschaftswissenschaftlichen Praxis für aktienrechtliche Strukturmaßnahmen nicht angewandt wird, sondern nur vereinzelt für Bewertungsanlässe außerhalb solcher Maßnahmen. Somit fehlt es an einer zentralen Voraussetzung entsprechend den obigen Ausführungen unter B. II.
160
Angesichts dessen konnte und kann auf das (Tax-)CAPM zurückgegriffen werden, um den Risikozuschlag zu schätzen.
161
(2) Die angesetzte Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern bedarf keiner Korrektur.
162
(a) Sie liegt innerhalb der zum damaligen Stichtag vom FAUB des IDW empfohlenen Bandbreite von 5,0% bis 6,5%. Der Stichtag der Hauptversammlung liegt nun aber zeitlich nach der aktuellen Empfehlung vom 22.10. 2019, durch die nach Anhebung der Obergrenze eine Bandbreite zwischen 5% und 6,5% nach Steuern als sachgerecht bezeichnet wurde. Zur Begründung dieser aktuellen Empfehlung führte der FAUB aus, aufgrund der aktuellen Entwicklung in Bezug auf den risikolosen Zinssatz von damals 0%, der danach sogar negativ wurde, sei eine erneute Anpassung in Bezug auf die Marktrisikoprämie erforderlich. Die Gesamtrenditeerwartung sei tatsächlich bereits in den Jahren 2012/2013 leicht gesunken; der Rückgang stehe jedoch in keinem Verhältnis zum Rückgang der Renditen deutscher Staatsanleihen. Ausgehend von einer aktuellen Gesamtrenditeerwartung von 7% bis 9% vor Steuern oder rund 5,62% bis 7,22% nach Steuern müsse es zu einer Anhebung der Marktrisikoprämie auf 6% bis 8% vor Steuern, mithin einem Nach-Steuerwert von 5% bis 6,5% kommen. Dieses Fazit einer leicht gesunkenen Gesamtrenditeerwartung beruht auf einer vom FAUB vorgenommenen Analyse verschiedenster Methoden, wobei namentlich historisch gemessene Aktienrenditen, langfristig reale Aktienrenditen, ex ante-Analysen impliziter Kapitalkosten und aktuelle Betrachtungen herangezogen wurden. Diese Empfehlung des FAUB beruht auf einem pluralen Ansatz und nicht nur auf einer einzelnen Ableitung. Dabei werden sowohl vergangenheits-bezogene Zahlen als auch Überlegungen zur Herleitung einer impliziten Marktrisikoprämie herangezogen. Seit Beginn der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise mit in der Folge sinkenden Basiszinssätzen gibt es eine wachsende Unsicherheit und damit verbunden eine hohe Risikoaversion, was – anders als steigende Diversifizierungsmöglichkeiten und eine im Zeitlauf gestiegene Risikotoleranz aufgrund gestiegenen Vermögens – für eine höhere Marktrisikoprämie spricht. Jüngere empirische Untersuchungen auch unterschiedlicher Ansätze – Betrachtung historisch gemessener Aktienrenditen, Betrachtung langfristig realer Aktienrenditen, Verwendung von ex ante-Analysen impliziter Kapitalkosen sowie modelltheoretische Analysen ohne risikofreie Kapitalkosten – deuten auf eine im Vergleich zu früheren Ansätzen infolge der Finanzkrise gestiegene Marktrisikoprämie hin (vgl. Castedello/Jonas/Schiessl/ Lenckner WPg 2018, 806 ff.). Dieser plurale Ansatz ist ungeachtet der an dieser Vorgehensweise in der Literatur geäußerten Kritik, die Marktrisikoprämie müsse anhand impliziter, am Kapitalmarkt beobachtbarer Kapitalkosten abgeleitet werden (vgl. Bassemir/Gebhardt/Ruffing WPg 2012, 882, 886), weshalb die theoretische Fundierung der Erhöhung fehle, vorzugswürdig. Die alleinige Ableitung der Marktrisikoprämie aus impliziten Kapitalkosten ist nämlich wiederum der nachvollziehbaren Kritik ausgesetzt, dass es sich dabei um einen Zirkelschluss handele, weil der aktuell gegebene Aktienkurs als gegebene Größe in die Ermittlung der impliziten Eigenkapitalkosten eingehe und sich eine einheitliche oder gar richtige Methode zu ihrer Herleitung nicht gebildet habe. Die mit der geänderten Bandbreite zum Ausdruck kommende, abwägende und veränderte Konzeption der zurückhaltenderen Herangehensweise ist ein für die Zwecke einer praktischen Unternehmensbewertung jedenfalls vertretbarer und damit für die gerichtliche Überprüfung hinreichend tauglicher Ansatz, den geänderten Bedingungen am Kapitalmarkt mit sehr niedrigen Basiszinssätzen und den daraus resultierenden empirischen Beobachtungen Rechnung zu tragen. Dabei ist nicht ersichtlich, dass die Nichtbeachtung der stichtagsaktuellen Empfehlungen des FAUB zur Marktrisikoprämie im Rahmen objektivierter Unternehmensbewertungen zu „richtigeren“ Unternehmenswerten führen könne. Wenn aber die Bandbreite einen genügenden Rahmen bietet, kann auch der Mittelwert von 5,75% nach Steuern vorliegend herangezogen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.9.2020, Az. 21 W 121/15; OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 599, 605 f.; OLG Düsseldorf AG 2018, 679, 681 = Der Konzern 2019, 92, 96). Dabei muss gerade in diesem Zusammenhang gesehen werden, dass der Rückgang des Basiszinssatzes und die darauf beruhende Anpassung der Bandbreitenempfehlung deutlich stärker ausfiel als die Erhöhung der Marktrisikoprämie.
163
(b) Soweit in der Literatur vertreten wird, eine höhere Marktrisikoprämie lasse sich nicht rechtfertigen (vgl. Knoll Der Konzern 2020, 478 ff.), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Gerade die Ableitung und Höhe der Marktrisikoprämie sind in der betriebswirtschaftlichen Literatur heftig umstritten, wie eine Vielzahl von Studien und Literaturbeiträgen deutlich machen. Eine zweifelsfreie Klärung der Problematik wird nicht möglich sein. Da es nicht Aufgabe des Spruchverfahrens sein kann, wirtschaftswissenschaftliche Streitfragen einer letztverbindlichen Klärung zuzuführen, ist die Kammer auch nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten zu diesem Themenkomplex einzuholen. Ein weiterer Erkenntnisgewinn ist hierdurch nicht zu erwarten, nachdem es insbesondere keine belastbaren Studien gibt, die dem Gericht eine bessere Erkenntnisgrundlage vermitteln könnten (so ausdrücklich OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 629, 606).
164
(c) Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BGH zur Ermittlung des Risikozuschlags nach § 7 Abs. 4 und Abs. 5 StromNEV durch die Regulierungsbehörde (vgl. BGH, Beschluss vom 9.7.2019, Az. EnVR 41/18; Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18) herleiten. Der BGH lässt in diesen Entscheidungen gerade nicht erkennen, dass der Ansatz des FAUB des IDW nicht geeignet sein könnte, die Marktrisikoprämie angemessen abzubilden. Es wird lediglich ausgeführt, es handele sich hierbei um eine alternativ in Betracht kommende Bewertungsmethode, die dem Ansatz der Bundesnetzagentur nicht klar überlegen sei (vgl. OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16; OLG Düsseldorf NZG 2023, 160, 166 f. = AG 2022, 705, 710 f. = ZIP 2022, 1269, 1274 f. = WM 2022, 1480, 1486 = Der Konzern 2022, 483, 492). Die vom Kartellsenat des BGH aufgestellten Grundsätze lassen sich nach den ausdrücklichen Feststellungen im Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18 gerade nicht mit denen zur Ermittlung der angemessenen Barabfindung nach § 327 b AktG vergleichen, weil die Ermittlung des Wagniszuschlags nach § 7 Abs. 5 StromNEV nicht der Ermittlung eines Unternehmenswertes dient, sondern der Bestimmung eines Faktors, dem ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmung einer den Zielen der §§ 1 und 21 EnWG Rechnung tragenden Vergütung für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen zukommt.
165
(3) Der herangezogene unverschuldete Beta-Faktor von 0,85 reflektiert das operative Risiko der Gesellschaft, wobei er aus einer P1. Group vergleichbarer Unternehmen abgeleitet werden konnte.
166
(a) Der Beta-Faktor gibt an, wie sich die Rendite des zu bewertenden Unternehmens im Vergleich zum Marktportfolio verhält, so dass er das unternehmensindividuelle Risiko ausdrückt. Dabei beschreibt der Beta-Faktor, welche Änderung der Rendite der zu bewertenden Aktie bei einer Änderung der Rendite des Marktportfolios zu erwarten ist. Somit ist er kein empirisch feststellbarer Vergangenheitswert, sondern ein durch Schätzung zu ermittelnder Zukunftswert. Dabei erfolgt die Ableitung des künftigen Beta-Faktors bei börsennotierten Unternehmen aus historischen Kapitalmarktdaten anhand einer linearen Regression der unternehmensspezifischen Aktienkursrendite auf die Rendite des Aktienindex, wobei der Beta-Faktor die Steigerung der Regressionsanalyse angibt (vgl. OLG Karlsruhe AG 2013, 880, 881 = Der Konzern 2013, 499, 512; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.1.2014, Az. 26 W 22/12 (AktE) – zit. nach juris; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 795; NZG 2020, 339, 346 = AG 2020, 298, 302 = ZIP 2020, 810, 818; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG a.a.O., Anh § 305 Rdn. 45 a; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 155 und 158). Sofern das unternehmenseigene Beta aussagekräftig und nicht durch Sonderfaktoren verzerrt ist, ist dieses zur Ermittlung des unternehmensindividuellen Risikos heranzuziehen und gegenüber der Ermittlung aus einer P1. Group vorzugswürdig. Dies resultiert aus der Überlegung, dass der eigene Beta-Faktor im Zweifelsfall das systematische, operative Risiko der Gesellschaft unmittelbar wiedergibt, weshalb er der beste Indikator für den künftigen Beta-Faktor ist (vgl. OLG Frankfurt, AG 2017, 790, 795; NZG 2020, 339, 346 = AG 2020, 298, 303 = ZIP 2020, 810, 818; OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 124, 895; OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 21, 367 = AG 2016, 584, 567; BeckRS 2016, 111006; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 170; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh 305 Rdn. 47; Franken/Schulte/Brunner/Dörschell, Kapitalkosten und Multiplikatoren für die Unternehmensbewertung, 6. Aufl., S.407 ff.).
167
(b) Davon kann hier allerdings nicht ausgegangen werden. Da für die Gesellschaft mit dem Delisting zum 30.6.2023 keine belastbaren Beta-Faktoren mehr vorliegen und im Zeitraum vom 6.12.2016 bis zum 14.4.2021 Handel nur an insgesamt neun Tagen mit vergleichsweise geringem Handelsvolumen von 5, 10, 15, 72, 100, 120, 150 und 400 Stück entsprechend den Angaben im Prüfungsbericht festgestellt werden konnte, musste angesichts der fehlenden Aussagekraft des unternehmenseigenen Beta-Faktors der Gesellschaft zwingend auf eine P1. Group zurückgegriffen werden, deren Zusammensetzung keinen Bedenken begegnet.
168
Für die Auswahl der P1. Group-Unternehmen wesentlich ist die Vergleichbarkeit hinsichtlich des Geschäftsmodells, der spezifischen Produktsegmente bzw. des Diversifikationsgrades und der Produktart, hinsichtlich der regionalen Abdeckung und gegebenenfalls auch hinsichtlich ihrer Größe (vgl. Franken/Schulte/Dörschell, Kapitalkosten für die Unternehmensbewertung, 3. Aufl., S. 47; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, a.a.O., § 6.96). Diese unmittelbare Vergleichbarkeit muss bei den herangezogenen Unternehmen der P1. Group bejaht werden. Es ist in der Rechtsprechung zudem weithin anerkannt, dass angesichts der internationalen Verflechtung der Kapitalmärkte auch ausländische Unternehmen in eine P1. Group aufgenommen werden können (vgl. OLG Celle AG 2007, 865, 867 = ZIP 2007, 2025, 2028; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; LG München I, Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 26.7.2019, Az. 5HK O 13831/17).
169
Bei der Aufnahme in die P1. Group der Vergleichsunternehmen spielt die Größe keine entscheidende Rolle. Die Größe verändert den Risikomechanismus nicht in einer Art und Weise, die zum Ausschluss der Vergleichbarkeit führen würde. Dies wird bestätigt durch die Erkenntnisse und Beobachtungen, die die Kammer auch in anderen bei ihr geführten Spruchverfahren gewonnen hat. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss die Größe eines Unternehmens auf die Rendite bzw. das Risiko hat. Zwei jüngere Studien kommen dabei zu dem Schluss, es gebe über zum Teil auch sehr lange Untersuchungszeiträume von bis zu 91 Jahren weltweit kaum Anzeichen für eine Größenprämie in Aktienmärkten und Risikozuschläge für kleinere Unternehmen. Dieser Umstand, dass die Größe allein kein ausschlaggebender Faktor sein wird, steht in Einklang mit den Erfahrungen der Kammer aus anderen Spruchverfahren, wonach im Vergleich zum Bewertungsobjekt deutlich größere Unternehmen innerhalb der P1. Group zum Teil im Vergleich zum Durchschnitt und zum Median deutlich höhere, aber ebenso auch deutlich niedrigere Beta-Faktoren aufwiesen. Wesentlich muss vielmehr sein, dass die einbezogenen Unternehmen vergleichbaren operativen Risiken ausgesetzt sind.
170
In die P1. Group aufgenommen wurden demgemäß Unternehmen, die Hersteller von Baumaterialien sind, ihren Firmensitz in der Region DACH oder der Europäischen Union haben, deren Marktkapitalisierung über € 500 Mio. liegt und die Bid-Ask-Spreads von unter 1% aufweisen.
171
(aa) Die Aufteilung der Vergleichsunternehmen in zwei Gruppen aus der W. AG einerseits und B. U. S.p.A., C. H. N.V., C. de S.G. S.A., CRH plc., H.C. AG, K. G. plc,. L. H. Ltd., R. I. A/S, T. C. S.A. und Vi. S.A. andererseits muss nicht korrigiert werden. Die W. AG ist als direkter Wettbewerber der Gesellschaft im Produktbereich Dachkeramik als P1. Group 1 mit einer Gewichtung von 50% definiert worden. Demgegenüber handelt es sich bei H.C. AG und B. U. S.p.A. um Baustoffunternehmen, die nicht auf die Herstellung keramischer Dachziegel spezialisiert sind.
172
(bb) B. U., H.C. AG, L. H. Ltd., CRH plc., K. G. plc. sowie Compagnie de S.G. S.A. konnten dagegen in die P1. Group 2 aufgenommen werden. Bei diesen Unternehmen handelt es sich um solche, die die Entwicklung der Baustoffindustrie, der auch die E. AG angehört, widerspiegeln. Hersteller von Beton und Baustoffunternehmen treffen in gleicher Weise wie das Bewertungsobjekt die am Markt bestehenden Risiken wie namentlich steigende Energiekosten und die Notwendigkeit des Erreichens des Ziels der Klimaneutralität. Zementhersteller gehören ebenso wie die Produzenten von Dachziegeln zu den energieintensiven Unternehmen, die in besonderem Maße von der zunehmenden Verknappung der Emissionszertifikate mit den daraus resultierenden steigenden Zertifikatspreisen betroffen sind. Dies gilt namentlich auch für die Compagnie de S.G. S.A., weil dieses Unternehmen ebenfalls als Baustoffunternehmen einzuordnen ist und die von ihm hergestellten Produkte nur mit einem hohen Energiebedarf produziert werden können. Flachglas und Mineralwolle werden durch Glasschmelze erzeugt, duktiles Gusseisen muss gleichfalls geschmolzen werden. Gips und Gipskarton werden in einem Brennprozess hergestellt.
173
(cc) Als Hersteller von Steinwolle und Dämmstoffen konnte R. International A/S aus denselben Gründen zu den Herstellern von Baumaterialien gezählt und in die P1. Group aufgenommen werden.
174
(dd) Demgegenüber mussten weder Y.-SE & Co. KGaA noch B. S. GmbH oder die C. GmbH in die P1. Group aufgenommen werden. Y. SE & Co. KGaA ist als Hersteller von Farben, Putzen, Lacken und Beschichtungssowie Wärmedämmverbundsystemen sowohl mit Blick auf das Geschäftsmodell als auch das Risikoprofil nicht hinreichend vergleichbar. Zudem hat dieses Unternehmen mit Betoninstandsetzung, Bodenbeschichtungen, Akustik und vorgehängten Fassadensystemen noch weitere und andere Schwerpunkte in seiner Tätigkeit. Die beiden anderen Unternehmen können als GmbH nicht börsennotiert sein und scheiden daher von vornherein als Vergleichsunternehmen zur Ermittlung des Beta-Faktors aus.
175
Die Abfindungsprüfer leiteten aus dieser P1. Group einen unverschuldeten Beta-Faktor von 0,85 aus einer Bandbreite von Beta-Faktoren ab, die insgesamt vier in der Bewertungspraxis übliche Methoden reflektieren. Dabei zogen sie einen Betrachtungszeitraum von zwei Jahren mit wöchentlichen Renditeintervallen und von fünf Jahren mit monatlichen Renditeintervallen heran; die Regression erfolgte sowohl gegen einen breiten lokalen Index als auch gegen den globalen MSCI World Total Return Index. Daraus ergab sich nach dem Unlevern eine Bandbreite zwischen 0,83 und 1,09, woraus dann ein Beta-Faktor von 0,85 unverschuldet als angemessen angesehen wurde, wobei in diesen Wert die vier Mittelwerte des raw Beta eingeflossen sind.
176
Über ein Branchen-Beta kann ein niedrigerer Beta-Faktor nicht hergeleitet werden. In die Bewertung des Branchen-Beta fließen demgegenüber zu viele Unternehmen ein, die mit Bewertungsobjekt nicht oder jedenfalls kaum vergleichbar sind; einen Rückschluss auf die konkrete Risikostruktur des zu bewertenden Unternehmens lässt das Branchen-Beta nicht zu (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.7.2014, Az. 20 W 3/12; LG München I, Beschluss v. 25.4.2016, Az. 5 HK O 20672/14; Beschluss v. 30.5.2018, Az. 5 HK O 1044/16; Beschluss vom 14.6.2023, Az. 5HK O 2103/22; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh. § 305 Rdn. 47c; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 165).
177
Soweit die Abfindungsprüfer von M. anders als die Bewertungsgutachter von K. nicht nur gegen einen breiten nationalen Index regressiert haben, sondern im Rahmen ihrer Prüfungstätigkeit auch den MSCI World Index herangezogen haben, mussten sie nicht zwingend auf eine internationale Marktrisikoprämie abstellen.
178
Die Ermittlung der künftigen Marktrisikoprämie wie auch des Beta-Faktors beruht naturgemäß auf einer Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO. Dabei wurde aber der Risikozuschlag gerade nicht nur mit Hilfe des globalen Index als Regressionsindex ermittelt; vielmehr erfolgte eine Regression auch gegen den größten nationalen Index. Damit aber wird eine Gesamtschau vorgenommen. Da die Abfindung aus der Sicht eines inländischen Aktionärs abgeleitet wird, muss dann aber auch nicht zwingend auf eine globale Marktrisikoprämie abgestellt werden. Ihr Ansatz stünde zudem im Widerspruch zur Ableitung des Basiszinssatzes auf der Grundlage deutscher Staatsanleihen. Zur Ableitung der Kapitalkosten müssten dann aber die in lokalen Währungen und Anleihen zu ermittelten Basiszinssätze herangezogen werden, was allerdings regelmäßig nicht geschieht. Eine internationale Marktrisikoprämie ist nicht geeignet, die Überrendite gegenüber deutschen Staatsanleihen auszudrücken, was aber auch Aufgabe des Risikozuschlags nach dem (Tax-)CAPM ist (vgl. LG München I, Beschluss vom 25.8.2023, Az. 5HK O 12034/21).
179
Dabei zeigt gerade auch der Vergleich mit der W. AG, deren unverschuldeter Beta-Faktor um 0,03 niedriger liegt, dass der Ansatz eines unverschuldeten Beta-Faktors von 0,85 für die E. AG durchaus sachgerecht ist. Die größere Diversifizierung bei der W. AG kann ein etwas geringeres Risiko rechtfertigen.
180
(4) Neben dem operativen Risiko prägt auch das Kapitalstrukturrisiko eines Unternehmens dessen Risiko, weshalb es ebenfalls in den Beta-Faktor einfließen muss. Demgemäß muss über das Relevern die künftige Verschuldung abgebildet werden, woraus sich dann der verschuldete Beta-Faktor herleiten lässt. Dieser beträgt bei einem Verschuldungsgrad von minus 30,09% im Jahr 2021 0,56, bei einem Verschuldungsgrad von minus 6,02% im Jahr 2022 0,78, bei einem Verschuldungsgrad von minus 2,24% im Jahr 2023 0,81, bei einem Verschuldensgrad von minus 6,86 im Jahr 2024 0,77, bei einem Verschuldungsgrad von minus 10,28% im Jahr 2025 0,74, bei einem Verschuldungsgrad von minus 14,82% im Übergangsjahr 0,70 und im Terminal Value bei einem Verschuldungsgrad von minus 15,76 0,69.
181
(5) Der so mit Hilfe des (Tax-)CAPM ermittelte Risikozuschlag steht auch in Einklang mit den sich aus der speziellen Situation der Gesellschaft am Markt ergebenden Risiken, wobei diese operativ in etwa dem Durchschnitt entsprechen und dann unter Berücksichtigung der Verschuldungssituation insgesamt als leicht unterdurchschnittlich eingestuft werden müssen. Der Kammer ist aus anderen Spruchverfahren bekannt, dass der Durchschnitt des operativen Risikos über einen Beta-Faktor von etwa 0,8 bis 0,85 abgebildet wird, was zu der Annahme eines in etwa durchschnittlichen operativen Risikos bei der E. AG führt.
182
(a) Dabei muss im operativen Bereich gesehen werden, dass sich in der Zukunft die Chancen und Risiken der E. AG in etwa die Waage halten werden. Hier muss namentlich beachtet werden, dass die Gesellschaft als regional tätiger Anbieter von keramischen Dachziegeln, Schornsteinsystemen und Lüftungsnetzwerken für Ein- und Zweifamilienhäusern von der Entwicklung des Wohnungsbaumarktes wie auch des Marktes für Baumaterialien von Ein- und Zweifamilienhäusern abhängig ist und somit den zyklischen Schwankungen der durchaus konjunkturabhängigen Bauwirtschaft unterliegt. Die Gesellschaft trifft eine hohe Abhängigkeit von Gas mit den damit verbundenen steigenden Aufwendungen für den Erwerb von Emissionszertifikaten und ist dem bevorstehenden tiefgreifenden Umbruch aufgrund der sich ändernden umweltpolitischen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Zudem ist sie in einem eher stagnierenden Markt mit starkem wettbewerbsbedingten Preisdruck sowie einem allgemeinen Trend zu Flach- und Pultdächern sowie der Gefahr der Verdrängung von Dachziegeln durch alternative Dachbedeckungen wie beispielsweise Solarmodulen tätig Zudem befindet sie sich in einem starken Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte mit den bestehenden Folgen für die Personalkosten. In Norddeutschland besteht ein geringerer Bekanntheitsgrad, was im Zusammenhang mit stark regional fokussierten Wettbewerbern den Ausbau einer Marktposition in dieser Region erschwert. Zudem beschränkt sich das Know how auf Tondachziegel und Schornsteinsysteme, weshalb ein Ausweichen auf Substitutionsprodukte kaum möglich sein wird. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass es neben diesen Risiken auch erhebliche Chancen im Bereich der Sanierung durch Auflösung des Investitionsstaus im Geschäftsfeld der Gesellschaft ebenso gibt wie durch eine vermehrte Stadtflucht, die zu einem größeren Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern angesichts guter Erfahrungen in der COVID-19-Pandemie mit dem Trend zum Homeoffice. In Süddeutschland ist „E.“ als starke Marke etabliert und wird als zuverlässiger Partner wahrgenommen, der über langjährige Erfahrungen in der Ziegelbranche und somit hohes keramisches Know how innerhalb der Unternehmung verfügt. Hochwertige Rohstoffvorkommen in Niederbayern sowie in der Region von Teistungen sichern die hohe Produktqualität, was einen deutlichen Wettbewerbsvorteil bedeutet. Ebenso verfügt die Gesellschaft über eine hohe Liquiditätsreserve, mit der vorübergehende saisonal bedingte Umsatzrückgänge ausgeglichen werden können und die die Investitionsfähigkeit in neue Technologien stärkt. Bei einer Abwägung von Chancen und Risiken der künftigen Unternehmenstätigkeit der E. AG ist ein dem Durchschnitt aller Unternehmen entsprechendes operatives Risiko durchaus als sachgerecht zu bezeichnen.
183
(b) Die Finanzierungsstruktur der Gesellschaft, die durch Nettofinanzpositionen geprägt ist, die ab dem Jahr 2023 wieder ansteigen sollen, muss auch hier risikosenkend berücksichtigt werden, nachdem der ohnehin nicht zu hohe Verschuldungsgrad im Laufe der Detailplanungsphase in die Ewige Rente abnimmt, was dann auch zu einem sinkenden Risikozuschlag führen muss.
184
c. Der für das Wachstum der Jahresüberschüsse in der Ewigen Rente angesetzte Wachstumsabschlag von 0,5% bedarf keiner Erhöhung, weil er als angemessen zu betrachten ist. Der Wachstumsabschlag bezieht sich indes nicht auf den Umsatz; vielmehr geht es um die Wirkung der preisänderungsbedingten unternehmensspezifischen Inflationsrate auf die Saldogröße der finanziellen Ergebnisse, mithin um das Wachstum der Ergebnisse.
185
(1) Mit dem Wachstumsabschlag wird zugunsten der Aktionäre berücksichtigt, dass sich die Geldentwertung bei festverzinslichen Anleihen stärker auswirkt als bei einer Unternehmensbeteiligung. Das Unternehmen hat in der Regel die Möglichkeit, die Geldentwertung zumindest zu einem Teil durch Preiserhöhungen aufzufangen, während die Anleihe ohne Inflationsausgleich zum Nominalwert zurückgezahlt wird. Die Höhe des festzusetzenden Abschlages ist dabei abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist vor allem, ob und in welcher Weise Unternehmen die erwarteten Preissteigerungen an die Kunden weitergeben können; daneben sind aber auch sonstige prognostizierte Margen und Strukturänderungen zu berücksichtigen (vgl. OLG Stuttgart AG 2007, 596, 599; NZG 2007, 302, 307; AG 2008, 783, 788 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1851 = ZIP 2009, 2339, 2342; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1171; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2227; OLG Karlsruhe Der Konzern 2015, 442, 450 f.; 2016, 35, 41; LG München I AG 2017, 501, 506; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Beschluss vom 27.11.2019, Az. 5HK O 6321/14; Beschluss vom 25.11.2020, Az. 5HK O 12435/05). Ausschlaggebend ist dabei primär die individuelle Situation des Unternehmens, nicht die allgemeine Entwicklung zum Bewertungsstichtag. Dabei kann nicht auf Umsätze und deren Entwicklung in Relation zur allgemeinen Inflationsrate abgestellt werden; entscheidend ist vielmehr das Wachstum der Ergebnisse. Die erwartete durchschnittliche Inflationsrate kann dabei nur einen ersten Ansatzpunkt für die Höhe des Wachstumsabschlages bilden (so auch ausdrücklich OLG München AG 2018, 753, 756 f. = Der Konzern 2019, 277, 282 f.; OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1686, 1691; Der Konzern 2019, 410, 419; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 168). Es ist nämlich zu beachten, dass – wie auch aus anderen Spruchverfahren gerichtsbekannt ist – Unternehmensergebnisse anderen Preiseinflüssen als der Verbraucherpreisindex unterliegen, weil Chancen und Risiken nominaler Ergebnisveränderungen sowohl von der Marktlage und Wettbewerbssituation als auch der Struktur jedes einzelnen Unternehmens abhängen.
186
Angesichts dieser Bedeutung des Wachstumsabschlages ist er auch ausschließlich in der Ewigen Rente festzusetzen; Preissteigerungen in der Detailplanungsphase sind bereits über die Planzahlen abgebildet, die dann auch zu einem entsprechenden Umsatz- und Ergebniswachstum führen.
187
(2) Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage lässt sich ein höherer Wachstumsabschlag nicht rechtfertigen.
188
(a) Der Ansatz von 0,5% vernachlässigt nicht die Maßgeblichkeit der unternehmensspezifischen Inflationsrate. In der Vergangenheit konnte die Gesellschaft inflationsbedingte Preissteigerungen nur eingeschränkt an ihre Kunden weitergeben. Lediglich im Jahr 2020 war eine Überwälzung aufgrund der bereits oben unter B. II. 1. a. (1) geschilderten Sondersituation besser möglich. Die Planung geht nachvollziehbar und plausibel davon aus, dass Preiserhöhungen angesichts des Wettbewerbs sowohl mit anderen Herstellern von Tondachziegeln als auch mit dem Angebot von Dachbedeckungen aus anderen Materialien nicht für durchsetzbar erachtet werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, in Preislisten der Gesellschaft seien Preissteigerungen von 3,0% bis 3,5% aufgeführt. Es muss nämlich zwischen Listenpreisen und tatsächlich umgesetzten Preisen unterschieden werden, wie die Abfindungsprüfer erläutert haben. Die Preisliste dient nur dem Handel mit dem Endverbraucher; die Preisvereinbarungen der E. AG mit ihren eigenen Kunden aus dem Baustoff- oder Bedachungsgroßhandel, mit den Dachdeckern und anderen Handwerkern erfolgen individuell und losgelöst von Preislisten. Aufgrund der Stagnation beim Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern mit Stahldächern und dem Trend zu Flachdächern wie preiswerten Materialien für Dacheindeckungen wie Blech, Beton oder Kunststoff sind Preiserhöhungen bei keramischen Dachziegeln demgemäß nur eingeschränkt durchsetzbar. Aus der massiven Nachfrage nach Handwerker- und Bauleistungen kann auch unter Berücksichtigung einer von dach.de prognostizierten Preisanstieg von 2,2% im Jahresvergleich per September 2021 nicht von einer deutlich stärkeren Überwälzbarkeit von Preissteigerungen ausgegangen werden. Diese Prognose bewertet nämlich Dachziegel – im Gegensatz zu Dämmstoffen und Holz – als preisstabilen Rohstoff. Daraus kann dann aber gerade kein höherer Wachstumsabschlag gerechtfertigt werden, zumal ein Wachstum der Erträge eine vollständige Überwälzbarkeit von Preissteigerungen impliziert (vgl. OLG Düsseldorf WM 2016, 1641, 1646).
189
In diesem Zusammenhang muss auch gesehen werden, dass die regulatorischen Vorgaben zur Erreichung der Emissionsneutralität zu einem Anstieg der Energiekosten führen werden. Frau I. und Herr D. wiesen dabei zutreffend darauf hin, dass angesichts eines nicht zu leugnenden intensiven Wettbewerbsumfelds anderer Hersteller und anderer Materialien auch in Zukunft eine Überwälzung nur in eingeschränktem Maße möglich sein wird, so dass sich ein stärkerer Ergebnisanstieg als 0,5% nicht bejahen lässt. Damit aber besteht auch kein Widerspruch zu einer Thesaurierungsquote von 60% im Terminal Value.
190
(b) Der Ansatz eines Wachstumsabschlags von 0,5% und damit auch unterhalb der von der Europäischen Zentralbank langfristig erstrebten Inflationsrate von 2% kann nicht entgegengehalten werden, es werde dadurch zu einem laufenden Schrumpfen der Gesellschaft kommen. Zur Beurteilung der Angemessenheit des Wachstumsabschlages muss die Gesamtwachstumsrate der geplanten entziehbaren Überschüsse analysiert werden. Bei einer tatsächlichen Thesaurierung ist bei der Beurteilung zusätzlich nämlich das thesaurierungsbedingte Wachstum aus den tatsächlich einbehaltenen Beträgen zu berücksichtigen, das gleichfalls zum Wachstum der Gesellschaft beiträgt. Unter Berücksichtigung dieses notwendigen Ansatzes muss bei der E. AG tatsächlich von einer deutlich höheren Gesamtwachstumsrate von 3,1% ausgegangen werden. Der thesaurierungsbedingte Wachstumsabschlag resultiert aus dem Produkt der durchschnittlichen Eigenkapitalrendite von 4,33% mit der Thesaurierungsquote; zu diesem Wert von rund 2,6% ist der Wachstumsabschlag von 0,5% hinzuzuaddieren. Damit aber ist letztlich auch kein grundlegender Widerspruch zu den Wachstumsraten der W. AG von 2,5% entsprechend dem Konzernabschluss dieses Unternehmens zu erkennen, selbst wenn dort die angenommene Wachstumsrate nicht näher erläutert wurde.
191
Neuere Studien aus der betriebswirtschaftlichen Literatur rechtfertigen keine andere Beurteilung, wie der Kammer in mehreren anderen Spruchverfahren überzeugend dargestellt wurde, in denen insbesondere auch Creutzmann als gerichtlich bestellter Sachverständiger Stellung zu der von ihm erstellten Studie nahm. Diese Studie von Creutzmann (BewP 2011, 24) führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, auch wenn sie die Kerngrößen zur Ermittlung des Wachstumsabschlages – Bruttoinlandsprodukt, Inflationsrate und Gewinnwachstum der Unternehmen – zusammenfasst. Dabei lag das Gewinnwachstum der Unternehmen in Deutschland von 1992 bis 2009 bei 2,4% und damit über der Inflationsrate von 1,9%. Der Wachstumsabschlag von 0,5% spiegelt dabei aber nicht das Gesamtwachstum der erzielbaren Überschüsse wider. Dieses ist vielmehr unter Einbeziehung des (impliziten) thesaurierungsbedingten Wachstums zu ermitteln, das nach dessen Hinzurechnung deutlich höher liegt.
192
Ebenso wenig führt eine Dissertation von Bo. zu abweichenden Erkenntnissen. Dieser Arbeit ist nämlich nicht zu entnehmen, inwieweit der Umstand von Gewinnsteigerungen auch zu Wertsteigerungen des Unternehmens führt. Der auf Zahlen der Deutschen Bundesbank mit der Entwicklung des bilanziellen Eigenkapitals beruhenden Aufstellung ist zu entnehmen, dass das bilanzielle Eigenkapital stärker wuchs als die Gewinne; Ursachen für diese Entwicklung können der Zahlenreihe indes nicht entnommen werden. Das Gewinnwachstum der Vergangenheit konnte nicht kostenlos erfolgen, sondern erforderte Thesaurierungen. Dann aber bestätigen die Zahlen aus der Arbeit von Bo. diese Überlegungen – je höher das Wachstum, desto geringer ist der ausschüttungsfähige Teil der Ergebnisse. Etwas anderes lässt sich nicht aus einer Untersuchung von Schüler/Lampenius ableiten, die in Auswertung von 134 Bewertungsgutachten aus dem Zeitraum zwischen 1985 und 2003 zu dem Ergebnis gelangte, für zwei von drei denkbaren Inflationsschätzern sei ein negatives Realwachstum festgestellt worden. Diese Untersuchung rechtfertigt vor allem deshalb kein anderes Ergebnis, weil die Datengrundlage mit dem Ansatz des Verbraucherpreisindex in Deutschland bzw. den Schätzungen der Deutschen Bundesbank nicht zu überzeugen vermag. Wesentlich müssen nämlich – wie bereits ausgeführt – die Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen sein. Aus demselben Grund überzeugt auch nicht die Annahme von Knoll, eine unvollständige Überwälzung der Inflation stehe in Widerspruch zum Postulat des eingeschwungenen Zustandes, in dem alle Variablen die gleichen Zuwachsraten aufwiesen. Der Ansatz von Knoll geht von der erwarteten langfristigen Inflation seitens der Europäischen Zentralbank in Höhe von 2% aus, was allerdings nicht hinreichend die relevanten Veränderungen des Preisniveaus auf der Grundlage von Preisänderungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen berücksichtigt.
193
(c) Ein höherer Wachstumsabschlag rechtfertigt sich nicht aus dem Angebot von Dachziegeln mit Lotuseffekt, die Schmutz wie Ruß, Fett, Algen oder Moos abweisen, und von hagelsicheren Dachziegeln zum Schutz vor zunehmenden Extremwetterlagen. Die Dachziegel mit Lotuseffekt hat die Gesellschaft seit etwa acht Jahren nicht mehr im Programm. Der aktuelle Nachfolger „L. a.“ wurde in den Jahren vor dem Stichtag der Hauptversammlung nur in sehr kleinen Stückzahlen verkauft. Der Ziegel „E …“ als Produkt mit der höchsten Widerstandsfähigkeit gegen Hagel wurde kaum verkauft und hat keine Marge. Demgemäß kommen beide Produkte zusammen auf weniger als 0,5% des Umsatzes der Gesellschaft.
194
(d) Eine zunehmende Nachfrage zur Dämmung bestehender Dächer zur Erreichung der EU-Klimaziele führt nicht zu einem höheren Wachstumsabschlag, weil die Dämmung unabhängig von den verwendeten Dachziegeln ist. Eine Dachsanierung zieht nicht zwangsläufig eine verstärkte Nachfrage nach neuen Ziegeln nach sich.
195
(e) Soweit es einen Trend zur Mobilität und Urbanisierung sowie Digitalisierung gibt, war jedenfalls zum Bewertungsstichtag nicht erkennbar, dass dies positive Auswirkungen auf die Gesellschaft mit der Folge eines höheren Wachstumsabschlags nach sich ziehen könnte. Gerade ein steigender Wettbewerb in den Städten führt zu vermehrter Bautätigkeit bei größeren Wohnanlagen und Mehrfamilienhäusern, bei denen allerdings keine Steildächer mit Dachziegeln zum Einsatz kommen. Gerade im Kernmarkt Süddeutschland ist zu beobachten, dass Ein- und Zweifamilienhäuser in Großstädten wie namentlich München für nicht unerhebliche Teile der Bevölkerung vielfach nicht mehr finanzierbar sind. Auch wenn dadurch und als Folge der COVID-19-Pandemie sowie einer zunehmenden Digitalisierung ein ansteigender Teil der Arbeiten im Homeoffice erledigt werden kann und darin durchaus auch Chancen für die E. AG liegen können, waren zum Stichtag der Hauptversammlung langfristige Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt noch nicht erkennbar. Daher sieht die Kammer in Übereinstimmung mit den Abfindungsprüfern auch unter Berücksichtigung dieser Umstände den Wachstumsabschlag von 0,5% als angemessen an.
196
Demgemäß errechnet sich der Ertragswert der E. AG wie folgt:

2021

2022

2023

2024

2025

2026

Ewige Rente

in TEUR

Zu kapitalisierende Ergebnisse

[966]

[966]

[966]

[966]

[966]

3.276

3.043

Kapitalisierungszinssatz

3,39%

4,61%

4,80%

4,57%

4,40%

4,18%

3,63%

Barwertfaktor für das jeweilige Jahr

0,967

0,956

0,954

0,956

0,958

0,960

27,557

Barwerte zum 31.12. des Vorjahres

71.857

73.331

75.744

78.414

81.033

83.634

83.851

Ertragswert zum 31.12.2020

71.857

Aufzinsungsfaktor

1,016

Ertragswert zum 25.06.2021

73.024

197
3. Als Sonderwerte müssen insgesamt € 54,267 Mio. angesetzt werden, die sich aus der Gewerbeimmobilie in München mit einem Wert von € 24,767 Mio. und freier Liquidität im Umfang von € 29,5 Mio. zusammensetzen.
198
a. Die mit einem Büro- und Geschäftshaus bebaute Immobilie T.-straße …, die zu 1/3 im Eigentum der E. AG steht, floss sachgerecht mit dem anteiligen Verkehrswert von € 24,76 Mio. in den Unternehmenswert ein. Der Wert des Grundstücks wurde auf der Grundlage von § 194 BauGB mit € 74,3 Mio. zutreffend ermittelt. Nach dieser Vorschrift wird der Verkehrswert (Marktwert) durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Für diese Immobilie wurde der Ertragswert auf der Grundlage der §§ 17 bis 20 ImmoWertV i. d. F. vom 19.5.2010 ermittelt. § 17 Abs. 1 ImmoWertV a. F. sieht vor, dass der Ertragswert auf der Grundlage marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt wird. Dabei enthalten die Vorgaben der ImmoWertV über das BauGB hinausgehende Grundsätze der Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken (vgl. BGH = NJW 2004, 2671, 2672 = ZIP 2004, 1758, 1759 = DB 2005, 279, 280 = MDR 2005, 27 = NZM 2004, 709; OLG Köln, Urteil vom 26.11.2020, Az. 14 U 5/19 – zit. nach juris). Im Ertragswertverfahren nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 ImmoWertV a. F. sieht vor, dass der Ertragswert im Ertragswertverfahren auf der Grundlage marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt wird aus dem nach § 16 ImmoWertV a.F. ermittelten Bodenwert und den um den Betrag der angemessenen Verzinsung des Bodenwerts verminderten und sodann kapitalisierten Rohertrag im Sinne des § 18 Abs. 1 ImmoWertV a. F. als der jährliche Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten.
199
(1) Der Verkehrswert setzt sich hier zusammen aus dem Bodenwert von € 55,64 Mio. und dem Ertragswert der baulichen Anlagen von € 18.865.691,-, der dann auf € 18,866 Mio. aufgerundet wurde.
200
(a) Der Bodenrichtwert im Sinne der §§ 196 Abs. 1 BauGB, 10 ImmoWertV a.F. war mit € 166.220,-/m² entsprechend dem Gutachten von Herrn J. anzusetzen, der einen Bodenrichtwert von € 100.000,-/m² bei einer wertrelevanten Geschossflächenzahl (WGFZ) von 7,30 zugrunde legte. Da das tatsächliche Maß der baulichen Ausnutzung des Bewertungsobjekts nicht der dem Bodenrichtwert zugrunde liegenden baulichen Ausnutzung von 4,5 entsprach, musste der Bodenrichtwert um 62,22% auf € 162.220,-/m² erhöht werden. Bei einer Grundstücksfläche von 343 m² errechnet sich ein Bodenwert von gerundet € 55,64 Mio.
201
(b) Der Ertragswert des Grundstücks beläuft sich auf € 18,866 Mio. nach Anpassungen.
202
(aa) Dabei ermittelte Herr J. anhand der vorliegenden Mietverträge eine Jahresrohmiete von € 1.673.500,-, die sich aus den Jahresrohmieten für den Einzelhandel von € 1.240.562,-, für die Praxisräume von € 97.338,- sowie für die Büroräume von € 335.600,- zusammensetzte.
203
(bb) Unter Berücksichtigung der abzuziehenden Instandhaltungskosten für Gewerberäume von € 12,- je m² vermieteter Mietflächen, also € 23.988,-, den mit 3% der Jahresrohmiete für die Gewerbeflächen angesetzten Verwaltungskosten von € 50.205,- sowie einem Mietausfallwagnis von 4% oder € 66.940,- ergibt sich ein Jahresreinertrag des Grundstücks von € 1.532.367,-, von dem die Bodenwertverzinsung mit einem Liegenschaftszinssatz von 1,6% des Bodenwertes abgezogen werden muss. Daraus errechnet sich dann ein Jahresreinertrag des Gebäudeanteils von € 642.127,-. Dieser ist mit dem Barwertfaktor von 29,38 zu multiplizieren, woraus sich ein Ertragswert der baulichen Anlagen von € 18.865.691,- ergibt.
204
(c) Von dem vorläufigen Verkehrswert/Ertragswert von € 74,506 Mio. sind die auf dem Grundstück liegende Reallast in Form eines Rentenrechts in Höhe des kapitalisierten Wertes von € 145.000,-, ein Abzug für Underrent bei Staffelmieten hin zum Ende der vereinbarten Staffel in Höhe von € 31.000,- entsprechend der Kapitalisierung mit dem Liegenschaftszinssatz sowie der Barwert für eine 66,47 m² große leerstehende Büroeinheit in Höhe von € 12.500,- abzuziehen.
205
Daraus resultiert dann der Verkehrswert der Immobilie von (ab-)gerundet € 74.300.000,- wie folgt:

Jahresrohertrag

1.674

Bewirtschaftungskosten (in % des Jahresrohertrags)

8,43%

(141)

Jahresreinertrag

1.532

Bodenwertverzinsung (in %)

1,60%

(890)

Reinertrag der baulichen Anlagen

642

Restnutzungsdauer; Rentenbarwertfaktor

40 Jahre

29,38

Vorläufiger Ertragswert der baulichen Anlage

18.866

Bodenwert

55.640

Vorläufiger Ertragswert

74.506

Anpassungen

(206)

Verkehrs-/ Marktwert der Gewerbeimmobilie

74.300

206
(2) Die hiergegen erhobenen Einwände der Antragsteller rechtfertigen keine andere Beurteilung.
207
(a) Der als Quotient aus Verkehrswert und Jahresrohertrag errechnete Rohertragsfaktor von 44,4 liegt deutlich innerhalb der vom Gutachterausschuss der Landeshauptstadt München ermittelten Bandbreite der Rohertragsvervielfältiger von 41 bis 56. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Miete für die Einzelhandelseinheiten in einer Spanne von rund € 99,61/m² für eine mit 367,9 m² sehr großen Fläche bis zu € 402,04/m² für die an ein Juweliergeschäft vermietete Fläche von 17,79 m² bewegen. Diese Mieten mit einem Durchschnitt von € 128,17/m² sind als ortsüblich einzustufen. Dasselbe gilt für die Büro- und Praxismieten, die sich ohne Einrechnungen eines Sozialraums zu einer der drei Arztpraxen zwischen € 26,99/m² und € 32,13/m² bewegen; der Durchschnitt liegt bei € 29,03/m². Diese Vertragsmieten liegen innerhalb einer Bandbreite für den Teilmarkt Altstadt/Innenstadt/Zentrum, die ausweislich aktueller Marktberichte von € 22,-/m² bzw. € 22,50/m² und € 41,-/m² liegen. Bei der Beurteilung der Liegenschaft T.-straße … konnten die genannten Spitzenmieten nicht erzielt werden, weil diese nur in Top-Lagen mit einem sehr hohen Ausstattungszustand erzielt werden können, was einerseits ohnehin nachvollziehbar ist und der Kammer andererseits auch aus anderen Spruchverfahren zu Immobilien aus der M.er Innenstadt bekannt ist. Bei dem Bewertungsobjekt T.-straße … kann keine Situation angenommen werden, die das Erzielen der Spitzenmiete von € 41,-/m² aus den Marktberichten rechtfertigen könnte. Das Gebäude wurde 1954 errichtet und ist damit zum Stichtag der Hauptversammlung bereits 67 Jahre alt gewesen und kann bereits deshalb gerade auch in Bezug auf Energieeffizienz nicht modernsten Standards genügen, auch wenn im Bereich der Mieträume Modernisierungen vorgenommen wurden, die zu einer wirtschaftlichen Restnutzungsdauer von 40 Jahren führen. Die baulichen Anlagen befinden sich in einer dem Alter entsprechend gut durchschnittlichen Zustand; auch die Gebäudeausstattung entspricht durchschnittlichen Standards, wie Herr J. in seinem Gutachten festgehalten hat. Die einzelnen vermieteten Einheiten weisen nach dem Gutachten unterschiedliche Ausstattungsqualitäten auf; zudem gibt es in Bezug auf die Lagequalität innerhalb des Gebäudes Unterschiede. Dies rechtfertigt die einzelnen Mietansätze, die mit Ausnahme des Juweliergeschäfts deutlich unterhalb des oberen Endes der Bandbreite verbleiben. Spitzenmieten lassen sich in dem Bewertungsobjekt jedenfalls nicht erzielen.
208
(b) Aus einem Vergleich mit dem im Jahr 2017 gezahlten Preis einschließlich Nebenkosten in Höhe von € 22 Mio. kann kein Rückschluss auf einen zu niedrigen Wertansatz zum Stichtag der Hauptversammlung gezogen werden. Die gesamte Immobilie erzielte eine Wertsteigerung von € 76 Mio. seit dem Erwerb durch die E. AG von Herrn R. auf € 74,3 Mio. zum Wertermittlungsstichtag 27.4.2021, was einem Anstieg um 12,69% entspricht. Dabei muss beachtet werden, dass dieser Wertzuwachs auf einem vergleichsweise hohen Grundwert von € 66 Mio. beruht, nachdem die Grundstückswerte in München schon immer hoch waren. Weiterhin muss gesehen werden, dass auch dem Erwerb des Anteils an der Immobilie ein von Herrn J. erstelltes Gutachten zu ihrem Wert zugrunde lag und der Verkäufer für diesen Anteil ebenfalls einen angemessenen Preis erzielen möchte. Im Zeitpunkt des Verkaufs des Anteils von 1/3 an der Immobilie an die E. AG war Herr R. bereits nicht mehr Aktionär der Gesellschaft, weil er seine Aktien zuvor schon an die Antragsgegnerin veräußert hatte. Damit aber entfällt oder reduziert sich zumindest sehr stark ein Interesse als Aktionär, die E. AG nicht zu stark zu belasten. Ganz wesentlich ist auch zu sehen, dass die Gesellschaft in ihrem Bestand diese Immobilie gerade nicht als Alleineigentümerin hält, sondern nur einen Anteil von 1/3. Im Geschäftsverkehr ist bei einer Veräußerung, die Vornahme eines Abschlags realistisch, weil sich ein Anteil an einem Grundstück deutlich schlechter vermarkten und veräußern lässt als die gesamte Immobilie. Angesichts dessen kann der Ansatz eines Drittels des Verkehrswerts als nicht nachteilig für die Minderheitsaktionäre angesehen werden.
209
Zudem haben die Abfindungsprüfer den Kaufpreis verprobt und dabei vor allem Multiples herangezogen. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf dem Rohertragsvervielfältiger von 44,4, den sie mit dem Grundstücksmarktbericht verprobten, der sich speziell auf dieses Pflaster bezogen hat, nicht auf München in seiner Gesamtheit.
210
(3) Die Berücksichtigung der Immobilie als Sonderwert führte dazu, dass es in der Planungsrechnung denknotwendig zu Bereinigungen kommen musste, weil die Mieteinnahmen und Aufwendungen in der Planungsrechnung des Vorstands enthalten waren. Die Nettomieterträge beliefen sich in Phase I auf € 300.000,-, die Abschreibungen auf € 196.000,-. Nur durch diese Bereinigung konnte eine unzulässige Doppelerfassung der Erträge aus den Immobilien vermieden werden.
211
b. Als nicht betriebsnotwendige Liquidität war ein Betrag von € 29,5 Mio. bei der Unternehmensbewertung anzusetzen, auch wenn im Jahresabschluss zum 31.12.2020 noch liquide Mittel von € 70,7 Mio. abgebildet waren.
212
(1) Eine operative Mindestkasse von € 20 Mio. muss seitens der E. AG vorgehalten werden, die somit als betriebsnotwendig einzustufen ist und somit keinen Sonderwert darstellen kann. Aufgrund witterungsbedingter Nachfrage- bzw. Absatzrückgänge bei der Gesellschaft war in milden Wintermonaten ein Rückgang der liquiden Mittel zwischen € 11 Mio. und € 13,5 Mio. bei einem gleichzeitigen Aufbau von Working Capital zu verzeichnen. Da ungeachtet des langfristigen Klimawandels kurzfristig und auch in späteren Jahren strengere Winter nicht ausgeschlossen werden können, sondern durchaus als realistisch zu bezeichnen sind, ist ein höherer Ansatz für die operative Mindestkasse notwendig, um Vorratsvermögen zu beschaffen und die Personalkosten und sonstigen betrieblichen Aufwendungen, aber auch Energie- und Materialkosten begleichen zu können. Im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2020 lag der Zahlungsmittelabfluss zwischen € 17,6 Mio. für drei und bei € 23,5 Mio. für vier Wintermonate. Daraus ergeben sich durchschnittlich monatliche Aufwendungen von € 5,9 Mio., so dass ein Ansatz von € 20 Mio., der in etwa einen Mittelwert bildet, als angemessen angesehen werden muss. Dem steht nicht entgegen, dass selbst im Terminal Value nur jährliche operative Kosten von € 52,4 Mio. angesetzt wurden, die sich aus dem Personalaufwand in Höhe von € 32,181 Mio., den sonstigen betrieblichen Aufwendungen von € 20,032 Mio. und sonstigen Steuern in Höhe von € 179.000,- zusammensetzen. Die operativen Kosten enthalten indes nicht die betriebsnotwendigen Zahlungsmittelabflüsse für Energie, insbesondere Gas als Materialaufwand in einem Umfang von € 2,799 Mio.; zudem sind Zahlungsmittelabflüsse für die Beschaffung des notwendigen Vorratsvermögens und für Erhaltungsinvestitionen zu berücksichtigen.
213
Ein fester Prozentsatz des Jahresumsatzes als operative Kasse steht in Widerspruch der jeder Unternehmensbewertung erforderlichen individuellen Betrachtung der Verhältnisse und kann – wenn überhaupt – allenfalls einen sehr groben Anhaltspunkt liefern. Ein solcher Ansatz wäre vorliegend aber mit der starken Witterungs- und Saisonabhängigkeit des Baugeschäfts nicht vereinbar. Abgesehen davon stellt sich die Frage, inwieweit liquide Mittel vorgehalten werden, als unternehmerische Entscheidung des Vorstands der Gesellschaft dar, auf die die Minderheitsaktionäre keinen Einfluss nehmen können. Aufgrund der geschilderten Umstände besteht jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, den Umfang der operativen Kasse als willkürlich und damit nicht mehr vertretbar zu bezeichnen.
214
(2) Ein Betrag von € 29,5 Mio. war für Investitionen insbesondere in den Geschäftsjahren 2021/2022 vorgesehen, so dass diese ebenfalls als betriebsnotwendig angesehen werden müssen. Geplant war der Ankauf von Grundstücken für Rohstoffe im Umfang von € 8,5 Mio., Aufwendungen für das neue Logistikkonzept in einem Umfang von € 12 Mio. und für Erhaltungsinvestitionen in Höhe von € 9,2 Mio., woraus sich dann ein Betrag von € 29,7 Mio. errechnet. Diese Investitionen müssen als betriebsnotwendig eingestuft werden. Der Kauf landwirtschaftlicher Flächen ist für die Fortführung des Unternehmens nach den von Frau I. und Herrn D. vermittelten Erkenntnissen zwingend erforderlich, weil diese als Tauschobjekte für Lehmvorkommen genutzt werden. Nur bei ausreichenden Lehmreserven kann die E. AG ihre Geschäftstätigkeit nachhaltig sicherstellen und die entsprechenden Umsätze und Erlöse erwirtschaften. Das Logistikkonzept soll zu einer verbesserten Kommissionierung der Produkte führen und damit zu einer höheren Kundenzufriedenheit beitragen, um so die geplanten Umsatzerlöse tatsächlich zu erzielen. Darüber hinaus soll das Konzept zu Kosteneinsparungen im Personalbereich führen bzw. nachhaltig den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten, wenn erforderliches Logistikfachpersonal am Markt nicht verfügbar ist. Ein Ansatz der gesamten Liquidität von € 70 Mio. als nicht betriebsnotwendig ist nicht geboten, selbst wenn die Innenfinanzierungskraft der Gesellschaft beachtlich ist und eine Aufnahme kurzfristiger Fremdmittel zur Finanzierung der Investitionen denkbar wäre. In den Jahren 2021 bis 2025 wurde auf der Basis der historischen Ausschüttungen eine Ausschüttung von € 1,- je Aktie festgelegt, was in der Detailplanungsphase zu Thesaurierungsquoten zwischen 64,9% und 79,1% des Jahresergebnisses führt. Damit erfolgt eine Finanzierung teilweise über echte Thesaurierungen. Dies entspricht der Planung des Vorstandes, der gerade keine Fremdmittel aufnehmen wollte. Dabei handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung des Vorstands über die Art der Finanzierung, die von den Minderheitsaktionären hinzunehmen ist. Eine Finanzierung über Fremdkapital hätte zudem wiederum einen höheren verschuldeten Beta-Faktor zur Folge, was sich nachteilig für die Minderheitsaktionäre auswirken würde.
215
Die Art der Finanzierung steht nicht in Widerspruch zur Vergangenheit, in der Investitionen in einem Umfang von € 2 Mio., € 4,1 Mio. und € 10,6 Mio. regelmäßig aus dem Cashflow finanziert wurden, weil die für 2021 und 2022 geplanten Investitionen mit € 17,862 Mio. und € 11,827 Mio. deutlich oberhalb des Investitionsvolumens der Vergangenheit liegen und von diesen geplanten Investitionen rund € 9,2 Mio. immerhin aus dem laufenden Cashflow finanziert werden sollen.
216
(3) Die zum 31.12.2020 gebildeten Gewinnrücklagen in Höhe von € 97,5 Mio. entstanden aus den in der Vergangenheit thesaurierten Gewinnen; allerdings handelt es sich hierbei nicht um ausschüttungsfähige, unmittelbar verfügbare Liquidität. Sie wurden vielmehr unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben aus § 272 HGB gebildet. Für etwaige Gewährleistungsansprüche aus dem Verkauf von Dachziegeln bildete die Gesellschaft regelmäßig Gewährleistungs- bzw. Kulanzrückstellungen als Teil der sonstigen Rückstellungen auf der Passivseite der Bilanz. So wurde für Garantieverpflichtungen und Kulanzleistungen im Jahresabschluss zum 31.12.2020 Rückstellungen in Höhe von etwa € 8,2 Mio. gebildet. Die Abschlussprüfer haben dies als sachgerecht bestätigt. Ein Liquiditätspuffer kann über Gewinnrücklagen aus nicht abgerufenen Garantiezusagen nicht hergeleitet werden, weil es zwischen diesen beiden Positionen keinen Zusammenhang gibt.
217
(4) Historische Cashflows in Form freier Zahlungsmittelüberschüsse von € 8 Mio. können nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit als Maßstab für die künftige Entwicklung der Gesellschaft herangezogen werden. Diese sind vor allem durch die wiederholt beschriebenen Folgen der Vorgaben zur Erreichung der Emissionsneutralität mit voraussichtlich steigenden Energiekosten geprägt. Daher verbietet sich ein entsprechender Rückschluss.
218
(5) Ebenso wenig kam es zu einem Abzug der gesamten Cashflows vom Unternehmenswert; damit gab es keine Doppelberücksichtigung von Verbindlichkeiten angesichts deren Abbildung bereits im Verschuldungsgrad. Der für die Finanzierung der Investitionen notwendige Cashflow in den Jahren 2021 und 2022 von insgesamt € 20,5 Mio. wurde vom Bestand der liquiden Mittel zum 31.12. von € 70 Mio. abgezogen, um die freie Liquidität als Sonderwert abzuleiten.
219
c. Weiteres nicht betriebsnotwendige Vermögen konnte nicht berücksichtigt werden.
220
(1) Auch soweit Grundstücke derzeit nicht ausgebeutet werden, müssen sie dennoch als betriebsnotwendig angesehen werden; diese Grundstücke werden nämlich quasi als Reserve gehalten, damit sie gegebenenfalls auch sehr kurzfristig gegen Lehmgrundstücke getauscht werden können. Folglich dienen sie betrieblichen Zwecken. Die Buchwerte dieser Grundstücke sind ohne Bedeutung, weil Flächen gegen Flächen getauscht werden, wobei die Tauschaufgabe von der E. AG naturgemäß immer sehr viel größer sind als die zur Ausbeutung noch geeigneten ertauschten Lehmgrundstücke. Die Betriebsnotwendigkeit der noch im Bestand vorhandenen Grundstücke zeigt sich auch daran, dass zu ihnen neben den als Tauschflächen vorgesehenen Grundstücke auch ausgebeutete Grundstücke zählen, die rekultiviert und renaturiert werden. Diese Ausgleichsflächen können einer landwirtschaftlichen Nutzung allenfalls eingeschränkt zugeführt werden, wie die Abfindungsprüfer erläutert haben. Sie müssen nach dem Abbau immer rekultiviert werden und zu einem oft erheblichen Teil als Biotopfläche ausgestaltet und von der E. AG über lange Zeiträume erhalten werden; dies schließt eine wirtschaftliche Verwertung aus.
221
Der konkret vorhandene Lehmbestand wird zum Ende eines jeden Geschäftsjahres ermittelt, aktiviert und nach Nutzung abgeschrieben. Die Prüfung des Lehmressourcenbestandes erfolgte jährlich im Rahmen der Prüfung des Jahresabschlusses, wobei im Rahmen der Unternehmenswertermittlung auf den geprüften Jahresabschluss zum 31.12.2020 als technischem Bewertungsstichtag aufgesetzt werden konnte. Wenn im Rahmen der Prüfung die Abfindungsprüfer hinreichende Anhaltspunkte dafür haben, dass mitgeteilte Sachverhalte zutreffend sind, können sie diese – wie bereits oben ausgeführt – ihrer Prüfung durchaus zugrunde legen. Derartige Anhaltspunkte können sich – ungeachtet im Einzelnen bestehender Unterschiede zwischen Planannahmen und Bilanzierungsgrundsätzen – sehr wohl aus testierten Jahresabschlüssen ergeben. Der Abschlussprüfer, der das Testat erteilt, übernimmt sehr wohl die Verantwortung für den Jahresabschluss, weshalb auch die Prüfer hierauf ihre Erkenntnisse stützen können (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 7.12.2012, Az. 31 Wx 163/12). Daher musste Frau I. als Abfindungsprüferin die Lehmressourcenbestände und deren Ansätze nicht selbst überprüfen. Abgesehen davon konnte angesichts der Betriebsnotwendigkeit eine gesonderte Bewertung ohnehin nicht erfolgen.
222
(2) Die Bewertung der E. AG musste eine Forderung der Gesellschaft gegen die Antragsgegnerin in Höhe von € 1,31 Mio. nicht als Sonderwert ausweisen. Da sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten im Verhältnis zur Antragsgegnerin aus dem operativen Geschäft resultieren, sind sie in der Planung des Working Capital abgebildet. Die Begleichung der Forderung in der Zukunft wird zu einem Zahlungsmittelzufluss führen, der in die Ermittlung des Ertragswerts eingeflossen ist. Der Kooperationsvertrag, auf dem diese Forderung beruht, war stets Teil der Betriebsprüfung durch das Finanzamt, das keine Beanstandungen vorsah. Ebenso wurde der Vertrag seitens der D2. GmbH im Jahr 1993 und jährlich im Rahmen der Prüfung des Abhängigkeitsberichts geprüft, ohne dass es zu negativen Feststellungen gekommen wäre.
223
(3) Die Marke „E.“ durfte nicht als nicht betriebsnotwendiges Vermögen angesetzt werden. Die Marke dient nämlich unmittelbar dem Erzielen der Erlöse, weshalb ihr Wert über die Ertragsplanung in die Unternehmensbewertung einfließt und demzufolge nicht im Rahmen des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Berücksichtigung finden kann; anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Doppelerfassung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.1.2011, Az. 20 W 3/09; LG München I AG 2017, 501, 507; Beschluss vom 16.4.2021, Az. 5711/19; Beschluss vom 22.6.2020, Az. 5HK O 16116/08; Beschluss vom 29.11.2023, Az. 5HK O 5321/19; Beschluss vom 26.8.2013, Az.: 5HK O 12034/21; Beschluss vom LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.8.2010, Az. 3-5 O 73/04; Beschluss vom 30.6.2023, Az. 5HK O 4509/21; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh 305 Rdn. 36 b).
224
Angesichts dessen sind zum Ertragswert der E. AG von € 73,024 Mio. Sonderwerte in einem Umfang von € 54,267 Mio. hinzuzuaddieren, woraus sich dann ein Unternehmenswert von € 127,29 Mio. errechnet. Bei insgesamt 1.312.500 Aktien resultiert daraus dann eine Barabfindung von € 96,99 je Aktie.
225
4. Aus anderen Gründen lässt sich eine höhere Barabfindung nicht rechtfertigen.
226
a. Dies gilt zunächst für den Börsenkurs.
227
(1) Nach der Rechtsprechung insbesondere auch des Bundesverfassungsgerichts ist bei der Bemessung der Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu ermittelnde Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung, sondern als Untergrenze der Abfindung wegen der Wertung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG der Börsenwert zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 100, 289, 305 ff. = NJW 1999, 3769, 3771 ff. = NZG 1999, 931, 932 f. = AG 1999, 566, 568 f. = ZIP 1999, 1436, 1441 ff. = WM 1999, 1666, 1669 ff. = DB 1999, 1693, 1695 ff. = BB 1999, 1778, 1781 f. – DAT/Altana; BVerfG WM 2007, 73 = ZIP 2007, 175, 176 = AG 2007, 119 f.; BGH NJW 2010, 2657, 2658 = WM 2010, 1471, 1473 = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 = NZG 2010, 939, 940 f. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 = Der Konzern 2010, 499, 501 – Stollwerck; OLG München AG 2007, 246, 247; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514; Koch, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 6 und § 305 Rdn. 29; Schnorbus in: K. Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 3; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 327 b Rdn. 9; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 197 f.; Meilicke/Kleinertz in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 305 AktG Rdn. 36).
228
Der BGH geht nunmehr in Übereinstimmung mit der überwiegend vertretenen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur und unter teilweiser Aufgabe seiner früher vertretenen Auffassung mit Beschluss vom 19.7.2010, Az. II ZB 18/09 (vgl. BGH NJW 2010, 2657, 2658 ff. = WM 2010, 1471, 1472 ff. = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 ff. = NZG 2010, 939, 941 ff. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 ff. = Der Konzern 2010, 499, 501 ff. – Stollwerck; bestätigt durch BGH AG 2011, 590 f. = ZIP 2011, 1708 f.; ebenso OLG Stuttgart ZIP 2007, 530, 532 ff. = AG 2007, 209, 210 ff. = NZG 2007, 302, 304 ff. – DaimlerChrysler; ZIP 2010, 274, 277 ff.; OLG Düsseldorf ZIP 2009, 2055, 2056 ff. = WM 2009, 2271, 2272 ff.; Der Konzern 2010, 519, 522; OLG Frankfurt NZG 2010, 664; AG 2012, 513, 514; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 99; ebenso Koch, AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 45; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 43; Tonner in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1581, 1597 ff.) davon aus, der einer angemessenen Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie müsse grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung einer Strukturmaßnahme ermittelt werden.
229
(2) Vorliegend gab es in dem maßgeblichen Zeitpunkt von drei Monaten vor der Einberufung zur Hauptversammlung am 14.5.2021, in der die Höhe der Abfindung bekannt gemacht wurde, bereits keine Aktiennotiz der E. AG. Der Handel mit Aktien dieser Gesellschaft wurde mit Ablauf des 30.6.2016 im m:access der Börse M. beendet und die Notierung in diesem Segment des Freiverkehrs der Börse M. eingestellt.
230
In diesem maßgeblichen Referenzeitraum gab es an einem einzigen Tag, am 14.4.2021, Handel mit 400 Aktien zu einem Kurs von € 68,20 auf der Handelsplattform Valora, der zudem deutlich unter der angebotenen Barabfindung lag. Damit aber sind auch die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO im Zeitraum von drei Monaten vor der Bekanntgabe des Squeeze out-Verlangens nicht erfüllt, die mit sehr guten Gründen zumindest als wesentlicher Maßstab für die Aussagekraft von Börsenkursen als Wertuntergrenze für die Barabfindung im Rahmen aktienrechtlicher Strukturmaßnahmen herangezogen werden (vgl. OLG Stuttgart AG 2008, 783, 787; OLG Frankfurt, Beschluss vom 9.4.2010, Az. 5 W 57/09 – zit. nach juris; AG 2014 822, 827; OLG Karlsruhe AG 2015 789, 792 = ZIP 2015, 1874, 1877; OLG Karlsruhe ZIP 2015, 1874, 1877 = AG 2015, 789, 792 = Der Konzern 2016, 35, 48; ZIP 2018, 122, 125 = Der Konzern 2017, 540, 542; Happ/Bednarz in: Festschrift für Stilz, 2014, S. 219, 227 f.; Steinle/Liebert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7, Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten – Corporate Litigation, 5. Aufl., § 34 Rdn. 160). Auch ist die für die Berücksichtigung des Börsenkurses zwingend notwendige Information der Kapitalmärkte als Grundlage für die Ermittlung aussagekräftiger Börsenkurse nicht sichergestellt. Es ist nicht erkennbar, dass es beispielsweise entsprechende Ad hoc-Pflichten gibt, die ganz wesentlich zur Transparenz der Preisbindung an den Börsen beitragen (vgl. LG München I AG 2020, 222, 228). Die Berücksichtigung des Börsenkurses beruht auf der Annahme, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, dessen Aktien zu bewerten sind, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung auch im Börsenkurs niederschlägt. Wenn aber von der Möglichkeit einer effektiven Informationsbewertung durch die Marktteilnehmer im Sinne einer mittelstrengen Allokations- und Informationseffizienz nicht ausgegangen werden kann, erlaubt der Börsenkurs keine verlässliche Aussage über den Verkehrswert. Dann aber kann auf ihn nicht zurückgegriffen werden, um die Angemessenheit der Barabfindung ableiten zu können (vgl. BGHZ 236, 180, 187 = NJW 2023, 2114, 2116 f. = NZG 2023, 937, 939 f. = AG 2023, 443, 444 f. = ZIP 2023, 795, 796 f. = WM 2023, 714, 716 = DB 2023, 953, 955 = DZWIR 2023, 486, 488 = Der Konzern 2023, 217, 219 = DStR 2023, 2575, 2577 m.w.N. aus der Rechtsprechung des BGH; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 108).
231
b. Die Höhe der Barabfindung muss Vorerwerbspreise nicht berücksichtigen, weshalb diese auch nicht zu ermitteln waren.
232
Soweit teilweise in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten wird, Vorerwerbspreise seien zu berücksichtigen, weil auch eine sogenannte „Kontrollprämie“ Teil des Unternehmenswertes sei (vgl. LG Köln AG 2009, 835, 838 = Der Konzern 2009, 494, 496 f.; Schüppen/Tretter in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl., § 327 b AktG Rdn. 16; Hüttemann in: Festschrift für Hoffmann-Becking, 2013, S. 603, 615 f.; Behnke NZG 1999, 934; in diese Richtung auch Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 68; für einen Sonderfall auch LG Frankfurt, Beschluss vom 25.11.2014, Az. 3-05 O 43/13), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Erwerbspreise, die ein Großaktionär in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Squeeze out entrichtet, spielen für die Bemessung der angemessenen Barabfindung keine Rolle. Der Preis, den ein Mehrheitsaktionär an die Minderheitsaktionäre zu zahlen bereit ist, hat zu dem „wahren“ Wert des Anteilseigentums in der Hand der Mindestaktionäre regelmäßig keine Beziehung. In ihm kommt nämlich der Grenznutzen zum Ausdruck, den der Mehrheitsaktionär an den erworbenen Aktien ziehen kann. Dieser ist wesentlich dadurch bestimmt, dass der Mehrheitsaktionär mit den so erworbenen Aktien ein Stimmenquorum erreicht, das aktien- oder umwandlungsrechtlich Voraussetzung für bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen ist. Daher ist der Mehrheitsaktionär vielfach bereit, einen „Paketzuschlag“ zu zahlen. Aus der Sicht des Minderheitsaktionärs ist der vom Mehrheitsaktionär außerbörslich bezahlte (erhöhte) Preis nur erzielbar, wenn es ihm gelingt, gerade seine Aktien an den Mehrheitsaktionär zu veräußern. Darauf aber hat der Minderheitsaktionär weder verfassungsrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG noch einfachrechtlich angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit einen Anspruch (vgl. BVerfGE 100, 289, 306 f. = NJW 1999, 3769, 3771 = NZG 1999, 931, 932 = WM 1999, 1666, 1669 = AG 1999, 566, 568 = ZIP 1999, 1436, 1441 = DB 1999, 1693, 1695 = BB 1999, 1778, 1780 = JZ 1999, 942, 944 – DAT/Altana; BGHZ 186, 229, 241 = NJW 2010, 2657, 2660 = NZG 2010, 939, 943 = ZIP 2010, 1487, 1491 = AG 2010, 629, 632 = DB 2010, 1693, 1697 = WM 2010, 1471, 1475 = Der Konzern 2010, 499, 503 – Stollwerck; LG München I AG 2020, 222, 228; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17095/11; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16858/15; Beschluss vom 29.11.2023, Az. 5HK = 5321/19; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn 91; Veil/Preisser in: BeckOGK AktG, Stand: 1.7.2023, § 305 Rdn. 71 f.; Steinle/Liebert/Katzenstein: in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7: Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), 6. Aufl., § 34 Rdn. 177 f.; Habersack NZG 2019, 881, 883 f.; Vetter AG 1999, 569, 572). Aus der Wertung des § 31 Abs. 4 WpÜG lässt sich das gegenteilige Ergebnis nicht begründen, weil das System des WpÜG mit dem der aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen wie dem Squeeze out nicht vergleichbar ist. Die Annahme des Erwerbsangebots beruht auf einer freien Entscheidung des Aktionärs, während er sich bei einem Squeeze out der Mehrheitsentscheidung der vom Hauptaktionär dominierten Hauptversammlung beugen muss. §§ 31 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 WpÜG, 4 WpÜG-AngVO verfolgen zudem einen anderen Zweck als die Bestimmung der Abfindung nach § 305 AktG. Sie sollen bei öffentlichen Übernahmeangeboten das in § 3 Abs. 1 WpÜG verankerte übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgebot absichern (vgl. Krause in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rdn. 4 und § 4 WpÜG-AngVO Rdn. 1). Demgegenüber sollen im Rahmen der Abfindung die außenstehenden Aktionäre für den mit dem Abschluss des Unternehmensvertrages verbundenen Eingriff in ihr Aktieneigentum entschädigt werden, ohne dass sie einen Anspruch auf einen solchen Preis haben, den ein anderer Minderheitsaktionär bei der Veräußerung an den herrschenden Aktionär erzielt (vgl. van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 305 Rdn. 7 m.w.N.). Hierfür spricht insbesondere auch die Gesetzgebungsgeschichte. Die noch im Regierungsentwurf (vgl. BT-Drucks. 14/7084) enthaltene Regelung, wonach eine im Rahmen eines Angebots nach dem WpÜG angebotene Gegenleistung als angemessene Barabfindung anzusehen sei, sofern das Angebot von mindestens 90% der Aktionäre, an die es gerichtet gewesen sei, angenommen worden sei, entfiel im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens, nachdem der Bundesrat und Aktionärsvereinigungen rechtliche Bedenken geltend gemacht hatten (vgl. BT-Drucks. 14/7477).
233
5. Weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts sind auch unter Berücksichtigung des in §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG normierten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht veranlasst.
234
a. Dabei ist namentlich die Durchführung einer gesonderten Beweisaufnahme durch die Einholung des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht erforderlich, weil die Anhörung der gerichtlich bestellten Prüfer bereits zu einem für die Kammer überzeugenden Ergebnis geführt hat.
235
(1) Ein gerichtliches Sachverständigengutachten muss nur dann eingeholt werden, wenn nach der Anhörung des Prüfers, die sachlich auf § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG gestützt wurde, weiterer Aufklärungsbedarf besteht (vgl. OLG München AG 2014, 453, 454 = Der Konzern 2014, 172, 173; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1172; Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = ZIP 2015, 1336, 1338 = Der Konzern 2016, 94, 96; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Wittgens in: K. Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 8 Rdn. 4; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; im Grundsatz auch Drescher in: BeckOGK, Stand 1.4.2023, § 8 SpruchG Rdn. 15). Aufgrund des Berichts der Abfindungsprüfer, der ausführlichen Erläuterungen in zwei ganztägigen Anhörungsterminen hat die Kammer keinen Zweifel an der Plausibilität der Planannahmen, den Feststellungen zur Ewigen Rente, der Problematik der Thesaurierung sowie zu den Grundlagen des Kapitalisierungszinssatzes und zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen als den wesentlichen Aspekten der hier vorzunehmenden Ermittlung der angemessenen Abfindung.
236
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Anhörung der gemäß §§ 327 c Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 293 c Abs. 1 AktG bestellten Abfindungsprüfer diene nur der Aufklärung über ihre anlässlich der Prüfung getroffenen Feststellungen, nicht jedoch der Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit der Planung und sonstiger Bewertungsparameter (in diese Richtung aber auch Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Vorb. §§ 7 bis 11 SpruchG Rdn. 29 und § 8 Rdn. 32 f.). Diese Auffassung ist nämlich mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck des § 8 Abs. 2 SpruchG nicht vereinbar. Mit der Anhörung des sachverständigen Prüfers soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erkenntnisbasis schon zu Beginn des Verfahrens verbreitert und eine eventuell zusätzlich notwendig werdende Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen zur Begutachtung bestimmter Fragen erleichtert werden. Damit allerdings erschöpft sich nicht die Zielsetzung dieser Vorschrift. Bereits aus der Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 8 SpruchG, die sich der Deutsche Bundestag erkennbar zu eigen gemacht hat, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, es könne auch aufgrund der Anhörung des Prüfers eine abschließende Entscheidung des Gerichts getroffen werden. Hierfür spricht insbesondere auch der Gedanken in den Gesetzesmaterialien, die Prüfungsberichte sollten künftig verstärkt als Grundlage zur Entscheidungsfindung der Gerichte beitragen; der Beschleunigungseffekt soll sich dann gerade auch daraus ergeben, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten als Folge der Bestellung und letztlich auch der Anhörung ganz vermieden werden kann (vgl. BT-Drucksache 15/371 S. 14 f. und 18; auch Gayk in: Kölner Kommentar zum AktG, 4. Aufl., Einl. SpruchG Rdn. 50). Dann aber muss es dem Gericht möglich sein, auch Aussagen des gerichtlich bestellten Prüfers zu Bewertungsfragen im Rahmen seiner Entscheidung zu verwerten. Dem steht letztlich auch nicht die Formulierung in § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG entgegen, wenn dort die Anhörung des Prüfers als „sachverständiger Zeuge“ beschrieben wird. Auch wenn dies suggeriert, er solle dem Gericht nur Tatsachen bekunden, die er aufgrund seiner besonderen Sachkunde wahrgenommen hat (vgl. § 414 ZPO), kann seine Rolle nicht auf die eines sachverständigen Zeugen beschränkt werden, weil anderenfalls der vom Gesetzgeber bezweckte Effekt der Beschleunigung des Verfahrens konterkariert würde. Dies gilt umso mehr, als das Problem der rechtlichen Einordnung des gerichtlich bestellten Prüfers in den Gesetzesmaterialien nicht weiter problematisiert wurde.
237
Die weitere Einschaltung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen wird namentlich auch nicht vom Schutz der Minderheitsaktionäre gefordert. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfers im Vorfeld der Strukturmaßnahmen soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner im Spruchverfahren dienen; deshalb kann sein Prüfungsbericht zusammen mit dem Ergebnis einer auf § 8 Abs. 2 SpruchG gestützten Anhörung zusammen mit der aufgrund von § 8 Abs. 2 Satz 3 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Im Übrigen haftet der sachverständige Prüfer nach §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 2 AktG, 323 HGB auch gegenüber den Anteilsinhabern. Gerade durch die Verweisung auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen der §§ 319 Abs. 1 bis Abs. 3, 323 HGB ist die Unabhängigkeit des Prüfers sichergestellt. Der Umstand der Parallelprüfung, also der Prüfung zeitgleich mit dem Erstellen des Berichts des Hauptaktionärs, vermag an der Unabhängigkeit der Prüfung nichts zu ändern und begründet für sich genommen keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG München ZIP 2007, 375, 377 f. = Der Konzern 2007, 356, 359; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 129 f.; LG München I, Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 29.8.2017, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; Emmerich in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 8 SpruchG Rdn. 6). § 407 a ZPO ist angesichts der Sonderregelung in § 8 SpruchG unanwendbar.
238
Eine Mitgliedschaft der Abfindungsprüfer im Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. begründet kein Bestellungsverbot im Sinne des § 319 Abs. 1 bis Abs. 4 HGB, der aufgrund der Verweisung in §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 1 AktG Anwendung findet. Angesichts dessen muss die Kammer auch nicht entscheiden, inwieweit sich daraus ein Verwertungsverbot ableiten ließe. Einen Ablehnungsgrund vermag die Kammer gleichfalls nicht zu erkennen. Dabei muss bereits davon ausgegangen werden, dass die Vorschriften über die Sachverständigenablehnung in §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO auf den gerichtlich bestellten Prüfer keine Anwendung finden. Das Spruchverfahrensgesetz behandelt ihn aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 2 nicht als Sachverständigen, sondern als sachverständigen Zeugen, weshalb die Vorschriften über die Ablehnung eines Sachverständigen auf ihn nicht anwendbar sind (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 23.3.2017, Az. 31 O 1/15; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.10.2023, § 8 SpruchG Rdn. 15). Abgesehen davon wäre ein Befangenheitsgrund auch nicht zu bejahen. Ein solcher ergibt sich nicht aus einer Mitgliedschaft der Vertragsprüfer im IDW. § 4 Abs. 9 der Satzung des IDW enthält nämlich keine unbedingte Verpflichtungserklärung des Wirtschaftsprüfers auf die Vorgaben des IDW. Zwar hat jedes Mitglied die Prüfungsstandards aufgrund dieser Vorschrift zu beachten. Aufgrund von § 4 Abs. 9 Satz 2 und Satz 3 der Satzung kann eine sorgfältige Prüfung indes ergeben, dass ein Prüfungsstandard nicht anzuwenden oder hiervon abzuweichen ist. Somit bietet die genannte Selbstverpflichtung genügend Raum für die dem Vertragsprüfer auferlegte unparteiische Überprüfung (vgl. OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). Ein Ablehnungsgrund lässt sich auch nicht daraus ableiten, wenn namentlich Frau I. und Herr D. in anderen Fällen als gerichtlich bestellter Prüfer tätig wurde und gegebenenfalls auch Privatgutachten zur Unternehmensbewertung erstellt. Zwar wird davon auszugehen sein, dass bei einem (gerichtlich bestellten) Sachverständigen, der in derselben Sache für einen nicht unmittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat, ein Ablehnungsgrund besteht, weil dann die Besorgnis besteht, er werde von einer früher geäußerten Begutachtung nicht abweichen (vgl. BGH MDR 2017, 479 f. = VersR 2017, 641, 642 = NJW-RR 2017, 569, 570 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Von einem gleichgelagerten Sachverhalt kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, wenn die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer völlig andere Unternehmen bewertet haben (vgl. auch OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es dagegen um die Frage, dass möglicherweise die zu begutachtende Hüftgelenksprothese aus derselben Modellreihe stammte wie die, die dort bestellte Sachverständige auch als Privatgutachter zu beurteilen hatte. Vorliegend wird auch von Seiten der Antragsteller nicht vorgetragen, M. sowie namentlich Frau I. und Herr D. seien früher mit der Bewertung der E. AG befasst gewesen.
239
(2) Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der von den Wirtschaftsprüfern von M. als Abfindungsprüfer getroffenen Feststellungen. Frau I. und Herr D. verfügen zweifelsohne über die zur Beurteilung auch komplexer Fragen der Unternehmensbewertung erforderliche Sachkunde. Sie haben sowohl im Prüfungsbericht als auch in der mündlichen Anhörung samt ihrer ergänzenden Stellungnahme die vorgenommenen Prüfungshandlungen hinreichend erläutert und dabei insbesondere auch begründet, warum die Abfindungsprüfer gerade auch die Planansätze aus dem Bewertungsgutachten von K. für angemessen und sachgerecht begründet erachteten. Daraus wird deutlich, dass sie sich ihrer Aufgabe und Funktion als gerichtlich bestellte Abfindungsprüfer in vollem Umfang bewusst waren. Dies zeigt sich weiterhin daran, dass die Abfindungsprüfer bei der Ableitung des Beta-Faktors über die P1. Group-Unternehmen weitergehende Analysehandlungen vorgenommen haben, indem sie die Regression nicht nur wie die Bewertungsgutachter von K. über den breitest möglichen lokalen Index, sondern auch gegen den MSCI World Index als internationalen Performance-Index herangezogen haben und auch raw Beta-Faktoren ermittelten, nachdem im Bewertungsgutachten mit adjusted Beta-Faktoren gerechnet wurde. Zur externen Plausibilisierung zogen die Abfindungsprüfer mehrere Marktstudien der B + L M2. GmbH sowie von IBIS World ebenso heran wie Aussagen des Statistischen Bundesamts zur Entwicklung von Wohngebäuden und Wohnungsbaugenehmigungen und von Destatis sowie des Internationalen Währungsfonds zur Abbildung der volkswirtschaftlichen Lage heran. Weiterhin nahmen Frau I. und Herr D. eine eigene vergleichende Wertermittlung auf der Basis von EBITDA- und EBIT-Multiplikatoren vor, wofür sie auf die Kapitalmarktdaten des Informationsdienstleisters Bloomberg LP zurückgriffen, während die Bewertungsgutachter von K. ihre Analysen mit dem Schwerpunkt auf den EBITDA-Multiplikatoren auf der Grundlage von Daten von S & P Capital durchführten. Über ein Multiplikatorverfahren kann allerdings keinesfalls eine angemessene Barabfindung angesichts der bestehenden Ungenauigkeit dieser Wertermittlung begründet werden. Jedoch können die daraus gewonnenen Erkenntnisse sehr wohl zur Plausibilisierung des mithilfe der Ertragswertmethode gefundenen Barabfindung herangezogen werden (vgl. Böcking/Rauschenberg in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, a.a.O., Rdn. 2,52), was vorliegend auch geschah.
240
Auch waren die Abfindungsprüfer nicht verpflichtet, eine eigenständige Bewertung der E. AG wie auch der Immobilie T.-straße … durchzuführen. Dies wird nämlich vom Wortlaut wie auch vom Schutzzweck der §§ 327 c Abs. 2, 293 c Abs. 1 Sätze 3 bis 5 nicht gefordert. Der Mindestinhalt des Prüfungsberichts, wie er in §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 c Abs. 1 Satz 3 AktG beschrieben wird, verlangt Angaben über die Methoden, nach denen die Abfindung ermittelt wurde – mithin die Methode der Unternehmensbewertung – sowie eine Begründung für die Angemessenheit der Methoden und Vergleichsrechnungen bei der Anwendung mehrerer Methoden. Somit beschränkt sich der Prüfungsbericht auf die Überprüfung der methodischen Konsistenz und der inhaltlichen Prämissen der Bewertung, der angewandten Bewertungsmethoden, der fachgerechten Ableitung zugrundeliegender Daten sowie der gegebenenfalls notwendigen Berücksichtigung des Börsenkurses. Der Inhalt des Prüfungsberichts und damit die Aufgabe der Prüfer entspricht aber gerade nicht einer eigenständigen Unternehmensbewertung (vgl. Singhof in: BeckOGK AktG, Stand: 1.10.2023, 327 f. Rdn. 11; Fleischer in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., § 327 c Rdn. 27; Veit DB 2005, 1697, 1700; Leuering NZG 2004, 606, 607). Zudem muss der Prüfungsbericht nach zutreffender Meinung aus sich heraus plausibel sein und eine entsprechende Kontrolle durch die Minderheitsaktionäre ermöglichen (vgl. Grzimek in: Angerer/Brandl/Süßmann, WpÜG, 4. Aufl., § 327 c AktG Rdn. 34). Diesen Anforderungen wird der von den Abfindungsprüfern erstellte Prüfungsbericht in jeder Hinsicht gerecht.
241
Frau I. ist seit nahezu 30 Jahren auch mit der Bewertung von Immobilien vertraut, wie sie im Verlauf ihrer Anhörung erläuterte. Angesichts dieser Expertise ist sie auch in der Lage, das Immobiliengutachten von Herrn J. entsprechend ihrer gesetzlichen Aufgabe zu prüfen und einzuschätzen.
242
(3) Bei der Entscheidungsfindung konnte auch auf das Bewertungsgutachten von K. sowie die Angaben von Herrn B. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.12.2023.zurückgegriffen werden. Es kann im Wege der freien Beweiswürdigung durch die Kammer verwertet werden, wobei sich die Kammer bewusst ist, dass es hierbei um den Vortrag eines Beteiligten geht. Da die Erkenntnisse der Bewertungsgutachter vom Vertragsprüfer einer umfassenden Überprüfung unterzogen wurden, hat die Kammer allerdings keinen Zweifel an ihrer Richtigkeit, zumal sie sich in das Gesamtbild des zu bewertenden Unternehmens einfügen.
243
b. Die Vorlage weiterer Unterlagen zur Planung und zur war ebenso wenig anzuordnen wie die Vorlage der Arbeitspapiere der beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, weil die Voraussetzungen von § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG als einzig denkbarer Anspruchsgrundlage nicht erfüllt sind.
244
(1) Nach dieser sehr weit gefassten Vorschrift sind sonstige Unterlagen, die für die Entscheidung des Gerichts erheblich sind, auf Verlangen der Antragsteller oder des Vorsitzenden des Gerichts und gegebenenfalls eines vom Gericht bestellten gemeinsamen Vertreters unverzüglich vorzulegen. Zwar gehören auch Planungsunterlagen einer Gesellschaft zu den sonstigen Unterlagen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. nur Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 55). Allerdings haben die Antragsteller die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage der vollständigen Planungsunterlagen nicht plausibel dargelegt, was indes zwingende Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung wäre (so OLG Düsseldorf AG 2021, 25, 27; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010, Az. 20 W 17/06; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; LG Frankfurt AG 2022, 548, 552 = Der Konzern 2022, 435, 439; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 7 SpruchG Rdn. 67). Eine derartige Entscheidungserheblichkeit vermag die Kammer nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend zu berücksichtigen, dass wesentliche Grundlagen der Planung im Prüfungsbericht der gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer dargestellt wurden, weshalb dieser eine ausreichende Basis für die Erhebung hinreichend substantiierter Einwendungen bildet.
245
(2) Die Antragsgegnerin ist weiterhin nicht verpflichtet, die Arbeitspapiere der Bewertungsgutachter von K. sowie der Abfindungsprüfer von M. vorzulegen. Einem derartigen Verlangen steht nach h.M. bereits die Regelung in § 51 b Abs. 4 WPO entgegen, weil es keinen durchsetzbaren Anspruch des Auftraggebers – hier also der Antragsgegnerin – gegen den Wirtschaftsprüfer auf Herausgabe der Arbeitspapiere gibt (vgl. nur LG Frankfurt AG 2022, 548, 552 = Der Konzern 2022, 435, 439; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 58; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 22; Bungert/Mennicke BB 2003, 2021, 2029; Wasmann/Roßkopf ZIP 2003, 1776, 1780). Ob dem mit Blick auf §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG in jedem Fall zu folgen sein wird (kritisch zur h.M. Drescher in: BeckOGK SpruchG, Stand: 1.10.2023, § 7 SpruchG Rdn. 10), kann vorliegend aber dahinstehen. Es fehlt nämlich jedenfalls an der Entscheidungserheblichkeit. Zwar sind die Arbeitspapiere in der Begründung zum Regierungsentwurf des Spruchverfahrensgesetzes (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 15) beispielhaft aufgeführt. Dies bedeutet indes nicht, dass die Antragsteller verlangen können, ihnen müssten sämtliche Unterlagen, die die Wirtschaftsprüfer verwendet und in ihren Arbeitspapieren festgehalten haben, in jedem Fall zugänglich gemacht werden. Der Bericht der Hauptaktionärin wie auch der Bericht des gerichtlich bestellten Prüfers soll neben den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Diese ist durch die Vorlage des Berichts der Hauptaktionärin sowie des Prüfungsberichts des gerichtlich bestellten Abfindungsprüfers gewährleistet. Zudem fehlt es vorliegend an einem begründeten Vorlageverlangen der Antragsteller, die sich auf einen Anspruch nach § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG hinsichtlich der Arbeitspapiere berufen. Sie haben nicht hinreichend begründet, warum ihnen nur mit Hilfe der Vorlage der Arbeitspapiere eine hinreichend substantiierte Rüge namentlich in Bezug auf die Planung möglich sein sollen; dies wäre indes erforderlich gewesen (vgl. OLG Karlsruhe AG 2006, 463, 464 = NZG 2006, 670, 671 f.; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 7 SpruchG Rdn. 67; Drescher in: BeckOGK SpruchG, Stand: 1.10.2023, § 7 SpruchG Rdn. 10; Wittgens in: K. Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 13). Gerade auch unter diesem Gesichtspunkt können keine überspannten Anforderungen an die Substantiierungslast bezüglich einzelner Rügen gestellt werden.
246
Angesichts dessen konnten die Anträge keinen Erfolg haben.
III.
247
1. a. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SpruchG. Schuldner der Gerichtskosten ist nach der Grundsatzregelung aus § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG nur der Antragsgegner. Allerdings können die Kosten ganz oder zum Teil dem Antragssteller auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für eine Anwendung von § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG ist in Richtung auf die anderen Antragsteller kein Raum. Es entspricht nicht der Billigkeit, die Gerichtskosten ganz oder teilweise den Antragstellern aufzuerlegen, auch wenn die Anträge keinen Erfolg hatten. Es muss dabei nämlich berücksichtigt werden, dass die Anhörung der Abfindungsprüfer im Termin vom 15.6.2023 nochmals eine deutlich erhöhte Klarheit und vertiefte Erkenntnisse zu wesentlichen Planannahmen wie namentlich der Entwicklung der Umsatzzahlen, der Kosten, zur Thesaurierung, sowie zum Kapitalisierungszinssatz gebracht hat.
248
b. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten findet die Entscheidung ihre Grundlage in § 15 Abs. 2 SpruchG.
249
(1) Nach dieser Vorschrift ordnet das Gericht an, dass die Kosten der Antragsteller, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil die Anträge in der Sache keinen Erfolg hatten. Die Kammer hält mit Blick auf die nunmehr entgegenstehende Auffassung des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 11.3.2020, Az. 31 Wx 341/17 (AG 2020, 440, 444 f. = ZIP 2020, 761, 762 ff. = WM 2020, 1028, 1034 ff.) an ihrer bisher vertretenen Auffassung zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin nicht mehr fest. Das Oberlandesgericht München begründet seine Auffassung im Wesentlichen damit, aus der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 18) ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, dass im Falle des Unterliegens die Antragsteller ihre Kosten zu tragen hätten. Eine regelmäßige Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin widerspreche danach dem Willen des Gesetzgebers, wonach die Kostentragungspflicht der Antragsteller im Falle des Unterliegens die Regel darstellen soll. Auch weist das Oberlandesgericht München neben diesem Argument darauf hin, das mit der Verteilung verbundene Kostenrisiko sei keinesfalls existenzbedrohend – ein Rechtsschutzverlust ist mit dieser Regelung nicht verbunden, weil sich die Antragsteller im Spruchverfahren nicht zwingend anwaltlich vertreten lassen müssen und an die Antragsbegründungspflicht vergleichsweise niedrige Anforderungen zu stellen sind. Infolge der Berechnung der Anwaltsgebühren auf der Grundlage von § 31 RVG und nicht aus dem vollen Geschäftswert ist das Kostenrisiko zudem überschaubar, weshalb eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes nicht angenommen werden kann. Die allgemeiner formulierte Vorschrift des § 81 Abs. 1 FamFG findet angesichts der Spezialregelung in § 15 Abs. 4 SpruchG a.F., die im Wesentlichen der Neuregelung in § 15 Abs. 2 SpruchG entspricht, keine Anwendung. Besondere Gründe, die eine hiervon abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht erkennbar.
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(2) Der Antragsgegnerin steht indes kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Antragsteller zu. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage, weil § 15 Abs. 2 SpruchG eine abschließende Regelung enthält und dort eine Erstattungspflicht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners durch die Antragsteller nicht vorgesehen ist (so ausdrücklich BGH NZG 2012, 191, 193 f. = AG 2012, 173, 174 f. = ZIP 2012, 266, 268 f.= WM 2012, 280, 282 f. = DB 2012, 281, 282 f. = MDR 2012, 293 f.; OLG Frankfurt AG 2012, 417, 422 = Der Konzern 2012, 199, 211; LG München I, Beschluss vom 27.6.2014, Az. 5HK O 7819/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.4.2023, § 15 SpruchG Rdn. 25; Wittgens in: K. Schmidt/Lutter, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 21; Koch, AktG, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 6; Steinle/Liebert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7 – Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), a.a.O., § 34 Rdn. 49).
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2. Die Entscheidung über den Geschäftswert hat ihre Grundlage in § 74 GNotKG. Da die Anträge keinen Erfolg hatten, war der Mindestgeschäftswert von € 200.000,- festzusetzen. Dieser ist aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch für die Vergütung des gemeinsamen Vertreters maßgeblich.