Inhalt

AG München, Beschluss v. 17.07.2023 – 555 F 12390/21
Titel:

Antragsgegner, Festsetzung von Ordnungsmitteln, Elektronisches Dokument, Umgangsausschluss, Elektronischer Rechtsverkehr, Familiengerichte, Aufgabe zur Post, Jugendamt, Ordnungsgeld, Kostenentscheidung, Ausgleichsanspruch, Ordnungshaft, Scheidungsverbundverfahren, Bekanntgabe, Umgangsberechtigter, Beschwerdefrist, Außergerichtliche Kosten, Private Krankenversicherung, Kindschaftsverfahren, Beschwerdeschrift

Schlagworte:
Scheidungsverbundverfahren, Umgangsrecht, Kindeswohl, Elterliche Sorge, Verfahrensbeistand, Jugendamt, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 03.07.2024 – 11 WF 1069/24
OLG München, Beschluss vom 26.11.2024 – 11 WF 1069/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54216

Tenor

1. Der Umgang des Antragsgegners mit den Kindern … und …, wird bis zum 16.10.2023 ausgeschlossen.
2. Für jeden Fall der zu vertretenden Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Regelung des Umgangsrechts kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld in Höhe von jeweils bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Verspricht die Anordnung von Ordnungsgeld keinen Erfolg, so kann das Gericht sofort Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Weiterhin kann das Gericht zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang anordnen, wenn die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolglos geblieben ist, die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg verspricht oder eine alsbaldige Vollstreckung unbedingt geboten erscheint.
3. Die Gerichtskosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten sind in verschiendenen Haushalten getrennt lebende Eheleute. Das Scheidungsverbundverfahren ist vor dem Amtsgericht München bereits anhängig, jedoch noch nicht entscheidungsreif. Zwischen den Eheleuten besteht eine hochgradig konfliktbehaftete Beziehung. Sie streiten wesentlich über finanzielle Belange im Zusammenhang mit den Folgesachen Güterrecht und Ehegattenunterhalt. Auch im Hinblick auf kindesunterhaltsrechtliche Ansprüche besteht zwischen den Beteiligten Streit, ebenso bei Fragen hinsichtlich gesamtschuldnerischer Ausgleichsansprüche. Ferner stritten die Beteiligten – ebenfalls gerichtlich – um ein Fahrzeug als Haushaltsgegenstand sowie über die Art und Weise der privaten Krankenversicherung der gemeinsamen Kinder.
2
Die Beteiligten üben die elterliche Sorge (noch) gemeinsam aus. Die Entscheidung über die private Krankenversicherung der Kinder wurde der Antragstellerin in der Vergangenheit durch das Familiengericht allein übertragen.
3
Die Kinder leben mit der Antragstellerin weiterhin in der Ehewohnung. Die Antragstellerin ist die Hauptbezugsperson der Kinder. Eine Umgangsregelung zwischen den Eltern besteht weder gerichtlich noch außergerichtlich. Auf privater Basis haben die Beteiligten durch eine fachlich qualifizierte Umgangsbegleiterin versucht, Umgang stattfinden zu lassen, was jedoch rasch wieder beendet wurde, auch weil die – gerichtsbekannt qualifizierte – außergerichtliche Begleiterin des Umgangs, …, keine Möglichkeiten mehr sah. Ungeachtet dessen blieb die Frage der Finanzierung der außergerichtlichen Umgangsbegleitung offen.
4
Elternberatungen hatten in der Vergangenheit keinen Erfolg. Der Antragsgegner hielt sich auch nicht an die zu gerichtlichem Protokoll erfolgte Zusage, die Finanzierung von Beratungsterminen zu übernehmen. Die Antragstellerin musste die zwangsläufig von ihr übernommenen Rechnungen – erstinstanzlich erfolgreich – gerichtlich geltend machen. Beratungstermine wurden durch die Antragstellerin wahrgenommen, der Antragsgegner zeigte kein Interesse an der Beratung.
5
Das Gericht hat die Kinder am 26.09.2022 im Beisein des Verfahrensbeistands persönlich angehört. Die Kinder lehnten den Kontakt zum Vater zunächst ab. … zeigten sich – im Gegensatz zu … jedoch anfänglich bereit, begleiteten Umgang wahrzunehmen, der sodann über Frau … kurzzeitig stattfand. Im Anschluss zeigten auch … und … kein Interesse an weiterem Umgang.
6
Das Gericht hat einen Verfahrensbeistand bestellt, der im Termin berichtet hat. Ferner hat das Gericht die Beteiligten persönlich angehört. Auch das Jugendamt wurde angehört.
7
Mit letztem Schriftsatz der Antragsgegnervertreterin vom 05.06.2023 teilte diese auf Sachstandsanfrage des Gerichts mit, dass sich der Antragsgegner mit dem Jugendamt in Verbindung setzen werde. Das Jugendamt teilte Anfang Juli telefonisch mit, dass sich der Antragsgegner nicht beim Jugendamt gemeldet habe.
8
Im Übrigen wird auf das schriftsatzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten Bezug genommen.
II.
9
Die Entscheidung beruht auf § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB. Danach kann das Familiengericht das Umgangsrecht ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. In Abgrenzung zum Umgangsausschluss von längerer Dauer nach § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB geht die Rechtsprechung beim nicht länger dauernden Umgangsausschluss von nicht mehr als 6 Monaten aus.
10
Das Gericht gelangt zu der Überzeugung, dass der Ausschluss des Umgangs für die Dauer von 3 Monaten zum Wohl der Kinder erforderlich ist.
11
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass seit Monaten kein Umgang stattfindet und sich dieser Zustand bei den Kindern mittlerweile als normal darstellt. Ferner findet zwischen den Kindeseltern keinerlei persönliche Kommunikation mehr statt, weder hinsichtlich der Belange der Kinder noch sonstiger Art, vielmehr kommunizieren die Beteiligten über ihre Anwälte/Anwältinnen. Insbesondere aber zeigt der Antragsgegner keinerlei Interesse an einem Umgang mit den gemeinsamen Kindern. Auf die Qualität vergangener Umgänge kommt es daher vorliegen schon gar nicht mehr an. Zuletzt hat der Antragsgegner sein Desinteresse damit dokumentiert, dass er entgegen einem eigenen Vortrag keinen Kontakt zum Jugendamt aufgenommen hat, um wegen der Umgangsfrage einen Lösungsansatz zu suchen. Sowohl das Jugendamt als auch der Verfahrensbeistand sehen angesichts der Haltung des Antragsgegners derzeit keine Ansatzpunkte mehr, einen – nunmehr ohnehin erst wieder anzubahnenden – Umgang zu installieren. Hinzu kam in der Vergangenheit auch immer wieder, dass der Antragsgegner nur sehr begrenzt zugänglich für Termine ist, die nicht seiner Planung entsprechen, so dass sich insoweit die Frage der Prioritätensetzung stellt. Der Antragsgegner kann sich auch nicht auf fehlende Mitwirkung der Antragstellerin berufen, die sich mit Beginn der gerichtlichen Verfahren dem Umgang nicht verschloss. Dass sie allerdings auch nicht gewillt ist, dem Antragsgegner (weiterhin) wegen Umgangs nachzulaufen, kann nachvollzogen werden.
12
Wenn ein grundsätzlich Umgangsberechtigter letztlich nicht gewillt ist, Umgang auszuüben, so kann dieser Umgang nicht kindeswohldienlich erzwungen werden, sondern ist – in Ermangelung einer anderweitigen Entscheidungsmöglichkeit – auszuschließen.
13
Hinsichtlich der Dauer des Umgangsausschlusses hat sich das Gericht bewusst für eine vergleichsweise kurze Zeit entschieden. Denn das Gericht geht – den wirklichen Willen des Antragsgegners am Umgang und der damit verbundenen Konsequenz in der Umsetzung vorausgesetzt – davon aus, dass Umgang des Antragsgegners mit den Kindern stattfinden könnte, wenn der Antragsgegner seine Grundhaltung überdenkt und auf entsprechende Hilfsangebote eingeht. Darüber hinaus findet ohnehin seit Monaten kein Umgang statt, so dass es keiner vollen Ausschöpfung der 6 Monate bedarf, zumal jedenfalls derzeit davon ausgegangen werden muss, dass der Antragsgegner nach Ablauf des nun entschiedenen Umgangsausschlusses ohnehin keinen Umgang begehrt. Sollte dies doch der Fall sein, steht einer Einigung der Beteiligten unter Zuhilfenahme des Jugendamts und nötigenfalls des Familiengerichts nach Ablauf des Umgangsausschlusses jedenfalls verfahrensrechtlich nichts entgegen.
14
Letztlich war das schwebende Umgangsverfahren auch zur Klarheit für die Kinder nunmehr zu beenden, so dass – wenigstens für die Dauer von 3 Monaten – keine Ungewissheit für die Kinder besteht.
III.
15
Die Beteiligten haben jegliche Beeinflussung der Kinder und alle anderen Verhaltensweisen zu unterlassen, welche die Erziehung erschweren oder das Verhältnis der Kinder zu dem Sorgeberechtigten bzw. Umgangsberechtigten beeinträchtigen.
16
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Danach kann das Gericht die Kosten den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen. Vorliegend entspricht es der Billigkeit, die Kosten zwischen den Beteiligten zu teilen, da Kindschaftsverfahren im Interesse der Kinder geführt werden und die Kostenteilung die gemeinsame Verantwortung der Eltern für die gemeinsamen Kinder widerspiegelt. Ferner liegt kein Fall des § 81 Abs. 2 FamFG und auch kein diesen Fällen gleichartiger Fall vor.
17
Der Hinweis auf die Vollstreckung durch Anordnung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft beruht auf §§ 89, 90 FamFG.