Titel:
Widerspruchsbescheid, Kinderzuschlag, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Sozialgerichte, Landessozialgericht, Nichtzulassungsbeschwerde, Elektronischer Rechtsverkehr, Überprüfungsantrag, Sozialgerichtsgesetz, Kindergeld, Prozeßbevollmächtigter, Klageverfahren, Verwaltungsrechtlicher, Klageabweisung, Überprüfungsverfahren, Beiladung, Sozialgesetzbuch, Doppelte Rechtshängigkeit, Gerichtsverfahren, Rechtsschutzbedürfnis
Schlagworte:
Gerichtsbescheid, Klageunzulässigkeit, Doppelte Rechtshängigkeit, Überprüfungsantrag, Beweislast, Vergleichsvereinbarung, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 03.07.2024 – L 11 AS 258/23
BSG Kassel, Beschluss vom 07.11.2024 – B 4 AS 174/24 BH, B 4 AS 175/24 BH, B 4 AS 176/24 BH
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54187
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Streitig ist vorliegend die Gewährung von (höheren) Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Monate Dezember 2012 und Juni 2015, die die Kläger mit ihrem Antrag vom „16.12.2016“ – diesen (bezeichnet mit Antrag aus der E-Mail vom 11.12.2016) hat der Beklagte mit Bescheid vom 21.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2020 abgelehnt – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 40 Abs. 1 SGB II begehren.
2
Der 1968 geborene Kläger zu 1.) und die 1969 geborene Klägerin zu 2.) beziehen gemeinsam mit ihren 2003, 2005 und 2007 geborenen Kindern, den Klägern zu 3.), 4.) und 5.), seit 01.09.2015 Leistungen des Beklagten zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
3
Der Kläger zu 1.) stand ab 01.10.2010 in einem Beamtenverhältnis auf Probe, aus dem er jedoch mit Ablauf des 31.12.2012 wieder entlassen wurde. In der Folgezeit wurde die Ernennung zum 01.10.2010 zurückgenommen. Er erhielt im Zuge sich anschließender Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Beendigung des Beamtenverhältnisses im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes noch bis einschließlich September 2015 vorläufig Beamtenbezüge unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Die Bezüge für den Monat September gingen am 31.08.2015 auf dem Konto des Klägers zu 1.) ein.
4
Im Dezember 2012 wurden zunächst die Bezüge für Januar 2013 nicht auf das Konto des Klägers zu 1.) überwiesen. Dafür wurden dann im Januar 2013 die Bezüge (einschließlich Kindergeld) für Januar und Februar 2013 auf dem Konto gutgeschrieben.
5
Im Juni 2015 wurden zunächst die Bezüge für Juli 2015 nicht auf das Konto des Klägers zu 1.) überwiesen. Dafür wurden dann im Juli 2015 die Bezüge (einschließlich Kindergeld) für Juli und August 2015 auf dem Konto gutgeschrieben.
6
Das Landesamt für Finanzen forderte mit Bescheid vom 14.02.2017 die Erstattung überzahlter Dienstbezüge in Höhe von 114.843,58 € für den Zeitraum 01.11.2012 bis 30.09.2015. Der Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht B. wegen fehlerhafter Ermessensausübung aufgehoben (Gerichtsbescheid vom 22.03.2018, Az.: B 5 K 17.195).
7
Mit Bescheid vom 08.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2016 lehnte der Beklagte Anträge der Kläger auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Oktober 2010 bis Februar 2013 vom 04.06.2016 und 07.06.2016 ab. Die Leistungen seien erst am 04.06.2016 beantragt worden. Gemäß § 37 SGB II könnten Leistungen frühestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung, rückwirkend auf den Monatsersten erbracht werden. Die hiergegen von den Klägern erhobene Klage (Az.: S 17 AS 495/16) wies das Sozialgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid vom 06.09.2018 ab. Mit Ausnahme des Monats Dezember 2012 könne der Bedarf durch Erwerbseinkommen, Kindergeld und Kinderzuschlag gedeckt werden. Für den Monat Dezember 2012 fehle es an einem ordnungsgemäßen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, auch wenn der Bedarf in diesem Monat nicht gedeckt gewesen sei. Ein am 30.11.2012 gestellter Antrag auf Kinderzuschlag, der Gegenstand eines unter dem Aktenzeichen L 7 BK 12/17 beim Bayerischen Landessozialgericht anhängigen Berufungsverfahrens sei, könne aufgrund der expliziten Geltendmachung von Kinderzuschlag bei der Familienkasse nicht als Antrag auf Leistungen nach dem SGB II angesehen werden. Die Kläger legten gegen den Gerichtsbescheid vom 06.09.2018 Berufung ein (Az. L 11 AS 895/18). Die Berufung wurde im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 13.03.2019 von der damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger zurückgenommen.
8
Mit Bescheid vom 05.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2015 sowie mit Bescheid vom 30.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2016 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von März 2013 bis August 2015 mangels Hilfebedürftigkeit der Kläger ab. Die hiergegen von den Klägern erhobene Klage (Az.: S 17 AS 585/15) wies das Sozialgericht Bayreuth mit Gerichtsbescheid vom 06.09.2018 ab. Der Bedarf der Kläger werde durch Erwerbseinkommen, Kindergeld und Kinderzuschlag gedeckt. Die in der Zeit von März 2013 bis August 2015 zugeflossenen Beamtenbezüge seien Einkommen, auch wenn sie in einer ungewissen Zukunft ggf. doch noch zurückgefordert werden sollten. Die Kläger legten gegen den Gerichtsbescheid vom 06.09.2018 Berufung ein (Az. L 11 AS 894/18). Die Berufung wurde im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht am 13.03.2019 von der damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger zurückgenommen.
9
Im vor dem Sozialgericht Bayreuth anhängig gewesenen Verfahren S 14 AS 775/18 nahmen die Beteiligten mit Schreiben vom 13.08.2019 bzw. 14.08.2019 einen durch gerichtlichen Beschluss vom 09.08.2019 vorgeschlagenen Vergleich (§ 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) folgenden Wortlauts an:
I. Die Klägerseite leistet am 31.08.2019 an den Beklagten eine einmalige Zahlung in Höhe von 500,00 €.
II. Die Klägerseite nimmt sämtliche bis zum 31.08.2019 offenen Rechtsbehelfe – mit Ausnahme der Berufungsklagen zu den Verfahren S 17 AS 585/15 und S 17 AS 495/16 – zurück.
III. Damit sind im Gegenzug alle gegenseitigen Ansprüche aus allen noch offenen verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Verfahren – mit Ausnahme der Berufungsklagen zu den Verfahren S 17 AS 585/15 und S 17 AS 495/16 – bis zum Stichtag 31.08.2019 abschließend abgegolten und erledigt.
IV. Dieser Vergleich wird wirksam, wenn die Beteiligten bis spätestens 20.08.2019 eingehend bei Gericht die Annahme des Vergleichs schriftlich erklären.
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Bereits im August 2018 hatten die Beteiligten vor dem Sozialgericht Bayreuth im Verfahren S 17 AS 610/17 einen weiteren Vergleich folgenden Wortlauts geschlossen (vgl. Beschluss vom 29.08.2018):
I. Die Klägerseite leistet an den Beklagten eine einmalige Zahlung in Höhe von 500,00 €.
II. Die Klägerseite nimmt sämtliche bis zum 27.08.2018 offenen Rechtsbehelfe mit Ausnahme der Klagen S 17 AS 585/15 und S 17 AS 496/16 – zurück.
III. Damit sind im Gegenzug alle gegenseitigen Ansprüche aus allen noch offenen verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Verfahren mit Ausnahme der Klageverfahren S 17 AS 585/15 und S 17 AS 496/16 abschließend abgegolten und erledigt.
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Mit Urteil vom 30.06.2020 (Az.: S 9 BK 9/19) wies das Sozialgericht Bayreuth eine auf die Gewährung von Kinderzuschlag nach § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für den Monat Juni 2015 gerichtete Klage der Kläger gegen den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse, vom 23.01.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2020 ab. Im nachfolgenden Berufungsverfahren (Az.: L 7 BK 1/21) wies das Bayerische Landessozialgericht – nach erfolgter Beiladung des Beklagten – die Berufung mit Urteil vom 10.05.2021 zurück. Ein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe nicht, nachdem die Mindesteinkommensgrenze im Juni 2015 nicht erreicht worden sei. Einem Anspruch gegen den beigeladenen Beklagten auf Leistungen nach dem SGB II stehe entgegen, dass die Ablehnung durch den Beklagten bestandskräftig geworden sei.
12
Bereits zuvor hatte das Sozialgericht Bayreuth mit Urteil vom 15.11.2017 (Az.: S 9 BK 6/15) eine auf die Gewährung von Kinderzuschlag nach § 6a BKGG für die Monate November 2012 bis April 2013 gerichtete die Klage der Kläger gegen den Bescheid der Familienkasse vom 13.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2015 abgewiesen.
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Auf die Berufung der Kläger wurde der Beklagte mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24.09.2019 (Az.: L 7 BK 12/17) als Beigeladener verurteilt, den Klägern für den Monat Dezember 2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1741,80 € zu gewähren. Im Übrigen wurde die Berufung zurückgewiesen. Zwar bestehe kein Anspruch auf Kinderzuschlag, der Beklagte müsse aber für Dezember 2012 Leistungen nach dem SGB II erbringen, denn dem Bedarf dieses Monats (Regelbedarfe: 1395,00 €, Kosten für Unterkunft und Heizung, Mehrbedarf kostenaufwändige Ernährung: 74,80 €) abzüglich des Kindergeldes (184,00 € + 184,00 € + 190,00 €) habe kein zu berücksichtigendes Einkommen gegenübergestanden. Die laufenden Bezüge seien nicht im Dezember 2012, sondern erst am 13.01.2013 auf dem Konto gutgeschrieben worden. Als Einkommen sei auch nicht ein Sechstel der im November 2012 zugeflossenen Jahressonderzahlung anzurechnen, denn diese werde vollständig von den Absetzungen nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB II (Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe 74,97 €, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Dezember in Höhe von 496,92 € sowie Beiträge zur geförderten Altersvorsorge in Höhe von 65,00 €) aufgebraucht. Eine fehlende Antragstellung stehe dem Anspruch nicht entgegen, denn es sei davon auszugehen, dass vorliegend die Leistungen nach dem SGB II mit dem Kinderzuschlag hätten beantragt werden sollen. Der in Bezug auf Dezember 2012 leistungsablehnende bestandskräftige Bescheid des Beklagten sei unerheblich, denn er habe sich auf Anträge vom 04.06.2016 und 07.06.2016 bezogen. Das Urteil des Bayerischen Landesozialgerichts vom 24.09.2019 ist rechtskräftig, denn das Bundessozialgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger mit Beschluss vom 06.02.2020 verworfen (Az.: B 4 KG 6/19 B).
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Eine weitere Klage (Az.: S 9 BK 11/19) auf Feststellung, dass der im Urteil vom 24.09.2019 zugesprochenen Leistungsbetrag für Dezember um das Kindergeld in Höhe von 558,00 € zu erhöhen sei, wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 30.06.2020 – unter Hinweis auf die entgegenstehende Rechtskraft des Urteils vom 24.09.2019 – abgewiesen.
15
Mit E-Mail vom 09.12.2019 und 10.12.2019 beantragten die Kläger auch beim Beklagten rückwirkend (höhere) Leistungen nach dem SGB II für die Monate Dezember 2012 und Juni 2015. Der Beklagte lehnte die Anträge mit Bescheid vom 13.12.2019 ab. Sofern die Kläger mit dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichtes vom 24.09.2019 nicht einverstanden seien, sei der weitere Rechtsweg zu beschreiten. Über den Anspruch für Juni 2015 sei bereits mit Bescheid vom 05.08.2015 bestandskräftig entschieden worden. Eine rückwirkende Leistungserbringung im Rahmen von § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei angesichts der Jahresfrist nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr.2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X nicht möglich.
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Am 17.12.2019 legten die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.12.2019 ein. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2020 zurück.
17
Am 23.01.2020 erhoben die Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht (Az.: S 14 AS 29/20). Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.08.2020 abgewiesen. Der Zulässigkeit stehe – soweit höhere Leistungen für den Monat Dezember 2012 geltend gemacht würden – die Rechtskraft des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24.09.2019 (Az.: L 7 BK 12/17) entgegen.
18
Soweit für den Monat Juni 2015 Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht würden, stehe der Zulässigkeit der Klage die Rechtskraft des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.09.2018 (Az.: S 17 AS 585/15) sowie die Rechtskraft des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10.05.2021 (Az.: L 7 BK 1/21) entgegen.
19
Ein möglicher Anspruch der Kläger könne überdies auch nicht auf noch offene Überprüfungsanträge gestützt werden. Denn die Kläger hätten in den im August 2018 und August 2019 in den Verfahren S 17 AS 610/17 und S 14 AS 775/18 abgeschlossenen Vergleichen zweimal ausdrücklich erklärt, dass mit den Vergleichen alle gegenseitigen Ansprüche aus allen zu diesem Zeitpunkt offenen verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Verfahren – mit Ausnahme der Klageverfahren S 17 AS 585/15 und S 17 AS 495/16 – abschließend abgegolten und erledigt seien. Dies umfasse zur Überzeugung des Gerichts auch etwaige zu diesem Zeitpunkt noch offene Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine klageweise Geltendmachung sei vor diesem Hintergrund für das Gericht nicht ersichtlich.
20
Abgesehen davon sei den Verwaltungsakten des Beklagten nicht zu entnehmen, dass die nach Angaben der Kläger mit E-Mail vom 11.12.2016 gestellten Überprüfungsanträge damals tatsächlich beim Beklagten eingegangen seien. Der fehlende Nachweis des tatsächlichen Zugangs der E-Mail vom 11.12.2016 beim Beklagten wirke sich im Rahmen der Beweislast zum Nachteil der Kläger aus.
21
Die Kläger haben am 22.08.2022 Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 17.08.2022 eingelegt (Az.: L 11 AS 297/22). Über die Berufung wurde bislang nicht entschieden.
22
Mit E-Mail vom 14.02.2020 beantragten die Kläger beim Beklagten, über noch offene Überprüfungsanträge betreffend Leistungsansprüche für den Zeitraum von Oktober 2012 bis August 2015, die bereits mit E-Mail vom 11.12.2016 gestellt worden seien, zu entscheiden. Der Beklagte teilte den Klägern zunächst mit Schreiben vom 17.02.2020 mit, dass eine Bearbeitung nicht mehr erfolgen könne. Unabhängig davon, dass die Überprüfungsanträge vermutlich damals aufgrund der zahlreich gestellten Anträge und laufenden Verfahren untergegangen sein könnten, seien diese jedenfalls von dem vor dem Sozialgericht Bayreuth im August 2019 geschlossenen Vergleich umfasst, mit dem sämtliche noch offenen Verwaltungsverfahren für erledigt erklärt worden seien.
23
Mit Bescheid vom 21.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2020 lehnte der Beklagte den Antrag vom 14.02.2020 auf Bearbeitung der Überprüfungsanträge mit gleichlautender Begründung förmlich ab. Hiergegen haben die Kläger mit Schreiben vom 30.05.2020, welches am 02.06.2020 beim Sozialgericht eingegangen ist, Klage erhoben und die Gewährung von (höheren) Leistungen nach dem SGB II für die Monate Dezember 2012 und Juni 2015 unter Berücksichtigung des Überprüfungsantrages vom „16.12.2016“ gelten gemacht. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Überprüfungsanträge vom 11.12.2016 seien nicht vom Vergleich vom 29.08.2019 umfasst. Mit E-Mail vom 11.12.2016 seien „nachweislich“ Überprüfungsanträge gestellt worden. Es sei unzutreffend, dass der Beklagte den Überprüfungsantrag erst am 30.01.2020 erhalten haben soll.
24
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 25.06.2020 beantragt, die Klage abzuweisen.
25
Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 18.08.2022 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört. Einwände hiergegen wurden nicht erhoben.
26
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhaltes wegen der Einzelheiten auf die Akte des Beklagten und die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
27
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, § 105 SGG. Die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt. Die Beteiligten wurden vorher angehört.
28
Die Klage ist unzulässig (vgl. Ziff. 1.) und überdies auch nicht begründet (vgl. Ziff. 2.).
29
1.) Die Klage ist unzulässig.
30
Soweit mit der Klage (höhere) Leistungen nach dem SGB II für die Monate Dezember 2012 und Juni 2015 geltend gemacht werden, steht jedenfalls die Vorschrift des § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) der Zulässigkeit der Klage entgegen. Hiernach kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Maßgeblich hierbei ist die Frage ob es sich um denselben Streitgegenstand handelt. Dies ist vorliegend der Fall. Soweit die Kläger vorliegend (höhere) Leistungen nach dem SGB II für die Monate Dezember 2012 und Juni 2015 begehren, ist dies bereits Gegenstand des Klageverfahrens S 14 AS 29/20. Die vorliegende Klage ist daher wegen anderweitiger bzw. doppelter Rechtshängigkeit unzulässig.
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2.) Die Klage ist überdies auch nicht begründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 21.02.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2020 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Anhand der Verwaltungsakten des Beklagten lässt sich nämlich letztlich nicht nachweisen, dass die nach Angaben der Kläger mit E-Mail vom 11.12.2016 gestellten Überprüfungsanträge damals tatsächlich beim Beklagten eingegangen sind und damit eine rechtswirksame Antragstellung vorliegt. In den Akten des Beklagten finden sich unter dem Datum 11.12.2016 lediglich eine Reihe von E-Mails der Kläger – u.a. zum Arbeitseinkommen der Klägerin zu 2.) und zu einer beantragten orthopädischen Matratze, zu orthopädischen Schuhen, zu Bandagen und zu Rückensport für den Kläger zu 1.) –, jedoch keine E-Mail mit Überprüfungsanträgen für den Zeitraum Oktober 2012 bis August 2015, wie sie von den Klägern im Anhang zur E-Mail vom 14.02.2020 an den Beklagten übersandt wurde. Der fehlende Nachweis des tatsächlichen Zugangs der E-Mail vom 11.12.2016 beim Beklagten wirkt sich im Rahmen der Beweislast aber zum Nachteil der Kläger aus. Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte mit Schreiben vom 17.02.2020 mitgeteilt hat, dass die Überprüfungsanträge möglicherweise aufgrund der zahlreich gestellten Anträge und Verfahren untergegangen sein könnten.
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Abgesehen davon haben die Kläger in den im August 2018 und August 2019 in den Verfahren S 17 AS 610/17 und S 14 AS 775/18 abgeschlossenen Vergleichen zweimal ausdrücklich erklärt, dass mit den Vergleichen alle gegenseitigen Ansprüche aus allen zu diesem Zeitpunkt offenen verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Verfahren – mit Ausnahme der Klageverfahren S 17 AS 585/15 und S 17 AS 495/16 – abschließend abgegolten und erledigt sind. Dies umfasst zur Überzeugung des Gerichts auch etwaige zu diesem Zeitpunkt noch offene Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X. Beim Verfahren nach § 44 SGB X handelt es sich unzweifelhaft um ein verwaltungsrechtliches Verfahren, welches zur Überzeugung des Gerichts nach dem eindeutigen Wortlaut der beiden Vergleiche in die vereinbarte Anspruchsabgeltung und Erledigterklärung aller zum jeweiligen Stichtag offenen Verwaltungsverfahren einzubeziehen ist.
35
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
36
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen der Kläger.