Titel:
Untersuchungshaft, Vorläufige Vollstreckbarkeit, festgestellter Sachverhalt, Adhäsionsverfahren, Verfügungsberechtigung, Feststellungsurteile, Gesamtfreiheitsstrafe, Ordnungsgemäße Rechnung, Gesamtschuldnerische Haftung, Gewerbsmäßiger Bandenbetrug, Mitverschuldenseinwand, Rechnungsprüfung, Verfügungsbefugnis, Wertersatzeinziehung, Durchgeführte Beweisaufnahme, Vermögensarrest, Freiheitsstrafe, Tatmehrheit, Zahlungsanordnung, Scheinrechnung
Normenketten:
StGB § 263
StPO § 406 Abs. 1 Satz 5
BayHO Art. 70
StGB § 263 Abs. 1, 5, § 334 Abs. 1 Satz 1, § 46b, 25 Abs. 2, § 52, § 53, § 73, § 73c
StGB § 263 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 1, 4, Abs. 5, § 331 Abs. 1, § 332 Abs. 1 Satz 1, § 335 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a), Abs. 2 Nr. 3, § 25 Abs. 2, §§ 26, 52, 53, 73, 73c
StGB § 263 Abs. 1, 3 Satz 2 Nr. 1, Abs. 5, § 334 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 2, § 27, § 46b, § 52, § 53, § 56, § 73, § 73c
StGB § 263 Abs. 1, § 334 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 2, § 46a, § 46b, § 52, § 53, § 56
StGB § 333 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 53, § 56
StGB § 333 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 52, § 56
StGB § 333 Abs. 1, § 27, § 53
Leitsätze:
1. Das für den Irrtum beim Betrug maßgebliche Vorstellungsbild kann, wenn der Verfügende ein Beamter ist, durch die einschlägigen Bestimmungen des Haushaltsrechts normativ vorgeprägt sein.
2. Ein Adhäsionsantrag kann sich als insgesamt ungeeignet zur Erledigung im Strafverfahren erweisen, wenn der in Untersuchungshaft befindliche Angeklagte nur wenige Stunden pro Sitzungstag verhandlungsfähig ist und die zivilrechtlichen Fragen schwierig sind.
Schlagworte:
Betrug, Scheinrechnungen, Freizeichnung, Schadensberechnung, Bestechung, Bestechlichkeit, Geldverteilung, Freispruch, Schmiergeldzahlungen, Adhäsionsklage, Einziehungsentscheidungen, Entschädigungsentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54165
Tenor
I. Der Angeklagte Pu ist schuldig
- des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 180 tatmehrheitlichen Fällen, davon in 90 Fällen jeweils mit Bestechung.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verurteilt.
II. Der Angeklagte P ist schuldig
- des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 90 tatmehrheitlichen Fällen jeweils mit Bestechlichkeit und
- des Betrugs in 45 tatmehrheitlichen Fällen jeweils mit Bestechlichkeit und
- der Anstiftung zum Betrug in drei tatmehrheitlichen Fällen jeweils mit Bestechlichkeit und
- der Vorteilsannahme in 18 tatmehrheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren 6 Monaten verurteilt.
III. Der Angeklagte Z ist schuldig
- der Beihilfe in 90 tatmehrheitlichen Fällen zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug mit Bestechung jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem Bandenbetrug und
- des Betrugs in 9 tatmehrheitlichen Fällen jeweils mit Bestechung.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
IV. Der Angeklagte H ist schuldig
- des Betrugs in 39 tatmehrheitlichen Fällen jeweils mit Bestechung.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
V. Der Angeklagte HK ist schuldig
- der Vorteilsgewährung in 18 tatmehrheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
VI. Der Angeklagte MK ist schuldig
- der Vorteilsgewährung in 18 tateinheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt.
Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
VII. Der Angeklagte S ist schuldig
- der Beihilfe zur Vorteilsgewährung in 18 tatmehrheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 200 € verurteilt.
VIII. Die Angeklagte BP wird freigesprochen.
Sie ist zu entschädigen für die Durchsuchungsmaßnahmen am 23. März 2022 und für den gegen sie vollzogenen Vermögensarrest.
IX. Es wird die Einziehung von Wertersatz angeordnet
- gegen den Angeklagten P in Höhe von 790.054,62 € davon gesamtschuldnerisch mit den Angeklagten Pu und Z in Höhe von 734.818,67 € sowie in Höhe von weiteren 55.235,95 € gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten Z;
- gegen den Angeklagten Pu in Höhe von 1.273.871,22 €, davon gesamtschuldnerisch mit den Angeklagten P und Z in Höhe von 734.818,67 € sowie in Höhe von weiteren 539.052,55 € gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten Z;
- gegen den Angeklagten Z in Höhe von 2.451.342,90 €, davon gesamtschuldnerisch mit den Angeklagten Pu und P in Höhe von 734.818,67 € sowie in Höhe von weiteren 55.235,95 € gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten P und weiteren 539.052,55 € gesamtschuldnerisch mit dem Angeklagten Pu.
X. Von der Entscheidung über den Adhäsionsantrag der X GmbH wird abgesehen.
XI. Die Angeklagten – mit Ausnahme der Angeklagten BP – tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer notwendigen Auslagen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten BP werden der Staatskasse auferlegt.
Die im Hinblick auf den Adhäsionsantrag der X GmbH entstandenen Auslagen des Gerichts trägt die Adhäsionsklägerin. Die eigenen notwendigen Auslagen der am Adhäsionsverfahren beteiligten tragen diese insoweit jeweils selbst.
Entscheidungsgründe
1
Das Urteil behandelt vier Tatkomplexe, die durch die Person des Angeklagten P verbunden sind. Der Angeklagte war ein nach § 1 VerpflG verpflichteter Angestellter des Staatlichen Bauamts … (fortan kurz: Bauamt), und dort im Bereich des Straßenunterhalts und der Straßeninstandsetzung tätig, wobei er die Bauprojekte auf den Baustellen vor Ort aber auch bei der Rechnungsprüfung betreute.
Tatkomplex 1 (Bauamt und X GmbH)
2
Der Angeklagte P und der Angeklagte Pu – damals Bauleiter bei der R GmbH mit Sitz in … – kamen im Jahr 2011 überein, dass Pu namens der R GmbH Rechnungen ans Bauamt stellt, die teilweise nicht erbrachte Leistungen auswiesen. P sollte die Rechnungen als sachlich richtig abzeichnen und so den gutgläubigen Zuständigen im Bauamt veranlassen, die verlangte Summe an die R GmbH zu überweisen. Von dort sollte das Geld für die „Luftpositionen“ weiter an einen eingeweihten Subunternehmer – den Angeklagten Z – überwiesen werden, der seinerseits nicht leistungsunterlegte Scheinrechnungen für diese Positionen an die R GmbH stellte. Pu zeichnete die Scheinrechungen Z´s als sachlich richtig frei und veranlasste so den gutgläubigen Geschäftsführer der R GmbH, die verlangte Summe an Z zu überweisen. Nach Eingang bei Z teilten die drei Angeklagten Pu, P und Z das Geld untereinander auf.
3
Dieses System wurde in dem hier abgeurteilten Zeitraum 2017 bis 2021 weiter praktiziert. Änderungen ergaben sich lediglich insoweit, als die Sparte Straßenbau der R GmbH im Jahr 2017 auf die neu gegründete X GmbH abgespalten wurde und der Angeklagte Pu fortan dort tätig war, wobei er in die Position des Bauleiters und technischen Leiters aufrückte. X GmbH führte die Aufträge und Vertragsbeziehungen der R GmbH mit dem Bauamt fort. So kam es im genannten Zeitraum zu 90 Betrugstaten zum Nachteil des Bauamts und zu 90 Betrugstaten zum Nachteil X GmbH.
4
Die drei Angeklagten handelten, um sich über längere Zeit zu Unrecht zu bereichern und nahmen dabei den Schaden, der sowohl beim Bauamt als auch bei X GmbH entstand, billigend in Kauf. Auf vorbezeichnete Weise entstand beim Bauamt ein Schaden von 3.487.809,37 € und bei X GmbH von 2.347.146,93 € (die Differenz zum Schaden des Bauamts verblieb bei X GmbH). Von den bei X GmbH ertrogenen 2.347.146,93 € erhielten der Angeklagte Pu 1.273.871,22 €, der Angeklagte P 734.818,67 € und der Angeklagte Z 338.457,04 €. Der Schaden beim Bauamt ist auf der Grundlage eines außergerichtlichen Vergleichs vollständig reguliert; X GmbH hatte hierfür 10.175.000 € bezahlt; umfasst waren insoweit auch hier nicht abgeurteilte Fälle.
Tatkomplex 2 (H Bau GmbH)
5
Nach dem Vorbild des Tatkomplexes 1 initiierte der Angeklagte P ein weiteres betrügerisches Abrechnungssystem zum Nachteil des Bauamts. Hierzu überredete er den Angeklagten H, geschäftsführender Alleingesellschafter der H Bau GmbH aus …, nicht erbrachte Bauleistungen gegenüber dem Bauamt abzurechnen, was P im Bauamt als sachlich richtig abzeichnen würde. Das Geld sollte anschließend zwischen P und H aufgeteilt werden. Tatsächlich wurde das Modell in den Jahren 2019 bis 2021 in 39 Fällen praktiziert. Auf diese Weise erlangten der Angeklagte H 290.410,09 € und der Angeklagte P 190.814,50 €. Dem Bauamt entstand korrespondierend damit ein Schaden von 481.224,59 €. Dieser wurde vom Angeklagten H zwischenzeitlich beglichen.
Tatkomplex 3 (Z Kehrleistungen)
6
Nach dem Vorbild des Tatkomplexes 1 initiierte der Angeklagte P schließlich ein drittes betrügerisches Abrechnungssystem zum Nachteil des Bauamts. Hierzu überredete er den Angeklagten Z, nicht erbrachte Kehrleistungen auf Straßen und Wegen beim Bauamt abzurechnen, was P im Bauamt als sachlich richtig abzeichnen würde. Das Geld sollte anschließend zwischen P und Z aufgeteilt werden. Tatsächlich wurde das Modell in den Jahren 2020 bis 2021 in neun Fällen praktiziert. Auf diese Weise erlangten der Angeklagte Z 48.960,02 € und der Angeklagte P 55.235,95 €. Dem Bauamt entstand korrespondierend damit ein Schaden von 104.195,97 €.
7
In den Tatkomplexen 1 bis 3 war jeweils allen Beteiligten klar, dass der Angeklagte P als Bauamtsangestellter mit den unrechtmäßigen Freizeichnungen seine Dienstpflichten verletzte und dass er daraus keine Vorteile erhalten oder verlangen durfte, wie auch, dass die anderen Angeklagten ihm keine Vorteile gewähren durften.
Einschub: Fuhrunternehmen B
8
In den Fällen der Tatkomplexe 1 bis 3 ließ sich der Angeklagte P einen Teil seines „Stücks vom Kuchen“ – wie er es gegenüber der Kammer formulierte – von den Angeklagten Z und H bar aushändigen. Den Rest erhielt er per Überweisung. Hierzu nutzte er das Fuhrunternehmen B, ein auf seine Ehefrau, die Angeklagte BP, angemeldetes einzelgewerbliches Transportunternehmen. Tatsächlich wurde das Fuhrunternehmen von ihm geführt. Namens des Fuhrunternehmens schrieb er an Z und H – in Absprache mit ihnen – Rechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen, sodass beide Angeklagten die Überweisungen an das Fuhrunternehmen in ihren eigenen Büchern rechtfertigen konnten. Über das auf den Konten des Fuhrunternehmens eingegangene Geld verfügte P sodann nach Belieben.
9
Die Anklage hatte der Angeklagten BP Beihilfe zu den Taten der Tatkomplexe 1 bis 3 vorgeworfen, weil sie die Rechnungen des Fuhrunternehmens B geschrieben haben soll. Die Kammer hat die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Tatkomplex 4 (Schmiergeld)
10
Im Jahr 2013 trat der Angeklagte P an den damaligen Abteilungsleiter bei der R GmbH, F, heran und forderte Geld für sich. Die Firmeninhaber, die Angeklagten HK und MK, waren einverstanden, weil ihnen an guten Beziehungen zwischen Bauamt und Firma gelegen war. Von da an erhielt der Angeklagte regelmäßig Bargeldzuwendungen. Ab dem Jahr 2017 händigte der Angeklagte S, Geschäftsführer bei X GmbH, die geforderten Summen als Bote jeweils bar an P aus, wobei die Zahlungen nicht mit bestimmten Bauprojekten verknüpft waren, sondern – wie beide Seiten wussten – der „Klimapflege“ dienten. Auf diese Weise erhielt der Angeklagte P in den Jahren 2017 bis 2021 bei 18 Gelegenheiten insgesamt mindestens 175.000 €.
Ermittlungsanlässe: „Selbstanzeigen“
11
Die zum hiesigen Urteil führenden Ermittlungen wurden dadurch ausgelöst und in der Sache substanziell gefördert, dass sich die vier Angeklagten Brüder HK und MK, S und Pu anwaltlich beraten und unter Vorlage zahlreicher Unterlagen im Februar 2022 bei der Staatsanwaltschaft N.-F. meldeten und die Taten aus den Tatkomplexen 1 und 4 – sowie weitere, später nicht angeklagte Taten – offenbarten.
12
Bevor er selbst als Beschuldigter in den Fokus der Ermittlungsbehörden geriet, zeigte sich auch der Angeklagte H über seinen Verteidiger bei der Staatsanwaltschaft N.-F. an und offenbarte die Taten aus dem Tatkomplex 2.
13
Als bei ihm durchsucht wurde, kooperierte der Angeklagte Z sogleich mit den Ermittlungsbehörden und stellte seine Buchhaltung zur Verfügung. Diese enthielt Vermerke über die Geldverteilung unter den Angeklagten in den Tatkomplexen 1 und 3, die er näher erklärte und die die Grundlage der Schadensberechnung im hiesigen Urteil sind. Weiterhin offenbarte er – was den Ermittlern bis dahin unbekannt war – die Taten aus dem Tatkomplex 3.
B. Persönliche Verhältnisse
14
Die Kammer hat im Laufe des Prozesses zur Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung einige Teileinstellungen nach § 154 Abs. 2, § 154a Abs. 2 StPO vorgenommen. Diese waren jeweils verfahrensökonomischen Gesichtspunkten sowie insbesondere dem Umstand geschuldet, dass das Verfahren wegen der eingeschränkten Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten P möglichst zügig zu Ende gebracht werden sollte. Den Einstellungen lag jeweils nicht zugrunde, dass die Kammer insoweit die Glaubwürdigkeit der Angeklagten oder Zeugen oder die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen anders beurteilt hätte als in den abgeurteilten Fällen.
D. Festgestellter Sachverhalt
I. Tatkomplex 1 (Bauamt und X GmbH)
15
Im Jahr 2011 kam der Angestellte des Staatlichen Bauamts …, der Angeklagte P, mit dem Angeklagten Pu, damals Bauleiter bei dem Bauunternehmen R GmbH, überein, in arbeitsteiligem Zusammenwirken ein betrügerisches Abrechnungssystem zum Nachteil des Bauamts und auch der R GmbH aufzubauen, um sich hierdurch – wie sie wussten: zu Unrecht – zu bereichern. Die betrügerischen Abrechnungen sollten über Aufträge abgewickelt werden, welche die in … ansässige R GmbH vom Bauamt über insoweit bestehende Rahmenverträge im Straßenbau erhielt. Hierzu vereinbarten beide Angeklagte, dass die R GmbH tatsächlich nicht erbrachte Arbeiten für Bankette (Randstreifen bei Straßen) gegenüber dem Bauamt abrechnet. Der so generierte Ertrag sollte anschließend aus der R GmbH auf der Grundlage von fingierten Rechnungen eines Subunternehmers herausgeschleust und unter den Angeklagten verteilt werden.
16
Zur Umsetzung dessen trat der Angeklagte Pu im Einverständnis mit dem Angeklagten P an den Angeklagten Z heran, der bereits als Subunternehmer für die R GmbH arbeitete. Pu erklärte Z das geplante Abrechnungssystem und dieser willigte ein, sich daran zu beteiligen und seinerseits Scheinrechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Bankettleistungen an die R GmbH zu stellen, um dort den Geldabfluss zu ermöglichen.
17
Der konkrete Tatablauf gestaltete sich vereinbarungsgemäß wie folgt: P teilte im Vorfeld einer geeigneten Baumaßnahme, die eine betrügerische Abrechnung von Banketten plausibel zuließe, Pu mit, welcher Betrag bei dem Auftrag für die vermeintlichen Bankettleistungen gegenüber dem Bauamt abgerechnet werden könnte. Pu seinerseits berechnete den hierfür notwendigen Auftrag, indem er den Eurobetrag durch den für Bankette mit dem Bauamt in den Rahmenverträgen vereinbarten Quadratmeter-Einheitspreis teilte. Für die so gewonnenen Massen fertigte er sodann das notwendige Aufmaß an. Aufmaße und Massen gab er anschließend per Fax oder persönlich an den Angeklagten Z weiter, damit dieser als Subunternehmer eine damit korrespondierende Rechnung für Bankette an die R GmbH stellen konnte, was auch P wusste und billigte. Nach Eingang der Rechnung bei der R GmbH zeichnete Pu sie mit „Freigabe Leitung“ frei, obwohl er wusste, dass ihr keine Leistung zugrunde lag. Er wusste, dass der kaufmännische Leiter bei der R GmbH im Vertrauen auf die Richtigkeit des Freizeichnungsvermerks die Zahlungsfreigabe an Z veranlassen würde; zugleich war so, wie er ebenfalls wusste, buchhalterisch eine Weiterberechnung der Z-Rechnung – als R GmbH´s Subunternehmerrechnung – an das Bauamt möglich. Dem Tatplan entsprechend, stellte der Angeklagte Pu sodann Z´s vermeintliche Subunternehmerleistungen mit einem betriebsinternen Aufschlag von ca. 35%, als Position „Bankett herstellen“ in die Rechnung an das Bauamt ein.
18
Im Bauamt war der Angeklagte P für die Bearbeitung der eingehenden R GmbH-Rechnungen zuständig. Er war als Projektleiter neben der Baustellenplanung, -aufsicht und Massenermittlung vor Ort auch mit der Prüfung eingehender Baurechnungen befasst. In dieser Funktion zeichnete er dienstpflichtwidrig unrichtige Rechnungen von R GmbH als fachtechnisch und rechnerisch richtig ab. Bei den von ihm geprüften Rechnungen war ihm stets bewusst, ob abgerechnete Bankette vollständig oder teilweise hergestellt worden waren und ob bzw. inwieweit die Rechnungen also die abgerechneten Bankette zurecht auswiesen. Neben zurecht gestellten Rechnungen legte er sodann auch die von ihm bewusst als fachtechnisch und rechnerisch richtig abgezeichneten betrügerischen Rechnungen seinen Vorgesetzten vor, wissend, dass die sich auf die Richtigkeit seiner fachlichen und rechnerischen Prüfung verließen. Im Vertrauen darauf gab der jeweils befasste Vorgesetzte anschließend die Rechnungen zur Zahlung frei, indem er durch Unterschrift auf dem entsprechenden Formular gegenüber der Kasse die Auszahlung anordnete.
19
Der Angeklagte Z war neben seiner Funktion als Ersteller der fingierten Rechnungen an die R GmbH zugleich für den Empfang und die anschließende Verteilung der Geldüberweisungen von R GmbH zuständig. Dazu stellte er sein Geschäftskonto für die Überweisungen zur Verfügung. Das überwiesene Geld hob er ab und gab es – in dieser Anfangszeit – vollständig an den Angeklagten Pu weiter, der es sodann mit P aufteilte. Zu der Zeit wusste Z noch nicht, dass es sich bei der Person vom Bauamt, die an den Betrügereien beteiligt war und die einen Anteil erhielt, um P handelte. Ebenso wenig erhielt der Angeklagte Z in der Anfangszeit einen Anteil an dem betrügerisch erlangten Geld.
20
Ende 2013 / Anfang 2014 erfuhr Z, dass P der beteiligte Bauamts-Angestellte war und er besprach und traf sich mit ihm fortan auch direkt. Zudem ging ihm auf, dass er die Gelder, die er von der R GmbH vereinnahmte und bei sich verbuchte, die er sodann aber ohne buchhalterische Rechtfertigung an Pu bar weitergab, versteuern musste. Damit entwickelte sich für ihn die Mitwirkung an den Betrügereien der anderen beiden Angeklagten zu einem Verlustgeschäft. Daher beschloss er, von da an einen Teil der Gelder für sich zu behalten, was die Angeklagten Pu und P billigten. Dies führte dazu, dass der Angeklagte Z nunmehr auch technisch für die Verteilung des Geldes zwischen den Beteiligten zuständig wurde. Der Angeklagte Pu gab Z die Höhe der zu verteilenden Anteile vor, über die er sich zuvor mit P geeinigt hatte. Z konnte hierbei einen Anteil für sich behalten. Dessen Höhe erhöhte er im Lauf der Zeit eigenmächtig, wogegen die anderen beiden Angeklagten keine Einwendungen erhoben.
21
Im Übrigen ging der Angeklagte Z dazu über, einen Teil des Geldes nicht mehr bar an die anderen Angeklagten zu übergeben, sondern teils auch zu überweisen. Im Fall einer anvisierten Überweisung an P erstellte dieser eine Subunternehmerrechnung für vorgebliche Bankettarbeiten an Z, um die Überweisung für Z´s Buchhaltung zu legitimieren und zugleich den wahren Geldempfänger zu verschleiern. P erstellte die Subunternehmerrechnung jeweils namens des Fuhrunternehmens B. Dabei handelte es sich um das einzelgewerbliche Unternehmen, das nominell von P´s Ehefrau, der Angeklagten BP, tatsächlich jedoch vom Angeklagten P geführt wurde. Auf der Rechnung gab P jeweils ein Konto seiner Ehefrau als Zielkonto an. Ihm selbst war dort die Verfügungsberechtigung eingeräumt. Vor Rechnungsstellung versendete Z für P bestimmte WhatsApp-Textnachrichten auf das Mobiltelefon BPs, das aber tatsächlich von P genutzt wurde und teilte dort die Baustelle und den Nettobetrag für die zu stellende Rechnung mit. P erstellte auf dieser Grundlage die Rechnung an Z, indem er den mitgeteilten Eurobetrag durch den Einheitspreis für Bankette teilte, den er für das Fuhrunternehmer festgelegt hatte, und so die fiktiven Bankettmassen erhielt.
22
Durch die fortlaufende und mit der Zeit gut eingespielte, kollusive Nutzung des skizzierten Abrechnungssystems wollten die Angeklagten Pu, P und Z sich fortlaufend Einnahmen von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Bei alldem war dem Angeklagten P bekannt, dass ihm die Annahme von Belohnungen, Geschenken oder sonstigen Vorteilen in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit und auf konkrete Amtshandlungen verboten waren, da er vom Bauamt hierzu am 27.09.1977 gemäß § 1 des Gesetzes über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet worden war. Auch den anderen Angeklagten war bekannt, dass P als Staatsbediensteter keine Vorteile fordern oder annehmen durfte.
23
Im Jahre 2017 spaltete die R GmbH ihr Tiefbaugeschäft – also den hier verfahrensgegenständlichen Straßenbau – ab und übertrug es auf die neu gegründete X GmbH, die nunmehr als Auftragnehmerin des Bauamts in die bestehenden Verträge einrückte. Der Angeklagte Pu wechselte ebenso zu X GmbH, wo er einerseits als Oberbauleiter für die Betreuung der Baumaßnahmen des Bauamts auf den Baustellen vor Ort und andererseits als technischer Leiter für die fachtechnische Seite der Abrechnung der Baumaßnahmen zuständig war. Das vorstehend umrissene Abrechnungssystem wurde nunmehr mit und bei der X GmbH fortgesetzt.
a) Betrug zum Nachteil des Bauamts und Bestechung / Bestechlichkeit
24
Der Angeklagte Pu rechnete in den Jahren 2017 bis 2021 Bauvorhaben für die X GmbH gegenüber dem Bauamt überhöht ab, indem er im Übrigen ordnungsgemäße Rechnungen um Positionen zu tatsächlich nicht erbrachten Bankettarbeiten ergänzte. Im Bauamt wurden die Rechnungen zunächst dem Angeklagten P als zuständigem Projektleiter und Sachbearbeiter zur Prüfung der fachtechnischen und rechnerischen Richtigkeit vorgelegt. Seiner – ihm bekannten – dienstrechtlichen Verpflichtung entsprach es, die Rechnungen sorgfältig zu überprüfen und nur inhaltlich ordnungsgemäße Rechnungen als fachtechnisch und rechnerisch richtig zu genehmigen (d.h. freizuzeichnen). Diese Dienstpflicht verletzte P bewusst dadurch, dass er die von der X GmbH eingereichten Rechnungen auch dann freizeichnete, wenn er erkannte, dass dort von Pu eingefügte ungerechtfertigte Rechnungspositionen „Bankett herstellen“ enthalten waren.
25
Die Freizeichnung durch P war im internen Rechnungslauf des Bauamts Voraussetzung für die abschließende Kostenanweisung. Dementsprechend legte er die bewusst pflichtwidrig freigezeichnete Rechnung jeweils seinem Vorgesetzten zur Freigabe der Zahlungsanweisung vor (diese freigebende Person variierte, etwa wenn der unmittelbare Vorgesetzte krank oder im Urlaub war und deshalb vertreten wurde). Die Vorgesetzten verließen sich, was der Angeklagte P wusste, grundsätzlich auf die Richtigkeit seiner Freizeichnung als des fachtechnischen und rechnerischen Prüfers; entsprechend dem bayerischen Haushaltsrecht prüften sie die von P freigezeichneten Rechnungen ihrerseits nur stichprobenartig, wobei sich die Prüfung auf die Plausibilität der Rechnung erstreckte.
26
Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Freizeichnung P´s wies der jeweils befasste Vorgesetzte – wie von P und Pu von Anfang an beabsichtigt – die jeweils vorgelegte Rechnung in ihrer Gesamtheit, also einschließlich der fingierten Rechnungspositionen, zur Zahlung an, woraufhin die Buchhaltung des Bauamts die Überweisung an die X GmbH ausführte. Entsprechend der vorgefassten Absicht P´s und Pu´s erhielt die X GmbH somit Zahlungen des Bauamts auf das Geschäftskonto Nr. … bei der Sparkasse …, auf welche die X GmbH – wie die Angeklagten wussten – in Höhe der fingierten Rechnungspositionen keinen Anspruch hatte. Das Bauamt wurde – wie die Angeklagten P und Pu wussten – um diese Beträge geschädigt.
27
Hierbei war Pu und P bewusst, dass diese unrechtmäßige Bereicherung der X GmbH aus ihrer Sicht nur einen notwendigen Zwischenschritt darstellte. Den Betrug zu Lasten des Bauamts und zugunsten der X GmbH führten sie aus, weil sie wussten, dass der von Pu entsprechend instruierte Angeklagte Z – der um die Rolle seines Beitrags in diesem System wusste – jeweils zuvor schon fingierte Rechnungen an die X GmbH gestellt und sich damit auch bereit erklärt hatte für die Verteilung des bei ihm daraufhin erwarteten Geldes an die übrigen Angeklagten zu sorgen. So hatten alle drei Angeklagte die Gewissheit, dass das Geld des Bauamts letztlich bei ihnen ankommen würde. Nach der zwischen den Angeklagten Pu und P bestehenden Abrede und Übung lag in der Vorlage jeder manipulierten X GmbH-Rechnung an P Pu´s Zusage, dieser werde bei X GmbH für die Weiterleitung des Geldes von X GmbH an Z sorgen und damit auch P´s Anteil sichern, wenn P seinerseits die X GmbH-Rechnung freizeichnet und so für die Überweisung des Rechnungsbetrags vom Bauamt an X GmbH sorgt. Beiden war in diesem Zusammenhang bewusst, dass P durch die sachwidrigen Freizeichnungen seine Dienstpflicht gegenüber dem Bauamt verletzt und jede Freizeichnung die Gegenleistung für seinen – letztlich von Z ausgereichten – Anteil darstellte. Auch der Angeklagte Z wusste, dass P gegen seine Dienstpflichten verstieß und dass er – Z – P dabei unterstützte, indem er fingierte Rechnungen an die X GmbH schrieb und sich bereiterklärte, eingehende Gelder zu verteilen. Zugleich war Z auch bewusst, dass er den Angeklagten Pu auch dabei unterstützte, Gelder für P als Gegenleistung für die dienstpflichtwidrige Freizeichnung von Rechnungen anzubieten und zu erwirtschaften.
28
Den Angeklagten war klar, dass sie bewusst und gewollt innerhalb ihres über einige Jahre eingespielten Verbundes handelten und dass es ihnen jeweils darauf ankam, durch die wiederholte Scheinrechnungsstellung zunächst die X GmbH, letztlich aber sich selbst, zu Unrecht zu bereichern.
29
Die in der folgenden Tabelle jeweils namentlich genannten Vorgesetzten hätten die Freigabe der Überweisung jeweils nicht erteilt, hätten sie gewusst, dass die in der folgenden Tabelle genannten X GmbH-Rechnungen teilweise nicht mit realen Leistungen unterlegt waren.
30
Für die Jahre 2017 bis 2021 handelt es sich im Einzelnen um folgende 90 Fälle des Betrugs zum Nachteil des Bauamts und zugunsten von X GmbH:
Fall
Nr.
|
Projekt-nummer
X GmbH
|
Nr. Schlussrechnung X GmbH
|
Rechnung X GmbH Datum
|
Scheinleistungen
Bankett, netto in €
|
Freizeich-nung durch P
|
Datum Zahlungsanordnung Bauamt
|
Zahlungsanordnung durch Vorgesetzten
|
1
|
…
|
…
|
08.06.2017
|
71.438,51
|
29.06.2017
|
30.06.2017
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
31
Dem Bauamt entstand durch die Zahlungsanweisungen auf 90 Scheinrechnungen ein Gesamtschaden in Höhe von insgesamt 3.487.809,37 € netto, wovon der R GmbH 71.438,51 € und (nach der Abspaltung) der X GmbH 3.416.370,86 € zuflossen.
b) Betrug zum Nachteil der X GmbH
32
Um das vom Bauamt überwiesene Geld bei der X GmbH herauszuschleusen und unter sich zu verteilen, verwendeten die Angeklagten abredegemäß fingierte Rechnungen des Angeklagten Z. Z, der in die wesentlichen Vorgänge der Betrügereien gegenüber dem Bauamt eingeweiht war und von der Notwendigkeit von fingierten Rechnungen für deren Verschleierung und für die Auskehr der Taterträge wusste, stellte zu diesem Zweck sein Einzelunternehmen zur Verfügung. Dieses wurde dadurch erleichtert, dass Z bereits zuvor als Subunternehmer bei X GmbH eingeführt und tätig war.
33
Der Angeklagte Z stellte demgemäß nach Vorgaben des Angeklagten Pu Rechnungen namens seines Einzelunternehmens an X GmbH, in denen er Bankettarbeiten abrechnete. Diese setzten sich aus den Positionen „Verkehrssicherungsmaßnahme“ (jeweils pauschal abgerechnet) und „Bankette erstellen“ (nach angeblich angefallenen Massen abgerechnet) zusammen. Dem lagen in Wahrheit keinerlei Leistungen zugrunde. Z´s Rechnungen wurden nach dem bei X GmbH üblichen Aufschlag von ca. 35% von X GmbH an das Bauamt weitergereicht.
34
Der Angeklagte Pu zeichnete bei X GmbH Z´s fingierte Rechnungen mit „Freigabe Leitung“ frei. Wie Pu, Z und P wussten und beabsichtigten, gab der Angeklagte S als Geschäftsführer und Verantwortlicher des Rechnungswesens bei X GmbH diese – nach Prüfung der rechnerischen Richtigkeit durch die Buchhaltung – zur Überweisung frei. Dabei vertraute er darauf, dass Pu – wie in dessen Freizeichnung dokumentiert – die Rechnung ordnungsgemäß geprüft hatte und dass die berechneten Leistungen tatsächlich erbracht wurden. Die Überweisungen an Z wurden sodann ausgeführt. Entsprechend der vorgefassten Absicht der Angeklagten Pu, Z und P erhielt Z somit Zahlungen von X GmbH auf sein Konto, Nr. …, bei der …Bank, auf die er keinen Anspruch hatte und es entstand bei X GmbH ein entsprechender Schaden, was die drei genannten Angeklagten zumindest billigend in Kauf nahmen. S hätte die Freigabe der Überweisung jeweils nicht erteilt, hätte er gewusst, dass Z´s Rechnungen nicht mit realen Leistungen unterlegt waren.
35
Der Angeklagte Z wusste, dass er durch das Ausstellen der fingierten Rechnungen das betrügerische Abrechnungsmodell von P und Pu zum Nachteil des Bauamts und die betrügerischen Auszahlungen zum Nachteil von X GmbH maßgeblich unterstützt. Dies wollte er – nicht anders als Pu – auch deshalb, weil er sich selbst durch die dadurch generierten Taterträge eine fortlaufende Einnahmequelle von Dauer und einigem Umfang schaffen wollte und geschaffen hat. Dem Angeklagten Z war auch bewusst, dass er den Angeklagten Pu zugleich dabei unterstützte, Gelder für P als Gegenleistung für die dienstpflichtwidrige Freizeichnung von Rechnungen anzubieten und zu erwirtschaften.
36
Der Angeklagte Z stellte in den nachfolgend aufgeführten 90 Fällen nicht leistungsunterlegte Rechnungen an die R GmbH und X GmbH, die mit den oben (unter a) aufgeführten 90 Scheinrechnungen von X GmbH an das Bauamt korrespondieren:
Fall
Nr.
|
ProjektX GmbH nummer
|
Rechnungs-nummer
Z
|
Rechnungs-datum
Z
|
Scheinleistungen
Bankett, netto in €
|
Datum der Freizeichnung durch Pu
|
101
|
…
|
…
|
07.06.2017
|
47.865,03
|
12.06.2017
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtbetrag: 2.347.146,93 €
|
37
Z´s Rechnungen wurden jeweils vollständig von der R GmbH (120.553,00 €) und der X GmbH (2.226.593,93 €) beglichen, hierdurch entstand ihnen in den Jahren 2017 bis 2021 ein Schaden in Höhe von insgesamt 2.347.146,93 € netto.
38
Danach verblieben 1.140.662,44 € der durch das Bauamt ausbezahlten 3.487.809,37 € im Vermögen der R GmbH und X GmbH. Das ist darin begründet, dass X GmbH auf den Rechnungsbetrag von Z einen branchen- und betriebsüblichen Gemeinkostenaufschlag von ca. 35% berechnete und damit dem Bauamt mehr berechnete als durch X GmbH an den Subunternehmer Z gezahlt wurde.
c) Fingierte Rechnungen des Fuhrunternehmens B
39
Um dem Angeklagten Z die Abverfügung seines – P´s – Anteils zu erleichtern und sich diesen zu verschaffen, schrieb der Angeklagte P namens des Fuhrunternehmens B insgesamt 89 fingierte Rechnungen an Z, wie oben (unter 1) beschrieben. Mit diesen wurden in Wahrheit nicht erbrachte Bankettarbeiten abgerechnet, wobei die Rechnungspositionen auf „Bankette erstellen“ und „An- und Abfahrt des Bankettfertiger“ lauteten. Die in den Rechnungen ausgewiesenen Baustellenangaben korrespondierten jeweils mit der entsprechenden Rechnung Z´s an die X GmbH. So sollte im Überprüfungsfall sichergestellt sein, dass das Fuhrunternehmen B als Sub-Subunternehmen der X GmbH im Gewerk Bankettarbeiten für das Bauamt erscheint. Demgemäß bezahlte der Angeklagte Z die Rechnungen auf Konten der Angeklagten BP bei der …Bank, Nr. … und Nr. …, für die auch P verfügungsberechtigt war wie folgt:
Fall
Nr.
|
ProjektX GmbH nummer
|
Rechnungs-nummer
Z
|
Fallnummer
BP
|
Re.Nr.
Fuhrunter-nehmen B
|
Fuhrunternehmen B:
Scheinleistungen, netto in €
|
101
|
…
|
…
|
…
|
…
|
15.615,92
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtbetrag: 643.060,45
|
40
Nach dem Eingang der Zahlungen von der X GmbH auf seinem Konto war der Angeklagte Z für die interne Abrechnung und Verteilung der Tatbeute an zuständig. Für das Ausstellen der Rechnungen behielt er für den Tatzeitraum 2017 bis 2021 insgesamt 338.457,04 € für sich.
41
Den Anteil des Angeklagten Pu in Höhe von insgesamt 1.273.871,22 € leitete der Angeklagte Z teils per Überweisung auf dessen Konto, IBAN …, bei der Sparkasse … und teils durch Bargeldübergaben an ihn weiter.
42
Der Angeklagte P erhielt insgesamt 734.818,67 € von Z. Dies erfolgte in bar, überwiegend jedoch per Überweisung an das Fuhrunternehmen B.
43
Im Ergebnis teilten die Angeklagten Pu, P und Z die von X GmbH betrügerisch erlangten 2.347.146,93 € unter sich auf, wie in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.
Fall
Nr.
|
Z
Re. Nr.
|
Rechnung Z: Scheinleistungsbetrag, netto in €
|
Anteil
Z netto in €
|
Anteil Pu netto in €
|
Anteil
P netto in €
|
101
|
…
|
47.865,03
|
6.222,46
|
26.026,60
|
15.615,97
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtbeträge
|
2.347.146,93
|
338.457,04
|
1.273.871,22
|
734.818,67
|
II. Tatkomplex 2 (H Bau GmbH)
44
Im Jahr 2019 entschloss sich der Angeklagte P dazu, das erfolgreich praktizierte Abrechnungsmodell, wie unter I geschildert, auszudehnen und Scheinrechnungen an das Bauamt auch über eine weitere Firma abzuwickeln und sich hierdurch zu bereichern. Daher trat er an den Angeklagten H heran, den geschäftsführenden Alleingesellschafter des Bauunternehmens H Bau GmbH. Mit diesem kam er im April 2019 überein, dass H namens der H Bau GmbH dem Bauamt Scheinrechnungen stellt, die P freizeichnen würde. Sie kamen auch überein, dass P´s Anteil teils überwiesen (auf der Grundlage fingierter Rechnungen des Fuhrunternehmens B an die H Bau GmbH) und teils von H bar übergeben wird.
45
In Umsetzung dieses Tatplans stellte der Angeklagte H in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem Angeklagten P und nach dessen genauen Vorgaben im Zeitraum 10.04.2019 bis 13.07.2021 insgesamt 39 Rechnungen für vermeintliche – tatsächlich nicht erbrachte – Bauleistungen in Höhe von insgesamt 481.224,58 € netto an das Bauamt. Den Rechnungen lagen anfangs Direktaufträge des Bauamts über sogenannte Bestellscheine und später Einzelaufträge innerhalb eines Rahmenvertrags zugrunde.
46
Dem Tatplan entsprechend wurden die Rechnungen innerhalb des Bauamts dem Angeklagten P zur Prüfung vorgelegt. Unter bewusster Verletzung seiner Dienstpflicht zeichnete er diese als „fachtechnisch und rechnerisch richtig“ frei, obwohl ihm klar war, dass ihnen keine Leistungen zugrunde lagen. Anschließend leitete er sie seinem jeweiligen Vorgesetzten zur Zahlungsfreigabe weiter. Dieser wies, wie von P und H beabsichtigt, im Vertrauen auf die Richtigkeit der Freizeichnung die Scheinrechnungen zur Zahlung an, was dann auch umgesetzt wurde. Das hätte er nicht getan, hätte er gewusst, dass den Rechnungen keine Leistungen zugrunde lagen.
47
Wie von beiden Angeklagten beabsichtigt, erhielt die H Bau GmbH die Zahlungen des Bauamts auf ihr Geschäftskonto bei der Sparkasse …, IBAN …, überwiesen. Das Bauamt erlitt hierdurch einen Schaden in entsprechender Höhe, was beiden Angeklagten bekannt und von ihnen billigend in Kauf genommen war.
48
Nach der zwischen beiden Angeklagten bestehenden Abrede und Übung lag in der Vorlage jeder fingierten H-Rechnung an P H´s Zusage, er werde für die Weiterleitung eines Teils des Geldes an P sorgen, wenn P seinerseits die Rechnung freizeichnet und so für die Überweisung des Rechnungsbetrags vom Bauamt an die H Bau GmbH sorgt. Beiden war in diesem Zusammenhang bewusst, dass P durch die sachwidrigen Freizeichnungen seine Dienstpflicht gegenüber dem Bauamt verletzt und jede Freizeichnung die Gegenleistung für seinen – ihm letztlich von H ausgereichten – Anteil darstellte. Beiden Angeklagten war zudem klar, dass P als Staatsbediensteter keine Vorteile annehmen oder sich versprechend lassen durfte. Beide Angeklagte handelten in der Absicht, sich auf diese Weise eine nicht unerhebliche Einnahmequelle auf Dauer zu schaffen und zu erhalten.
49
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
Fall
Nr.
|
Re. Nr.
|
Re. Datum
|
Scheinleistung, netto in €
|
Datum der Freizeichnung
P
|
Datum der Freigabe im Bauamt
|
Freigabe Bauamts-Vorgesetzter
|
301
|
…
|
10.04.2019
|
10.547,96
|
12.04.2019
|
12.04.2019
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtsumme: 481.224,59
|
50
Um an „seinen“ Teil des zunächst an die H Bau GmbH geflossenen Geldes des Bauamts zu kommen, erstellte der Angeklagte P namens des Fuhrunternehmens B 31 fingierte Rechnungen. Mit diesen Rechnungen wurden in Wahrheit nicht erbrachte Aushilfs- und Baustellenarbeiten abgerechnet. Absprachegemäß erhielt P einen Teil des Geldes per Überweisung, den anderen Teil in bar.
51
Vereinbarungsgemäß überwies der Angeklagte H die Rechnungsbeträge für das Fuhrunternehmen B auf Konten der Angeklagten BP. Dies war zunächst das Konto bei der Sparkasse …, IBAN …, und später das Konto bei der …Bank, IBAN …, für die jeweils auch der Angeklagte P verfügungsberechtigt war.
Fall
Nr.
|
Rechn.-nummer
H
|
Rechn.-datum
H
|
H: Scheinleistung, netto in €
|
Fall Nr.
BP
|
Rechnungs-nummer Fuhrunterneh-men B
|
Fuhrunterneh-men B:
Scheinleistungen, netto in €
|
301
|
…
|
10.04.2019
|
10.547,96
|
340,
341
|
…
|
5.040,00
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
Gesamtbetrag 214.654,46
|
75.814,50
|
52
Insgesamt teilten die Angeklagten H und P vom Bauamt betrügerisch erlangte 481.224,59 € netto unter sich auf.
Fall
Nr.
|
Re. Nr.
H
|
Re. Datum
H
|
Scheinleistung, netto in €
|
Anteil
H, netto in €
|
Anteil
P, netto in €
|
301
|
…
|
10.04.2019
|
10.547,96
|
9.943,08
|
9.940,00 (Überweisung)
|
…
|
…
|
…
|
…
|
|
Gesamtbeträge
|
481.224,59
|
290.410,09
|
190.814,50 (bar: 115.000)
(Überweis.:75.814,50)
|
III. Tatkomplex 3 (Z Kehrleistungen)
53
Schließlich beschloss der Angeklagte P im Jahr 2020, das betrügerische Abrechnungsmodell noch mehr auszuweiten. Hierzu kam er mit dem Angeklagten Z überein, dass sie zu zweit zu Lasten des Bauamts – ohne Beteiligung des Angeklagten Pu und der Firma X GmbH – agieren würden. Sie vereinbarten, dass der Angeklagte Z Scheinrechnungen über nicht erbrachte Kehrleistungen direkt und fortlaufend gegenüber dem Bauamt abrechnet, was P jeweils freizeichnen würde, um für sich dauerhaft jeweils noch mehr unrechtmäßige Erträge zu generieren. Sie kamen auch überein, dass P´s Anteil teils überwiesen (auf der Grundlage fingierter Rechnungen des Fuhrunternehmens B an Z) und teils von Z bar übergeben wird.
54
Der Angeklagte Z stellte dem gemeinsamen Tatplan entsprechend und jeweils nach vorangehender Aufforderung des Angeklagten P im Zeitraum vom 24.11.2020 bis 30.06.2021 in neun Fällen Rechnungen für vermeintlich erbrachte Straßenkehrarbeiten an das Bauamt in einer Gesamthöhe von 104.195,97 € netto, denen keinerlei Leistungen zugrunde lagen.
55
Den Rechnungen des Einzelunternehmens Z waren Direktaufträge des Bauamts über sogenannte Bestellscheine vorangegangen. Diese Aufträge hatte P innerhalb des Bauamts angeregt und diese wurden anschließend von seinen Vorgesetzten vergeben.
56
a) In sechs der neun Fälle wurden die Rechnungen, wie von den Angeklagten beabsichtigt, innerhalb des Bauamts dem Angeklagten P zur Prüfung vorgelegt. Unter bewusster Verletzung seiner Dienstpflicht zeichnete er diese als „fachtechnisch und rechnerisch richtig“ frei, obwohl ihm bekannt war, dass ihnen jeweils keine Leistung zugrunde lag. Anschließend leitete er die Rechnungen seinem jeweiligen Vorgesetzten zur Zahlungsfreigabe weiter. Dieser wies, wie von P und Z beabsichtigt, im Vertrauen auf die Richtigkeit von P´s Freizeichnung den Rechnungsbetrag zur Überweisung an, was dann auch umgesetzt wurde. Dies hätte er nicht getan, hätte er gewusst, dass den Rechnungen keine Leistungen zugrunde lagen.
57
Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fälle:
Fall
Nr.
|
Rechnungsnummer Z
|
Rechnungsdatum Z
|
Scheinleistung, netto in €
|
Datum Freizeichnung P
|
358
|
…
|
24.11.2020
|
16.077,75
|
27.11.2020
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtbetrag: 67.414,84
|
58
Dem Angeklagten Z war dabei die Stellung P´s im Bauamt bekannt und dass dieser durch die ungerechtfertigten Freizeichnungen seine Dienstpflicht gegenüber dem Bauamt verletzt. Auch dem Angeklagten P war – wie bei allen angeklagten Fällen – bewusst, dass die unsachgemäße Freizeichnung pflichtwidrig war. Nach der zwischen beiden Angeklagten bestehenden Abrede und Übung lag in der Vorlage jeder manipulierten Z-Rechnung an P die Zusage Z´s, dieser werde P einen Anteil am erlangten Geld geben, wenn P seinerseits die Rechnung freizeichnet und so für die Überweisung des Rechnungsbetrags vom Bauamt an Z sorgt. Beiden Angeklagten war auch hier klar, dass P für seine dienstlichen Verrichtungen solche Versprechen nicht annehmen durfte.
59
b) In den verbleibenden drei Fällen konnte die Kammer – mangels entsprechender Angaben auf den Rechnungen – nicht feststellen, dass P oder ein anderer Mitarbeiter des Bauamts Z´s Rechnungen als „fachtechnisch und rechnerisch richtig“ freigezeichnet hat. Gleichwohl gab jeweils ein Vorgesetzter im Bauamt die Überweisungen an Z im Vertrauen darauf frei, dass den geltend gemachten Rechnungsbeträgen tatsächlich entsprechende Leistungen zugrunde lagen. Dies hätte er nicht getan, hätte er gewusst, dass den Rechnungen keine Leistungen zugrunde lagen. Das Bauamt erlitt durch die Zahlungen einen Schaden in entsprechender Höhe, was beiden Angeklagten bekannt und von ihnen gebilligt war.
60
In diesen drei Fällen beschränkte sich P´s Tatbeteiligung darauf, dass er die Auftragsvergabe an Z im Bauamt anregte und den Angeklagten Z zur entsprechenden Rechnungsstellung gegenüber dem Bauamt aufforderte. Dem Angeklagten P war dabei bewusst, dass Z nur aufgrund dieser Aufforderung die Rechnungen stellen und beim Bauamt einreichen würde. Z und P hielten es auch in dieser Konstellation für möglich und hofften, dass es zu einer irrtumsbedingten Auszahlung kommen würde. Beiden war bewusst, dass P seine Dienstpflichten verletzt, indem er Z auffordert, dem Bauamt nicht leistungsunterlegte Rechnungen zu stellen. Nach der zwischen beiden Angeklagten bestehenden Abrede und Übung lag in der Vorlage jeder manipulierten Z-Rechnung im Bauamt Z´s Angebot an P, er werde P, wie von diesem mit der vorgehenden Aufforderung, eine Rechnung zu stellen, gefordert, einen Anteil am erlangten Geld geben, wenn die Rechnung freigezeichnet wird. Beiden Angeklagten war auch hier klar, dass P für seine dienstlichen Verrichtungen solche Versprechen nicht annehmen durfte.
61
Es handelt sich um folgende Rechnungen:
Fall Nr.
|
Rechn.-Nr. Z
|
Rechn.datum Z
|
Scheinleistung, netto in €
|
364
|
…
|
30.06.2021
|
10.999,95
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtbetrag: 36.781,13
|
62
c) Entsprechend der vorgefassten Absicht beider Angeklagter erhielt Z in allen neun Fällen Zahlungen des Bauamts auf seine Geschäftskonten bei der …Bank, IBAN … (Fälle 358-363) und IBAN … (Fälle 364-366).
63
Wie schon früher nutzte der Angeklagte P das Fuhrunternehmen B, um auf der Grundlage entsprechender Scheinrechnungen von Z seinen Anteil zu erhalten. So hatten beide Angeklagte verabredet, dass P das Fuhrunternehmen B als vermeintliches Subunternehmen beauftragen würde, dessen vermeintliche Leistungen Z entgelten sollte. Hierzu gab P auf den Scheinrechnungen in Wahrheit nicht erbrachte Leistungen und Baustellen an, die mit den vermeintlichen von Z gegenüber dem Bauamt berechneten Einsätzen korrespondierten. Die Rechnungen enthielten jeweils die Positionen „Abfuhr Erd-/ Schottermaterial“, „Miete Vorbaukehrbesen NH“ und „An-/ Abholung“. Abredegemäß zahlte der Angeklagte Z von seinem Konto die Rechnungen des Fuhrunternehmens B auf das Konto der Angeklagten BP bei der …Bank, IBAN … Das Geld wurde anschließend durch die Angeklagte BP abgehoben und ihrem Ehemann übergeben.
Fall
Nr.
|
Rechnungs-nummer
Z
|
Rechnungs-datum
Z
|
Z Schein-leistung, netto in €
|
Fall Nr.
BP
|
Re. Nr.
Fuhrunter-nehmen B
|
Fuhrunternehmen B:
Scheinleistung, netto in €
|
358
|
…
|
24.11.2020
|
16.077,75
|
367
|
…
|
8.039,50
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtbetrag:
|
41.450,78
|
20.726,10
|
64
In den restlichen sechs Fällen erhielt P seinen Anteil von Z in bar.
65
Im Einzelnen teilten die Angeklagten Z und P die vom Bauamt betrügerisch erlangten 104.195,97 € netto unter sich auf, wie folgt:
Fall Nr.
|
Rechn. Nr.
Z
|
Scheinleistung, netto in €
|
Anteil Z,
in €
|
Anteil P,
in €
|
358
|
…
|
16.077,75
|
8.038,25
|
8.039,50
|
…
|
…
|
…
|
…
|
…
|
Gesamtbetrag:
|
104.195,97
|
48.960,02
|
55.235,95 (bar: 34.509,85)
(Überweisung: 20.726,10)
|
IV. Tatkomplex 4 (Schmiergeld)
66
Unabhängig von den in den Tatkomplexen 1 bis 3 geschilderten Geschehnissen und ohne Bezug zu konkreten Aufträgen des Bauamts zahlte die X GmbH – wobei insoweit die Angeklagten HK, MK und S beteiligt waren – Schmiergelder an den Angeklagten P.
67
Im Jahr 2013 trat der Angeklagte P an den damaligen Abteilungsleiter Tiefbau bei der R GmbH, F, heran und forderte Geld für sich. Er erklärte, dass er gegen wiederholte Zahlungen von Bargeld für eine noch bessere Geschäftsbeziehung zwischen dem Bauamt und der R GmbH sorgen könne. Insbesondere werde er das Budget des zwischen dem Bauamt und R GmbH abgeschlossenen Rahmenvertrags ausschöpfen. F setzte anschließend den Geschäftsführer HK hierüber in Kenntnis und dieser wiederum seinen Bruder MK.
68
Noch im Jahr 2013 beschlossen die Angeklagten HK und MK, auf das Angebot einzugehen und ließen dies den Angeklagten P über F wissen. In der Folge trat P mehrmals jährlich an F mit Zahlungswünschen i.H.v. zwischen 5.000 € und 10.000 € heran, die F an HK weitergab. Von diesem erhielt F das Geld in bar zur Weitergabe an P.
69
Das Geld für diese Barzahlungen hob HK vom Geschäftskonto der … KG bei der Sparkasse …, IBAN …, ab und lagerte es für bis zur Aushändigung an P in seinem Firmentresor. Hierzu hatte ihm MK ursprünglich – im Jahr 2013 – seine Einwilligung erteilt. Nach dieser Zustimmung war MK nicht mehr in die weitere Umsetzung der Absprache involviert und hatte keine Kenntnis von der Anzahl und Höhe der gezahlten Geldbeträge. Allerdings ging er davon aus und billigte, dass sein Bruder weitere Zahlungen an den Angeklagten P für die Dauer der Geschäftsbeziehung mit dem Bauamt leisten würde.
70
Den Angeklagten P, HK und MK war stets bewusst, dass P als Mitarbeiter des Bauamts kein Geld für seine dienstliche Tätigkeit annehmen durfte und dass die Zahlungen dazu dienen sollten, insgesamt – d.h. ohne Bezug zu einem konkreten Auftrag – eine wohlwollende Sachbearbeitung P´s zu Gunsten der R GmbH zu erleichtern.
71
Im Jahr 2017 schied F aus dem Unternehmen aus. Weiterhin spaltete die R GmbH ihren Tiefbaubereich in die neu gegründete X GmbH ab, die am … 2017 in das Handelsregister eingetragen wurde. Diese übernahm die Rahmenverträge mit dem Bauamt und zwischen ihnen wurde die Geschäftsbeziehung fortgeführt. Ihr stand der Angeklagte S als Geschäftsführer vor, der bereits seit dem Jahr 2008 bei der X GmbH Firmengruppe beschäftigt war.
72
Anfang 2017 trat HK an S mit der Bitte heran, ihm in Zukunft bei Schmiergeldzahlungen an P als Bote behilflich zu sein. S wusste – wie P und HK und MK ebenfalls – dass die Zahlungen rechtswidrig waren; gleichwohl willigte er aus Loyalität gegenüber den Brüdern ein. Spätestens nach der Eintragung der X GmbH im Handelsregister am … 2017 übernahm S erstmals die Aufgabe als Bote. Er nahm dazu jeweils die Geldforderung von P entgegen, der immer wieder in seinem Büro bei X GmbH, …, vorstellig wurde. Diese Forderung teilte S umgehend HK mit, der sein Büro im selben Gebäude hatte und der den geforderten Betrag aus dem Firmentresor entnahm und in einem verschlossenen Briefumschlag an S aushändigte. S übergab den Umschlag anschließend jeweils an den in seinem Büro wartenden Angeklagten P. HK wusste sich bei seinem Tun in fortwährendem Einverständnis mit seinem Bruder. Im Zeitraum vom 03.07.2017 bis zum Ende des ersten Halbjahres 2021 erhielt der Angeklagte P auf diese Weise in 18 Fällen insgesamt 175.000 € in bar (Fälle 370-387). Die Kammer konnte die einzelnen Zeitpunkte von Geldforderung und -übergabe nicht näher aufklären, sie ist allerdings davon überzeugt, dass sie sich – mehr oder weniger regelmäßig, im Schnitt fünfmal pro Jahr – über den genannten Zeitraum verteilt haben.
73
Die Angeklagten S, HK und MK wussten, dass die Zahlungen an den Angeklagten P der Pflege der Geschäftsbeziehungen von X GmbH zum Bauamt dienten und erhofften sich daraus Vorteile für die GmbH. Weiter hielten sie es für möglich, dass P für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet war. Ps Vorgesetzte hatten von Zahlungen an ihn keine Kenntnis und hätten diese auch nicht genehmigt. Dies wusste der Angeklagte P und auch die Angeklagten Brüder K sowie S gingen hiervon aus.
I. Persönliche Verhältnisse
II. Tatkomplex 1 (Bauamt und X GmbH)
1. Einlassungen der Angeklagten
2. Ergebnisse der Beweisaufnahme
74
Die Geständnisse der Angeklagten konnten durch die Beweisaufnahme, auf der auch die Überzeugungsbildung hinsichtlich des weiteren Sachverhalts beruht, bestätigt werden.
b) Betrug zum Nachteil des Bauamts und Bestechung / Bestechlichkeit
75
Die Kammer ist auch überzeugt, dass die jeweils die Geldfreigabe freizeichnenden Vorgesetzten täuschungsbedingt verfügten und dies nicht getan hätten, hätten sie die wahren Umstände gekannt. Hierzu hat sie den Zeugen Ts exemplarisch befragt, der Angaben zu seinem Vorstellungsbild bei Rechnungsfreizeichnung machte. Ts beschrieb glaubhaft, dass der Angeklagte P in den vorliegenden Fällen nach Rechnungseingang nicht nur für die fachliche, sondern zugleich auch für die rechnerische Rechnungsprüfung zuständig gewesen sei. Rechnerische Richtigkeit bedeute, dass die Rechnungspositionen richtig addiert wurden, fachtechnische Richtigkeit bedeute, dass das richtige Material in erforderlicher Menge an der richtigen Stelle eingebaut wurde. P habe die Rechnungen als fachtechnisch und rechnerisch freigezeichnet, ein Deckblatt vorgeheftet und sie dann weiter an ihn, Ts, oder den Zeugen S vorgelegt.
76
Er habe dann zunächst geprüft, ob der Mitarbeiter den Stempel „fachtechnisch und rechnerisch richtig“ angebracht und mit Unterschrift die Verantwortung für die Richtigkeit der Rechnung übernommen habe. Ferner habe er noch überprüft, ob für die berechnete Baumaßnahme tatsächlich Baustellen des Bauamts bestehen würden; die durchgeführten Maßnahmen seien ihm auch regelmäßig bekannt. Auch habe er stichprobenartig, nach dem Zufallsprinzip, die Plausibilität der Rechnungen geprüft. Eine Überprüfung der Zahlen habe dies aber nicht beinhaltet. Schließlich habe er die Rechnung zur Zahlung intern angeordnet. Der Vorgang sei dann zur Kasse gegangen und das Geld sei ausbezahlt worden.
77
Die Kammer ist überzeugt, dass auch die anderen Vorgesetzten P´s, die außer Ts die einzelnen Rechnungen zur Zahlung freigaben, im vorbezeichneten Sinn irrtumsbedingt verfügten. Denn sie alle handelten innerhalb eines durch das bayerische Haushaltsrecht normativ vorgeprägten Systems. Danach erfolgen Zahlungsanordnungen in bayerischen Behörden – also auch im Bauamt – in einem gestuften Verfahren. Die sachliche und rechnerische Richtigkeit der für die Zahlung maßgeblichen Angaben in der förmlichen Zahlungsanordnung, ihren Anlagen und den begründenden Unterlagen sind danach festzustellen und auf der Zahlungsanordnung zu dokumentieren (Nr. 6.1 VV zu Art. 70 BayHO). Der Feststeller der sachlichen Richtigkeit – hier also jeweils der Angeklagte P – übernimmt mit der Unterzeichnung des Vermerks „Sachlich richtig“ die Verantwortung dafür, dass die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung vorliegen, die in der Anordnung und in den Unterlagen enthaltenen Angaben (insbesondere die Begründung) richtig und vollständig und in sich schlüssig sind (Nr. 7.1 VV zu Art. 70 BayHO). Gleicherweise übernimmt der Feststeller der rechnerischen Richtigkeit die Verantwortung dafür, dass der anzunehmende oder auszuzahlende Betrag sowie alle auf Berechnungen beruhenden Angaben in der förmlichen Zahlungsanordnung und ihren Unterlagen richtig sind (Nr. 8.1 VV zu Art. 70 BayHO). Hierauf aufbauend darf der Anordnungsbefugte – hier der Vorgesetzte – dem Vier-Augen-Prinzip folgend die Zahlungsanordnung treffen, wobei das Vier-Augen-Prinzip im Regelfall durch das Zusammenwirken des Feststellers der sachlichen Richtigkeit und des Anordnungsbefugten gewährleistet wird (Nr. 10.3 VV zu Art. 70 BayHO). In diesem Kontext kann der Anordnende dem Feststeller der sachlichen Richtigkeit hinsichtlich seiner Feststellung grundsätzlich vertrauen. Das bringt das Haushaltsrecht (e contrario) dadurch zum Ausdruck, dass in Fällen, in denen das Vier-Augen-Prinzip nicht sichergestellt ist (Nr. 10.3 Satz 3 VV zu Art. 70 BayHO), dem Anordnenden eine stichprobenartige Überprüfung der Vorlagen aufgetragen wird (Nr. 10.3.1 und 10.3.2 VV zu Art. 70 BayHO). An der fachlichen Kompetenz des Angeklagten P, dessen Effizienz beim Management der Baustellen geschätzt wurde, bestand im Bauamt nach Aussagen seiner Vorgesetzten kein Zweifel. Sonach bezweifelt die Kammer auch nicht, dass auch die weiteren Personen, die die Überweisungen freigaben, der Freizeichnung P´s vertrauten und deshalb ihrerseits handelten…
c) Betrug zum Nachteil X GmbH
78
Ebenso steht der Betrug zum Nachteil der R GmbH und – nach der Abspaltung – der X GmbH aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest
79
Die Kammer ist überzeugt, dass die Geldverteilung unter den beteiligten Angeklagten erfolgte, wie aus der Tabelle unter D.I.3 ersichtlich…
III. Tatkomplex 2 (H Bau GmbH)
IV. Tatkomplex 3 (Z Kehrleistungen)
V. Tatkomplex 4 (Schmiergeld)
80
Damit haben sich die Angeklagten, wie aus dem Tenor jeweils ersichtlich, schuldig gemacht.
H. Einziehungsentscheidungen
81
Nach § 73c Satz 1 StGB ist die Wertersatzeinziehung anzuordnen, wenn aufgrund der Beschaffenheit des Erlangten die Anordnung der Einziehung eines bestimmten Gegenstandes undurchführbar ist. Das war hinsichtlich des betrügerisch erlangten Werklohns bei den Angeklagten Pu, P und Z der Fall, nachdem er in natura nicht mehr vorhanden war. Einziehungen gegen die übrigen Angeklagten erfolgten nicht, nachdem die Kammer hiervon gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 3 StPO abgesehen hat (Protokoll vom 19.04.2023).
82
I. Beim Angeklagten Pu war einzuziehen, was er – vermittelt durch den Angeklagten Z – als eigenen Anteil aus den Betrugstaten zulasten von X GmbH erhielt (1.273.871,22 €).
83
II. Beim Angeklagten P war einzuziehen, was er – vermittelt durch den Angeklagten Z – als eigenen Anteil aus den Betrugstaten zulasten von X GmbH (743.818,67 €) und als Anteil für die gegenüber dem Bauamt betrügerisch abgerechneten Kehrleistungen Z´s (55.235,95 €) erlangt hat, in Summe also 790.054,62 € (Tatkomplexe 1 und 3). Erlangt hatte der Angeklagte auch das, was auf den Konten BP´s bei … oder bei … (Fuhrunternehmen B) einging, denn für diese Konten hatte er jeweils Vollmacht und Verfügungsbefugnis (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – 5 StR 185/18) und nutzte diese auch, wobei er meist seine Frau, die Angeklagte BP, zur Bank schickte und sie das eingegangene Geld bar abheben und zu sich bringen ließ. Erlangt hat der Angeklagte P auch, was der Angeklagte Z im Rahmen des Tatkomplexes 3 auf drei Rechnungen des Fuhrunternehmens B auf das Konto BPs bei der …Bank überwiesen hatte (oben D.III.2, Fälle 358-360). Für dieses Konto hatte P zwar keine Verfügungsbefugnis, die Angeklagte hatte aber auch hier das Geld abgehoben und an ihn übergeben.
84
Nicht erstreckt hat die Kammer die Einziehungsentscheidung auf den Wertersatz der 175.000 € Schmiergeld, die der Angeklagte P zwischen 2017 und 2021 vom Angeklagten S überbracht erhielt (Tatkomplex 4). Denn insoweit hat sich das Bauamt in dem – tatsächlich auch erfüllten – Vergleich mit X GmbH diesen Betrag mitbegleichen lassen. Im Vergleich ist der Posten mit 283.000 € angegeben, wobei sich dieser Betrag aber auf die geschätzte Schmiergeldsumme für den gesamten Zeitraum ab 2013 bezieht (Ziffer II.2 des Vergleichs vom 20.03.2023). Damit war die Einziehungsschuld insoweit erloschen (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB). Die Gläubigerstellung des Bauamts beruht insoweit auf seinem Herausgabeanspruch als Arbeitgeber des Angeklagten, der sich auch auf im Zusammenhang mit dessen Dienst erlangtes Schmiergeld bezieht (vgl. § 687 Abs. 2 Satz 1, § 681 Satz 2, § 667 BGB; dazu BGH, Beschluss vom 20.03.2014 – 3 StR 28/14, juris Rn. 5; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl., § 667 Rn. 3). Ergänzend hat der Zeuge …, Justiziar des Bauamts, darauf hingewiesen, dass er im Rahmen der Vergleichsverhandlungen mit X GmbH das Schmiergeld als „Mindestschaden“ angesehen habe, den der Angeklagte P dem Bauamt zugefügt habe. Denn insoweit sei davon auszugehen, dass X GmbH das gezahlte Schmiergeld an „geeigneter Stelle“ auf seine Preise gegenüber dem Bauamt aufgeschlagen habe, sodass dieses in gleicher Höhe geschädigt worden sei. Ob diese schadenersatzrechtliche Betrachtung im hiesigen Kontext trägt, musste die Kammer nicht vertiefen.
85
Ebenso wenig hat die Kammer auch insoweit den Wertersatz eingezogen, als der Angeklagte P vom Angeklagten H seinen Anteil erhielt (Tatkomplex 2). Denn die komplette Forderung des Bauamts aus den Betrügereien mithilfe der H Bau GmbH wurde durch den Angeklagten H im Vergleichswege beglichen, sodass die Einziehungsschuld insoweit erloschen ist (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB).
86
III. Beim Angeklagten Z unterliegt der Einziehung von Wertersatz, was er über die Scheinrechnungen von X GmbH überwiesen bekam (2.347.146,93 €), sowie das, was er vom Bauamt für die tatsächlich nicht erbrachten Kehrleistungen erhielt (104.195,97 €) (Tatkomplexe 1 und 3). Hinsichtlich dieser zweiten Position schloss der mit dem Bauamt in der Hauptverhandlung vom 19.04.2023 abgeschlossene Vergleich des Angeklagten die Einziehungsentscheidung nicht aus, weil Z´s Leistung auf den Vergleich bei Schluss der Beweisaufnahme noch nicht erfolgt war und auch nicht erfolgen konnte. Der Angeklagte Z ist infolge des gegen ihn vollzogenen Vermögensarrestes nämlich aktuell nicht in der Lage, wirksam über sein arrestiertes Vermögen zu verfügen.
87
Die Einziehung erfolgte auch insoweit, als der Angeklagte die auf sein Konto überwiesenen Gelder in der Folgezeit jeweils über mehrere Tage oder Wochen sukzessiv auf die anderen beiden Angeklagten – Pu und P – verteilte, sodass dieses Geld nicht dauerhaft bei ihm verblieb. Nach Wertung der Kammer lag nämlich insoweit kein lediglich „transitorischer“ Besitz beim Angeklagten Z vor. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann transitorischer – die Einziehung nicht rechtfertigender – Besitz nämlich nur in sehr engen Grenzen anerkannt werden. Danach schließt etwa schon eine längere Transportfahrt, während der der Fahrer die alleinige tatsächliche Herrschaft über die von einer Bande gemachte Tatbeute hat, den lediglich transitorischen Besitz aus (BGH, Beschluss vom 10.01.2023 – 3 StR 343/22, juris Rn. 5 ff.; Urteil vom 01.06.2022 – 1 StR 421/21, juris Rn. 33; Urteil vom 15.07.2020 – 2 StR 46/20, juris Rn. 16). So lagen die Dinge hier. Der Angeklagte Z hatte, nachdem X GmbH ihm das Geld jeweils überwiesen hatte, alleinigen Zugriff darauf. Er allein hatte die Verfügungsberechtigung für sein Konto. Ohne sein Zutun und ohne seine frühestens am Folgetag, regelmäßig mehrere Tage nach dem jeweiligen Geldeingang durchgeführte Weiterüberweisungen – wie aus der in den Prozess eingeführten polizeilichen Auswertetabelle der Zeugin S. zum Geldfluss ersichtlich – oder Zahlungen wären die anderen beiden Angeklagten an ihren jeweiligen Anteil nicht herangekommen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23.11.2022 – 2 StR 175/22, juris Rn, 15).
88
IV. Nach dem Ausgeführten hatte die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung der drei Angeklagten zu erfolgen wie tenoriert.
89
I. Absehen von der Adhäsionsentscheidung zugunsten X GmbH Zu entscheiden hatte die Kammer – nachdem die Adhäsionsklage des Bauamts gegen den Angeklagten Z im laufenden Prozess durch Vergleichsschluss erledigt wurde – allein noch über den Adhäsionsantrag von X GmbH gegen die Angeklagten P und Z.
90
Tatsächliche Grundlage der Adhäsionsklage vom 10.03.2023 war die kollusive betrügerische Betätigung der beiden Angeklagten zum Nachteil von X GmbH, wie er im Tatkomplex 1 der Anklage und – in durch die Teileinstellungen reduziertem Umfang – im Tatkomplex 1 dieses Urteils (vgl. oben D.I) beschrieben ist. Hiervon ausgehend behauptete X GmbH, ihr sei ein Betrugsschaden von insgesamt 2.628.898,16 € entstanden.
91
Demgemäß stellte die Adhäsionsklägerin folgende Anträge:
92
(I) Die beiden Angeklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.628.898,16 € sowie Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 21.07.2022 zu zahlen.
93
(II) Der Angeklagte Z wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus den folgenden Beträgen seit den folgenden Zeitpunkten jeweils bis 20.07.2022 zu zahlen [es folgte sodann eine rund drei Seiten umfassende Aufzählung von Teilbeträgen und Daten des jeweiligen Zinsbeginns, Anm. der Kammer].
94
(III) Es wird festgestellt, dass beide Angeklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin diejenigen über den Betrag von 2.628.898,16 € hinausgehenden Schäden zu ersetzen, die ihr dadurch entstanden sind oder noch entstehen werden, dass beide Angeklagte im Einvernehmen untereinander und mit dem weiteren Angeklagten Pu gegenüber der Klägerin Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen gestellt haben, die entsprechend der von den Angeklagten und Herrn Pu vorgefassten Absicht durch die Klägerin dem Staatlichen Bauamt … weiterberechnet und von diesem an die Klägerin bezahlt worden sind.
95
(IV) Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Klägerin zu tragen.
96
(V) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
97
Hierzu beantragten die beiden Angeklagten jeweils, von einer Entscheidung über die Adhäsionsklage abzusehen.
98
Der Angeklagte P beantragte darüber hinaus hilfsweise, die Adhäsionsklage abzuweisen.
99
Die Kammer hat hierzu in ihrem Hinweis vom 17.04.2023 mitgeteilt, dass sie erwägt, von der Entscheidung über die Adhäsionsklage vollständig abzusehen, weil diese sich auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Adhäsionsklägerin zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet (§ 406 Abs. 1 Satz 4 StPO). Hierfür waren im Kern folgende Gründe maßgeblich:
100
1. Nach § 406 Abs. 1 Satz 5 StPO ist der Antrag insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Diese Erheblichkeitsschwelle war im hiesigen Strafprozess, davon war die Kammer überzeugt, deutlich anders zu definieren als üblicherweise. Das ergab sich daraus, dass das zeitliche Korsett, innerhalb dessen der Prozess geführt wurde, sehr eng war. Der Angeklagte P befand sich in Untersuchungshaft, weshalb einerseits zügig verhandelt und der Prozess zügig beendet werden musste. Wegen der gesundheitlichen Einschränkungen des Angeklagten hat die gerichtsärztliche Dienststelle eine maximale tägliche Verhandlungsdauer von zwei Blöcken von je drei Stunden einschließlich etwaiger Pausen für zumutbar gehalten. Tatsächlich waren bis zum Tag der Hinweiserteilung zwei Verhandlungstage aufgrund von Panikattacken des Angeklagten jeweils noch am Vormittag des Sitzungstages unter Notarzteinsatz abgebrochen worden. An einem Nachmittag wurde die Sitzung wegen der Schwäche des Angeklagten vorzeitig beendet. Vor diesem Hintergrund waren als erheblich auch objektiv kurze Verlängerungen des Prozesses zu bewerten.
101
2. Der mit der Adhäsionsklage geltend gemachte Schadenersatzanspruch barg nach vorläufiger Wertung der Kammer durchaus komplexe Fragestellungen und die Notwendigkeit von weiteren Feststellungen, die für die strafrechtliche Seite des Falles unerheblich waren und deren Bearbeitung die Gefahr erheblicher Verzögerungen mit sich brachte:
102
Die Adhäsionsklage stützte sich auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Insoweit konnten aber Probleme aus der Rolle des Angeklagten Pu entstehen, die aus Sicht der Kammer in gegebener Zeit nicht auszuräumen waren. Pu war als technischer Leiter bei der Adhäsionsklägerin direkt unterhalb der Geschäftsführung angesiedelt und selbst Vorgesetzter der einzelnen Bauleiter. Damit schien es der Kammer möglich, dass der Angeklagte Pu als Repräsentant i.S.d Rechtsprechung zu § 31 BGB angesehen werden konnte (vgl. MüKo-BGB/Leuschner, 9. Aufl., § 31 Rn. 14 ff. m.w.N.). Hierfür wäre es darauf angekommen, ob dem Angeklagten damals durch allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensgemäße Funktionen der juristischen Person zur selbstständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen waren und er den Zurechnungsadressaten – die Adhäsionsklägerin – dadurch repräsentieren konnte (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.1998 – III ZR 183/96). Die Feststellung dessen bedurfte weiterer Erhebungen, die die Kammer bis dahin nicht durchgeführt hat, weil sie für die strafrechtliche Beurteilung des Sachverhalts unerheblich waren. Dabei wäre die Kammer gehalten, die notwendigen Feststellungen ohne Rücksicht auf die zivilrechtliche Beweis- und Darlegungslast von Amts wegen zu treffen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 404 Rn. 11).
103
Wäre eine Repräsentantenstellung im umrissenen Sinne gegeben, hätte sich die Konsequenz einer möglichen Anspruchskürzung der Adhäsionsklägerin wegen Mitverschuldens gestellt, was nicht dadurch ausgeschlossen wäre, dass dem Angeklagten Pu selbst Straftaten zur Last fielen (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1991 – XI ZR 207/90; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 254 Rn. 49). Hierauf aufbauend sprach auch einiges dafür, dass man die deliktische Betätigung Pu´s (d.h. das Stellen und Freizeichnen von als unberechtigt erkannten Rechnungen) als mitverschuldensrelevant einstufen müsste, weil sie in Ausführung seiner Aufgaben bei der Adhäsionsklägerin erfolgte und nicht nur gelegentlich der vertraglich geschuldeten Arbeit auf der zugewiesenen Stelle im Unternehmen (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl., § 31 Rn. 10).
104
Der Rekurs auf die gesamtschuldnerische Haftung der beiden Adhäsionsbeklagten und des Angeklagten Pu gegenüber der Adhäsionsklägerin gem. § 840 Abs. 1 BGB hätte das aufgezeigte Problem nicht gelöst, denn auch insoweit wäre zurechenbares Mitverschulden zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 02.02.1984 – I ZR 228/81).
105
Angesichts der Möglichkeit eines anspruchsmindernden Mitverschuldens hätte der Adhäsionsklägerin auch nicht der Rückgriff auf ein Grund- oder ein Feststellungsurteil geholfen. Denn beide könnten nur unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote ergehen, wenn eine solche festzustellen wäre (zu § 304 ZPO vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 304 Rn. 17 m.w.N.). Diese Grundsätze von § 304 ZPO gelten auch bei einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 21.08.2002 – 5 StR 291/02).
106
3. Gegen den Adhäsionsbeklagten Z machte die Adhäsionsklage zusätzlich einen Anspruch auf der Grundlage des § 812 BGB geltend. Insoweit stellten sich die soeben unter 2 angerissenen Fragen nach Auffassung der Kammer in einem anderen Gewand. So wäre ein Anspruchsausschluss nach § 814 BGB oder nach § 817 Satz 2 BGB zu prüfen gewesen, wenn der Angeklagte Pu aufgrund seiner damaligen Rolle als Vertreter der Adhäsionsklägerin gewertet werden müsste, sodass seine Kenntnisse der Adhäsionsklägerin zuzurechnen wären (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.2015 – IX ZR 133/14; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl., 817 Rn. 16).
III. Stellungnahme der Adhäsionsklägerin
107
Hierzu nahm die Adhäsionsklägerin mit Schriftsatz vom 18.04.2023 Stellung und führte aus, dass Gründe, die einer Entscheidung über die Adhäsionsklage im Wege stünden, nicht vorliegen. Die Sache sei auf der im Prozess bis dahin erreichten Tatsachengrundlage entscheidungsreif. Hierzu vertiefte sie ihren bereits in der Adhäsionsklage gehaltenen Vortrag. Der Mitverschuldenseinwand könne danach nicht durchgreifen. Ebenso wenig komme § 817 Satz 2 BGB zulasten der Adhäsionsklägerin zum Tragen.
IV. Entscheidung der Kammer
108
Von der Entscheidung über die Adhäsionsklage hat die Kammer aus den oben unter II. mitgeteilten Gründen abgesehen, auf die verwiesen wird. Ergänzend gilt: Hinsichtlich der Taten, von deren Verfolgung die Kammer vorläufig nach § 154 Abs. 2 StPO abgesehen hat, stellte sich die Problematik nach der möglichen Verzögerung des Verfahrens in besonderer Weise. Strafrechtlich waren diese Taten bedeutungslos geworden. Weitere Sachaufklärung durch die Kammer hätte somit allein der Entscheidung über die Adhäsionsklage gegolten. Die Zeiteinsparung, die die Kammer mit der Verfahrenseinstellung auf strafrechtlichem Gebiet erreichen wollte, wäre bei der weiteren Bearbeitung der zivilrechtlichen Seite mithin wieder verloren worden.
109
Im Übrigen wiederholt die Kammer, dass sie nicht in Abrede stellen will, dass die Adhäsionsklage am Ende möglicherweise in der Sache Recht haben könnte. Die Gefahr der zeitlichen Verzögerung resultierte hier aber schlicht daraus, dass sich die Kammer – auch angesichts ihrer sonstigen Aufgaben – nicht in der Lage sah, die zivilrechtliche Rechtslage in gegebener Zeit bis in die letzten Verästelungen so zu durchdringen, dass sie guten Gewissens ein derart weitreichendes Urteil, wie beantragt, hätte erlassen können. Bereits am Sitzungstag vom 19.04.2023 wurde die Beweisaufnahme geschlossen und hielt die Staatsanwältin ihr Plädoyer. Bis dahin hatte die Kammer noch nicht einmal die Gelegenheit, über den Schriftsatz der Adhäsionsklägerin vom 18.04.2023 zu beraten. Es war nach alldem offensichtlich, dass die Berücksichtigung der Adhäsionsklage hier zu wesentlichen Verzögerungen geführt hätte, die die Kammer aus den genannten Gründen tunlichst vermeiden wollte. Dem zweifelsfrei gegebenen berechtigten Interesse der Adhäsionsklägerin hat die Kammer allerdings insoweit entsprochen, als sie gegen die beiden Adhäsionsbeklagten Einziehungsentscheidungen getroffen hat, die bei Eintritt ihrer Rechtskraft zugunsten der Adhäsionsklägerin Vermögen sichern.
J. Freispruch der Angeklagten BP
110
Die Kammer hat die Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
I. Tatvorwürfe der Anklage
Zum Tatkomplex 1 (Bauamt und X GmbH)
111
Der Angeklagten BP lag zur Last, sie habe bewusst zur weiteren Verschleierung des zum Tatkomplex 1 (oben D.I.2) geschilderten Tatgeschehens in Absprache mit den Angeklagten Z und P für ihr Fuhrunternehmen B als vermeintliche Subunternehmerin Z´s nicht leistungsunterlegte Scheinrechnungen an diesen gestellt. Sie habe auf die Weise bewusst ermöglicht, dass Z die Weiterleitung des Anteils des Angeklagten P buchhalterisch abbilden und rechtfertigen konnte. Über den Eingang des Geldes auf Konten des Fuhrunternehmens habe sie ihrem Ehemann die Vereinnahmung des Geldes ermöglicht. Ihr sei dabei bewusst gewesen, dass ihr Ehemann als Angestellter des Bauamts das Geld nicht habe annehmen dürfen.
112
Im Einzelnen soll sie dazu die Scheinrechnungen gestellt haben, die oben in der Tabelle unter D.I.2.c (Scheinrechnungen Fuhrunternehmen B) genannt sind.
113
Dies soll zur Folge gehabt haben, dass im Zeitraum 2017 bis 2021 der Angeklagte Z absprachegemäß insgesamt 718.597,61 € auf Konten des Fuhrunternehmens B zur Begleichung der Scheinrechnungen des Fuhrunternehmens gezahlt habe. Dabei habe Z in dem Wissen gehandelt, dass diesen Rechnungen keinerlei Leistungen zugrunde gelegen haben.
Zum Tatkomplex 2 (H Bau GmbH)
114
Der Angeklagten BP lag weiterhin zur Last, sie habe insgesamt 31 nicht leistungsunterlegte Scheinrechnungen ihres Fuhrunternehmens B an die H Bau GmbH für vermeintliche Subunternehmerleistungen i.H.v. insgesamt 75.814,50 € (netto) gestellt, um das Vorgehen der Angeklagten P und H – wie zum Tatkomplex 2 geschildert (oben D.II.1) – zu verschleiern und den Geldzufluss an ihren Ehemann zu ermöglichen, aber auch um selbst fortlaufend an den durch ihn generierten Erträgen zu partizipieren.
115
Die Scheinrechnungen habe sie im Zeitraum 10.04.2019 bis 13.07.2021 jeweils korrespondierend zu den Scheinrechnungen der H Bau GmbH an das Bauamt in Absprache mit oder auf Geheiß ihres Ehemannes gestellt. Der Angeklagte H habe ihre jeweiligen Rechnungsbeträge auf das Geschäftskonto des Fuhrunternehmens B bei der Sparkasse …, IBAN …, oder auf das Geschäftskonto bei der … Bank, IBAN …, überwiesen, welche die Angeklagte in Erwartung des inkriminierten Geldeingangs dafür zur Verfügung gestellt haben soll.
116
Im Einzelnen soll sie die Scheinrechnungen gestellt haben, die sich oben aus der Tabelle unter D.II.2 (Scheinrechnungen Fuhrunternehmen B) ergeben.
Zum Tatkomplex 3 (Z Kehrleistungen)
117
Der Angeklagten lag schließlich zur Last, sie habe namens ihres Fuhrunternehmens B am 01.12.2020 insgesamt drei Scheinrechnungen an den Angeklagten Z gestellt. Dies habe dazu gedient, Z die Weiterleitung des Anteils des Angeklagten P aus den zum Tatkomplex 3 (oben D.III) geschilderten Taten buchhalterisch abzubilden und zu rechtfertigen. Über den Eingang des Geldes auf Konten des Fuhrunternehmens habe sie ihrem Ehemann die Vereinnahmung des Geldes – insgesamt 20.726,10 € – ermöglicht. Ihr sei auch hier bewusst gewesen, dass ihr Ehemann als Angestellter des Bauamts das Geld nicht habe annehmen dürfen.
118
Im Einzelnen soll sie dazu die Scheinrechnungen gestellt haben, die sich oben aus der Tabelle unter D.III.2 (Scheinrechnungen Fuhrunternehmen B) ergeben.
II. Persönliche Verhältnisse
III. Festgestellter Sachverhalt
119
Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht folgender Sachverhalt zur Überzeugung der Kammer fest:
120
1. Hinsichtlich der Feststellungen zu den Haupttaten, zu denen die Angeklagte Beihilfe geleistet haben soll, wird auf die Feststellungen zu den Tatkomplexen 1 bis 3 (oben D.I-III) verwiesen.
121
2. Zu ihrem individuellen Tatbeitrag hat die Kammer ergänzend festgestellt: Die Angeklagte machte sich im Jahr 2009 auf Anraten ihres Ehemannes unter der Firma „B Büroservice“ selbständig. Hierzu vermittelte ihr der Angeklagte P aufgrund seiner berufsbedingten Kontakte bei der Firma M einen Auftrag zur Zählung von Straßenmarkierungen. Im Jahr 2011 riet ihr der Ehemann dazu, sich einen Lkw anzuschaffen, weil M einen entsprechenden Bedarf hatte und P meinte, mit dem Einsatz des Fahrzeugs dort könnte seine Ehefrau zusätzliches Geld verdienen. Sie erwarb daraufhin im Jahr 2013 eine Lkw-Fahrerlaubnis und einen kreditfinanzierten Lkw. Zu dessen Einsatz bei M kam es jedoch nicht. Stattdessen vermittelte ihr der Angeklagte P den Dauereinsatz in einer der Asphalt-Kolonnen bei X GmbH, den sie bis 16.04.2015 persönlich durchführte. Dazu hatte sie bei der Gemeinde … ein Gewerbe als „Fuhrunternehmen B“ angemeldet. Nach dem genannten Zeitpunkt stellte sie – überwiegend auf 450 €-Basis – Fahrer ein, die die Touren übernahmen. In der Folgezeit vermittelte der Angeklagte seiner Ehefrau weitere Einsätze in den Kolonnen der Straßenbauunternehmen G und W. Auf diese Weise expandierte das Gewerbe der Angeklagten, sodass sie Ende der Zehnerjahre drei Lkw für sich fahren ließ. Alle drei Fahrzeuge waren jeweils in die Betriebsabläufe der Asphalt-Kolonnen des jeweiligen Straßenbauunternehmens (X GmbH, G, W) fest integriert und führten ihre Einsätze nach den Vorgaben des jeweiligen Bauleiters vor Ort durch. Die Aufgabe der Angeklagten als Unternehmerin bestand insoweit allein darin, für die jeweiligen Schichten ihre Fahrer einzuteilen.
122
Die Kommunikation mit den Auftraggebern des Fuhrunternehmens B führte der Angeklagte P, ohne seine Frau in die Einzelheiten einzuweihen. Er schrieb auch die Rechnungen des Fuhrunternehmens und besorgte zusammen mit einem Steuerberater die Buchführung und die Steuererklärungen des Unternehmens. Die Mitwirkung der Angeklagten an der Buchhaltung beschränkte sich darauf, dass sie ein- und ausgehende Rechnungen, Lieferscheine und Kontoauszüge sammelte und ablegte, bis sie dann gestapelt in regelmäßigen Abständen von ihrem Ehemann zum Steuerberater verbracht wurden. Die Angeklagte hatte keine Kenntnis von dem Inhalt der Rechnungen, die ihr Ehemann schrieb und von den Einzelheiten der Aufträge, für die sie gestellt wurden. Sie ging davon aus, dass ihr Ehemann, der als Angestellter des Bauamts „vom Fach“ war, die Aufträge einholte und hierfür die Rechnungen ordnungsgemäß stellte.
123
Die Angeklagte hatte für ihr Gewerbe Konten eingerichtet: bei der Sparkasse … das Konto mit der IBAN … und bei der … Bank das Konto mit der IBAN … Für diese Konten räumte sie ihrem Ehemann jeweils eine Vollmacht und Verfügungsberechtigung ein. Sie wusste und war damit einverstanden, dass ihr Ehemann auf den Rechnungen, die er für das Fuhrunternehmen schrieb, jeweils eines dieser Konten als Empfängerkonto angab. Es war der Angeklagten allerdings nicht bewusst, dass P auch betrügerisch Geschäfte nur vortäuschte und die daraus generierten Gelder ebenfalls auf einem der genannten Konten eingingen. Sie ging vielmehr davon aus, dass die auf den Konten eingehenden Gelder auf Rechnungen gezahlt wurden, die von P zuvor jeweils ordnungsgemäß für tatsächlich erbrachte Leistungen gestellt worden sind.
124
Der Angeklagten war bei alldem bewusst, dass das Fuhrunternehmen B letztlich ein Betrieb ihres Ehemannes war, den dieser aufgrund seiner Kenntnisse und Verbindungen im Bereich des Straßenbaus aufgebaut hatte und in der Sache auch steuerte. Sie selbst hatte vom Straßenbau keine Fachkenntnisse, sodass sie selbst nicht in der Lage war, ein Angebot zu kalkulieren oder einen Auftrag abzuwickeln und sie verfügte auch nicht über die Kontakte, die ihr die Einwerbung von Aufträgen ermöglicht hätten. Sie war aus ihrer Sicht ihrem Ehemann bei seinen – scheinbar – legalen und ordnungsgemäß durchgeführten Geschäften behilflich, indem sie ihren Namen für die Firma bereitstellte und die Fahrer organisierte und einteilte. Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass sie vor Anfang August 2021 wusste, dass ihr Ehemann bei den Aufträgen, bei denen das Fuhrunternehmen in der Leistungskette als (Sub-)Subunternehmer tätig war, aufseiten des Bauamts pflichtwidrig handelte, indem er Auszahlungen auf Scheinrechnungen veranlasste und dass er hierfür einen Anteil an dem betrügerisch erlangten Geld sich versprechen ließ und erhielt.
V. Entschädigungsentscheidung
125
Gegen die Angeklagte wurde am 23.03.2022 ein auf § 102 StPO gestützter Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vollzogen (AG Nürnberg, Beschluss vom 17.03.2022 – 57 Gs 3075/22), als ihr Privathaus in … durchsucht wurde. Weiterhin hat das Amtsgericht Nürnberg am 21.03.2022 einen Vermögensarrest nach § 111e StPO über 1.858.364,80 € gegen die Angeklagte verhängt (AG Nürnberg – 57 Gs 3262/22, teilweise abgeändert durch OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.10.2022 – Ws 631/22), der in der Folgezeit vollstreckt wurde. Wegen des Freispruchs war nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 StrEG festzustellen, dass die Staatskasse verpflichtet ist, der Angeklagten hierfür Entschädigung zu gewähren. Ausschluss- oder Versagungsgründe (§§ 5, 6 StrEG) lagen nicht vor.
126
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1, § 467 Abs. 1, § 472a Abs. 2 StPO. Wegen der Adhäsionsklage des Bauamts war keine Kostenentscheidung veranlasst, weil insoweit eine Regelung im protokollierten Vergleich (Protokoll vom 19.04.2023) enthalten ist.