Titel:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Rente, Werbung, Gesellschaft, Abfindung, Hauptversammlung, Barabfindung, Eintragung, Einkommen, Beteiligung, Widerspruch, Aktien, AG, Planung, Unternehmensbewertung, Bundesrepublik Deutschland, Squeeze Out, Art und Weise
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Rente, Werbung, Gesellschaft, Abfindung, Hauptversammlung, Barabfindung, Eintragung, Einkommen, Beteiligung, Widerspruch, Aktien, AG, Planung, Unternehmensbewertung, Bundesrepublik Deutschland, Squeeze Out, Art und Weise
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54071
Tenor
I. Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung als € 2,30 je Aktie der S… AG werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz sowie der Wert für die Berechnung der von der Antragsgegnerin geschuldeten Vergütung des gemeinsamen Vertreters der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten Aktionäre werden auf € 200.000,-- festgesetzt.
Gründe
1
1. a. Die Hauptversammlung der S… AG (im Folgenden auch: die Gesellschaft) fasste am 14.12.2021 den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung in Höhe von € 2,20 je Aktie auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin zu übertragen.
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Das Grundkapital der Gesellschaft belief sich zum Stichtag der Hauptversammlung auf € 93,6 Mio. und war in 93.600.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt. Ausweislich der Bestimmung in § 2 Abs. 1 der Satzung der S… AG liegt ihr Unternehmensgegenstand in der Leitung und dem Halten sowie in der Beteiligung an Unternehmen aller Art, insbesondere in den Bereichen Medien, Sportveranstaltungen und -vermarktung sowie IT- und Digitalprodukten/-dienstleistungen, wobei die Gesellschaft berechtigt ist, selbst in den vorgenannten Bereichen und den damit zusammenhängenden Geschäftsgebieten tätig zu sein. Aufgrund von § 2 Abs. 2 ihrer Satzung ist die S… AG zu allen Maßnahmen berechtigt, die den Gegenstand des Unternehmens zu fördern geeignet sind; sie kann sich insbesondere an anderen Unternehmen beteiligten, andere Unternehmen pachten oder sonst in beliebiger Art mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten.
3
Die Aktien der damals noch als C… AG firmierenden Gesellschaft waren bis in den Herbst 2019 im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse mit gleichzeitiger Zulassung zum Teilbereich des Prime Standard zugelassen und im elektronischen Handelssystem XETRA gehandelt. Am 30.7.2019 unterbreitete die Antragsgegnerin den Aktionären mit einer Annahmefrist vom 31.7. bis zum 28.8.2019 ein öffentliches Delisting-Erwerbsangebot zum Erwerb der Aktien gegen Zahlung einer Geldleistung von € 2,30 je Stückaktie. Nach dem Delisting im September 2019 wurden die Aktien nur noch im Freiverkehr der Börse H. gehandelt, nachdem es zuvor auch Handel an den Börsen vor allem in Stuttgart, Hamburg, Berlin, Hannover, Düsseldorf, München und London gegeben hatte. Am 29.6.2021 gab die Antragsgegnerin in einer Pressemitteilung ihre Absicht bekannt, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung im Wege eines aktienrechtlichen Squeeze out erwerben zu wollen. In einem Zeitraum vom 29.3.2021 bis zum 28.6.2021 betrugt der durchschnittliche volumengewichtete Aktienkurs € 2,30.
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b. Im Vorfeld der Hauptversammlung vom 14.12.2021 erstattete die E… GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: E…) eine gutachtliche Stellungnahme über die Ermittlung des Unternehmenswerts zum 14.12.2021 in Bezug auf die S… AG (Anlage AG 2). Die Wirtschaftsprüfer von E… ermittelten in Anwendung der Ertragswertmethode einen Wert der Gesellschaft nach Aufzinsung vom bewertungstechnischen Stichtag auf den Tag der Hauptversammlung von € 183,762 Mio., woraus sich dann ein Wert je Aktie von € 1,96 errechnete. Dabei gingen die Bewertungsgutachter von einer die Jahre 2021 bis 2025 umfassenden Detailplanungsphase aus, an die sich ab 2026 ff. die Ewige Rente anschloss. Im Terminal Value wurde ein Wachstum vom1% angesetzt. Angesichts einer Verpflichtung der Gesellschaft aus einem mit einer deutschen Bank abgeschlossenen Avalrahmenvertrag zur Finanzierung des Erwerbs eines Rechtepaktes von der DFL Deutsche Fußballliga e.V. (im Folgenden auch: DFL) wurde für die Jahre 2021 bis 2024 von einer vollständigen Thesaurierung positiver Jahresergebnisse ausgegangen. Für das Jahr 2025 gingen die Wirtschaftsprüfer von E… von einer vollständigen Ausschüttung des geplanten Jahresergebnisses und angesichts des Vorhandenseins eines entsprechend hohen Kassenbestands von einer zusätzlichen steuerfreien Ausschüttung von € 7 Mio. aus. In der Ewigen Rente setzte das Bewertungsgutachten eine nachhaltige Ausschüttungsquote von 50% sowie eine Veräußerungsgewinnbesteuerung für den Wertbeitrag aus Thesaurierung in Höhe von 13,1875% an. Bei der Kapitalisierung der Überschüsse gingen die Bewertungsgutachter von einem Basiszinssatz von 0,1% vor Steuern und 0,07% nach Steuer aus. Den Risikozuschlag ermittelten sie mit Hilfe des (Tax-)CAPM, wobei sie eine Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern und einen unverschuldeten Beta-Faktor von 0,9 ansetzten, der aus einer insgesamt 14 in- und ausländische Unternehmen umfassenden Peer Group abgeleitet wurde. Für die Ewige Rente legte das Bewertungsgutachten einen Wachstumsabschlag von 1,0% zugrunde. Zu dem so abgeleiteten Ertragswert von € 153,48 Mio. wurden die Beteiligten der Gesellschaft an der Antragsgegnerin im Wert von € 27,821 Mio., sonstige Beteiligungen mit einem Wert von € 530.000,-, der Wert der Anteile an einen Media-for-Equity-Fonds mit 1,273 Mio. sowie ein nicht bilanzierter Chancenüberhang aus Rechtsstreitigkeiten in Höhe von € 700.000,- hinzuaddiert.
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Die vom Landgericht München I mit Beschluss vom 6.7.2021, Az. 5 HK O 9098/21 zur Abfindungsprüferin bestellte M… GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: auch M…) gelangten in ihrem Prüfungsbericht vom 26.10.2021 (Anlage AG 3) zu dem Ergebnis, die auf Basis des Freiverkehrkurses ermittelte Barabfindung stelle sich als angemessen dar.
6
Aus den Stichtagserklärungen von E… und M… jeweils vom 14.12.2021 (Anlagen AG 5 und AG 6) ergab sich unverändert die Angemessenheit der Barabfindung.
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c. Der Beschluss über den Squeeze out wurde am 2.2.2022 in das Handelsregister eingetragen und am 3.2.2022 gemäß § 10 HGB bekannt gemacht. Zum Zeitpunkt der Eintragung waren 4.381.311 Aktien von Minderheitsaktionären von dem Squeeze out betroffen. Alle Antragsteller waren zum Zeitpunkt der Eintragung Aktionäre der S… AG.
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2. Zur Begründung ihrer spätestens am 3.5.2022 zumindest per Telefax beim Landgericht München I eingegangen Anträge machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, aufgrund ihrer zulässigerweise gestellten Anträge müsse die Barabfindung angesichts ihrer Unangemessenheit erhöht werden.
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a. Diese Notwendigkeit einer Erhöhung resultiere bereits aus dem unplausiblen und folglich korrekturbedürftigen Planannahmen.
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(1) Dies zeige sich bereits am Fehlen einer unabhängigen Planung angesichts der Möglichkeit der Einflussnahme der Antragsgegnerin auf die Planung. Die Abweichung vom jährlichen Planungszeitraum belege das Vorliegen einer unzulässigen Anlassplanung. Die Vergangenheitsanalyse sei angesichts einer grundlegenden Veränderung des Geschäftsmodells mit dem Erwerb der Bundesliga-Verwertungsrechte für 2021/22 bis 2024/25 und der Rechte an den DFB-Pokalspielen für die Spielzeiten 2022/23 bis 2025/26 wenig zielführend.
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(2) Die Planung der Umsatzerlöse unterschätze das sich aus den erweiterten Beziehungen zu den Werbekunden X…, Y… und Z… ergebende Umsatzpotenzial, wofür auch die von 50% auf 55% ansteigende Aufwandsquote spreche. Unklar bleibe der Umfang der aktivierten Eigenleistungen für den Bereich Digital sowie die Abbildung der Gesetzesänderungen im Leistungsschutzrecht und der durch einen neuen Medienstaatsvertrag geänderten Werbebedingungen mit der Möglichkeit der Erzielung höherer Erlöse aus Werbung. Dasselbe gelte für die Auswirkungen des neuen Glücksspielstaatsvertrages und der daraufhin beantragten neuen Lizenz. Zu hoch angesetzt sei der Ansatz eines Risikoabschlags von 40% bei der Sp…50 GmbH angesichts des Bestehens eines Online-Glücksspielmarktes schon seit Jahren und von weltweit erwirtschafteten Bruttospielbeträgen von € 42 Mrd.. Die in der Planung für das Jahr 2021 angenommenen Werbeeinnahmen seien zu niedrig angesetzt mit Blick auf die statistischen Auswertungen von Statista. Angesichts eines Anstiegs des Umsatzes von € 80 Mio. in 2020 auf € 110 Mio. im Jahr 2021 müsse in Phase I insgesamt ein höherer Umsatzanstieg als auf € 140 Mio. im Jahr 2025 angesetzt werden. Unplausibel sei auch das Erreichen des Ergebnisses der Gesamtleistung des Jahres 2018 erst wieder im Planjahr 2022. Die Einschätzung einer Wettbewerbssituation zu D… stelle sich angesichts des Ausbaus der Kooperation bis 2026 als widersprüchlich und damit fehlerhaft dar. Die Planung übersehe die Präsentation der Gesellschaft als führendes Unternehmen mit im Wesentlichen erfolgender Absicherung des Umsatzes über Werbe- und/oder Sponsoringerlöse sowie im Pay TV durch vertraglich vereinbarte Garantiezahlungen bzw. abonnentenbasierte Einspeiseverträge mit den Betreibern von Pay TV-Plattformen. Auch müsse die Gesellschaft durch das einzigartige Leistungsspektrum entlang der gesamten Wertschöpfungskette entsprechend einer Presseerklärung vom 9.2.2022 stärker profitieren, während die Planung nur den normalen Entwicklungsverlauf entsprechend der Branchenentwicklung beschreibe. Sie beinhalte einen Widerspruch zu allgemeinen Branchentrends, weil sich die Gesellschaft jedenfalls ab 2020 auf steigende Nutzerzahlen stützen könne und das User-Aufkommen schon zuvor auf hohem Niveau gelegen habe bei tendenziell deutlich steigenden Bruttowerbeumsätzen in den vergangenen Jahren. Erklärungsbedürftig sei der Grund für die Annahme eines Umsatzwachstums von 16.2% aus der Verwertung der im Jahr 2021 erworbenen Rechte für die digitale Verwertung von Bundesliga-Clips. Unklar bleibe, warum mit einer Verlängerung der Fußball-Bundesligalizenzen nicht über die Saison 2024/25 hinaus gerechnet werde, sowie die Art und Weise der Abbildung konzerninterner Dienstleistungen und der tatsächlichen Inanspruchnahme von Rückstellungen aus dem Jahr 2020 in Höhe von € 2,169 Mio..
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(3) Den Ansätzen zu den sonstigen betrieblichen Aufwendungen mit einem Anstieg von € 13,844 Mio. in 2021 auf € 16,067 Mio. und € 16,362 Mio. fehle angesichts der Skalierbarkeit des Geschäftsmodells die Plausibilität, weil ein höherer Umsatz gerade nicht mit steigenden Reise- oder Raumkosten einhergehe. Steigende Reisekosten dürfe die Planung angesichts von Aussagen des Bundesgesundheitsministers, Corona werde auch in vier Jahren nicht besiegt sein, nicht ansetzen. Die Planung der Personalkosten mit einer linearen Fortschreibung blende die gegenläufigen Effekte aus zunehmender Digitalisierung, Automatisierung und Künstlicher Intelligenz aus. Erklärungsbedarf bestehe bei der Entwicklung der Material- und Lizenzaufwandsquote. Insgesamt vernachlässige die Planung das Auftreten von Skaleneffekten.
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(4) Unklar bleibe, welche Soll-Zinssätze bei der Zinsplanung zugrunde gelegt worden seien und ob es weiterhin nicht in die Steuerplanung eingeflossene Verlustvorträge gäbe und inwieweit Synergien in der Planung berücksichtigt worden seien.
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(5) In der Ewigen Rente müsse angesichts entsprechender Marktprognosen eine höhere EBIT-Marge als 9% angesetzt werden.
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(6) Bei der S… AG müsse ähnlich wie bei der R…-Group eine Ausschüttungsquote von 80% angenommen werden. Unklar bleibe, wie der Ansatz eines Wertbeitrags aus Thesaurierung in der Detailplanungsphase erfolgt sei.
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b. Der Kapitalisierungszinssatz müsse in all seinen Komponenten zugunsten der Minderheitsaktionäre angepasst werden; die Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern verbiete sich.
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(1) Dies gelte zunächst für den angesichts aktuell negativer Renditen zu hoch angesetzten Basiszinssatz. Für die Detailplanungsphase müsse ein gesonderter Basiszinssatz angesetzt werden. Auch stelle er nur historische Durchschnittszinssätze dar und reflektiere nicht die aktuellen Entwicklungen auf dem Zinsmarkt. Zudem hätte ein Abschlag wegen der Existenz von Credit Default Swaps vorgenommen werden müssen.
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(2) Herabgesetzt werden müsse auch der Risikozuschlag, dessen Ansatz ohnehin fragwürdig sei. Das herangezogene arithmetische Mittel stelle sich als ungeeignet dar, was auch für das (Tax-)CAPM insgesamt gelte. Die angesetzte Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern sei überhöht. Beim Beta-Faktor müsse der originäre Beta-Faktor der Gesellschaft, nicht eine ohnehin fehlerhaft zusammengesetzte Peer Group herangezogen werden. Sachgerecht wäre der Ansatz eines Branchen-Beta gewesen. Zudem hätte ausschließlich auf den zweijährigen Beta-Faktor abgestellt werden müssen.
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(3) Der Wachstumsabschlag müsse erhöht werden, weil Maßnahmen zur Generierung künftigen Wachstums wie die frühzeitige Ausweitung des Geschäfts auf neue, schnell wachsende und potentiell ertragreiche Märkt wie durch den Einstieg in den lukrativen E-Sport-Markt und in den stark wachsenden Glücksspielmarkt über die eigene Plattform Sp…50 GmbH und M… S… M… GmbH zeigen würden, dass ein großes Wachstum erzielt werde. Auch übersehe der Wachstumsabschlag die gehörige Preissetzungsmacht aufgrund exklusiver Sportrechte im Fußball. Bei einer unterhalb erwarteten Inflationsrate der Europäischen Zentralbank komme es zu einem negativen Wachstum der Gesellschaft.
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c. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen sei mit zu niedrigen Werten angesetzt worden, wobei in Bezug auf den Anteil an der Antragsgegnerin zusätzlich zu hinterfragen sei, ob er nicht zum betriebsnotwendigen Vermögen zu rechnen sei. Zudem müsse weitere nicht betriebsnotwendige Liquidität in den Unternehmenswert einfließen. Unklar bleibe auch die Art und Weise der Ermittlung der Werte der Beteiligungen und die Geschäftsbeziehung zu einem Mediafor Equity-Fonds.
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d. Der Börsenkurs müsse ebenfalls angepasst werden, weil am letzten Tag des Handels ein Kurs von € 2,36 erzielt worden sei. Zudem müsse der im Rahmen von Vorerwerben gezahlte Preis berücksichtigt werden.
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3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Anträge. Zur Begründung beruft sie sich im Wesentlichen darauf, die über den sachgerecht abgeleiteten Börsenkurs ermittelte Barabfindung sei angemessen und eine höhere Barabfindung lasse sich über den Ertragswert keinesfalls erzielen.
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a. Die Planannahmen seien durchweg plausibel und folglich nicht abzuändern.
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(1) Allgemeine Grundsätze der Planung seien nicht verletzt. Die ohnehin nur der Plausibilisierung dienende und nicht ausschlaggebende Vergangenheitsanalyse belege, dass die Planung zu deutlich besseren Ergebnissen führe als dann im Ist der Vergangenheit tatsächlich erzielt worden seien. Die Berücksichtigung stiller Reserven stehe im Widerspruch zu den Grundsätzen der Ertragswertmethode. Im Zusammenhang mit dem Erhalt der Barabfindung stehende Kosten seien ohne Bedeutung für den allein maßgeblichen Wert der Aktie. Eine anlassbezogene Planung liege ebenso wenig vor wie eine auf den Planzahlen und Vorgaben der Antragsgegnerin beruhende Planung.
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(2) Die Umsatzerlöse seien eher zu hoch als zu niedrig angesetzt, wie der Vergleich mit der Vergangenheit zeige. Der Anstieg von 2020 auf 2021 erkläre sich aus dem pandemiebedingten Einbruch in 2020, wobei die Covid-19-Pandemie auch 2021 noch nachwirke. Die durchschnittliche Wachstumsrate von 10,3% p.a. liege deutlich über den Markterwartungen. Der (Online-)TV-Werbemarkt könne nicht in Relation zum gesamten Werbemarkt gesetzt werden. Es gebe in der Planung auch keinen Widerspruch zu Branchentrends angesichts des geplanten Anstiegs von Marktanteilen auf 1,15% im Jahr 2023. Der Erwerb der Bundesliga-Verwertungsrechte führe ebenso wenig wie die erweiterten Beziehungen zu den Werbekunden X…, Y… und Z… zu stärkeren Umsatzerlösen, weil A… Hauptpartner der DFL bleibe und auch weiteren Sendern Übertragungsrechte zugeteilt worden seien. In Bezug auf die wesentlichen Übertragungsrechte für die 2. Bundesliga unterstelle die Planung die Fortsetzung über die Spielzeit 2024/25 hinaus. Trotz historisch rückläufiger Marktanteile und zunehmenden Wettbewerbs plane die Gesellschaft mit steigenden Marktanteilen. D… zähle trotz der Kooperation zu den Wettbewerbern, wobei die Planung die aus der erwarteten Verlängerung folgenden Effekte abbilde. Ebenso berücksichtige sie den über die Sp…50 GmbH erfolgenden Einstieg in das Glücksspielgeschäft, wobei der Abschlag am unteren Ende der vertretbaren Bandbreiten typischer Ausfallwahrscheinlichkeiten liege. Die Planung spiegele den neuen Medienstaatsvertrag ebenso wider wie die erwarteten Vorteile aus der Reform des Urheberrechts und die Wachstumschancen im Digitalgeschäft.
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(3) Der Anstieg des Material- und Lizenzaufwands beruhe auf dem Erwerb der Fußballbundesligalizenzen, der Geld koste; danach sinke der Aufwand wieder trotz unterstellter Fortdauer. Die Personalaufwandsquote sinke von 32,2% in 2020 bzw. 27,7% in 2021 sehr deutlich auf 23,3%, obwohl der Einstieg in das Glücksspielgeschäft wie auch der Ausbau des Digitalbereichs zusätzliches Personal erfordere. Die geplante Quote bei den sonstigen betrieblichen Aufwendungen liege deutlich unter der der Jahre 2018 bis 2020 trotz der wegen des Geschäftsaufbaus steigenden Reise- und Raumkosten und der mit zusätzlichen Kosten einhergehenden IT. Die Ergebnismarge von 9% sei mit der der Peer Group-Unternehmen vergleichbar und stelle sich aufgrund der besonderen Situation der Gesellschaft mit negativen Jahresergebnissen in der Vergangenheit sowie geplanten, aber unsicheren Umsatzsteigerungen und Produktivitätssteigerungen als sehr ambitioniert dar.
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(4) Die in Phase I angesetzte Thesaurierung bis einschließlich 2024 berücksichtige vertragliche Verpflichtungen und sei als Teil der Planung von den Minderheitsaktionären hinzunehmen. Die für 2025 beabsichtigte Ausschüttung erfolge wegen des hohen steuerlichen Einlagenkontos steuerfrei. Die im Terminal Value angesetzte Ausschüttungsquote von 50% entspreche dem Ausschüttungsverhalten anderer Unternehmen; angesichts der Steuerfreiheit resultiere daraus auch kein Nachteil für die Minderheitsaktionäre. Gerechtfertigt sei auch der Abzug für das thesaurierungsbedingte Wachstum im Terminal Value nicht beanstandet werden könne die Besteuerung inflationsbedingter Kursgewinne.
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(5) Die Ergebnismarge von 9% könne daher nicht beanstandet werden, zumal sie mit dem Durchschnitt der Peer Group-Unternehmen vergleichbar und im Hinblick auf die besondere Situation der Gesellschaft sehr ambitioniert sei.
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b. Kein Korrekturbedarf bestehe beim Kapitalisierungszinssatz unter Ansatz persönlicher Ertragsteuern.
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(1) Der mit Hilfe der Svensson-Methode ermittelte Basiszinssatz sei zutreffend abgeleitet worden. Ein fristenkongruenter Basiszinssatz müsse ebenso wenig angesetzt werden wie ein Abschlag wegen der Existenz Credit Default Swaps auf deutsche Staatsanleihen.
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(2) Der sachgerecht mit Hilfe des (Tax-)CAPM ermittelte Risikozuschlag müsse nicht herabgesetzt werden, nachdem sowohl eine ex postwie eine ex ante-Betrachtung einfließe. Bei der Marktrisikoprämie könne der Mittelwert aus den Empfehlungen des FAUB in Höhe von 5,75% nach Steuern angesetzt werden. Der mit 0,9 unverschuldet angesetzte Beta-Faktor reflektiere das spezifische Risiko der Gesellschaft. Dem originären Beta-Faktor fehle gemäß dem t-Test und dem Bestimmtheitsmaß R² die Signifikanz; zudem scheide dieser Ansatz schon wegen des Übernahmeangebots aus. Die Peer Group bedürfe keiner Veränderungen. Der angesetzte Beta-Faktor liege in der Mitte der Bandbreite der auf Basis lokaler Indizes für verschiedene Zeiträume ermittelten Beta-Faktoren. Ein globales CAPM lasse außer Betracht, dass es auf den typisierten deutschen Anteilseigner ankomme.
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(3) Eine Erhöhung des Wachstumsabschlags lasse sich nicht rechtfertigen. Dabei komme es hier auf die über den operativen Werteffekt hinausgehenden inflationsbedingten Wachstumspotentiale an, während die Gesamtwachstumsrate in der Ewigen Rente über dem Wert von 3,37 liege und das thesaurierungsbedingte Wachstum mit umfasse. Ein Schrumpfen der Erträge oder ein Ausscheiden aus dem Markt könne aus diesem Wachstumsabschlag folglich nicht abgeleitet werden. Auch ergebe sich daraus kein Widerspruch zur Marktrisikoprämie und zum Beta-Faktor.
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c. Die Sonderwerte und dabei namentlich das nicht betriebsnotwendige Vermögen seien zutreffend erfasst worden. Der Ansatz des Kaufpreises aus dem Kaufvertragsentwurf mit Dritten für einen Aktienanteil an der Antragsgegnerin führe zum höchsten denkbaren Wert. Die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Media-for-Equity-Fonds seien zutreffend unter Berücksichtigung des Werts der Fondsanteile erfasst. Die Berücksichtigung der bestrittenen Ansprüche der Gesellschaft hätte mangels rechtskräftiger Feststellung im Spruchverfahren gänzlich unterbleiben müssen und könne keinesfalls erhöht werden. Sonstige nicht betriebsnotwendige Immobilien oder Kunstgegenstände habe es nicht gegeben, während die nicht betriebsnotwendige Liquidität durch eine steuerfreie Ausschüttung voll umfänglich berücksichtigt worden sei. Immaterielle Vermögensgegenstände wie insbesondere Marken seien betriebsnotwendig und daher nicht nochmals zu erfassen.
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4. a. Das Gericht hat mit Beschluss vom 2.11.2022 (Bl. 82 d.A.) Herrn Rechtsanwalt … zum gemeinsamen Vertreter der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre bestellt. Mit Verfügung vom selben Tag hat der Vorsitzende die Bekanntmachung der Bestellung im Bundesanzeiger (Bl. 92 d.A.) veranlasst. Der gemeinsame Vertreter rügt namentlich den unterbliebenen Ansatz des unternehmenseigenen Beta-Faktors, die Zusammensetzung der Peer Group sowie die mit 5,75% nach Steuern überhöht angesetzte Marktrisikoprämie.
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b. In der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2023 hat das Gericht die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer von M… – Herrn Wirtschaftsprüfer … H…, Herrn Dr. … E… und Frau … W… – mündlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Anhörung wird in vollem Umfang Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2023 (Bl. 137/155 d.A.).
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5. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2023 (Bl. 137/155 d.A.).
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Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung sind zulässig, jedoch nicht begründet.
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I. Die Anträge aller Antragsteller sind zulässig.
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1. Die Antragsteller sind jeweils antragsbefugt im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 SpruchG, weil sie im Zeitpunkt der Eintragung des Beschlusses über den Squeeze out in das Handelsregister der S… AG am 2.2.2022 Aktionäre der Gesellschaft waren. Die Antragsgegnerin hat den entsprechenden Antrag aller Antragsteller entweder von vornherein nicht bestritten oder im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt bzw. nicht mehr bestritten, weshalb er gemäß §§ 8 Abs. 3 SpruchG, 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.
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2. Die Anträge wurden jeweils fristgerecht gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG beim Landgericht München I eingereicht, also innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses entsprechend den Vorgaben aus § 10 HGB. Diese Bekanntmachung erfolgte am 3.2.2022, weshalb die Frist am 3.5.2022 endete. Spätestens an diesem Tag gingen alle Anträge zumindest per Telefax und folglich fristwahrend beim Landgericht München I ein.
41
3. Alle Antragsteller haben innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation erhoben, weshalb die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 SpruchG erfüllt sind. Aufgrund dieser Vorschrift sind konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit nach § 1 SpruchG oder gegebenenfalls den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert in die Antragsbegründung aufzunehmen. Diesen Anforderungen werden alle Anträge gerecht, weil die Anforderungen an die Konkretisierungslast nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer in Übereinstimmung mit dem BGH nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH NZG 2012, 191, 194 = ZIP 2012, 266, 269 = WM 2012, 280, 283 = DB 2012, 281, 284; LG München I ZIP 2015, 2124, 2126; Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.4.2023, § 4 SpruchG Rdn. 24). Die Antragsgegnerin hat insoweit auch keine Bedenken geäußert, weshalb weitere Ausführungen hierzu nicht veranlasst sind.
42
II. Die Anträge sind jedoch nicht begründet, weil die Barabfindung in Höhe von € 2,30 je Aktie als angemessen angesehen werden muss.
43
Aufgrund von § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG legt der Hauptaktionär die Höhe der Barabfindung fest; sie muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Die Barabfindung ist dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also den vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG muss der Aktionär einen vollständigen wirtschaftlichen Ausgleich für die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung als Aktionär gewährt werden. Hierzu muss der „wirkliche“ oder „wahre“ Wert des Anteilseigentums widergespiegelt werden (vgl. nur OLG München WM 2009, 1848 f. = ZIP 2009, 2339, 2340; ZIP 2007, 375, 376; AG 2020, 133, 134 f. = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 21 W 15/11, zit. nach juris; OLG Stuttgart ZIP 2010, 274, 276 = WM 2010, 654, 646; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 791 = Der Konzern 2018, 74, 75; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; LG München I AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17096/11; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 30.6.2023, Az. 5HK O 4509/21).
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Die Barabfindung ist dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also den vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Zu ermitteln ist also der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (vgl. nur BayObLG, Beschluss vom 18.5.2022, Az. 101 ZBR 97/20; OLG München WM 2009, 1848 f. = ZIP 2009, 2339, 2340; ZIP 2007, 375, 376; AG 2020, 133, 134 f. = WM 2019, 2104, 2106; NZG 2022, 362, 364; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 21 W 15/11, zit. nach juris; OLG Stuttgart ZIP 2010, 274, 276 = WM 2010, 654, 646; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 791 = Der Konzern 2018, 74, 75; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; LG München I AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; AG 2020, 222, 223; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17096/11; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15, Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20).
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Unter Beachtung dieser Grundsätze muss die festgesetzte Barabfindung in Höhe von € 2,30 je Aktie als angemessen angesehen werden, weil der Ertragswert den Börsenkurs nicht überschreitet, bei dessen Ermittlung von der richtigen Referenzperiode ausgegangen wurde und auch andere Wertermittlungen zu keiner höheren Barabfindung führen bzw. zur Ermittlung des Abfindungsbetrages nicht geeignet sind.
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1. Der Ansatz des Börsenkurses mit € 2,30 je Aktie auf der Basis eines Referenzzeitraums von drei Monaten vor der Bekanntmachung der Squeeze out-Absicht an die Kapitalmärkte durch die Pressemitteilung vom 29.6.2021 ist sachgerecht gewählt. Auf Börsenkurse zu bestimmten Stichtagen oder in einem anders gewählten Referenzzeitraum kann es nicht ankommen.
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a. Nach der Rechtsprechung insbesondere auch des Bundesverfassungsgerichts ist bei der Bemessung der Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu ermittelnde Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung, sondern als Untergrenze der Abfindung wegen der Wertung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG der Börsenwert zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 100, 289, 305 ff. = NJW 1999, 3769, 3771 ff. = NZG 1999, 931, 932 f. = AG 1999, 566, 568 f. = ZIP 1999, 1436, 1441 ff. = WM 1999, 1666, 1669 ff. = DB 1999, 1693, 1695 ff. = BB 1999, 1778, 1781 f. – DAT/Altana; BVerfG WM 2007, 73 = ZIP 2007, 175, 176 = AG 2007, 119 f.; BGH NJW 2010, 2657, 2658 = WM 2010, 1471, 1473 = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 = NZG 2010, 939, 940 f. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 = Der Konzern 2010, 499, 501 – Stollwerck; OLG München AG 2007, 246, 247; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514; Koch, AktG, 17. Aufl., § 327 b Rdn. 6 f. und § 305 Rdn. 29; Schnorbus in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 327 b Rdn. 3; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., § 327 b Rdn. 9a; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, 1. Aufl., Anh § 11 Rdn. 197 f.; Meilicke/Kleinertz in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 305 AktG Rdn. 36). Ob die vom BGH entwickelten Grundsätze zur alleinigen Maßgeblichkeit des Börsenkurses vgl. BGH AG 2023, 443, 444 f. = ZIP 2023, 795, 796 f. = WM 2023, 714, 715 f. = DB 2023, 953, 954 f. = Der Konzern 2023, 217, 219) hier zur Anwendung gelangen könnten, muss nicht entschieden werden, weil der Ertragswert hier entsprechend den Ausführungen unter B. II. 2. deutlich niedriger liegt und eine Herabsetzung der von der Hauptversammlung festgelegten Barabfindung ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 207, 114, 129 = NZG 2016, 139, 143 = AG 2016, 135, 140 = WM 216, 157, 162 = WM 2016, 157, 162 = Der Konzern 2016, 88, 92 = NJW-RR 2016, 231, 235 f.; OLG Frankfurt AG 2017, 832, 834; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, a.a.O., § 11 SpruchG Rdn. 2; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 11 SpruchG Rdn. 7).
48
Der BGH geht nunmehr in Übereinstimmung mit der überwiegend vertretenen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur und unter teilweiser Aufgabe seiner früher vertretenen Auffassung mit Beschluss vom 19.7.2010, Az. II ZB 18/09 (vgl. BGH NJW 2010, 2657, 2658 ff. = WM 2010, 1471, 1472 ff. = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 ff. = NZG 2010, 939, 941 ff. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 ff. = Der Konzern 2010, 499, 501 ff. – Stollwerck; bestätigt durch BGH AG 2011, 590 f. = ZIP 2011, 1708 f.; ebenso OLG Stuttgart ZIP 2007, 530, 532 ff. = AG 2007, 209, 210 ff. = NZG 2007, 302, 304 ff. – DaimlerChrysler; ZIP 2010, 274, 277 ff.; OLG Düsseldorf ZIP 2009, 2055, 2056 ff. = WM 2009, 2271, 2272 ff.; Der Konzern 2010, 519, 522; OLG Frankfurt NZG 2010, 664; AG 2012, 513, 514; ebenso Koch, AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 43; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 395 Rdn. 52 f.; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 61; Tonner in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1581, 1597 ff.) davon aus, der einer angemessenen Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie müsse grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung einer Strukturmaßnahme ermittelt werden.
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Die Tatsache des Handels der Aktien im Freiverkehr steht dem nicht entgegen. Artikel 17 Abs. 1 MAR über die Verpflichtung zur Erteilung von Insiderinformationen gilt auch für im Freiverkehr notierte und gehandelte Aktien, welche im Grundsatz auch von einer hinreichenden Markttransparenz ausgegangen werden kann (vgl. OLG Düsseldorf WM 2023, 1070, 1073; Stephan in: K. Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 100). Bei ihrer Prüfung gelangten die Abfindungsprüfer zu dem Ergebnis, dass für die Aktien der Gesellschaft im Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Bekanntgabe an mehr als einem Drittel der Handelstage Kurse festgestellt und keine Kurssprünge von mehr als 5% aufgrund der Wertung aus § 5 Abs. 4 WpÜG-AngVO ermittelt wurden; somit lag eine Marktenge nicht vor. Damit aber muss von einer hinreichenden Aussagekraft des Börsenkurses ausgegangen werden.
50
b. Die Frist von drei Monaten endete am Montag, den 28.6.2021. Für diesen Zeitraum ermittelte sich ein volumengewichteter Durchschnittskurs von € 2,30. Auf nach diesem Zeitpunkt liegende Durchschnittskurse oder einzelne über dem Abfindungsbetrag liegende Tageskurse kann es folglich nicht entscheidungserheblich ankommen.
51
Da die Hauptversammlung am 14.12.2021 stattfand, also nur rund 5 ½ Monate nach der Bekanntgabe der Absicht zur Durchführung eines Squeeze out an die Kapitalmärkte, kann auch nicht von einem längeren Zeitraum ausgegangen werden, der eine Hochrechnung erforderlich machen würde. Ein Zeitraum von doch nicht unerheblich unter 7 ½ Monaten kann noch nicht als längerer Zeitraum angesehen werden (vgl. hierzu BGH NJW 2010, 2657, 2660 = WM 2010, 1471, 1475 = ZIP 2010, 1487, 1491 = AG 2010, 629, 632 = NZG 2010, 939, 942 = DB 2010, 1693, 1697 = BB 2010, 1941, 1944 = Der Konzern 2010, 499, 503 – Stollwerck). Es liegt in der Natur der Sache der Vorbereitung eines Squeeze out-Beschlusses, dass sich diese über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckt, nachdem insbesondere ein Bewertungsgutachten zum Unternehmenswert der S… AG zu erstellen ist und ein – wenn auch zulässigerweise im Wege der Parallelprüfung erstellter – Prüfungsbericht gefertigt werden muss, der die Struktur der S… AG mit für die Gesellschaft neuen Geschäftsmodellen wie dem Online-Glücksspiel berücksichtigen muss. Würde man den längeren Zeitraum dagegen bereits unterhalb der vom BGH gezogenen Grenze von 7 ½ Monaten ansetzen, bestünde zudem die Gefahr, dass die als Ausnahme konzipierte Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH zur Regel wird (vgl. OLG Saarbrücken AG 2014, 866, 867 f. = ZIP 2014, 1784, 1786; Wasmann ZGR 2011, 83, 94 ff., 96; Bungert/Wettich BB 2010, 2227, 2229; Decher ZIP 2010, 1673, 1675 f.). Soweit in einer jüngeren Studie die Ansicht vertreten wird, angesichts eines Durchschnitts von vier Monaten und drei Tagen im Median müsse bei einem längeren, also über diesen Durchschnitt hinausgehenden Zeitraum eine Anpassung im Sinne einer Hochrechnung erfolgen (vgl. Weimann, Spruchverfahren nach Squeeze out, 2015, S. 409), kann dem nicht gefolgt werden. Selbst wenn diese Zeitspanne der Durchschnitt sein mag, führt nicht jede Überschreitung um etwas mehr als einen Monat zu der Annahme, es müsse eine Anpassung oder Hochrechnung erfolgen. Dieser Ansatz in der Literatur berücksichtigt nämlich nicht hinreichend die Besonderheiten des Einzelfalles wie beispielsweise die Größe und Komplexität des zu bewertenden Unternehmens.
52
2. Eine höhere Abfindung kann nicht auf der Basis des mit Hilfe der Ertragswertmethode ermittelten Unternehmenswert abgeleitet werden, weil dieser mit € 1,96 je Aktie deutlich unter dem Börsenkurs liegt. Nach dieser Methode bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird.
53
Der Ertragswert eines Unternehmens wird dabei durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert zum Stichtag nicht geben kann. Vielmehr kommt dem Gericht die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert als Grundlage der Abfindung im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. nur BGHZ 208, 265, 272 = NZG 2016, 461, 462 = AG 2016, 359, 360 f. = ZIP 2016, 666, 668 = WM 2016, 711, 713 f. = DB 2016, 883, 885 = MDR 2016, 658 f. = NJW-RR 2016, 610, 611 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; AG 2007, 287, 288; NZG 2022, 362, 364 f.; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; Beschluss vom 9.4.2021, Az. 31 Wx 2/19; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 130; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; AG 2016, 329 = ZIP 2016, 71, 72 = WM 2016, 1685, 1687; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189; AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 15685/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20; Beschluss vom 30.6.2023, Az. 5HK O 4509/21). Dabei ist es nicht geboten, zur Bestimmung des wahren „Wertes“ stets jede denkbare Methode der Unternehmensbewertung heranzuziehen oder die Kompensationsleistung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zu berechnen. Verfassungsrechtlich geboten sind nur die Auswahl einer im vorliegenden Fall geeigneten, aussagekräftigen Methode und die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Anwendung (vgl. BVerfG NJW 2011, 2497, 2498 = NZG 2011, 869, 870 = AG 2011, 511 f. = ZIP 2011, 1051, 1053 = WM 2011, 1074, 1075 f. = BB 2011, 1518, 1520; NZG 2012, 907, 908 f. = AG 2012, 625, 626 = ZIP 2012, 1408, 1410 = WM 2012, 1374, 1375 = BB 2012, 2780 f.; OLG München AG 2020, 133, 134 = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 30.7.2018, Az. 31 Wx 136/16; OLG Düsseldorf AG 2016, 864, 865). Die Ertragswertmethode ist – wie ausgeführt – in Rechtsprechung und Literatur wie auch der bewertungsrechtlichen Praxis weithin anerkannt. Auch bei dem Standard IDW S1 handelt es sich um eine fachliche Bewertungsweise, mit deren Hilfe der Ertragswert bestimmt werden kann. Die Kammer sieht diese Methode, auch wenn sie von einem privaten Verein entwickelt wurde und daher keinen bindenden Rechtsnormcharakter haben kann, als zur Unternehmenswertermittlung geeignet an, weshalb sie hier zugrunde gelegt werden kann.
54
Die Möglichkeit, den Unternehmenswert anhand des Ertragswertverfahrens entsprechend den Grundsätzen des IDW S1 sachgerecht zu ermitteln, zeigt sich letztlich auch aus der Wertung der §§ 199 ff. BewG. Aufgrund von § 201 BewG bildet der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag die Grundlage für die Bewertung bei steuerlichen Anlässen. Dieses Verfahren ist zwar von Typisierungen und Vereinfachungen geprägt, um die steuerliche Abwicklung zu erleichtern (vgl. Krumm in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, 39. Erg.Lfg, Stand: Oktober 2021, Kap. 94 Rdn. 25), orientiert sich aber von der Methodik her an den Grundsätzen des Ertragswertverfahrens entsprechend dem Standard IDW S1, wie es sich in der – auch von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gebilligten – Praxis durchgesetzt hat. Der Gesetzgeber geht in §§ 199 ff. BewG sehr wohl davon aus, dass sich der Unternehmenswert auf diese Art und Weise durch Kapitalisierung der künftig zu erzielenden Überschüsse ermitteln lässt, wie dies auch dem Standard IDW S1 zugrunde liegt (vgl. auch OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113 f.). Daher ist den im Hinweisbeschluss des Landgerichts Köln, Az. 82 O 2/16 geäußerten Zweifeln an der Tragfähigkeit der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts nach dem Standard IDW S1 nicht zu folgen.
55
Diesem Ansatz lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Berechnung müsse in Anlehnung an die Best Practice-Empfehlungen der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management zumindest plausibilisiert werden. Die Ertragswertmethode ist in der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis weithin anerkannt und üblich, weshalb sie entsprechend den Vorgaben insbesondere auch des BGH der Ermittlung des Unternehmenswerts als Grundlage der angemessenen Barabfindung bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen zugrunde gelegt werden kann. Angesichts dessen bedarf es nicht zwingend einer weiteren Überprüfung durch eine andere Methode, die zudem nicht unerheblicher Kritik in der Fachliteratur ausgesetzt ist, weil das Konzept des markttypischen Erwerbers sich vom relevanten Bewertungsobjekt unzulässiger Weise entferne und es auch zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung der Unsicherheit im Bewertungskalkül komme (vgl. Olbrich/Rapp CF 2012, 233 ff.; auch Quill, Interessengeleitete Unternehmensbewertung – Ein ökonomisch-soziologischer Zugang zu einem neuen Objektivismusstreit, Diss. Universität des Saarlandes, 2016, S.330 f.). Auf eine variable Bandbreite abzielende Empfehlungen sind keinesfalls besser geeignet als die Ertragswertmethode, weil eine Bandbreite keine angemessene Barabfindung darstellen kann, nachdem diese auf einen bestimmten Betrag lauten muss.
56
Für die S… AG ergibt sich zum Stichtag der Hauptversammlung am 14.12.2021 ein Unternehmenswert von € 183,804 Mio., woraus sich dann eine Abfindung von € 1,96 je Aktie errechnet, die aber unter dem für den Beschluss der Hauptversammlung maßgeblichen Börsenkurs von € 2,30 liegt.
57
a. Grundlage für die Ermittlung der künftigen Erträge ist die Planung der Gesellschaft, die auf der Basis einer Vergangenheitsanalyse vorzunehmen ist und vorliegend auch vorgenommen wurde. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge allerdings nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. BVerfG NJW 2012, 3020, 3022 = NZG 2012, 1035, 1037 = AG 2012, 674, 676 = ZIP 2012, 1656, 1658 = WM 2012, 1683, 1685 f.; OLG München BB 2007, 2395, 2397; ZIP 2009, 2339, 2340 = WM 2009, 1848, 1849; NZG 2022, 362, 367 f.; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 114; AG 2006, 420, 425; 2007, 705, 706). Demzufolge kann eine Korrektur der Planung nur dann erfolgen, wenn diese nicht plausibel und unrealistisch ist (vgl. OLG München WM 2009, 1148, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; OLG Frankfurt ZIP 2010, 729, 731; OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 354; OLG Stuttgart AG 2014, 291, 296 f.; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = Der Konzern 2016, 94, 96 = DB 2015, 2200, 2202; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189 f.; ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20). Diese Grundsätze wurden bei der S… AG zutreffend angewandt.
58
(1) Dies gilt zunächst für die allgemeinen Erwägungen, auf denen die Planung der Gesellschaft beruht.
59
(a) Bei der S… AG gab es keine grundlegende Veränderung des Geschäftsmodells, die eine Vergangenheitsanalyse hinfällig erscheinen ließe, auch wenn sie die Bundesliga-Verwertungsrechte für die Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25 und für den DFB-Pokal von 2022/23 bis 2025/26 erlangte. Das Lizenzportfolio der Gesellschaft verändert sich nämlich aufgrund zeitlicher Begrenzungen der Lizenzrechte und von Neustrukturierungen der Rechteinhaber fortlaufend. Zudem muss gesehen werden, dass die Gesellschaft auch in der Vergangenheit Verwertungsrechte für Fußballspiele wie die in der UEFA Europa League erworben hatte.
60
(b) Vorgenommene Anpassungen im Vergleich zu der im Herbst 2020 erstellten Planung, die der Aufsichtsrat in seiner Sitzung vom 8.12.2020 zustimmend zur Kenntnis genommen hatte, können die Berücksichtigungsfähigkeit der für die Ermittlung des Unternehmenswerts und damit der Abfindung maßgeblichen Planung mit vorgenommenen Aktualisierungen nicht infrage stellen. Dabei wurde das Budget 2021 an den aktuellen Forecast für das laufende Geschäftsjahr 2021 angepasst. Diese Aktualisierung führte dann auch zu Abweichungen von der ursprünglichen Mittelfristplanung. Die vorgenommenen Anpassungen waren indes notwendig, weil die Planung anderenfalls zum Stichtag bereits angelegte Entwicklungen nicht mehr abgebildet hätte und somit auch nicht mehr aktuell gewesen wäre. Die Abweichungen gingen dabei in eine negative Richtung. Im ersten Halbjahr des Jahres 2021 zeichnete sich nach den Aussagen der Abfindungsprüfer bereits eine Verschlechterung der aktuellen Planung ab – eine Entwicklung, die nahezu durchweg auch im Zeitraum der Vergangenheitsanalyse zu beobachten war, als die Ist-Ergebnisse jeweils auch deutlich die Planannahmen verfehlten.
61
(2) Aus diesen Aktualisierungen kann jedoch nicht auf eine besonders kritisch zu sehende Anlassplanung (vgl. hierzu OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 330 = ZIP 2016, 71, 72 f, = WM 2016, 1685, 1687 f.; OLG Karlsruhe AG 2016, 672, 673) geschlossen werden. Ohne Berücksichtigung neuerer Entwicklungen bei den Planansätzen würde die Abfindung nämlich nicht mehr die Verhältnisse zum Stichtag der Hauptversammlung widerspiegeln, wie dies von den maßgeblichen Vorschriften der §§ 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG, 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG jedoch gefordert wird (vgl. OLG München AG 2019, 659, 660; LG München I, Beschluss vom 2.12.2016, Az. 5 HK O 5781/15). Darüber hinausgehende Ansätze für einen Eingriff in die Planungshoheit des Vorstands der S… AG durch die Antragsgegnerin konnten die Abfindungsprüfer nach der Aussage von Herrn Dr. E… im Termin vom 15.6.2023 nicht gewinnen.
62
b. Angesichts der Plausibilität der Annahmen zur Umsatzplanung sind dort Änderungen nicht geboten.
63
(1) Der gesamte Umsatzanstieg von € 80 Mio. im Jahr 2020 auf € 110 Mio. im Jahr 2021 rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, es müsse in der Detailplanungsphase insgesamt zu einem höheren Anstieg kommen. Die Wachstumsrate des Jahres 2021 lässt sich nicht über einen längeren Zeitraum fortschreiben. Zum einen beruht das Umsatzwachstum auf Aufholeffekten nach der Covid-19-Pandemie, die im März 2020 begann und zu massiven Einschränkungen auch im Bereich von live zu übertragenden Sportereignissen führte, die nicht mehr stattfinden konnten. Zum anderen muss die neue Lizenzrechtssituation beachtet werden, die sich wegen der damit gleichzeitig verbundenen Lizenzaufwendungen nicht beliebig fortschreiben lässt. Diese Effekte sind im Jahr 2021 abgebildet; aus ihnen kann aber – worauf Herr Dr. E… überzeugend hinwies – eine mechanische Fortschreibung nicht hergeleitet werden.
64
Das Erreichen der Gesamtleistung des Jahres 2018 mit nominal € 130 Mio. erst im Jahr 2022 kann eine mangelnde Plausibilität nicht begründen. Im Jahr 2018 verfügte die Gesellschaft über die Lizenzrechte für die UEFA Europa League, die 2019 ausliefen, aber zuvor angesichts der Attraktivität europäischer Fußballwettbewerbe hohe Reichweiten und Einschaltquoten brachten. Durch das Live-Spiel der 2. Fußball-Bundesliga soll dieser Verlust im Jahr 2022 kompensiert werden, wobei zu beachten ist, dass die Gesellschaft die Übertragungsrechte für ein gesamtes Jahr erst im Jahr 2022 nutzen kann, nachdem die Spielzeiten immer erst im Sommer beginnen. Nach den Erläuterungen von Herrn Dr. R. von der Bewertungsgutachterin zum Forecast 2021 war absehbar, dass das Umsatzniveau operativ nur auf € 100 Mio. ansteigen werde, was indes durch den Verkauf des Namensrechts „Sp…50“ ausgeglichen wird, wodurch sonstige betriebliche Erträge generiert werden. Im operativen Bereich war absehbar, dass bei der 2. Liga mit dem Live-Spiel vom Samstag nicht unmittelbar erkennbar war, inwieweit die erhofften Erträge tatsächlich erwirtschaftet werden würden.
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(2) Das aus erweiterten Beziehungen zu den Werbekunden X…, Y… und Z… erwartete Potential wird in der Planung nicht unterschätzt. Die hieraus zu erzielenden Einnahmen sind in vollem Umfang in der Planung abgebildet, wobei es Beziehungen zu diesen drei Kunden schon in der Vergangenheit gab. Der Berücksichtigung kann insbesondere nicht die steigende Materialaufwandsquote für Material- und Lizenzaufwendungen entgegengehalten werden. Der wesentliche Grund für diesen Anstieg liegt nämlich in dem Erwerb des Übertragungsrechtepakets für die 2. Fußball-Bundesliga und dem damit verbundenen Lizenzaufwand.
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Auch wenn im Bereich Produktion über die Tochtergesellschaft P. GmbH eine Kooperation mit D… bei der Konzipierung und Durchführung von Sendungen stattfand, ändert dies nichts an der Tatsache eines deutlichen Wettbewerbsverhältnisses zwischen den beiden Unternehmen, wenn es um den Erwerb von Lizenzrechten geht. Bei der Bewertung dieses Wettbewerbsverhältnisses darf nicht übersehen werden, dass D… aktuell mit Rechten an der 1. Liga wie auch der UEFA Champions League über die attraktiveren Angebote im Vergleich zur 2. Fußball-Bundesliga verfügt, weshalb bei diesen Sendungen deutlich höhere Werbeeinnahmen erwirtschaftet werden können als bei der Ausstrahlung der Live-Spiele der 2. Liga durch den Sender S… Der Umsatzanstieg von € 110,9 Mio. aus dem Forecast 2021 auf € 128 Mio. in 2022, mithin um 16,2%, beruht auf dem Erwerb des DFL-Rechtepakts mit den Top-Spiel der 2. Liga, dass erstmals im Jahr 2021 für zwölf Monate durch Ausstrahlung verwertet werden konnte. Im Jahr 2021 begann die Ausstrahlung erst mit dem Saisonstart im Sommer. Daher geht die Planung für das Gesamtjahr 2022 von einem höheren Marktanteil und einer entsprechenden Reichweitensteigerung aus, was dann wiederum höhere Werbeerlöse nach sich ziehen soll. Für die Zeit nach dem Ende des konkreten Rechtepakets zum Abschluss der Saison 2024/25 unterstellt die Planung eine Fortführung oder einen Neuabschluss zu gleichen Konditionen mit gleichen Reichweiten oder alternativ den Erwerb vergleichbarer Rechte, die dieselben Erträge erwirtschaften sollen.
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(3) Die Auswirkungen des Staatsvertrags zur Modernisierung der Medienordnung vom April 2020 sind in die Planung eingeflossen; der Inhalt des Vertrages war zum Stichtag bereits bekannt. In diesem Zusammenhang muss beachtet werden, dass die Möglichkeiten zum Ausstrahlen von Werbung liberalisiert wurden. In starken Zeiten mit hohen Einschaltquoten ermöglicht der Vertrag mehr Werbung als in der zuvor gültigen Fassung. Allerdings sind auch nicht zu vernachlässigende Risiken mit der Neuregelung verbunden, selbst wenn diese quantitativ nicht abgebildet werden können. In reichweitenstarken Sendern gibt es mehr Werbeplätze. Daher droht in der Prime Time ein Abzug von Werbeplätzen von Sendern der S… AG. Als weiteres Risiko ist die leichte Auffindbarkeit in voreingestellten Plätzen beispielsweise auf Smartphones zu sehen; hier gibt es eine verpflichtende Rangordnung der Sender entsprechend ihrer Diversifizierung. Dies hat dann aber zur Folge, dass ein Programm für einen Nischenanbieter wie die Gesellschaft mit ihrem Sender S… in der Rangfolge nach unten rutscht, was wiederum negative Auswirkungen auf die Werbeerlöse hat.
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(4) Der zum 1.7.2021 in Kraft getretene Glücksspielstaatsvertrag floss mit seinen Auswirkungen auf die Umsatzplanung gleichfalls in angemessenem Umfang in die Planung ein. Aufgrund dieses Staatsvertrages können bundesweit Lizenzen für das Anbieten und Vermitteln von Online-Poker und virtuellen Automatenspielen beantragt werden. Der entsprechende Antrag auf Erteilung der notwendigen Lizenzen wurde am 12.7.2021 gestellt – weder zum Abschluss der Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer von M… noch zum Stichtag der Hauptversammlung hatte die zuständige Behörde aber über diesen Antrag entschieden; die Lizenz wurde nach Auskunft von Herrn Dr. Ru… erst im April 2023 erteilt. Ungeachtet dessen floss der Businessplan der zu diesem Zweck gegründeten Sp…50 GmbH in die Unternehmensbewertung ein. Den Abfindungsprüfern stand der Businessplan der Sp…50 GmbH zur Beurteilung zur Verfügung. Die Abbildung der Erlöse aus dem Glücksspielbereich erfolgte in dem Profitcenter Agentur und ist dort ein wesentlicher Treiber der Umsatzzahl. Für diesen Bereich ging die Planung von einem Umsatz von € 148.000,- im Jahr 2021, von € 2,6 Mio. im Jahr 2022, von € 3,5 Mio. im Jahr 2023, von € 5,9 Mio. im Jahr 2024 und von € 6.1 Mio. im Jahr 2025 aus, während sich das EBIT von – € 431.000,- im Jahr 2021 über € 890.000,- im Jahr 2022, € 1,3 Mio. im Jahr 2023, € 2,2 Mio. im Jahr 2024 auf € 2,3 Mio. im Jahr 2025 verbessern soll. Diese Entwicklung zeigt indes, dass der Einstieg in den Glücksspielmarkt über die Tochtergesellschaft 50 Plus einen durchaus nicht unerheblichen Anteil am Ergebnis der S… AG erbringen soll.
69
Nicht zu beanstanden ist dabei der in diesen Zahlen erfolgte Ansatz eines Risikoabschlags von 40% bei der Sp…50 GmbH. Aus Sicht der S… AG muss diese Tochtergesellschaft als Start up eingestuft werden, bei dem es spezifische Risiken für die Muttergesellschaft gilt. Dabei wies Herr Dr. E… in erster Linie auf die zum Stichtag der Hauptversammlung fehlende Lizenzerteilung hin. Zum anderen fehlt der Gesellschaft ein vergleichbares Know how, über das andere Player verfügen, selbst wenn sie sich nicht im illegalen oder halblegalen Glücksspielmarkt bewegen. Denn auch hier reiht sich die Gesellschaft – worauf Herr Dr. Ru… überzeugend hinwies – in eine Vielzahl anderer legaler Anbieter ein. Aufgrund vergleichsweise niedriger Eintrittsbarrieren kann kein zu großer Gewinn erwartet werden. Dennoch soll dieser Bereich zum gesamten EBIT des Jahres 2025 von € 13,134 Mio. einen Anteil von etwa 17,5% beitragen. Der Plausibilität dieser Annahmen kann auch nicht die Tatsache entgegengehalten werden, die Gesellschaft könne jetzt Werbung für ihre eigene Plattform machen. Es muss nämlich andererseits die gegenläufige Tendenz gesehen werden, dass sie dann aber keine Werbung mehr für andere Glücksspielanbieter in den Slots ausstrahlen kann, in denen sie für die eigenen Glücksspielangebote wirbt, wodurch Werbeeinnahmen verloren gehen.
70
Zudem ist zur Überzeugung der Kammer die Annahme lebensfremd, der graue Glücksspielmarkt werde durch die nunmehrige Regulierung vollständig ausgetrocknet und die mit hohem Einsatz spielenden sogenannten „High Roller“ wurden nicht mehr bei ausländischen Konkurrenten im Graubereich spielen. Zudem werden, wie Herr Dr. E… erläuterte, die Einsätze in Deutschland mit einer Einsatzsteuer belegt, was die Attraktivität jedenfalls für High Roller nicht steigern wird.
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Der Ansatz eines Abschlags von 40% ist als moderat zu bezeichnen. Herr E… verwies auf Studien zu Überlebenswahrscheinlichkeiten von Start up-Unternehmen, die von einer Ausfallwahrscheinlichkeit in einer Bandbreite zwischen 30% und 80% ausgehen.
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(5) Die in die Planung eingeflossenen Werbeeinnahmen müssen als plausibel gezeichnet werden. Eine mangelnde Plausibilität ergibt sich dabei gerade nicht aus einem Vergleich mit der Statistik von Statista im Jahr 2021. Deren Ausführungen stellen nämlich auf Bruttowerte ab. Andererseits stellen auch die Statistikwerte von Statista den Bezug zum Konzernumsatz der S… AG her. Die Planung der Gesellschaft bildet sachgerecht nur Nettowerte ab. Während die Bruttowerte den Listenpreis darstellen, müssen für die Umsatzplanung Rabatte und andere Gegengeschäfte abgezogen werden. Nur diese tatsächlich erzielten niedrigeren Nettoumsätze können in die Planung einfließen.
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Die Annahmen zum Wachstum der Einnahmen des Fernsehmarkts aus Werbung bis 2021 um 3%, der Connected-TV-In-Stream-Videowerbung um 24,7%, des Online-TV um 9,5% sowie des linearen TV-Werbemarktes, die von den Bewertungsgutachtern im Rahmen einer Markt- und Wettbewerbsanalyse angesetzt wurden, stehen nicht in Widerspruch zu den Werbemarktprognosen von Statista mit einem Wachstum von 10,9% in 2021, von 5% in 2022 und für Westeuropa von 15% bzw. 5,4% in diesen beiden Jahren. Für die S… AG ist der Fernsehmarkt von entscheidender Bedeutung. Daher war die von den Abfindungsprüfern und den Bewertungsgutachtern zur externen Plausibilisierung herangezogene PwC-Studie sehr viel aussagekräftiger, weil sich diese Studie sehr viel gezielter die Bereiche Sport und Entertainment erfasst.
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(6) Die Planung unterschätzt nicht die Präsentation der Gesellschaft als führendes Unternehmen, bei dem der Umsatz im Wesentlichen über Werbe- und/oder Sponsoringerlöse sowie im Pay TV-Bereich durch vertraglich vereinbarte Garantiezahlungen bzw. abonnentenbasierte Einspeiseverträge mit den Betreibern von Pay TV-Plattformen abgesichert sei. Die Abfindungsprüfer wiesen nämlich darauf hin, dass laufende Zahlungen auf der Basis von Abonnements bei der S… AG keine wesentliche Rolle spielen. Die Übertragungsrechte bezeichneten sie zwar als einzige wesentliche Absicherung; diese müssen aber für jede Sendung erst einmal in Reichweite und Werbeerlöse umgesetzt werden. Dem stehen aber Lizenzaufwendungen als fixe Größe gegenüber. Angesichts dessen ist der Absicherungsgrad nicht als Vorteil, sondern eher als Risiko für die Gesellschaft einzuschätzen.
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(7) Einen Widerspruch zu allgemeinen Branchentrends vermag die Kammer nicht zu bejahen. Soweit der Widerspruch auf den Anstieg der Bruttowerbeumsätze gestützt wird, muss auch hier auf die bereits oben unter B. II. 1. a. (2) (e) beschriebene „Brutto-Schere“ verwiesen werden, wonach für die Planung nur die niedrigeren Nettowerbeumsätze maßgeblich sein können. Bei der Entwicklung der Reichweite geht die Planung von einem deutlichen Anstieg der Marktanteile aus, der nach einem Absinken auf 0,9% auf 1,16% im Jahr 2021 erhöht werden soll. Dabei wird davon ausgegangen, dass alle Sportveranstaltungen stattfinden und im zweiten Halbjahr 2021 das Samstagabendspiel der 2. Fußball-Bundesliga live im Free TV ausgestrahlt wird.
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(8) Die Gesetzesänderungen zum Leistungsstörungsrecht sind adäquat in der Planung der S… AG abgebildet. Diese Erlöse sind im Profitcenter Digital enthalten und sollen von unter € 1 Mio. im Jahr 2021 bis auf € 2,2 Mio. im letzten Planjahr ansteigen. Nachdem hierfür keinerlei besondere Kosten anfallen, stellt sich dieser Umstand auch als unmittelbar ergebnisrelevant dar. Zum Zeitpunkt der Prüfung wie auch der Hauptversammlung war allerdings nicht absehbar, in welchem Umfang und in welcher Höhe man zu einer Einigung mit den Internetplattformen kommen werde oder ob eine gerichtliche Entscheidung notwendig werden könnte. Daher war die Höhe durchaus unsicher. Angesichts des vergleichsweisen geringen Anteils der S… AG an der Verwertungsgesellschaft sind die angesetzten Beträge als erheblich und in Übereinstimmung mit den Abfindungsprüfern als durchaus optimistische Einschätzung zu bezeichnen.
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(9) Konzerninterne Dienstleistungen mit ihren Verrechnungspreisen konnten nicht separat ausgewiesen und geplant werden, weil es sich um eine Konzernplanung handelt, die konsolidiert dargestellt wird. Hinsichtlich der Rückstellungen unterstellt die Planung, dass diese bis auf einen Betrag von € 1,4 Mio. zum Jahresende 2021 in Anspruch genommen werden. Für die Folgejahre flossen keine besonderen Effekte daraus in die Planung ein. Da der Konzernabschluss zum Stichtag noch nicht vorlag, konnten die Abfindungsprüfer auch keine Aussage zur tatsächlichen Inanspruchnahme der Rückstellungen aus dem Jahr 2020 in Höhe von € 2,169 Mio. machen. Dies war allerdings auch nicht erforderlich, weil die Entwicklung im Ist nach dem Stichtag lediglich zu Plausibilisierungszwecken herangezogen werden kann.
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c. Die Ansätze zur Aufwandsplanung müssen als plausibel angesehen werden und bedürfen daher keiner Korrektur.
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(1) Dies gilt zunächst für den Anstieg der sonstigen betrieblichen Aufwendungen, die Werbe- und Reisekosten, IT-Kosten, Rechts-, Beratungs- und Abschlusskosten, Raumkosten, Reparaturen und Instandhaltung, Versicherungen, Beiträge und Abgaben, administrative Aufwendungen, sonstige Aufwendungen des Personalbereichs sowie Fahrzeugkosten und übrige Aufwendungen umfassen. Ihr Anstieg von € 13,844 Mio. in 2021 auf € 16,067 Mio. im Jahr 2024 und auf € 16,362 Mio. im Jahr 2025 erfolgt aber unterproportional zu den Umsätzen, so dass hier durchaus eine Skalierbarkeit des Geschäftsmodells abgebildet ist. In der Vergangenheit beliefern sich die sonstigen betrieblichen Aufwendungen in Relation zur Gesamtleistung der S… AG auf Werte zwischen 13,3% und 14,8%, während in der Detailplanungsphase ein Anteil von 11,3% erwartet wird. Nicht anzupassen ist der Anstieg der Werbeaufwendungen, der neuen Aktivitäten im Glücksspielbereich und neuen Produkten im Digitalbereich geschuldet ist. Wenn eine Gesellschaft neue Produkte am Markt etablieren möchte, ist es nachvollziehbar, wenn dann die Aufwendungen für entsprechende Werbeinitiativen zunehmen sollen.
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Die Reisekosten sind in den Werbekosten enthalten; sie werden mit einem Betrag von € 300.000,- pro Jahr angesetzt und konstant fortgeschrieben. Ein Anstieg ist somit gerade nicht in die Planung eingegangen.
81
(2) Realistisch erfolgten die Ansätze zum Personalaufwand. Auch die Personalaufwandsquote sinkt in Relation zur Gesamtleistung bis auf 23,3% im letzten Planjahr, während sie im Zeitraum der Vergangenheitsanalyse zwischen 29% und 32% lag. Demzufolge müssen auch hier Produktivitätssteigerungen und Skaleneffekte eingeflossen sein. Bei den Auswirkungen der Digitalisierung, Automatisierung und Anwendungsbereichen der Künstlichen Intelligenz kann zum maßgeblichen Stichtag der Hauptversammlung noch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Entwicklung Personal in größerem Umfang überflüssig machen könnte.
82
(3) Der Anstieg der Material- und Lizenzaufwandsquote von 50% im Jahr 2020 auf 55% und 55,9% in den Jahren 2021 und 2022 hat seine Ursache im Erwerb der DFL-Lizenzen mit dem Ganzjahreseffekt im Jahr 2022. Dagegen geht die Planung im Jahr 2023 von einem Rückgang auf 52,9% aus, weil andere Lizenzen auslaufen und die Gesellschaft wegen fehlender Wirtschaftlichkeit keine Verlängerung zugrunde gelegt hat, was als unternehmerische Entscheidung von den Minderheitsaktionären hinzunehmen ist.
83
(4) Bei der Aufwandsplanung wurden Skaleneffekte keinesfalls vernachlässigt. Neben den bereits beschriebenen Punkten der Material- und Personalaufwandsquote ist zu sehen, dass sich die operative Ergebnismarge von minus 2,3% im Jahr 2021 bis auf plus 8,2% im Jahr 2024 und aufgrund auslaufender Abschreibungen nachhaltig auf 9,4% verbessern soll. Auch dies macht deutlich, dass Skaleneffekte in die Aufwandsplanung eingeflossen sein müssen.
84
d. Im Rahmen der Zins- und Steuerplanung sind Anpassungen nicht veranlasst.
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(1) Bei den Soll-Zinssätzen legte die Planung für die Betriebsmittelkreditlinie und für die von der Muttergesellschaft eingeräumte Kreditlinie jeweils 2,5% sowie für die Avallinie Avalprovisionen zwischen 0,9% und 2,0% zugrunde. Diese vertraglichen Konditionen wurden ausweislich des Prüfungsberichts so in der Bewertung berücksichtigt.
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(2) Verlustvorträge wurden vollständig in der Steuerplanung abgebildet.
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e. Berücksichtigungsfähige Synergien konnten von den Abfindungsprüfern nach der Aussage von Herrn Dr. E… nicht identifiziert werden. Bei der Ermittlung des Ertragswerts im Zusammenhang mit aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen finden angesichts des grundlegenden Stand alone-Prinzips nämlich nur solche Synergien oder Verbundeffekte Berücksichtigung, die auch ohne die geplante Strukturmaßnahme durch Geschäfte mit anderen Unternehmen hätten realisiert werden können (vgl. OLG Stuttgart NZG 2000, 744, 745 f. = AG 2000, 428, 429; AG 2011, 420; BayOblG AG 1996, 127, 128; LG München I AG 2016, 51, 54 = ZIP 2015, 2124, 2129; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 9122/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 305 Rdn. 171; Zeidler in: Semler/Stengel, UmwG, 4. Aufl., § 9 Rdn. 47), während sogenannte echte Synergien, derentwegen üblicherweise die Strukturmaßnahme durchgeführt wird, regelmäßig nicht in die Bewertung einfließen können (vgl. OLG München AG 2018, 753, 755 = Der Konzern 2019, 277, 280; OLG Düsseldorf AG 2017, 712, 714; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh § 305 Rdn. 31a; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 171). Unechte Synergien sind zu berücksichtigen, wenn die synergiestiftende Maßnahme am Bewertungsstichtag bereits eingeleitet oder im Unternehmenskonzept dokumentiert war (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 840, 843; Ruiz de Vargas in: Bürger/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh § 305 Rdn. 31b).
88
f. Die in der Ewigen Rente zugrunde gelegte EBIT-Marge von 9% steht in Einklang mit den Marktprognosen, weshalb sich höhere Margen nicht werden erreichen lassen. Der Wert von 9% entspricht dem Median der Langfristprognose für die Vergleichsunternehmen. Dann aber ist kein Grund ersichtlich, warum diese durch Marktprognosen gedeckte Marge unplausibel sein könnte.
89
g. Die Ansätze zur Thesaurierung und Ausschüttung müssen nicht korrigiert werden, weil die Annahmen hierzu sachgerecht erfolgten.
90
(1) Die Ansätze zur Thesaurierung und zur Ausschüttung der Jahresüberschüsse entsprechen in Phase I dem Unternehmenskonzept der Gesellschaft und können daher nicht infrage gestellt werden. Es wird nämlich regelmäßig davon ausgegangen, dass sich der Umfang der Ausschüttungen bzw. Thesaurierung in der Planungsphase I an den konkreten Planungen der Gesellschaft zu orientieren hat (vgl. nur LG München I, Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5 HK O 17095/11, S. 37; Beschluss vom 6.11.2013, Az. 5 HK O 2665/12; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Peemöller in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 8. Aufl., S. 38; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., § 5.49). Daher können wegen der Planung in den Jahren 2021 bis 2024 keine Ausschüttungen vorgenommen werden. In dem mit einer deutschen Bank abgeschlossenen Avalrahmenvertrag vom 11.6.2021, der der Absicherung des Erwerbs der Rechte von der DFL diente, verpflichtete sich die S… AG, während der Laufzeit des Vertrages bis 2025 keine Ausschüttungen, insbesondere von Dividenden vorzunehmen und ihrer Hauptversammlung keine entsprechenden Beschlüsse vorzuschlagen. Demzufolge konnten in diesen Jahren keine Ausschüttungen in die Planung eingestellt werden. Angesichts der sehr positiven Ertragserwartungen in diesen Jahren entsteht allerdings bis zum Jahr 2025 ein wesentlicher Kassenbestand, weshalb die Planung der Gesellschaft neben einer vollständigen Ausschüttung des Jahresergebnisses von 2025 eine zusätzliche (steuerfreie) Ausschüttung in Höhe von € 7 Mio. aufnahm.
91
(2) In der Ewigen Rente konnte eine Ausschüttungsquote von 50% angesetzt werden. Es ist nämlich sachgerecht, auf den Durchschnitt der Marktteilnehmer abzustellen (vgl. OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1170; WM 2020, 2104, 2112; OLG Stuttgart AG 2011, 560, 563; LG München I AG 2020, 222, 224; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 13671/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5 HK O 5884/20; Hachmeister/Ruthardt/Mager DB 2014,1209, 1211 f.). Der Kammer sind die marktüblichen Werte auch aus anderen Spruchverfahren bekannt, weshalb gegen den Ansatz einer innerhalb der genannten Bandbreite von Ausschüttungsquoten, die zwischen 40 und 60% liegt (vgl. auch Peemöller in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 37), angesiedelte Ausschüttungsquote von 50% keine Bedenken bestehen.
92
(3) Der Abzug eines Betrages von € 184.000,- im Terminal Value als Wachstumsthesaurierung zur Finanzierung des nachhaltigen Wachstums erfolgte sachgerecht.
93
(a) Die im nachhaltigen Ergebnis angesetzte Thesaurierung in dieser Höhe berücksichtigt, dass das mit dem langfristig erwarteten Wachstum der G+V-Rechnung bzw. der Überschüsse einhergehende Wachstum der Bilanz entsprechend finanziert werden muss. Demgemäß bedingt das nachhaltige Wachstum der finanziellen Überschüsse auch ein entsprechendes Wachstum der Bilanz, was entweder über Eigenkapital erfolgen kann oder aber durch Fremdkapital aufgebracht werden muss. Für die Finanzierung über das Eigenkapital müssen zu dessen Stärkung Erträge thesauriert werden. Die Alternative der Finanzierung über Fremdkapital würde zwangsläufig das Zinsergebnis (negativ) beeinflussen. Ein Wachstum ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel ist folglich nicht möglich; nachhaltiges Gewinnwachstum kommt ohne Finanzierung nicht in Betracht (so ausdrücklich: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06 – zit. nach juris; OLG München AG 2020, 440, 442 = WM 2020, 1028, 1032; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.9.2021, Az. 21 W 38/15 – zit. nach juris; LG München I, Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 16.4.2019, 5HK O 14963/17; LG Frankfurt Der Konzern 2022, 435, 438 = AG 2022, 548, 551; auch Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 2. Aufl., S. 326 f.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei einer sich im eingeschwungenen Zustand befindlichen Gesellschaft die Kapitalstruktur in der Ewigen Rente konstant bleiben soll. Auch dies spricht für die Notwendigkeit des Ansatzes eines entsprechenden thesaurierungsbedingten Wachstums.
94
(b) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dadurch werde der Effekt des Wachstumsabschlags rückgängig gemacht. Es ist nämlich eine differenzierende Betrachtungsweise erforderlich. Die Erfassung von thesaurierungsbedingtem Wachstum erfolgt in der Phase des Terminal Value zum einen zur Abbildung des preisbedingten Wachstums in Form des Wachstumsabschlages und zum anderen zur Berücksichtigung des durch die Thesaurierung generierten Mengenwachstums durch eine nominale Zurechnung des über die Finanzierung des preisbedingten Wachstums hinausgehenden Thesaurierungsbeitrages. Damit aber hat der Wachstumsabschlag eine andere Funktion als der Ansatz des thesaurierungsbedingten Wachstums. Dabei müssen Investitionen in der Ewigen Rente höher sein als die Abschreibungen, weil auch das Anlagevermögen im Terminal Value wächst und es ohne Finanzierung auf dem Niveau des letzten Jahres der Detailplanungsphase verharren würde.
95
(4) Im Rahmen der Ermittlung des Ertragswerts konnte die Besteuerung auch unter Einschluss inflationsbedingter Kursgewinne erfolgen.
96
(a) Der Ansatz einer typisierten Einkommensteuer auf den Wertbeitrag aus Thesaurierung mit dem hälftigen Steuersatz zuzüglich des Solidaritätszuschlages ist angemessen. Die Festlegung eines Steuersatzes bedarf typisierender Annahmen. Aus empirischen Studien, die es wenigstens in den Vereinigten Staaten von Amerika, wenn auch nicht für Deutschland gibt, erkennt man eine Haltedauer zwischen 25 und 30 Jahren. Auch wenn diese lange Dauer entsprechend den Erkenntnissen der Kammer aus anderen Spruchverfahren mit der Existenz von sehr langfristig engagierten Pensionsfonds zusammenhängt und dies für Deutschland nicht zwingend sein mag, kann es beim angesetzten Steuersatz bleiben. Dem lässt sich insbesondere auch nicht die Regelung aus § 52 a Abs. 10 EStG entgegenhalten. Ohne eine typisierende Betrachtung ließe sich nämlich ein einheitlicher Unternehmenswert nicht festlegen. Die Verwendung typisierter Steuersätze ist die notwendige Folge der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts und folglich unvermeidbar. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn eine inländische unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person als Anteilseigner angenommen wird. Wenn für Stichtage nach dem 1.1.2009 im Rahmen der Ermittlung der Zuflüsse an die Anteilseigner von der Besteuerung der Veräußerungsgewinne auszugehen ist, im Einzelfall aber ein Anteilsinhaber einen steuerfreien Veräußerungsgewinn haben kann, so muss dies bei der notwendigen Typisierung außer Betracht bleiben (vgl. OLG München NJW-RR 2014, 473, 474; AG 2015, 508, 511 f. = ZIP 2015, 1166, 1170; Beschluss vom 18.6.2014, Az. 31 Wx 390/13; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 957; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; AG 2014, 208, 211; Beschluss vom 18.12.2009, Az. 20 W 2/08; LG München I, Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/16; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.8.2018, Ahl 5HK O 16585/15; Baetge/Kümmel/Schulz/Wiese in: Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 461; in diese Richtung auch Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, a.a.O., Rdn. 488 ff., insbesondere 491).
97
Ein Abstellen auf die individuelle Haltedauer und die individuellen Steuersätze eines jeden einzelnen Aktionärs – gegebenenfalls auch mit Sitz im Ausland – würde eine Unternehmensbewertung unmöglich machen, zumal die Gesellschaft über Inhaberaktien verfügt und folglich die Aktionäre nicht einmal namentlich bekannt sind. Angesichts dessen ist die hier vorgenommene typisierende Betrachtung unausweichlich und rechtlich unbedenklich.
98
(b) Allerdings muss auch eine effektive Ertragssteuer auf inflationsbedingte Wertsteigerung in das Bewertungskalkül einfließen. Soweit die Kammer hierzu in der Vergangenheit die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. LG München I, Beschluss vom 29.8.2028, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; auch LG Dortmund, Beschluss vom 26.8.2019, Az. 20 O 4/12) wird daran nicht mehr festgehalten. Die Berücksichtigung einer effektiven Ertragssteuer führt zu einer besseren Annäherung an den „wahren“ oder „wirklichen“ Unternehmenswert. Dies beruht zunächst auf der Erwägung, dass der Teil des Unternehmenswertes, der auf laufenden operativen Gewinnen beruht, den Anteilseignern über eine fiktive Vollausschüttung zugerechnet wird. Im Termin Value steigt der Unternehmenswert aber nicht nur durch diese laufenden operativen Gewinne, sondern auch inflationsbedingt. Auch diese Wertsteigerung steht den Aktionären zu, die aber konsequenterweise ebenso wie die Dividende in Phase I und thesaurierungsbedingte Wertsteigerungen in der Ewigen Rente um die persönlichen Steuern zu kürzen sind. Soweit Steuern abfließen, kann dieser Teil des Unternehmenswerts den Anteilseignern nicht fiktiv als Nettozufluss zugerechnet werden. Die von der Kammer bislang als Argument für die unterbliebene Berücksichtigung angeführte Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner im Bewertungskalkül kann nach nochmaliger Überprüfung nicht aufrechterhalten werden. Erst durch die Berücksichtigung der Besteuerung inflationsbedingter Kursgewinne kann das sogenannte Steuerparadoxon vermieden werden. Die Marktrisikoprämie im Nenner wird aus nominellen, empirisch am Markt beobachtbaren Aktienrenditen abgeleitet, in denen alle Wachstumsaspekte enthalten sind, mithin auch inflationsbedingtes Wachstum. Bei einer Umrechnung des Vorsteuerwerts in den Nachsteuerwert werden also auch die inflationsbedingten Kursveränderungen hiervon erfasst. Wenn aber im Nenner (implizit) das inflationsbedingte Wachstum berücksichtigt ist, muss dies dann konsequenterweise auch bei den Überschüssen im Zähler folgen. Folglich kann von einer Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegt darin ein Widerspruch zwischen der grundsätzlichen Annahme einer unbegrenzten Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens einerseits und einer Besteuerung von tatsächlich nur durch Veräußerung zu realisierenden Kursgewinnen. Es handelt sich hierbei um eine bewertungstheoretische Annahme, ohne die den Aktionären wesentliche Teile des Unternehmensvermögens vorenthalten würden (so OLG München, Beschluss vom 3.12.2020, Az.: 31 Wx 330/16 – zit. nach juris; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 956; P… in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 1575 und 1583; P…/Ruthardt in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, a.a.O., § 12.150 ff.; WP Handbuch 2014, Band 2, Rdn. 399; P… Der Konzern 2019, 149, 153 ff.; Laas WPg 2020, 1256, 1258 ff.).
99
Angesichts dessen stellen sich die ausschüttungsfähigen Ergebnisse der S… AG wie folgt dar:
T€
|
FC 2021
|
Plan 2022
|
Plan 2023
|
Plan 2024
|
Plan 2025
|
TV 2026 ff.
|
|
Umsatzerlöse
|
110.901
|
128.813
|
130.987
|
138.346
|
140.641
|
|
|
Aktivierte Eigenleistungen
|
2.922
|
1.854
|
1.800
|
1.800
|
1.800
|
|
|
|
Sonstige betriebliche Erträge
|
2.390
|
[742]
|
[742]
|
[742]
|
[742]
|
|
|
|
Gesamtleistung
|
116.214
|
131.409
|
133.529
|
140.887
|
143.183
|
|
|
|
Materialaufwand
|
(63.890)
|
(73.461)
|
(70.661)
|
(72.510)
|
(73.603)
|
|
|
|
Personalaufwand
|
(32.178)
|
(32.408)
|
(32.793)
|
(33.015)
|
(33.305)
|
|
|
|
Sonstige betriebliche Aufwendungen
|
(13.844)
|
(14.120)
|
(14.666)
|
(16.067)
|
(16.200)
|
|
|
|
EBITDA
|
6.301
|
11.420
|
15.409
|
19.296
|
20.076
|
|
|
|
Abschreibungen
|
(8.976)
|
(9.418)
|
(9.301)
|
(8.660)
|
(8.480)
|
|
|
|
EBIT (bereinigt)
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(2.675)
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2.002
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6.108
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10.635
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11.596
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Neutrales Ergebnis (Bereinigungen)
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EBIT (gem. Konzernabschluss)
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(2.675)
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2.002
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6.108
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10.635
|
11.596
|
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Finanzergebnis
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(629)
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(1.006)
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(951)
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(698)
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(684)
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Ergebnis vor Steuern
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(3.304)
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[996]
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5.156
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9.938
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10.912
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|
Steuern vom Einkommen und Ertrag
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(118)
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(597)
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(1.982)
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(2.733)
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Latente Steuern
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Konzernjahresergebnis
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(3.304)
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[878]
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4.560
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7.956
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8.179
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Anteile Dritter am Jahresergebnis
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[100]
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(75)
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(75)
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(75)
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(67)
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Jahresüberschuss
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(3.204)
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[802]
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4.484
|
7.880
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8.111
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8.657
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Innenfinanzierung/Thesaurierung
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3.204
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(802)
|
(4.484)
|
(7.880)
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Sonderausschüttung
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7.000
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Wachstumsthesaurierung
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(184)
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Ausschüttungsfähige Überschüsse
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15.111
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8.473
|
Ausschüttung vor Steuern
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15.111
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4.328
|
Persönliche Einkommensteuer
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Ausschüttung nach Steuern
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15.111
|
4.328
|
Thesaurierung vor Steuern
|
|
|
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4.145
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Persönliche Einkommensteuer
|
|
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(777)
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Thesaurierung nach Steuern
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|
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3.367
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Nettoeinnahmen
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|
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15.111
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7.696
|
100
b. Der Wert der so ermittelten Überschüsse muss nach der Ertragswertmethode auf den Stichtag der Hauptversammlung abgezinst werden. Der hierfür heranzuziehende Kapitalisierungszinssatz, der die Beziehung zwischen dem zu bewertenden Unternehmen und den anderen Kapitalanlagemöglichkeiten herstellen soll, wurde in der Detailplanungsphase im Geschäftsjahr 2021 auf 5,51%, im Geschäftsjahr 2022 auf 5,50%, im Geschäftsjahr 2023 auf 5,53% im Geschäftsjahr 2024 auf 5,36%, im Geschäftsjahr 2025 auf 5,31% sowie in der Ewigen Rente auf 4,40% festgesetzt und muss nicht zugunsten der Minderheitsaktionäre angepasst werden.
101
Zutreffend ist der Ausgangspunkt bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes unter Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern in der Bewertung durch die Antragsgegnerin. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung der Unternehmenseigner unterliegen, ist der Kapitalisierungszinssatz unter Berücksichtigung der persönlichen Steuerbelastung zu ermitteln (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722, 1725; AG 2007, 287, 290; NJW-RR 2014, 473, 474; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 95 = ZIP 2019, 370, 373 f. = DB 2018, 2108, 2111 f.; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 134: OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 355; Laas WPg 2020, 1256, 1257). Dabei ist im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem im Zeitpunkt der Hauptversammlung maßgeblichen Steuerregime der Abgeltungssteuer von einem Steuersatz von 25% entsprechend der gesetzlichen Regelungen in §§ 43, 43 a Abs. 1 Nr. 1, 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG auszugehen, der auch angesetzt wurde. Zudem ist der Solidaritätszuschlag zu beachten, woraus sich dann ein Steuersatz von 26,375% errechnet. Auch hier muss von typisierenden Annahmen ausgegangen werden.
102
(1) Der Basiszinssatz war dabei unter Anwendung der Svensson-Methode mit 0,1% vor Steuern und demgemäß auf 0,07% nach Steuern festzusetzen.
103
(a) Der Basiszinssatz bildet eine gegenüber der Investition in das zu bewertende Unternehmen risikolose und laufzeitadäquate Anlagemöglichkeit ab. Die Ermittlung des Basiszinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve von Zerobonds quasi ohne Kreditausfallrisiko kann methodisch nicht beanstandet werden. Es ist nämlich betriebswirtschaftlich gefordert, dass der Kapitalisierungszinssatz für den zu kapitalisierenden Zahlungsstrom hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein muss. Die Zinsstrukturkurve stellt den Zusammenhang zwischen der Verzinsung und den Laufzeiten von den am Markt gehandelten Anleihen dar und gibt den Zusammenhang zwischen Verzinsung bzw. Rendite einer Anleihe und deren Laufzeit wieder. Die nach der sogenannten Svensson-Methode ermittelte Zinsstrukturkurve bildet den laufzeitspezifischen Basiszinssatz – den sogenannten Zerobond-Zinssatz – ab. Sie ist in der Rechtsprechung zu Recht weithin anerkannt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06; OLG Frankfurt NZG 2012, 1382, 1383; 2013, 69, 70; OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; AG 2012, 749, 752 = Der Konzern 2012, 561, 564; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1170; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I AG 2016, 95, 98; 2020, 222, 225; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; auch Baetge/Kümmel/Schulz/Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 448 f.). Nur dadurch kann der Grundsatz der Laufzeitäquivalenz verwirklicht werden. Die Annahme, es müsse auf den zum Bewertungsstichtag aktuellen Zinssatz für langläufige Bundesanleihen abgestellt werden, übersieht, dass die Unternehmensbewertung auf die Ewigkeit ausgelegt ist. Gerade die Anwendung der Svensson-Methode zeigt auch, dass hier gerade nicht auf Daten der Vergangenheit abgestellt wird, sondern künftige Entwicklungen der Ermittlung des Basiszinssatzes zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15). Mit ihrer Hilfe wird ein Zinssatz auf der Grundlage laufzeitabhängiger, zukunftsorientierter Kapitalmarktdaten verwendet (vgl. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, 3. Aufl., S. 481; Baetge/Kümmel/Schulz/Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., S. 437).
104
(b) Eine Reduktion wegen der Existenz von Credit Default Swaps muss nicht erfolgen. Allein der Umstand, dass am Markt auch Credit Default Swaps in Bezug auf staatliche Anleihen der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten sind, rechtfertigt nicht den Ansatz einer Kürzung des Basiszinssatzes. Zum einen ist die Bundesrepublik Deutschland – ungeachtet einer möglichen, aber keinesfalls sicheren Verwirklichung von Haftungsrisiken als Folge der Staatsschuldenkrise innerhalb des Euro-Raums – unverändert ein sicherer Schuldner. Auf ein theoretisches Restausfallrisiko kommt es nicht entscheidend an, weil völlig risikofreie Anlagen ohnehin nicht verfügbar sind. Zudem ist aus anderen Spruchverfahren gerichtsbekannt, dass es zwar Spekulationen gegen die Bundesrepublik Deutschland gibt; diese sind indes zahlenmäßig so gering, dass eine Berücksichtigung beim Basiszinssatz nicht gerechtfertigt sein kann. Weiterhin kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Staatsschulden der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Neuregelungen in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG zumindest nicht in dem Ausmaß ansteigen dürfen, wie dies in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten war (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011, Az. 21 W 7/11; LG München I Der Konzern 2020, 311, 313 f.; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/14; Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 26513/11).
105
(c) Ebenso wenig ist es geboten, den Basiszinssatz in Phase I jeweils für ein konkretes Planjahr gesondert auszuweisen. Die einheitliche Festlegung des Basiszinssatzes für den gesamten Beurteilungszeitraum stellt eine allgemein übliche und nicht zu beanstandende Vorgehensweise dar (so ausdrücklich OLG München NJW-RR 2014, 423, 474; Beschluss vom 30.7.2018, Az., 31 Wx 122716). Dies ergibt sich letztlich auch aus der Überlegung, dass Erträge zwar jährlich erzielt und ausgeschüttet werden sollen, die Dauer des Unternehmens und damit die Ermittlung des Ertragswertes in die Ewigkeit angelegt ist und demzufolge auch nicht von einer jährlich neu stattfindenden Alternativanlage ausgegangen werden kann, wenn Bewertungsanlass das Ausscheiden eines Aktionärs aus der Gesellschaft ist (vgl. LG München I, Beschluss vom 30.3.2012, Az. 5 HK O 11296/06; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15).
106
(2) Für die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes muss der Basiszinssatz um einen Risikozuschlag erhöht werden, der nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen ist und in den einzelnen Jahren der Detailplanungsphase auf 5,44%, 5,43%, 5,45%, 5,29%, 5,24% und im Terminal Value auf 5,33% jeweils nach Steuern festzusetzen ist.
107
(a) Der Grund für den Ansatz eines Risikozuschlages liegt darin, dass Investitionen in Unternehmen im Vergleich zur Anlage in sichere oder zumindest quasi-sichere öffentlichen Anleihen einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Dieses Risiko wird bei einem risikoaversen Anleger durch höhere Renditechancen und damit einen erhöhten Zinssatz ausgeglichen, weshalb der Ansatz eines Risikozuschlages unumgänglich ist, zumal der Verzicht auf diesen die ohnehin nicht durch die Planung abgegoltenen Risiken wie politische Krisen, Naturkatastrophen oder weitere nicht in die Planungsrechnung einzubeziehenden allgemeinen wirtschaftlichen Risiken vernachlässigen würde. Ebenso kann die Gefahr des Verfehlens der Planungsziele nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Angesichts dessen geht die heute nahezu einhellig vertretene obergerichtliche Rechtsprechung vom Erfordernis des Ansatzes eines Risikozuschlages aus (vgl. nur OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; KG NZG 2011, 1302, 1304 = AG 2011, 627, 628 f. = ZIP 2011, 2012, 2013 = WM 2011, 1705, 1706 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2011, Az. 20 W 7/11; AG 2013, 724, 729; AG 2014, 208, 211; OLG Frankfurt NZG 2012, 549, 550 = Der Konzern 2012, 199, 205 f.; AG 2017, 790, 793 = Der Konzern 2018, 74, 78; ebenso Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 325).
108
(b) Allerdings wird die Frage, wie der Risikozuschlag im Einzelnen zu ermitteln ist, nicht einheitlich beurteilt.
109
(aa) Mehrheitlich wird heute davon ausgegangen, der Risikozuschlag könne mittels des (Tax-)CAPM (Capital Asset Pricing Model) ermittelt werden. Danach wird die durchschnittliche Marktrisikoprämie, die anhand empirischer Daten aus der langfristigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und risikolosen staatlichen Anleihen errechnet wird, mit einem spezifischen Beta-Faktor multipliziert, der sich aus der Volatilität der Aktie des zu bewertenden Unternehmens ergibt (vgl. OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1685, 1690; OLG Stuttgart AG 2010, 510, 512; AG 2008, 510, 514 f.; NZG 2007, 112, 117 = AG 2007, 128, 133 f.; OLG Frankfurt AG 2016, 551, 554; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 144; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 126 f.). Zur Begründung der Maßgeblichkeit dieses kapitalmarkttheoretischen Modells wird vor allem ausgeführt, dass bei der Feststellung des Unternehmenswertes intersubjektiv nachvollziehbare Grundsätze unter Zugrundelegung von Kapitalmarktdaten Anwendung fänden und dass es kein anderes Modell gebe, das wie das CAPM die Bewertung risikobehafteter Anlagenmöglichkeiten erläutere.
110
Die weiteren in der Literatur diskutierten Modelle sind jedoch dem (Tax-)CAPM keinesfalls überlegen, sondern weisen – wie der Kammer aus anderen Spruchverfahren wie dem Verfahren 5HK O 16226/08 bekannt – deutliche Schwächen auf, weshalb sie zur Ermittlung des Risikozuschlages nicht herangezogen werden können.
111
Die Arbitrage Pricing Theory (APT) kann nicht als geeignetes Modell bezeichnet werden. Durch diese Methode wird ein Zusammenhang zwischen erwarteter Rendite und Risiko hergestellt. Die dabei zugrundeliegende Annahme unterscheidet sich allerdings deutlich von der des (Tax-)CAPM. Während das CAPM bei der Schätzung der Security Market Line davon ausgeht, dass alle Anlagen effizient diversifizierende Portfolios bilden und sich der Kapitalmarkt im Gleichgewicht befindet, nimmt das APT an, in funktionierenden Märkten könne es zu keinem Fortbestehen von Arbitragemöglichkeiten kommen. Grundgedanke ist dabei, dass bei kurzfristig auftretenden Arbitragemöglichkeiten der Marktpreis von den Marktteilnehmern dahingehend beeinflusst wird, dass sich die Arbitragemöglichkeit als Ausnutzen von Preisdifferenzen für dasselbe Wertpapier an zwei unterschiedlichen Handelsplätzen auflöst. Eine Verletzung dieser Beziehung spräche daher für einen irrationalen Markt. Die zweite Annahme des APT liegt in der Erklärung von Aktienrenditen durch ein Faktorenmodell, wobei sowohl Ein- als auch Mehrfaktorenmodelle Verwendung finden. Dabei wird die Aktienrendite unter Berücksichtigung mehrerer Risikofaktoren bestimmt, wie beispielsweise die Risikoprämien für makroökonomische Größen, die das Bruttoinlandsprodukt oder die Inflationsrate darstellen. Die dritte zentrale Annahme besteht im Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Wertpapieren, um wertpapierspezifische Risiken durch Diversifikation zu eliminieren. Ein erheblicher Nachteil dieses Modells liegt darin, dass keine konkrete Vorgehensweise in Bezug auf die Bestimmung von relevanten Faktoren, bzw. den korrespondierenden Risikoprämien aufgezeigt wird.
112
In gleicher Weise kann auch für das Drei-Faktoren-Modell nach Fama-French eine Überlegenheit gegenüber dem (Tax-)CAPM nicht angenommen werden, weshalb es wie das APT zur Ableitung der Marktrisikoprämie nicht herangezogen werden muss. Dieses Modell berücksichtigt neben der Marktrisikoprämie und dem Beta-Faktor zusätzlich noch weitere Faktoren, die sich auf die Marktkapitalisierung und das Kurs-Buchwert-Verhältnis beziehen, wodurch die erwartete Überrendite von kleinen Unternehmen und Unternehmen mit einem hohen Quotienten aus Buch- und Marktwert berücksichtigt werden sollen. Die gerichtlich bestellten Sachverständigen haben in ihrem Hauptgutachten dargestellt, dass die Ermittlung der Faktoren auf empirischer Erklärungsgüte von Aktienrenditen basiert und somit theoretisch nicht fundiert ist. Aus einem anderen Spruchverfahren, Az. 5 HK O 16505/08 ist der Kammer aufgrund der Ausführungen des dortigen Sachverständigen, Herrn Dipl.-Kfm. M… W…, zudem bekannt, dass eine noch vergleichsweise zeitnah zur Hauptversammlung durchgeführte Untersuchung von Schulz aus dem Jahr 2009 für den deutschen Kapitalmarkt gerade keine Überrendite für kleine und große Unternehmen feststellen konnte. Angesichts dessen wird das Modell von Fama-French den deutschen Marktgegebenheiten nicht gerecht. Auch dieser Umstand spricht neben der kontrovers diskutierten Auswahl der Risikofaktoren gegen den Ansatz der Überlegungen von Fama & French zur Ermittlung des Risikozuschlags bei der Gesellschaft.
113
Auch die Sicherheitsäquivalenzmethode, die im Zähler des Bewertungskalküls ansetzt, stellt keine vorzugswürdige alternative Methode zur Bestimmung des Risikozuschlags dar. Sie beruht auf der Erwägung, dass der unsichere künftige Zahlungsstrom als Grundlage der Bewertung nach der Ertragswertmethode durch einen Zahlungsstrom ersetzt wird, der anstelle des Erwartungswertes risikoneutrale Erwartungswerte abbildet. Die Diskontierung des Zahlungsstroms erfolgt dann mit dem risikofreien Zinssatz. Das Sicherheitsäquivalent ist dabei diejenige Ergebnishöhe, die bei sicherem Eintreten aus Sicht des Bewerters den gleichen Nutzen stiftet wie das volle (unsichere) Ergebnis-Verteilungsspektrum. Hierzu ist indes die Bestimmung einer Risikonutzenfunktion erforderlich. Die dieser zugrundeliegende Schätzung risikoneutraler Wahrscheinlichkeiten lässt sich beispielsweise über Marktdaten wie Optionspreise bei Annahme der Arbitragefreiheit ermitteln. Indes stellt die Risikonutzenfunktion ein abstraktes Konzept dar, dessen Bestimmung in Bezug auf den konkreten Funktionsverlauf mit solchen Herausforderungen verbunden ist, dass sie in der Bewertungspraxis keine Anwendung findet und schon deshalb nicht geeignet sein kann, den Risikozuschlag abzuleiten. Die Überlegungen für den Ansatz einer bestimmten Methode, wie sie oben einleitend unter B. II. dargestellt wurden, müssen hier in gleicher Weise geltend. Zudem ist, wie der Kammer aus den Verfahren 5 HK O 7819/09 durch die Aussage der dort bestellten Sachverständigen W… A… und W… W… bekannt ist, dass eine darauf beruhende Bewertung intersubjektiv kaum oder gar nicht nachprüfbar ist, nachdem sie die Kenntnis der Risiko-Nutzen-Funktion der Eigentümer voraussetzt.
114
Für die von Gleißner entwickelte Ermittlung der Kapitalkosten auf der Grundlage des Ertragsrisikos, das anhand von Variationskoeffizienten von Ertrag oder von freiem Cash-Flow gemessen wird, wobei dieser das Verhältnis der Standardabweichung zum Ertragswert darstellt, muss ungeachtet des dieser Methode innewohnenden Vorteils einer Ermittlung ohne Heranziehen von Kapitalmarktdaten gelten, dass sie in der wirtschaftswissenschaftlichen Praxis für aktienrechtliche Strukturmaßnahmen nicht angewandt wird, sondern nur vereinzelt für Bewertungsanlässe außerhalb solcher Maßnahmen. Somit fehlt es an einer zentralen Voraussetzung entsprechend den obigen Ausführungen unter B. II. 2..
115
Angesichts dessen kann auf das (Tax-)CAPM zurückgegriffen werden, um den Risikozuschlag zu schätzen.
116
(bb) Die angesetzte Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern bedarf keiner Korrektur. Sie liegt innerhalb der zum damaligen Stichtag vom FAUB des IDW empfohlenen Bandbreite von 5,0% bis 6,5% und entspricht unter Berücksichtigung der effektiven Ausschüttungsquote einem Vor-Steuer-Wert von leicht über 7,0%, der ebenfalls innerhalb der Bandbreite zwischen 6,0% und 8,0% aus der Empfehlung des FAUB des IDW liegt. Der Stichtag der Hauptversammlung liegt nun aber zeitlich hinter der aktuellen Empfehlung vom 22.10. 2019, durch die nach Anhebung der Obergrenze eine Bandbreite zwischen 5% und 6,5% nach Steuern als sachgerecht bezeichnet wurde. Zur Begründung dieser aktuellen Empfehlung führte der FAUB aus, aufgrund der aktuellen Entwicklung in Bezug auf den risikolosen Zinssatz von damals 0%, der danach sogar negativ wurde, sei eine erneute Anpassung in Bezug auf die Marktrisikoprämie erforderlich. Die Gesamtrenditeerwartung sei tatsächlich bereits in den Jahren 2012/2013 leicht gesunken; der Rückgang stehe jedoch in keinem Verhältnis zum Rückgang der Renditen deutscher Staatsanleihen. Ausgehend von einer aktuellen Gesamtrenditeerwartung von 7% bis 9% vor Steuern oder rund 5,62% bis 7,22% nach Steuern müsse es zu einer Anhebung der Marktrisikoprämie auf 6% bis 8% vor Steuern, mithin einem Nach-Steuerwert von 5% bis 6,5% kommen. Dieses Fazit einer leicht gesunkenen Gesamtrenditeerwartung beruht auf einer vom FAUB vorgenommenen Analyse verschiedenster Methoden, wobei namentlich historisch gemessene Aktienrenditen, langfristig reale Aktienrenditen, ex ante-Analysen impliziter Kapitalkosten und aktuelle Betrachtungen herangezogen wurden. Diese Empfehlung des FAUB beruht auf einem pluralen Ansatz und nicht nur auf einer einzelnen Ableitung. Dabei werden sowohl vergangenheitsbezogene Zahlen als auch Überlegungen zur Herleitung einer impliziten Marktrisikoprämie herangezogen. Seit Beginn der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise mit in der Folge sinkenden Basiszinssätzen gibt es eine wachsende Unsicherheit und damit verbunden eine hohe Risikoaversion, was – anders als steigende Diversifizierungsmöglichkeiten und eine im Zeitlauf gestiegene Risikotoleranz aufgrund gestiegenen Vermögens – für eine höhere Marktrisikoprämie spricht. Jüngere empirische Untersuchungen auch unterschiedlicher Ansätze – Betrachtung historisch gemessener Aktienrenditen, Betrachtung langfristig realer Aktienrenditen, Verwendung von ex ante-Analysen impliziter Kapitalkosten sowie modelltheoretische Analysen ohne risikofreie Kapitalkosten – deuten auf eine im Vergleich zu früheren Ansätzen infolge der Finanzkrise gestiegene Marktrisikoprämie hin (vgl. Castedello/Jonas/Schiessl/ Lenckner WPg 2018, 806 ff.). Dieser plurale Ansatz ist ungeachtet der an dieser Vorgehensweise in der Literatur geäußerten Kritik, die Marktrisikoprämie müsse anhand impliziter, am Kapitalmarkt beobachtbarer Kapitalkosten abgeleitet werden (vgl. Bassemir/Gebhardt/Ruffing WPg 2012, 882, 886), weshalb die theoretische Fundierung der Erhöhung fehle, vorzugswürdig. Die alleinige Ableitung der Marktrisikoprämie aus impliziten Kapitalkosten ist nämlich wiederum der nachvollziehbaren Kritik ausgesetzt, dass es sich dabei um einen Zirkelschluss handele, weil der aktuell gegebene Aktienkurs als gegebene Größe in die Ermittlung der impliziten Eigenkapitalkosten eingehe und sich eine einheitliche oder gar richtige Methode zu ihrer Herleitung nicht gebildet habe. Die mit der geänderten Bandbreite zum Ausdruck kommende, abwägende und veränderte Konzeption der zurückhaltenderen Herangehensweise ist ein für die Zwecke einer praktischen Unternehmensbewertung jedenfalls vertretbarer und damit für die gerichtliche Überprüfung hinreichend tauglicher Ansatz, den geänderten Bedingungen am Kapitalmarkt mit sehr niedrigen Basiszinssätzen und den daraus resultierenden empirischen Beobachtungen Rechnung zu tragen. Dabei ist nicht ersichtlich, dass die Nichtbeachtung der stichtagsaktuellen Empfehlungen des FAUB zur Marktrisikoprämie im Rahmen objektivierter Unternehmensbewertungen zu „richtigeren“ Unternehmenswerten führen könne. Wenn aber die Bandbreite einen genügenden Rahmen bietet, kann auch der Mittelwert von 5,75% nach Steuern vorliegend herangezogen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.9.2020, Az. 21 W 121/15; OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 599, 605 f.; OLG Düsseldorf AG 2018, 679, 681 = Der Konzern 2019, 92, 96). Dabei muss gerade in diesem Zusammenhang gesehen werden, dass der Rückgang des Basiszinssatzes und die darauf beruhende Anpassung der Bandbreitenempfehlung deutlich stärker ausfiel als die Erhöhung der Marktrisikoprämie.
117
Soweit in der Literatur vertreten wird, eine derart hohe Marktrisikoprämie lasse sich nicht rechtfertigen (vgl. Knoll Der Konzern 2020, 478 ff.), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Gerade die Ableitung und Höhe der Marktrisikoprämie sind in der betriebswirtschaftlichen Literatur heftig umstritten, wie eine Vielzahl von Studien und Literaturbeiträgen deutlich machen. Eine zweifelsfreie Klärung der Problematik wird nicht möglich sein. Da es nicht Aufgabe des Spruchverfahrens sein kann, wirtschaftswissenschaftliche Streitfragen einer letztverbindlichen Klärung zuzuführen, ist die Kammer auch nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten zu diesem Themenkomplex einzuholen. Ein weiterer Erkenntnisgewinn ist hierdurch nicht zu erwarten, nachdem es insbesondere keine belastbaren Studien gibt, die dem Gericht eine bessere Erkenntnisgrundlage vermitteln könnten (so ausdrücklich OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 629, 606). Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BGH zur Ermittlung des Risikozuschlags nach § 7 Abs. 4 und Abs. 5 StromNEV durch die Regulierungsbehörde (vgl. BGH, Beschluss vom 9.7.2019, Az. EnVR 41/18; Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18) herleiten. Der BGH lässt in diesen Entscheidungen gerade nicht erkennen, dass der Ansatz des FAUB des IDW nicht geeignet sein könnte, die Marktrisikoprämie angemessen abzubilden. Es wird lediglich ausgeführt, es handele sich hierbei um eine alternativ in Betracht kommende Bewertungsmethode, die dem Ansatz der Bundesnetzagentur nicht klar überlegen sei (vgl. OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16). Die vom Kartellsenat des BGH aufgestellten Grundsätze lassen sich nach den ausdrücklichen Feststellungen im Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18 gerade nicht mit denen zur Ermittlung der angemessenen Barabfindung nach § 327 b AktG vergleichen, weil die Ermittlung des Wagniszuschlags nach § 7 Abs. 5 StromNEV nicht der Ermittlung eines Unternehmenswertes dient, sondern der Bestimmung eines Faktors, dem ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmung einer den Zielen der §§ 1 und 21 EnWG Rechnung tragenden Vergütung für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen zukommt.
118
(cc) Der herangezogene unverschuldete Beta-Faktor von 0,9 reflektiert das operative Risiko der Gesellschaft, wobei er aus einer Peer Group vergleichbarer Unternehmen abgeleitet werden konnte. Der Beta-Faktor gibt an, wie sich die Rendite des zu bewertenden Unternehmens im Vergleich zum Marktportfolio verhält, so dass er das unternehmensindividuelle Risiko ausdrückt. Dabei beschreibt der Beta-Faktor, welche Änderung der Rendite der zu bewertenden Aktie bei einer Änderung der Rendite des Marktportfolios zu erwarten ist. Somit ist er kein empirisch feststellbarer Vergangenheitswert, sondern ein durch Schätzung zu ermittelnder Zukunftswert. Dabei erfolgt die Ableitung des künftigen Beta-Faktors bei börsennotierten Unternehmen aus historischen Kapitalmarktdaten anhand einer linearen Regression der unternehmensspezifischen Aktienkursrendite auf die Rendite des Aktienindex, wobei der Beta-Faktor die Steigerung der Regressionsanalyse angibt (vgl. OLG Karlsruhe, AG 2013, 880, 881 = Der Konzern 2013, 499, 512; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.1.2014, Az. 26 W 22/12 (AktE) – zit. nach juris; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 795; NZG 2020, 339, 346 = AG 2020, 298, 302 = ZIP 2020, 810, 818; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG a.a.O., Anh. § 305 Rdn. 45a; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 155 und 158;). Sofern das unternehmenseigene Beta aussagekräftig und nicht durch Sonderfaktoren verzerrt ist, ist dieses zur Ermittlung des unternehmensindividuellen Risikos heranzuziehen und gegenüber der Ermittlung aus einer Peer Group vorzugswürdig. Dies resultiert aus der Überlegung, dass der eigene Beta-Faktor im Zweifelsfall das systematische, operative Risiko der Gesellschaft unmittelbar wiedergibt, weshalb er der beste Indikator für den künftigen Beta-Faktor ist (vgl. OLG Frankfurt, AG 2017, 790, 795; NZG 2020, 339, 346 = AG 2020, 298, 303 = ZIP 2020, 810, 818; OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 124, 895; OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 21, 367 = AG 2016, 584, 567; BeckRS 2016, 111006; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 163; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh. 305 Rdn. 47; Franken/Schulte/Brunner/Dörschell, Kapitalkosten und Multiplikatoren für die Unternehmensbewertung, 6. Aufl., S.407 ff.).
119
Der unternehmenseigene Beta-Faktor der S… AG, der sich je nach Berechnungsmethode zwischen 0,01 und – 0,10 bewegte, konnte der Ermittlung des Unternehmenswerts und damit der Abfindung nicht zugrunde gelegt werden, weil die Aktie der S… AG nicht hinreichend liquide war. Dies zeigt sich bereits an den Bid-Ask-Spreads, die ausweislich der Analyse der Abfindungsprüfer in einem 2- und 5-Jahreszeitraum zwischen 1,3% und 1,57% schwankten. Bei Aktien mit einem geringen Handelsvolumen liegt der Bid-Ask-Spread deutlich über dem sehr liquider Aktien. Daher müssen Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit geringem Handelsvolumen einen erheblich höheren Abschlag auf ihre Bruttorendite hinnehmen als Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit hohem Handelsvolumen. Infolge dessen wird ein rationaler Investor nicht unmittelbar auf jede neue Kapitalmarktinformation reagieren, weil er bei jeder Transaktion erhebliche Renditeabschläge hinnehmen müsste durch die höheren Bid-Ask-Spreads. Folglich zeigt sich das tatsächliche Risiko eines Unternehmens nicht am empirisch ermittelten Beta-Faktor, da der Kurs aufgrund der hohen Transaktionskosten nur träge auf neue Kapitalmarktinformationen reagiert. Die Grenze, bis zu der Bid-Ask-Spreads auf eine hinreichende Liquidität hinweisen, wird üblicherweise in einer Größenordnung von 1,25% gezogen. Gegen eine hinreichende Liquidität spricht auch das im Laufe der Zeit immer stärker zurückgehende Handelsvolumen, das über einen Zeitraum von zwei Jahren an Tagen mit Handel bei durchschnittlich 6.475 mit einem daraus ermittelten durchschnittlichen Handelsumsatz von € 14.656,- lag. Die Grenze wird insoweit bei einem Handelsumsatz von mindestens € 115.000,- gezogen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.11.2019, Az. 21 W 77/14 – zit. nach juris). Liegt das Handelsvolumen wie hier darunter, kann nicht von einer hinreichenden Liquidität zur Bestimmung des unternehmenseigenen Beta-Faktors ausgegangen werden.
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Auch das Bestimmtheitsmaß R² spricht gegen die hinreichende Belastbarkeit des unternehmenseigenen Beta-Faktors, nachdem dieses je nach Betrachtungszeitraum und Regressionsindex zwischen 0,00014 und 0,00297 lag. Das Bestimmtheitsmaß als Korrelationskoeffizient zwischen einer Aktie und dem Referenzindex macht deutlich, in welchem Umfang das Risiko einer Aktie durch Marktfaktoren bestimmt wird. Die ermittelten Werte besagen also, dass das Risiko der Aktie deutlich unter 1% durch Marktfaktoren bestimmt war. Die Grenze wird hier regelmäßig bei einem R²-Wert von 0,1 angesetzt.
121
Ebenso zeigt die Entwicklung des Börsenkurses der S… AG, dass sich dieser weitgehend vom Marktgeschehen entkoppelt hat. In einem Zeitraum von Mitte 2020 bis zur Bekanntgabe der Squeeze out-Absicht lag der Kurs kontinuierlich in etwa auf dem Niveau des öffentlichen Delisting-Erwerbsangebots von € 2,30 je Aktie, wie der Darstellung auf Seite 45 des Prüfungsberichts von Mazar zu entnehmen ist. Die in Folge der Covid-19-Pandemie zu beobachtende volatile Entwicklung bei den Börsenkursen, die auch Ende des Jahres 2020 mit dem zweiten Lockdown einen massiven Einbruch mit einem wiederum anschließenden deutlichen Anstieg zu verzeichnen hatten, ist in der Entwicklung des Aktienkurses bei der S… AG in diesem Ausmaß bei Weitem nicht zu erkennen.
122
Auch die Existenz eines Großaktionärs rechtfertigt es nicht, auf den extrem niedrigen, teilweise sogar negativen Beta-Faktor der S… AG mit Werten eines raw Beta zwischen – 0,05 und 0,03 unlevered abzustellen. Selbst das Vorliegen eines Unternehmensvertrags ändert nichts daran, dass der Anleger bei einer Investition in ein Unternehmen aufgrund der damit verbundenen Risiken eine höhere Rendite erwartet als von einer Anlage in ein sicheres Wertpapier. Selbst das Bestehen eines Unternehmensvertrags ändert nicht den Charakter der Aktie als Risikopapier, das keine feste Verzinsung des eingesetzten Kapitals verspricht (vgl. OLG München ZIP 2007, 375, 379). Dann aber muss dies erst recht gelten, wenn nur von einer faktischen Konzernierung ausgegangen werden kann. Es ist nämlich nicht erkennbar, warum sich der Mehrheitsaktionär sein Investment, das infolge des Umfangs seiner Beteiligung sogar zu einem höheren Risiko führt, nicht durch einen Risikozuschlag oder zumindest einen deutlich niedrigeren Risikozuschlag abgelten lassen sollte (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 18.12.2009, Az. 20 W 2/08 – Beschluss vom 19.1.2011, Az. 20 W 3/09: Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 10; Wittgens/Redeke ZIP 2008, 542, 545). Der in der Literatur zum Teil vertretenen gegenteiligen Auffassung, auch in diesem Falle müsse auf den unternehmenseigenen Beta-Faktor abgestellt werden (vgl. Erhardt/Nowak AG 2005, Sonderheft, S. 3, 7 f.), kann folglich nicht gefolgt werden.
123
Daher konnte auf eine Peer Group abgestellt werden, um den unverschuldeten Beta-Faktor abzuleisten, wobei deren Zusammensetzung keinen Bedenken begegnet.
124
Für die Auswahl der Peer Group-Unternehmen wesentlich ist die Vergleichbarkeit hinsichtlich des Geschäftsmodells, der spezifischen Produktsegmente bzw. des Diversifikationsgrades und der Produktart, hinsichtlich der regionalen Abdeckung und gegebenenfalls auch hinsichtlich ihrer Größe (vgl. Franken/Schulte/Dörschell, Kapitalkosten für die Unternehmensbewertung, 3. Aufl., S. 47; Franken/Schulte in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, a.a.O., § 6.96). Diese unmittelbare Vergleichbarkeit muss bei den herangezogenen Unternehmen der Peer Group bejaht werden. Es ist in der Rechtsprechung zudem weithin anerkannt, dass angesichts der internationalen Verflechtung der Kapitalmärkte auch ausländische Unternehmen in eine Peer Group aufgenommen werden können (vgl. OLG Celle AG 2007, 865, 867 = ZIP 2007, 2025, 2028; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; LG München I, Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 26.7.2019, Az. 5HK O 13831/17).
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V… C… Inc. konnte in die Peer Group aufgenommen werden, auch wenn die Aktie dieses Unternehmens in einem kurzen Zeitraum einem erheblichen Kursanstieg mit anschließendem Kursverfall ausgesetzt war. Herr H… wies bei der Anhörung darauf hin, dass der kurze Zeitraum mit einer vom Markt losgelösten Bewegung nicht geeignet war, die Aussagekraft des Beta-Faktors dieses Unternehmens – ebenso wie bei Di… Inc. – zu verneinen. Beide Gesellschaften bestanden den Liquiditätstest ebenso wie die Überprüfung anhand der statistischen Maße. Das Geschäftsmodell von V…C… Inc. lässt sich mit dem der S… AG vergleichen, selbst wenn sich V…C… Inc. nicht auf die Vermarktung von Sportereignissen vor allem im deutschsprachigen Raum konzentriert. Wesentliches Kriterium für die Aufnahme in die Peer Group ist das vergleichbare operative Risiko, das durch einen wesentlichen Fixkostenblock und viel volatilere Erlösströme durch die Lizenzvermarktung in Kombination mit der Erstellung von TV-Inhalten geprägt wird. V…C… Inc. erstellt, erwirbt und vertreibt Filme und Fernsehprogramme, betreibt Fernsehkanäle und TV-Inhaltsportale, bietet Streaming-Dienste und digitale Videoprodukte sowie Werbelösungen an. Damit aber ist das Unternehmen hinreichend vergleichbar mit der S… AG. Die Tatsache, dass V…C… Inc. in anderen Märkten tätig ist, lässt sich der Vergleichbarkeit nicht entgegenhalten. Die Risikosituation ist nach den Erläuterungen von Herrn H… nicht so länderspezifisch, als dass dadurch die Vergleichbarkeit ausgeschlossen wäre. Auch die Größe des Unternehmens mit einem Jahresumsatz von US-$ 25,4 Mrd. steht der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Die Größe verändert den Risikomechanismus nicht in einer Art und Weise, die zum Ausschluss der Vergleichbarkeit führen würde. Dies wird bestätigt durch die Erkenntnisse und Beobachtungen, die die Kammer auch in anderen bei ihr geführten Spruchverfahren gewonnen hat. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss die Größe eines Unternehmens auf die Rendite bzw. das Risiko hat. Zwei jüngere Studien kommen dabei zu dem Schluss, es gebe über zum Teil auch sehr lange Untersuchungszeiträume von bis zu 91 Jahren weltweit kaum Anzeichen für eine Größenprämie in Aktienmärkten und Risikozuschläge für kleinere Unternehmen. Dieser Umstand, dass die Größe allein kein ausschlaggebender Faktor sein wird, steht in Einklang mit den Erfahrungen der Kammer aus anderen Spruchverfahren, wonach im Vergleich zum Bewertungsobjekt deutlich größere Unternehmen innerhalb der Peer Group zum Teil im Vergleich zum Durchschnitt und zum Median deutlich höhere, aber ebenso auch deutlich niedrigere Beta-Faktoren aufwiesen.
126
Auch bei T… F… S.A. ist zwar keine Konzentration auf die Übertragung und Vermarktung von Sportereignissen zu sehen; doch gibt es auch bei diesem Unternehmen ein attraktives Lizenzportfolio, aus dem Werbeerlöse erzielt werden.
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In gleicher Weise sind auch bei F… Corp. die Werbeerlöse maßgeblich. Gerade bei diesem Unternehmen gibt es zudem wesentliche Sportkanäle wie F… Sport, mit über 200 Mio. Abonnenten zum 30.6.2021. Es geht bei den Sendern dieses Unternehmens somit gerade nicht nur um politische Inhalte mit einem parteipolitischen Schwerpunkt zugunsten der USamerikanischen Partei der Republikaner und der Person Donald Trump. auch verfügte F… News mit über 150 Mio. Abonnenten über eine niedrigere Zahl als F… Sport. Im Sportbereich liegt der Schwerpunkt im Bereich des Collage-Sports mit Football und Basketball, was sich angesichts der durchaus vorhandenen Bedeutung des Collage-Sports in den USA in etwa mit der 2. Fußball-Bundesliga vergleichen lässt.
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Das von den Abfindungsprüfer beschriebene und herangezogene Risikomodell besteht in gleicher Weise bei der P… M… SE und der R… Group S.A., auch wenn in deren Fernsehsendern vor allem Spielfilme und Unterhaltungssendungen ausgestrahlt werden. Andererseits sind gerade bei dem Sender R… immer wieder Sportübertragungen im Programm. Aber auch diese beiden Sendergruppen sind werbefinanziert und damit von Werbeeinnahmen während der Sendungen abhängig, weshalb sie sich mit der S… AG vergleichen lassen.
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Auch I… plc. konnte ungeachtet des Brexit-Votums vom 23.6.2016 in die Peer Group aufgenommen werden. Dieses Unternehmen ist gerade nicht nur im Vereinigten Königreich aktiv, sondern auch in den USA tätig, so dass der Aktienkurs auch nicht nur die Spezifika von Großbritannien mit den Folgen des Brexits abbilden kann. Eine Analyse der Kursentwicklung ergab nach der Aussage von Herrn H… zudem keine Loslösung von Marktbewegungen. Die Geschäftsmodelle der beiden Unternehmen mit den damit verbundenen Risiken sind vergleichbar. I… plc. steht wie die S… AG im Wettbewerb mit anderen Unternehmen aus der Branche und ist international tätig. Der Vergleichbarkeit kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Erfolg des Unternehmens vor allem von Eigenproduktionen bzw. der Rechtevermarktung abhinge. Die Bereitstellung der Sendeinhalte über Eigenproduktionen oder den Einkauf fremder Rechte bedeutet lediglich eine unterschiedliche Art und Weise, wie ein Unternehmen zu Inhalten gelangt. In jedem Fall muss es hierfür bezahlen und die Inhalte dann über Werbeerlöse bei der Ausstrahlung monetarisieren. Daher kann der höhere Anteil von Eigenproduktionen kein Grund für eine Nichtaufnahme in die Gruppe der Vergleichsunternehmen sein. Herr Dr. Ru… verwies zudem darauf, dass im Sender S… Premiumsport regelmäßig nur zwischen 18 Uhr und 20 Uhr ausgestrahlt wird, was auch gerichtsbekannt ist. Morgens vergab die Gesellschaft die eigene Sendelizenz an Homeshopping-Anbieter, und am Nachmittag werden auf S… vielfach amerikanische Serien gezeigt, weshalb kann dieser Sender auch nicht als reiner Sportsender bezeichnet werden kann. Zudem produziert die Gesellschaft auch für andere Sender.
130
Demgegenüber konnte die Antragsgegnerin nicht in die Peer Group aufgenommen werden, weil sie die Liquiditätskriterien nicht erfüllte. Die Bid-Ask-Spreads lagen zwischen 1,7 und 2,3 und damit deutlich über dem bereits genannten Grenzwert von maximal 1,25.
131
Aus dieser Peer Group konnte ein unverschuldeter Beta-Faktor von 0,9 abgeleitet werden. Die Bewertungsgutachter von E… ermittelten diesen Wert aus einer Bandbreite von insgesamt vier in der Bewertungspraxis üblichen Methode ab. Dabei zogen sie einen Betrachtungszeitraum von zwei Jahren mit wöchentlichen Renditeintervallen und von fünf Jahren mit monatlichen Renditeintervallen heran; die Regression erfolgte sowohl gegen einen breiten lokalen Index als auch gegen den globalen MSCI World Total Return Index. Daraus ergab sich nach dem Unlevern eine Bandbreite zwischen 0,79 und 1,07, woraus dann ein Mittelwert von 0,9 unverschuldet errechnet wurde, wobei in diesem Wert sowohl die vier Mittelwerte des raw Beta als auch des adjusted Beta eingeflossen sind. Die Abfindungsprüfer von M… konnten diesen Wert aufgrund eigener Analysen bestätigen. Dabei zogen sie zusätzlich noch einen regionalen Index wie beispielsweise für Europa den Daw Jones STOXX 600® für ihre Untersuchungen heran. Dieser ergab über einen zweijährigen Beobachtungszeitraum mit wöchentlichen Renditeintervallen einen Mittelwert von 0,78 und bei einem Referenzzeitraum von fünf Jahren mit monatlichen Renditeintervallen einen Mittelwert von 1,03.
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Dieser Wert resultiert wie auch die Auswertung von E… auf der Annahme unsicherer Tax Shields im Rahmen des Unlevern. Bei unsicheren Tax Shields unterliegen die Steuervorteile aus einer Fremdfinanzierung einem Risiko, weil regelmäßig nur ein Teil des Fremdkapitals aufgrund vertraglicher Regelungen fixiert ist, während die übrigen Fremdkapitalbestandteile analog zu den Überschüssen bzw. Unternehmenswerten schwanken. Doch selbst unter der Annahme sicherer Tax Shields, bei denen die Steuervorteile aus der Fremdfinanzierung angesichts ihrer vertraglichen Fixierung keinem Risiko unterliegen, bewegen sich die Beta-Faktoren bei den von den Abfindungsprüfern angewandten Möglichkeiten unter Einfluss regionaler Indizes zwischen 0,86 und 1,16.
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Der Ansatz eines niedrigeren unverschuldeten Beta-Faktors rechtfertigt sich nicht aus dem in der Medienbranche zu beobachtenden Beta-Faktor von 0,6 im Mittel. Vorliegend gibt es eine genügende Anzahl von Unternehmen, die mit der S… AG als Bewertungsobjekt gut vergleichbar sind. In die Bewertung des Branchen-Beta fließen demgegenüber zu viele Unternehmen ein, die mit Bewertungsobjekt nicht oder jedenfalls kaum vergleichbar sind; einen Rückschluss auf die konkrete Risikostruktur des zu bewertenden Unternehmens lässt das Branchen-Beta nicht zu (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.7.2014, Az. 20 W 3/12; LG München I, Beschluss v. 25.4.2016, Az. 5 HK O 20672/14; Beschluss v. 30.5.2018, Az. 5 HK O 1044/16; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG., a.a.O., Anh. § 305 Rdn. 47c; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG., a.a.O., § 305 Rdn. 165).
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Ein Abstellen allein auf das zweijährige Beta ist vorliegend nicht sachgerecht. Die operativen Risiken der Gesellschaft ergeben sich aus den Investitionen in Lizenzen und Inhalte, die für jedes Unternehmen einen erheblichen Fixkostenblock bedeuten. Dann geht es im Gegenzug um die Monetarisierung über viel volatilere Erlösströme aus kurzfristig verkauften Werbezeiten und daraus resultierenden Einnahmen. Da der Beta-Faktor aus einer Vergleichsgruppe von Unternehmen gebildet ist, ist der Strukturbruch bei der S… AG, der sich aus dem Beschluss der Hauptversammlung vom 24.7.2019 über eine Änderung des Geschäftsmodells und des Unternehmensgegenstands ergibt, für die in der Peer Group aufgeführten Unternehmen ohne Bedeutung. Diese können auch in einem Zeitraum von fünf Jahren den Risiken ausgesetzt sein, die die S… AG mit ihrem jetzigen Geschäftsmodell trifft. Dabei muss gerade mit Bezug auf das Bewertungsobjekt die längere Zeitspanne mit Blick auf die Laufzeit der Lizenzen als sachgerecht eingestuft werden, weil bei einem längeren Zeitraum auch die Umschichtung des Lizenzportfolios in die Risikobeurteilung einfließen kann. Angesichts des Stichtags der Hauptversammlung im Dezember 2021 ist zudem zu beachten, dass die Beta-Faktoren in dem kürzeren Betrachtungszeitraum von zwei Jahren durchaus durch die Covid-19-Pandemie beeinflusst sein können.
135
Ein Heranziehen ausschließlich des niedrigeren Beta-Faktors von Di… Inc. ist nicht angezeigt. Zwar betreibt diese Gesellschaft mit Eu… einen Sportsender; insgesamt aber ist Di… Inc. viel breiter aufgestellt. So verwies Herr H… beispielsweise auf Dokumentationen aus verschiedenen Genres. Deshalb kann dieser Gesellschaft innerhalb der Peer Group kein Übergewicht im Vergleich zu den anderen Unternehmen beigemessen werden. Eine unmittelbare Vergleichbarkeit mit der Gesellschaft kann trotz des Vorhandenseins des unmittelbaren Wettbewerbers Eurosport nicht bejaht werden.
136
Ebenso wenig musste allein auf einen regionalen Index abgestellt werden. Auch hier ist darauf zu verweisen, dass die Risikosituation nicht so länderspezifisch ist, dass die Vergleichbarkeit ausschließlich über einen regionalen oder gar einen breiten nationalen Index hergestellt wird. Zudem floss die Tätigkeit in der DACH-Region durch die Regression auch gegen den jeweils größten nationalen Index in die Gesamtbetrachtung ein.
137
Das Heranziehen des MSCI World Index beim Beta-Faktor bedingt nicht zwingend das Abstellen auf eine internationale Marktrisikoprämie als weiteren Teil des Risikozuschlags. Die Ermittlung der künftigen Marktrisikoprämie wie auch des Beta-Faktors beruht naturgemäß auf einer Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO. Dabei wurde aber der Risikozuschlag gerade nicht nur mit Hilfe des globalen Index als Regressionsindex ermittelt; vielmehr erfolgte eine Regression auch gegen den größten nationalen Index. Damit aber wird eine Gesamtschau vorgenommen. Da die Abfindung aus der Sicht eines inländischen Aktionärs abgeleitet wird, muss dann aber auch nicht zwingend auf eine globale Marktrisikoprämie abgestellt werden. Ihr Ansatz stünde zudem im Widerspruch zur Ableitung des Basiszinssatzes auf der Grundlage deutscher Staatsanleihen. Zur Ableitung der Kapitalkosten müssten dann aber die in lokalen Währungen und Anleihen zu ermittelten Basiszinssätze herangezogen werden, was allerdings regelmäßig nicht geschieht. Eine internationale Marktrisikoprämie ist nicht geeignet, die Überrendite gegenüber deutschen Staatsanleihen auszudrücken, was aber auch Aufgabe des Risikozuschlags nach dem (Tax-)CAPM ist.
138
(dd) Neben dem operativen Risiko prägt auch das Kapitalstrukturrisiko einer Gesellschaft deren Beta-Faktor. Demgemäß muss im Wege des Relevern die künftige Verschuldung abgebildet werden, was hier geschah und woraus sich dann in den Geschäftsjahren 2021 und 2022 bei einem Verschuldungsgrad von 8,79% und 8,88% ein verschuldeter Beta-Faktor von jeweils 0,94, im Geschäftsjahr 2023 bei einem Verschuldungsgrad von 10,88% ein solcher von 0,95, im Geschäftsjahr 2024 bei einem Verschuldungsgrad von 4,5% ein unverschuldeter Beta-Faktor von 0,92, im letzten Planjahr bei einem Verschuldungsgrad von 2,18% ein verschuldeter Beta-Faktor von 0,91 und in der Ewigen Rente angesichts des hier angesetzten Verschuldungsgrades von 4,93% ein solcher von 0,93 ableiten lässt.
139
(ee) Der so mit Hilfe des (Tax-)CAPM ermittelte Risikozuschlag steht auch in Einklang mit den sich aus der speziellen Situation der Gesellschaft am Markt ergebenden Risiken. Namentlich das operative Risiko der S… AG liegt über dem durchschnittlichen Risiko aller Marktteilnehmer, das vielfach mit einem Beta-Faktor von 0,85 beschrieben wird. Das Verhältnis von Fixkosten einerseits und variablen Erlösen andererseits bedeutet ein nicht unerhebliches Risiko für die Gesellschaft. Über den Fixkostenblock können die Ergebnisse in schlechten Zeiten schrumpfen und auch negativ werden. Dieser Volatilitätssprung im Vergleich zum Gesamtmarkt stellt sich als überdurchschnittliches Risiko dar. Bei der konkreten Zusammensetzung der Erlöse bedeutet es ein Risiko, wenn neben dem Erlös aus dem Werbegeschäft ein nennenswerter Anteil aus Geschäftsbereichen stammen soll, die erheblichen Risiken ausgesetzt sind, weil sie – wie das Glücksspielgeschäft – zum Stichtag der Hauptversammlung jedenfalls noch nicht vollständig umgesetzt waren und die Einnahmen aus den Leistungsschutzrechten aus der Nutzung der Inhalte von S… und anderer Aktivitäten der Gruppe der Höhe nach gleichfalls unsicher waren. Bei der geplanten europaweiten Erweiterung der E-Sport-Aktivitäten traten Verzögerungen auf; zudem ist es nicht einfach, in anderen Ländern mit einem ausgeprägten Pay TV-Markt Fuß zu fassen. Bei den Sportrechten kann von einer besseren Planbarkeit nicht ausgegangen werden, was sich am Beispiel der Fußballrechte zeigt. Zwar gewann die Gesellschaft die Rechte für das Top-Spiel der 2. Liga, hatte aber zuvor die Rechte an der UEFA-Europa League verloren, worauf Frau W… hingewiesen hatte. Andererseits bieten sich aber gerade in diesen neuen Aktivitäten wie Glücksspiel und E-Sport durchaus nicht unerhebliche Chancen für die Gesellschaft, ihre Erlöse zu steigern. Insgesamt rechtfertigen die Chancen und Risiken aber den Ansatz eines unverschuldeten Beta-Faktors knapp über dem durchschnittlichen operativen Risiko.
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(3) Der für das Wachstum der Jahresüberschüsse im Terminal Value angesetzte Wachstumsabschlag von 1% muss angesichts seiner Angemessenheit nicht erhöht werden.
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(a) Mit dem Wachstumsabschlag wird zugunsten der Aktionäre berücksichtigt, dass sich die Geldentwertung bei festverzinslichen Anleihen stärker auswirkt als bei einer Unternehmensbeteiligung. Das Unternehmen hat in der Regel die Möglichkeit, die Geldentwertung zumindest zu einem Teil durch Preiserhöhungen aufzufangen, während die Anleihe ohne Inflationsausgleich zum Nominalwert zurückgezahlt wird. Die Höhe des festzusetzenden Abschlages ist dabei abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist vor allem, ob und in welcher Weise Unternehmen die erwarteten Preissteigerungen an die Kunden weitergeben können; daneben sind aber auch sonstige prognostizierte Margen und Strukturänderungen zu berücksichtigen (vgl. OLG Stuttgart AG 2007, 596, 599; NZG 2007, 302, 307; AG 2008, 783, 788 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1851 = ZIP 2009, 2339, 2342; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1171; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2227; OLG Karlsruhe Der Konzern 2015, 442, 450 f.; 2016, 35, 41; LG München I AG 2017, 501, 506; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Beschluss vom 27.11.2019, Az. 5HK O 6321/14; Beschluss vom 25.11.2020, Az. 5HK O 12435/05). Ausschlaggebend ist dabei primär die individuelle Situation des Unternehmens, nicht die allgemeine Entwicklung zum Bewertungsstichtag. Dabei kann nicht auf Umsätze und deren Entwicklung in Relation zur allgemeinen Inflationsrate abgestellt werden; entscheidend ist vielmehr das Wachstum der Ergebnisse. Die erwartete durchschnittliche Inflationsrate kann dabei nur einen ersten Ansatzpunkt für die Höhe des Wachstumsabschlages bilden (so auch ausdrücklich OLG München AG 2018, 753, 756 f. = Der Konzern 2019, 277, 282 f.; OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1686, 1691; Der Konzern 2019, 410, 419; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 168). Es ist nämlich zu beachten, dass – wie auch aus anderen Spruchverfahren gerichtsbekannt ist – Unternehmensergebnisse anderen Preiseinflüssen als der Verbraucherpreisindex unterliegen, weil Chancen und Risiken nominaler Ergebnisveränderungen sowohl von der Marktlage und Wettbewerbssituation als auch der Struktur jedes einzelnen Unternehmens abhängen.
142
Angesichts dieser Bedeutung des Wachstumsabschlages ist dieser auch ausschließlich in der Ewigen Rente festzusetzen; Preissteigerungen in der Detailplanungsphase sind bereits über die Planzahlen abgebildet, die dann auch zu einem entsprechenden Umsatzwachstum führen.
143
(b) Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage lässt sich ein höherer Wachstumsabschlag nicht rechtfertigen.
144
(aa) Der Ansatz von 1% vernachlässigt gerade nicht die Maßgeblichkeit der unternehmensspezifischen Inflationsrate. Die Abfindungsprüfer analysierten die Planungsrechnung und gelangten dabei zu der Feststellung, dass Inflationsraten nur zum Teil durch Konditionserhöhungen kompensiert werden konnten. Für die Jahre der Detailplanungsphase ging man von einer Begrenzung auf maximal 1% bis 2% aus. Aus den geplanten Aktivitäten wie dem Einstieg in den E-Sportmarkt oder den Glücksspielmarkt und den Markt für Vermarktungsangebote rechtfertigt sich ein höherer Wachstumsabschlag nicht. Die angesprochenen Aktivitäten hatten zum maßgeblichen Stichtag kein sicheres Konzept – so fehlte vor allem für den Einstieg in das Glücksspielgeschäft die notwendige behördliche Genehmigung. Zudem hat die S… AG in diesem Bereich keine Exklusivstellung, weshalb sie sich einem Preiswettbewerb nicht oder zumindest nicht in wesentlichem Umfang wird entziehen können. Ebenso wenig kann aufgrund exklusiver Sportrechte im Fernsehen tatsächlich von einer Preissetzungsmacht ausgegangen werden. Diese fehlt nämlich namentlich im Bereich der Fußballrechte, die sicherlich den attraktivsten Bereich der Übertragungsrechte im Sport darstellen. S… hat gerade nicht das exklusive Übertragungsrecht für das Live-Spiel am Samstagabend in der 2. Fußball-Bundesliga. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Attraktivität dieses Spiels nicht so hoch ist wie die Spiele anderer Anbieter, die die Rechte an Live-Übertragungen der 1. Fußball-Bundesliga oder der UEFA Champions League haben, die auf ein deutlich größeres Publikumsinteresse stoßen.
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(bb) Dem Ansatz eines Wachstumsabschlags von 1% und damit auch unterhalb der von der Europäischen Zentralbank langfristig erstrebten Inflationsrate von 2% kann nicht entgegengehalten werden, es werde dadurch zu einem laufenden Schrumpfen der Gesellschaft kommen. Zur Beurteilung der Angemessenheit des Wachstumsabschlages muss die Gesamtwachstumsrate der geplanten entziehbaren Überschüsse analysiert werden. Bei einer tatsächlichen Thesaurierung ist im Wachstumsabschlag zusätzlich nämlich das thesaurierungsbedingte Wachstum aus den tatsächlich einbehaltenen Beträgen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieses notwendigen Ansatzes muss tatsächlich gesehen werden, dass die Gesamterwartung des Wachstums im Terminal Value deutlich über der von der Europäischen Zentralbank angestrebten Inflationsrate von 2% liegt.
146
Neuere Studien aus der betriebswirtschaftlichen Literatur rechtfertigen keine andere Beurteilung, wie der Kammer aus mehreren anderen Verfahren überzeugend dargestellt wurde, in denen insbesondere auch Creutzmann als gerichtlich bestellter Sachverständiger Stellung zu der von ihm erstellten Studie nahm. Diese Studie von Creutzmann (BewP 2011, 24) führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, auch wenn sie die Kerngrößen zur Ermittlung des Wachstumsabschlages – Bruttoinlandsprodukt, Inflationsrate und Gewinnwachstum der Unternehmen – zusammenfasst. Dabei lag das Gewinnwachstum der Unternehmen in Deutschland von 1992 bis 2009 bei 2,4% und damit über der Inflationsrate von 1,9%. Der Wachstumsabschlag von 1% spiegelt dabei aber nicht das Gesamtwachstum der erzielbaren Überschüsse wider. Dieses ist vielmehr unter Einbeziehung des (impliziten) thesaurierungsbedingten Wachstums zu ermitteln, das nach dessen Hinzurechnung deutlich höher liegt.
147
Ebenso wenig führt eine Dissertation von Bork zu abweichenden Erkenntnissen. Dieser Arbeit ist nämlich nicht zu entnehmen, inwieweit der Umstand von Gewinnsteigerungen auch zu Wertsteigerungen des Unternehmens führt. Der auf Zahlen der D Bk mit der Entwicklung des bilanziellen Eigenkapitals beruhenden Aufstellung ist zu entnehmen, dass das bilanzielle Eigenkapital stärker wuchs als die Gewinne; Ursachen für diese Entwicklung können der Zahlenreihe indes nicht entnommen werden. Das Gewinnwachstum der Vergangenheit konnte nicht kostenlos erfolgen, sondern erforderte Thesaurierungen. Dann aber bestätigen die Zahlen aus der Arbeit von Bork diese Überlegungen – je höher das Wachstum, desto geringer ist der ausschüttungsfähige Teil der Ergebnisse. Etwas anderes lässt sich nicht aus einer Untersuchung von Schüler/Lampenius ableiten, die in Auswertung von 134 Bewertungsgutachten aus dem Zeitraum zwischen 1985 und 2003 zu dem Ergebnis gelangte, für zwei von drei denkbaren Inflationsschätzern sei ein negatives Realwachstum festgestellt worden. Diese Untersuchung rechtfertigt vor allem deshalb kein anderes Ergebnis, weil die Datengrundlage mit dem Ansatz des Verbraucherpreisindex in Deutschland bzw. den Schätzungen der D Bk nicht zu überzeugen vermag. Wesentlich müssen nämlich – wie bereits ausgeführt – die Preissteigerungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen sein. Aus demselben Grund überzeugt auch nicht die Annahme von Knoll, eine unvollständige Überwälzung der Inflation stehe in Widerspruch zum Postulat des eingeschwungenen Zustandes, in dem alle Variablen die gleichen Zuwachsraten aufwiesen. Der Ansatz von Knoll geht von der erwarteten langfristigen Inflation seitens der Europäischen Zentralbank in Höhe von 2% aus, was allerdings nicht hinreichend die relevanten Veränderungen des Preisniveaus auf der Grundlage von Preisänderungen auf den Beschaffungsmärkten für das bewertete Unternehmen berücksichtigt.
148
Angesichts dessen errechnet sich der Ertragswert der S… AG in Höhe von € 153,480 Mio. folgendermaßen:
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FC
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Plan
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Plan
|
Plan
|
Plan
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TV
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T€
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2021
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2022
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2023
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2024
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2025
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2026ff.
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Konzernjahresüberschuss/-fehlbetrag
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(3.204)
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[802]
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4.484
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7.880
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8.111
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8.657
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Innenfinanzierung/Thesaurierung
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3.204
|
(802)
|
(4.484)
|
(7.880)
|
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Sonderausschüttung
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7.000
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Wachstumsthesaurierung
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(184)
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Ausschüttungsfähige Überschüsse
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|
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15.111
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8.473
|
Ausschüttung vor Steuern
|
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15.111
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4.328
|
Persönliche Einkommensteuer
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Ausschüttung nach Steuern
|
|
|
|
|
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15.111
|
4.328
|
Thesaurierung vor Steuern
|
|
|
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4.145
|
Persönliche Einkommensteuer
|
|
|
|
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(777)
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Thesaurierung nach Steuern
|
|
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|
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|
3.367
|
Nettoeinnahmen
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|
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15.111
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7.696
|
Kapitalisierungszinssatz
|
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5,51%
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5,50%
|
5,52%
|
5,36%
|
5,31%
|
4,40%
|
Barwertfaktor
|
|
0,95
|
0,90
|
0,85
|
0,81
|
0,77
|
17,44
|
Barwerte zum 1. Januar 2021
|
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|
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11.595
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134.238
|
Aufzinsung
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1,05
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Ertragswert zum 14. Dezember 2021
|
153.480
|
149
c. Zu dem Ertragswert hinzuzurechnen sind Sonderwerte, deren Umfang sich zum 14.12.2021 auf insgesamt € 30,324 Mio. beläuft.
150
(1) Dabei ist die Beteiligung der Gesellschaft an der Antragsgegnerin mit einem Wert von 27,821 Mio. anzusetzen. Dieser Berechnung liegt ein Wert je Aktie von € 4,50 entsprechend einem Kaufangebot für die Aktien der Gesellschaft zugrunde, wobei die Konditionen des Kaufvertrags weitgehend ausgehandelt waren und der Vertrag mit einem unabhängigen Dritten geschlossen werden sollte. Über eine überschlägig vorgenommene Bewertung nach der DCF-Methode durch die Bewertungsgutachterin würde sich ein Wert von € 3,38 je Aktie ermitteln, also ein deutlich geringerer Sonderwert. In gleicher Weise ergeben sich ausweislich der Feststellungen im Prüfungsbericht auf Seite 28 bei einer Ermittlung über die Buchwerte des Eigenkapitals zum 31.12.2020 und zum 30.6.2021 sowie die durchschnittlichen Börsenkurse der Highlight-Aktie für verschiedene Betrachtungszeiträume ebenfalls geringere Werte. In einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Stichtag der Hauptversammlung lag der Kurs nie über € 4,-. Der Ansatz im nicht betriebsnotwendigen Vermögen und nicht im Ertragswert bedeutet jedenfalls keinen Nachteil für die Minderheitsaktionäre. Beim Ertragswert hätten im Wesentlichen Dividendenausschüttungen angesetzt werden können. Da der Aktienbesitz in Zeitpunkt des Stichtags der Hauptversammlung vollständig der Besicherung der Betriebsmittelkreditlinie sowie von Avallinien diente, hätten Dividendenansprüche nicht in die Planung einfließen können.
151
(2) Die Werte der sonstigen Beteiligungen in Höhe von € 503.000,- zum bewertungstechnischen Stichtag und von € 530.000,- zum Stichtag der Hauptversammlung müssen nicht korrigiert werden. Bei diesen Anteilen, die einen Anteil von knapp 0,3% des Gesamtwerts des Unternehmens ausmachen, konnte tatsächlich in einem vereinfachten Verfahren der jeweils höchste Wert aus Beteiligungsbuchwert, anteiligem Buchwert des Eigenkapitals und einem auf pauschalierenden Annahmen beruhenden Ertragswert herangezogen werden. Um einen höheren Unternehmenswert als den über die Marktkapitalisierung ermittelten Wert von € 215, 28 Mio. zu gelangen, müssten diese Beteiligungen eine Unterbewertung in einem Umfang von € 31,518 Mio. aufweisen. Dies ist zur Überzeugung der Kammer angesichts der Art und Weise der Beteiligungen völlig ausgeschlossen.
152
(a) In Bezug auf G… Inc. verweist der Konzernjahresabschluss der S… AG zum 31.12.2020 darauf, dass sich für ihren 5%-igen Anteil an dieser Gesellschaft in den Vorjahren ein vollständiger Wertminderungsbedarf ergab und keine Anzeichen für eine Wertaufholung im Berichtsjahr bestanden, weshalb hier ein Wert von Null angesetzt werden musste.
153
(b) Der Anteil an der A… V… GmbH in Höhe von 5,56% wurde Mitte März 2019 zu € 464.000,- übernommen, wobei dieses Unternehmen im Free TV die täglichen Reichweiten und Marktanteile ermittelt. Dieser Kaufpreis floss in die Sonderwerte ein, obwohl sich die Buchwerte ausweislich der Angaben im Konzernjahresabschluss zum 31.12.2020 verringerten.
154
(c) Der Wert des am 28.6.2019 übernommenen Anteils von 10% an der Su… GmbH verlor bis zum Konzernabschluss zum 31.12.2020 etwa 90% an Wert und wird daher nurmehr mit € 30.000,- bewertet.
155
(d) Anhaltspunkte dafür, dass es zu einer massiven Unterbewertung der mit € 8.000,- angesetzten Anteile an der Sc… G… GmbH und der mit Null angesetzten Beteiligung an der Me… B… gGmbH gekommen sein könnte, sind weder konkret vorgetragen noch sonst erkennbar. Dabei muss insbesondere gesehen werden, dass die Konzernabschlussprüfer von P… erklärt haben, ihre Prüfung hätte zu keinen Einwendungen gegen die Ordnungsgemäßheit des Konzernabschlusses und des Konzernlageberichts geführt. Wenn im Rahmen der Prüfung die Abfindungsprüfer hinreichende Anhaltspunkte dafür haben, dass mitgeteilte Sachverhalte zutreffend sind, können sie diese durchaus ihrer Prüfung zugrunde legen. Derartige Anhaltspunkte können sich – ungeachtet im Einzelnen bestehender Unterschiede zwischen Planannahmen und Bilanzierungsgrundsätzen – beispielsweise aus testierten Jahresabschlüssen ergeben. Der Abschlussprüfer, der das Testat erteilt, übernimmt die Verantwortung für den Jahresabschluss, weshalb auch die Prüfer hierauf ihre Erkenntnisse stützen können (vgl. auch OLG München, Beschluss vom 7.12.2012, Az. 31 Wx 163/12).
156
(3) Der Sonderwert von € 1,21 Mio. für die Geschäftsbeziehung zu einem Media-for-Equity-Fonds bedarf keiner Korrektur. Die Gesellschaft stellte dem Fonds Medien- bzw. Werbeleistungen zur Verfügung und erhielt als Vergütung den Marktwert der angelieferten Medienleistungen in Form von Eigenkapitalanteilen an dem Fondsvermögen. Damit aber erhielt die S… AG einen individuellen Anteil an all den Titeln, die in den Fonds vorhanden sind. Somit spiegelt der Sonderwert den Verkehrswert der Anteile wider. Dieser ergab sich nach den Ausführungen von Frau W… im Rahmen des Termins vom 19.1.2016 aus den Unterlagen der Fondgesellschaft.
157
(4) Der Chancenüberhang aus Rechtsstreitigkeiten der Gesellschaft wurde als Ergebnis einer Chancen- und Risikoableitung als Sonderwert angenommen, wobei die Chancen mit € 900.000,- und die Risiken mit € 200.000,- beziffert wurde. Die Kammer hat keine Anhaltspunkte dafür finden können, dass diese Einschätzung zum Nachteil der Minderheitsaktionäre erfolgt sein könnte, zumal eines der angesprochenen Verfahren bei ihr rechtshängig ist.
158
(5) Weitere Positionen konnten nicht als nicht betriebsnotwendiges Vermögen in die Ermittlung des Unternehmenswerts und der Barabfindung einfließen.
159
(a) Dies gilt zunächst für nicht betriebsnotwendige Liquidität. Frau W… erläuterte, dass geprüft wurde, inwieweit nach der Sonderausschüttung in Höhe von € 7 Mio. ein hinreichender Bestand an betriebsnotwendiger Liquidität vorhanden sein musste, der dauerhaft im Unternehmen zur Verfügung zu stehen hat. Dabei leiteten die Abfindungsprüfer anhand von Kennzahlen aus der Konzernbilanz ab, was pro Monat an Kassenbestand zwingend vorhanden sein müsse und verglichen dies zusätzlich mit der Peer Group, wobei sie für die Gesellschaft zu niedrigeren Werten gelangten. Als absoluter Betrag ermittelten die Abfindungsprüfer auf diese Weise € 1,9 Mio. Weitere nicht betriebsnotwendige Liquidität konnte daher angesichts der steuerfreien Ausschüttung eines Kassenbestandes von € 7 Mio. im Jahr 2025 nicht angenommen werden. Dieser umfasst all das, was an liquiden Mitteln nicht betriebsnotwendig war.
160
(b) Die Marke „S… “ durfte nicht als nicht betriebsnotwendiges Vermögen angesetzt werden. Die Marke dient nämlich unmittelbar dem Erzielen der Erlöse, weshalb ihr Wert über die Ertragsplanung in die Unternehmensbewertung einfließt und demzufolge nicht im Rahmen des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Berücksichtigung finden kann; anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Doppelerfassung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.1.2011, Az. 20 W 3/09; LG München I AG 2017, 501, 507; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 16.4.2021, Az. 5711/19; Beschluss vom 22.6.20200, Az. 5HK O 16116/08; LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.8.2010, Az. 3-5 O 73/04; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh. 305 Rdn. 36 b).
161
(c) Für das Vorhandensein weiteren nicht betriebsnotwendigen Vermögens wie Grundstücke oder Kunstgegenstände fanden die Abfindungsprüfer keinerlei Anhaltspunkte.
162
(d) Das steuerliche Einlagenkonto konnte ebenso wenig wie noch vorhandene Verlustvorträge als Sonderwert angesetzt werden. Beide Positionen wurden im Rahmen der Ertragswertermittlung angesetzt, wobei das steuerliche Einlagenkonto zu einer Steuerfreiheit der vorgenommenen Ausschüttungen führt und die Verlustvorträge bei der Steuerplanung bei den Unternehmenssteuern eingeflossen sind. Ein nochmaliger Ansatz als Sonderwert zöge eine unzulässige Doppelerfassung nach sich.
163
Somit ergibt sich ein Unternehmenswert von € 183,762 Mio. aus der Addition des Ertragswerts von € 153,438 Mio. und den Sonderwerten in Höhe von € 30,324 Mio., woraus sich bei 93.600 Aktien dann eine Abfindung von € 1,96 errechnen würde. Diese liegt jedoch unterhalb des über den Börsenkurs ermittelten Abfindungsbetrag von € 2,30, der dann maßgeblich sein muss.
164
d. Weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts sind auch unter Berücksichtigung des in § 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG normierten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht veranlasst.
165
(1) Ein gerichtliches Sachverständigengutachten muss nur dann eingeholt werden, wenn nach der Anhörung des Prüfers, die sachlich auf § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG gestützt wurde, weiterer Aufklärungsbedarf besteht (vgl. OLG München AG 2014, 453, 454 = Der Konzern 2014, 172, 173; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1172; Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = ZIP 2015, 1336, 1338 = Der Konzern 2016, 94, 96; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Klöcker/Wittgens in: K. Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 8 Rdn. 4; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; im Grundsatz auch Drescher in: BeckOGK, Stand a.a.O, § 8 SpruchG Rdn. 15). Aufgrund des Berichts der Abfindungsprüfer, der ausführlichen Erläuterungen in einem mehrstündigen Anhörungstermin hat die Kammer keinen Zweifel an der Plausibilität der Planannahmen, den Feststellungen zur Ewigen Rente, der Problematik der Thesaurierung sowie zu den Grundlagen des Kapitalisierungszinssatzes, zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen als den wesentlichen Aspekten der hier vorzunehmenden Ermittlung der angemessenen Abfindung.
166
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Anhörung der gemäß §§ 327 c Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 293 c Abs. 1 AktG bestellten Abfindungsprüfer diene nur der Aufklärung über ihre anlässlich der Prüfung getroffenen Feststellungen, nicht jedoch der Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit der Planung und sonstiger Bewertungsparameter (in diese Richtung aber auch Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Vorb. §§ 7 bis 11 SpruchG Rdn. 29 und § 8 Rdn. 32 f.). Diese Auffassung ist nämlich mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck des § 8 Abs. 2 SpruchG nicht vereinbar. Mit der Anhörung des sachverständigen Prüfers soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erkenntnisbasis schon zu Beginn des Verfahrens verbreitert und eine eventuell zusätzlich notwendig werdende Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen zur Begutachtung bestimmter Fragen erleichtert werden. Damit allerdings erschöpft sich nicht die Zielsetzung dieser Vorschrift. Bereits aus der Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 8 SpruchG, die sich der Deutsche Bundestag erkennbar zu eigen gemacht hat, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, es könne auch aufgrund der Anhörung des Prüfers eine abschließende Entscheidung des Gerichts getroffen werden. Hierfür spricht insbesondere auch der Gedanken in den Gesetzesmaterialien, die Prüfungsberichte sollten künftig verstärkt als Grundlage zur Entscheidungsfindung der Gerichte beitragen; der Beschleunigungseffekt soll sich dann gerade auch daraus ergeben, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten als Folge der Bestellung und letztlich auch der Anhörung ganz vermieden werden kann (vgl. BT-Drucksache 15/371 S. 14 f. und 18; auch Riegger/Gayk in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Einl SpruchG Rdn. 50). Dann aber muss es dem Gericht möglich sein, auch Aussagen des gerichtlich bestellten Prüfers zu Bewertungsfragen im Rahmen seiner Entscheidung zu verwerten. Dem steht letztlich auch nicht die Formulierung in § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG entgegen, wenn dort die Anhörung des Prüfers als „sachverständiger Zeuge“ beschrieben wird. Auch wenn dies suggeriert, er solle dem Gericht nur Tatsachen bekunden, die er aufgrund seiner besonderen Sachkunde wahrgenommen hat (vgl. § 414 ZPO), kann seine Rolle nicht auf die eines sachverständigen Zeugen beschränkt werden, weil anderenfalls der vom Gesetzgeber bezweckte Effekt der Beschleunigung des Verfahrens konterkariert würde. Dies gilt umso mehr, als das Problem der rechtlichen Einordnung des gerichtlich bestellten Prüfers in den Gesetzesmaterialien nicht weiter problematisiert wurde.
167
Die weitere Einschaltung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen wird namentlich auch nicht vom Schutz der Minderheitsaktionäre gefordert. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfers im Vorfeld der Strukturmaßnahmen soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner im Spruchverfahren dienen; deshalb kann sein Prüfungsbericht zusammen mit dem Ergebnis einer auf § 8 Abs. 2 SpruchG gestützten Anhörung zusammen mit der aufgrund von § 8 Abs. 2 Satz 3 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Im Übrigen haftet der sachverständige Prüfer nach §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 2 AktG, 323 HGB auch gegenüber den Anteilsinhabern. Gerade durch die Verweisung auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen der §§ 319 Abs. 1 bis Abs. 3, 323 HGB ist die Unabhängigkeit des Prüfers sichergestellt. Der Umstand der Parallelprüfung, also der Prüfung zeitgleich mit dem Erstellen des Berichts des Hauptaktionärs, vermag an der Unabhängigkeit der Prüfung nichts zu ändern und begründet für sich genommen keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG München ZIP 2007, 375, 377 f. = Der Konzern 2007, 356, 359; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 129 f.; LG München I, Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 29.8.2017, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; Emmerich in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 8 SpruchG Rdn. 6). § 407 a ZPO ist angesichts der Sonderregelung in § 8 SpruchG unanwendbar.
168
Eine mögliche Mitgliedschaft von Herrn H…, Herrn Dr. E… und Frau W… im Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. begründet kein Bestellungsverbot im Sinne des § 319 Abs. 1 bis Abs. 4 HGB, der aufgrund der Verweisung in §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 1 AktG Anwendung findet. Angesichts dessen muss die Kammer auch nicht entscheiden, inwieweit sich daraus ein Verwertungsverbot ableiten ließe. Einen Ablehnungsgrund vermag die Kammer gleichfalls nicht zu erkennen. Dabei muss bereits davon ausgegangen werden, dass die Vorschriften über die Sachverständigenablehnung in §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO auf den gerichtlich bestellten Prüfer keine Anwendung finden. Das Spruchverfahrensgesetz behandelt ihn aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 2 nicht als Sachverständigen, sondern als sachverständigen Zeugen, weshalb die Vorschriften über die Ablehnung eines Sachverständigen auf ihn nicht anwendbar sind (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 23.3.2017, Az. 31 O 1/15; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Drescher in: BeckOGK, a.a.O., § 8 SpruchG Rdn. 15). Abgesehen davon wäre ein Befangenheitsgrund auch nicht zu bejahen. Ein solcher ergibt sich nicht aus einer Mitgliedschaft der Abfindungsprüfer im IDW. § 4 Abs. 9 der Satzung des IDW enthält nämlich keine unbedingte Verpflichtungserklärung des Wirtschaftsprüfers auf die Vorgaben des IDW. Zwar hat jedes Mitglied die Prüfungsstandards aufgrund dieser Vorschrift zu beachten. Aufgrund von § 4 Abs. 9 Satz 2 und Satz 3 der Satzung kann eine sorgfältige Prüfung indes ergeben, dass ein Prüfungsstandard nicht anzuwenden oder hiervon abzuweichen ist. Somit bietet die genannte Selbstverpflichtung genügend Raum für die dem Abfindungsprüfer auferlegte unparteiische Überprüfung (vgl. OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). Ein Ablehnungsgrund lässt sich auch nicht daraus ableiten, wenn die Prüfer von M… in anderen Fällen als gerichtlich bestellter Prüfer tätig wurden und gegebenenfalls auch Privatgutachten zur Unternehmensbewertung erstellten. Zwar wird davon auszugehen sein, dass bei einem (gerichtlich bestellten) Sachverständigen, der in derselben Sache für einen nicht unmittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat, ein Ablehnungsgrund besteht, weil dann die Besorgnis besteht, er werde von einer früher geäußerten Begutachtung nicht abweichen (vgl. BGH MDR 2017, 479 f. = VersR 2017, 641, 642 = NJW-RR 2017, 569, 570 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Von einem gleichgelagerten Sachverhalt kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, wenn die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer völlig andere Unternehmen bewertet haben (vgl. auch OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es dagegen um die Frage, dass möglicherweise die zu begutachtende Hüftgelenksprothese aus derselben Modellreihe stammte wie die, die dort bestellte Sachverständige auch als Privatgutachter zu beurteilen hatte. Vorliegend wird auch von Seiten der Antragsteller nicht vorgetragen, M… sowie Herr H…, Herr Dr. E… und Frau W… seien früher mit der Bewertung der S… AG befasst gewesen.
169
Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der von den Wirtschaftsprüfern von M… als Abfindungsprüfer getroffenen Feststellungen. Herr H…, Herr Dr. E… und Frau W… verfügen zweifelsohne über die zur Beurteilung auch komplexer Fragen der Unternehmensbewertung erforderliche Sachkunde. Sie haben sowohl im Prüfungsbericht als auch in der mündlichen Anhörung die vorgenommenen Prüfungshandlungen hinreichend erläutert und dabei insbesondere auch begründet, warum die Abfindungsprüfer gerade auch die Planansätze aus dem Bewertungsgutachten von E… für angemessen und sachgerecht begründet erachteten. Daraus wird deutlich, dass sie sich ihrer Aufgabe und Funktion als gerichtlich bestellte Abfindungsprüfer in vollem Umfang bewusst waren. Dies zeigt sich weiterhin daran, dass die Abfindungsprüfer bei der Ableitung des Beta-Faktors über die Peer Group-Unternehmen weitergehende Analysehandlungen, indem sie bei der Ermittlung des Beta-Faktors zusätzlich noch auf einen regionalen Index und nicht nur auf lokale und globale Indizes abstellten. Zudem haben sie sich auch mit den Auswirkungen des Ansatzes von sicheren Tax Shields auseinandergesetzt, um das Ergebnis zu plausibilisieren. Im Verlaufe ihrer Anhörung haben sich die Abfindungsprüfer von M… eingehend, umfassend und kenntnisreich mit den erhobenen Rügen und Einwendungen gegen die Grundlagen der Ermittlung des Unternehmenswerts der S… AG auseinandergesetzt.
170
Die Prüfer setzten zur externen Plausibilisierung der Planannahmen und ihrer Ergebnisse sich auch mit der vom Bewertungsgutachter herangezogenen Marktstudie von PwC „German Entertainment and Media Outlook 2021-2025“ auseinander, was sie in ihrem Prüfungsbericht dargestellt haben.
171
Zur weiteren Plausibilisierung der Abfindung und des Ausgleichs unterzogen sie das Ergebnis einem Multiplikatorenvergleich auf der Grundlage der Erkenntnisse der Bewertungsgutachter von E…, die eine vergleichende Bewertung anhand von EBITDA- und EBIT-Multiplikatoren vorgenommen hatten. Daraus ergab sich eine Bandbreite des Eigenkapitalwerts, die selbst im Jahr 2023, in dem nicht mehr von einer Beeinflussung der Ergebnisse durch die Pandemie ausgegangen wird, die mit einer Bandbreite zwischen € 1,15 und etwas über € 1,40 weit unterhalb der über die Marktkapitalisierung ermittelte Barabfindung, aber auch noch unter den fundamental abgeleiteten Wert von € 1,96 je Aktie lagen.
172
Bei der Entscheidungsfindung konnte auch auf das Bewertungsgutachten sowie die Äußerungen von Herrn Dr. Ru… und Herrn Dr. P… im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.6.2023 zurückgegriffen werden. Sie können im Wege der freien Beweiswürdigung durch die Kammer verwertet werden, wobei sich die Kammer bewusst ist, dass es hierbei um den Vortrag eines Beteiligten geht. Da die Erkenntnisse der Bewertungsgutachter vom Vertragsprüfer einer umfassenden Überprüfung unterzogen wurden, hat die Kammer allerdings keinen Zweifel an ihrer Richtigkeit, zumal sie sich in das Gesamtbild des zu bewertenden Unternehmens einfügen.
173
(2) Die Vorlage weiterer Unterlagen zur Planung und zur Bewertung war ebenso wenig anzuordnen wie die Vorlage der Arbeitspapiere der beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, weil die Voraussetzungen von § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG als einzig denkbarer Anspruchsgrundlage nicht erfüllt sind.
174
(a) Nach dieser sehr weit gefassten Vorschrift sind sonstige Unterlagen, die für die Entscheidung des Gerichts erheblich sind, auf Verlangen der Antragsteller oder des Vorsitzenden des Gerichts und gegebenenfalls eines vom Gericht bestellten gemeinsamen Vertreters unverzüglich vorzulegen. Zwar gehören auch Planungsunterlagen einer Gesellschaft zu den sonstigen Unterlagen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. nur Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 55). Allerdings haben die Antragsteller die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage der vollständigen Planungsunterlagen nicht plausibel dargelegt, was indes zwingende Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung wäre (so OLG Düsseldorf AG 2021, 25, 27; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010, Az. 20 W 17/06; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 57). Eine derartige Entscheidungserheblichkeit vermag die Kammer nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend zu berücksichtigen, dass wesentliche Grundlagen der Planung im Prüfungsbericht der gerichtlich bestellten Vertragsprüfer dargestellt wurden, weshalb dieser eine ausreichende Basis für die Erhebung hinreichend substantiierter Einwendungen bildet.
175
(b) Die Antragsgegnerin ist weiterhin nicht verpflichtet, die Arbeitspapiere der Bewertungsgutachter von E… sowie der Abfindungsprüfer von M… vorzulegen. Einem derartigen Verlangen steht nach h.M. bereits die Regelung in § 51 b Abs. 4 WPO entgegen, weil es keinen durchsetzbaren Anspruch des Auftraggebers – hier also der Antragsgegnerin – gegen den Wirtschaftsprüfer auf Herausgabe der Arbeitspapiere gibt (vgl. nur Bungert/Mennicke BB 2003, 2021, 2029; Wasmann/Roßkopf ZIP 2003, 1776, 1780; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 58; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 22). Ob dem mit Blick auf §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG in jedem Fall zu folgen sein wird (kritisch zur h.M. Drescher in: BeckOGK, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 10), kann vorliegend aber dahinstehen. Es fehlt nämlich jedenfalls an der Entscheidungserheblichkeit. Zwar sind die Arbeitspapiere in der Begründung zum Regierungsentwurf des Spruchverfahrensgesetzes (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 15) beispielhaft aufgeführt. Dies bedeutet indes nicht, dass die Antragsteller verlangen können, ihnen müssten sämtliche Unterlagen, die die Wirtschaftsprüfer verwendet und in ihren Arbeitspapieren festgehalten haben, in jedem Fall zugänglich gemacht werden. Der Bericht der Hauptaktionärin wie auch der Bericht des gerichtlich bestellten Prüfers soll neben den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Diese ist durch die Vorlage des Berichts der Hauptaktionärin sowie des Prüfungsberichts des gerichtlich bestellten Vertragsprüfers gewährleistet. Zudem fehlt es vorliegend an einem begründeten Vorlageverlangen der Antragsteller, die sich auf einen Anspruch nach § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG hinsichtlich der Arbeitspapiere berufen. Sie haben nicht hinreichend begründet, warum ihnen nur mit Hilfe der Vorlage der Arbeitspapiere eine hinreichend substantiierte Rüge namentlich in Bezug auf die Planung möglich sein sollen; dies wäre indes erforderlich gewesen (vgl. OLG Karlsruhe AG 2006, 463, 464 = NZG 2006, 670, 671 f.; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 67; Drescher in: BeckOGK SpruchG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 10; Klöcker/Wittgens in: K. Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 13). Gerade auch unter diesem Gesichtspunkt können keine überspannten Anforderungen an die Substantiierungslast bezüglich einzelner Rügen gestellt werden.
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3. Auch aus anderen Überlegungen lässt sich eine höhere Barabfindung nicht begründen.
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a. Dies gilt zunächst für gezahlte Vorerwerbspreise. Soweit teilweise in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten wird, Vorerwerbspreise seien zu berücksichtigen, weil auch eine sogenannte „Kontrollprämie“ Teil des Unternehmenswertes sei (vgl. LG Köln AG 2009, 835, 838 = Der Konzern 2009, 494, 496 f.; Schüppen/Tretter in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl., § 327 b AktG Rdn. 16; Hüttemann in: Festschrift für Hoffmann-Becking, 2013, S. 603, 615 f.; Behnke NZG 1999, 934; in diese Richtung auch Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 68; für einen Sonderfall auch LG Frankfurt, Beschluss vom 25.11.2014, Az. 3-05 O 43/13), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Erwerbspreise, die ein Großaktionär in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Squeeze out entrichtet, spielen für die Bemessung der angemessenen Barabfindung keine Rolle. Der Preis, den ein Mehrheitsaktionär an die Minderheitsaktionäre zu zahlen bereit ist, hat zu dem „wahren“ Wert des Anteilseigentums in der Hand der Mindestaktionäre regelmäßig keine Beziehung. In ihm kommt nämlich der Grenznutzen zum Ausdruck, den der Mehrheitsaktionär an den erworbenen Aktien ziehen kann. Dieser ist wesentlich dadurch bestimmt, dass der Mehrheitsaktionär mit den so erworbenen Aktien ein Stimmenquorum erreicht, das aktien- oder umwandlungsrechtlich Voraussetzung für bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen ist. Daher ist der Mehrheitsaktionär vielfach bereit, einen „Paketzuschlag“ zu zahlen. Aus der Sicht des Minderheitsaktionärs ist der vom Mehrheitsaktionär außerbörslich bezahlte (erhöhte) Preis nur erzielbar, wenn es ihm gelingt, gerade seine Aktien an den Mehrheitsaktionär zu veräußern. Darauf aber hat der Minderheitsaktionär weder verfassungsrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG noch einfachrechtlich angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit einen Anspruch (vgl. BVerfGE 100, 289, 306 f. = NJW 1999, 3769, 3771 = NZG 1999, 931, 932 = WM 1999, 1666, 1669 = AG 1999, 566, 568 = ZIP 1999, 1436, 1441 = DB 1999, 1693, 1695 = BB 1999, 1778, 1780 = JZ 1999, 942, 944 – DAT/Altana; BGHZ 186, 229, 241 = NJW 2010, 2657, 2660 = NZG 2010, 939, 943 = ZIP 2010, 1487, 1491 = AG 2010, 629, 632 = DB 2010, 1693, 1697 = WM 2010, 1471, 1475 = Der Konzern 2010, 499, 503 – Stollwerck; LG München I AG 2020, 222, 228; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17095/11; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16858/15; Veil/Preisser in: BeckOGK AktG, Stand 1.1.2023, § 305 Rdn. 71 f.; Steinle/Liebert/Katzenstein: in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7: Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), 6. Aufl., § 34 Rdn. 177 f.; Vetter AG 1999, 569, 572). Aus der Wertung des § 31 Abs. 4 WpÜG lässt sich das gegenteilige Ergebnis nicht begründen, weil das System des WpÜG mit dem der aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen wie dem Squeeze out nicht vergleichbar ist. Die Annahme des Erwerbsangebots beruht auf einer freien Entscheidung des Aktionärs, während er sich bei einem Squeeze out der Mehrheitsentscheidung der vom Hauptaktionär dominierten Hauptversammlung beugen muss. §§ 31 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 WpÜG, 4 WpÜG-AngVO verfolgen zudem einen anderen Zweck als die Bestimmung der Abfindung nach § 305 AktG. Sie sollen bei öffentlichen Übernahmeangeboten das in § 3 Abs. 1 WpÜG verankerte übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgebot absichern (vgl. Krause in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rdn. 4 und § 4 WpÜG/AngVO Rdn. 1). Demgegenüber sollen im Rahmen der Abfindung die außenstehenden Aktionäre für den mit dem Abschluss des Unternehmensvertrages verbundenen Eingriff in ihr Aktieneigentum entschädigt werden, ohne dass sie einen Anspruch auf einen solchen Preis haben, den ein anderer Minderheitsaktionär bei der Veräußerung an den herrschenden Aktionär erzielt (vgl. van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 7 m.w.N.).
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b. Soweit teilweise verlangt wird, die Abfindung müsse eine spesenfreie Auszahlung ermöglichen, kann dem schon im Ansatz nicht erfolgt werden. Spesen, die ein Aktionär zu tragen hat, gehören nicht zu den Verhältnissen der Gesellschaft im Sinne des § 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG. und haben daher keinen Einfluss auf die Höhe der Barabfindung.
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Angesichts dessen konnten die Anträge keinen Erfolg haben.
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1. a. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SpruchG. Schuldner der Gerichtskosten ist nach der Grundsatzregelung aus § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG nur der Antragsgegner. Allerdings können die Kosten ganz oder zum Teil dem Antragssteller auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Für eine Anwendung von § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG ist in Richtung auf die anderen Antragsteller kein Raum. Es entspricht nicht der Billigkeit, die Gerichtskosten ganz oder teilweise den Antragstellern aufzuerlegen, auch wenn die Anträge keinen Erfolg hatten. Es muss dabei nämlich berücksichtigt werden, dass die Anhörung der Abfindungsprüfer im Termin vom 15.6.2023 nochmals eine deutlich erhöhte Klarheit und vertiefte Erkenntnisse zu wesentlichen Planannahmen wie namentlich der Entwicklung der Umsatzzahlen, der Kosten, zur Thesaurierung, sowie zum Kapitalisierungszinssatz gebracht hat.
181
b. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten findet die Entscheidung ihre Grundlage in § 15 Abs. 2 SpruchG.
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(1) Nach dieser Vorschrift ordnet das Gericht an, dass die Kosten der Antragsteller, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil die Anträge in der Sache keinen Erfolg hatten. Die Kammer hält mit Blick auf die nunmehr entgegenstehende Auffassung des Oberlandesgerichts München im Beschluss vom 11.3.2020, Az. 31 Wx 341/17 (AG 2020, 440, 444 f. = ZIP 2020, 761, 762 ff. = WM 2020, 1028, 1034 ff.) an ihrer bisher vertretenen Auffassung zur Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin nicht mehr fest. Das Oberlandesgericht München begründet seine Auffassung im Wesentlichen damit, aus der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 18) ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, dass im Falle des Unterliegens die Antragsteller ihre Kosten zu tragen hätten. Eine regelmäßige Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin widerspreche danach dem Willen des Gesetzgebers, wonach die Kostentragungspflicht der Antragsteller im Falle des Unterliegens die Regel darstellen soll. Auch weist das Oberlandesgericht München neben diesem Argument darauf hin, das mit der Verteilung verbundene Kostenrisiko sei keinesfalls existenzbedrohend – ein Rechtsschutzverlust ist mit dieser Regelung nicht verbunden, weil sich die Antragsteller im Spruchverfahren nicht zwingend anwaltlich vertreten lassen müssen und an die Antragsbegründungspflicht vergleichsweise niedrige Anforderungen zu stellen sind. Infolge der Berechnung der Anwaltsgebühren auf der Grundlage von § 31 RVG und nicht aus dem vollen Geschäftswert ist das Kostenrisiko zudem überschaubar, weshalb eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes nicht angenommen werden kann. Die allgemeiner formulierte Vorschrift des § 81 Abs. 1 FamFG findet angesichts der Spezialregelung in § 15 Abs. 4 SpruchG a.F., die im Wesentlichen der Neuregelung in § 15 Abs. 2 SpruchG entspricht, keine Anwendung. Besondere Gründe, die eine hiervon abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind vorliegend nicht erkennbar.
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(2) Der Antragsgegnerin steht indes kein Kostenerstattungsanspruch gegen die Antragsteller zu. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage, weil § 15 Abs. 2 SpruchG eine abschließende Regelung enthält und dort eine Erstattungspflicht hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners durch die Antragsteller nicht vorgesehen ist (so ausdrücklich BGH NZG 2012, 191, 193 f. = AG 2012, 173, 174 f. = ZIP 2012, 266, 268 f.= WM 2012, 280, 282 f. = DB 2012, 281, 282 f. = MDR 2012, 293 f.; OLG Frankfurt AG 2012, 417, 422 = Der Konzern 2012, 199, 211; LG München I, Beschluss vom 27.6.2014, Az. 5HK O 7819/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.4.2023, § 15 SpruchG Rdn. 25; Klöcker/Wittgens in: K. Schmidt/Lutter, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 21; Koch, AktG, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 6; Steinle/Liebert/Katzenstein in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7 – Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), a.a.O., § 34 Rdn. 49).
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2. Die Entscheidung über den Geschäftswert hat ihre Grundlage in § 74 GNotKG. Da die Anträge keinen Erfolg hatten, war der Mindestgeschäftswert von € 200.000,- festzusetzen. Dieser ist aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch für die Vergütung des gemeinsamen Vertreters maßgeblich.