Inhalt

OLG München, Endurteil v. 19.04.2023 – 13 U 1950/20
Titel:

Konkursantragspflicht, Geschäftsführerhaftung, Freistellungsverpflichtung, Sittenwidrige Schädigung, Feststellungsinteresse, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Gesamtrechtsnachfolger, Haftungsbeschränkung, Insolvenzverschleppungshaftung, Überschuldungsbilanz, Zug-um-Zug-Leistung, Verletzung der Insolvenzantragspflicht, Positive Fortführungsprognose, Abberufung als Geschäftsführer, Haftungsbegrenzung, Geschäftsführertätigkeit, Insolvenzantragstellung, Ausgeschiedener Geschäftsführer

Schlagworte:
Containerinvestments, Schadensersatz, Gesamtrechtsnachfolge, Schneeballsystem, Insolvenzverschleppung, Sittenwidrige Schädigung, Insolvenzantragspflicht
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 12.03.2020 – 27 O 11121/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – II ZR 165/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 54049

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten und die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 12.03.2020, Az. 27 O 11121/19, werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 38 % und die Beklagte 62 %.
III. Dieses Urteil und das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird in dem aus den Gründen ersichtlichen Umfang zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 285.563,45 € (Berufung der Beklagten: 177.417,02 €; Berufung des Klägers: 108.146,43 €) festgesetzt.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolgerin des verstorbenen V. T. Schadensersatz im Zusammenhang mit … Containerinvestments.
2
Im Jahr 1975 gründete I. P. die …-Unternehmensgruppe, zu der vier deutsche operative Gesellschaften – die … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH, die … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH, die … Container Leasing GmbH und die … Transport-Container GmbH – und die Schweizer … Equipment & Finance Corp. gehörten. … hielt 100 % der Gesellschaftsanteile der … Transport-Container GmbH und der Schweizer … Equipment Finance Corp. sowie 47,5 % des Aktienkapitals den … AG, die ihrerseits 100 % der Gesellschaftsanteile an den drei weiteren deutschen Vertriebsgesellschaften hielt. Weitere 47,5 % an der … AG hielt … der Sohn von …
3
Die vier deutschen … Gesellschaften waren die Emittenten der … Kapitalanlagen, die jeweils nahezu identisch konzipiert und ausgestaltet wurden. Die deutschen …-Gesellschaften schlossen mit einer Vielzahl von Anlegern Kauf- und Verwaltungsverträge über neue oder gebrauchte Seefrachtcontainer ab. Der Anleger kaufte jeweils eine bestimmte Anzahl von Containern und sollte das Eigentum an diesen erwerben. Zugleich beauftragte der Anleger die jeweilige …-Gesellschaft über die Dauer von regelmäßig drei bzw. fünf Jahren mit der Verwaltung der von ihm erworbenen Container; während dieser Zeit sollte er einen garantierten Mietzins erhalten. In einem Teil der Verträge war vereinbart, dass die jeweilige Gesellschaft zum Ende der Laufzeit bereit sei, die Container zurückzukaufen und ein entsprechendes Kaufangebot zu unterbreiten (vgl. Ziff. 4 der als Anlagen K1 und K4 vorgelegten Verwaltungsverträge). In anderen Verträgen behielten sich die …-Gesellschaften dies nur vor. Die … Gesellschaften selbst erwarben die Seefrachtcontainer von der Schweizer … Equipment & Finance Corp.; diese übernahm für die deutschen … Gesellschaften auch die Vermietung der Container an Leasinggesellschaften oder Reedereien.
4
Ab dem Jahr 2007 geriet die …-Gruppe in Schwierigkeiten. Die … Equipment & Finance Corp. beschaffte tatsächlich die von den deutschen … Vertriebsgesellschaften an die Anleger verkauften Container zumindest teilweise nicht, sondern verwendete die vereinnahmten Kaufpreise zur Erfüllung der Ansprüche von Altanlegern. Auf diese Weise entstand ein sog. „Schneeballsystem“. Zu Beginn des Jahres 2018 brach das System zusammen, da nicht mehr genügend neue Anlegergelder eingeworben werden konnten, um die Altanleger zu befriedigen. Im März/April 2018 stellten die vier deutschen …-Gesellschaften Insolvenzantrag beim Amtsgericht München. Durch Beschlüsse des Amtsgerichts München vom 24.07.2018 wurde über das Vermögen der genannten Gesellschaften jeweils wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet.
5
Seit 20.02.2013 war … Geschäftsführer der … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH, der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH und der … Container Leasing GmbH. Intern war er dort jeweils für den Unternehmensbereich „Vertrieb“ zuständig. Seit 03.04.2013 war … zudem Geschäftsführer der; … Transport-Container GmbH. Am 08.05.2016 verstarb der Mitgeschäftsführer …. Am 27.06.2016 wurde … als Geschäftsführer der … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH, der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH und der … Container Leasing GmbH abberufen; der, …-Gründer … übernahm jeweils die alleinige Geschäftsführung. Am 08.07.2016 wurde … auch als Geschäftsführer der … Transport-Container GmbH abberufen; auch hier wurde … zum alleinigen Geschäftsführer bestellt (zum Ganzen: Anlagen B4 – B7 und B9 – B 11).
6
… verstarb am 13.06.2018. Alleinerbin ist die Beklagte (Anlage K2).
7
Die Klagepartei schloss mit folgenden … Gesellschaften Verträge über den Kauf und die Verwaltung von Seefrachtcontainern ab (vgl. Anlagenkonvolut K4) und erhielt die nachfolgend genannten Mietzahlungen (vgl. Anlagenkonvolut K3):
… Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH

Vertragsnummer

Datum

Investitionssumme

Mietzahlungen

LF 223916

17.05.2014

24.500,00 €

8.212,12 €

LF 248804

03.11.2015

49.450,00 €

10.160,27 €

… Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH

Vertragsnummer

Datum

Investitionssumme

Mietzahlungen

GC 135075

29.05.2013

28.990,00 €

14.955,94 €

GC 164049

02.10.2014

23.040,00 €

7.422,12 €

GC 174800

12.12.2014

26.684,00 €

8.592,64 €

GC 179924

18.05.2015

36.540,00 €

9.591,80 €

GC 213989

24.11.2016/03.01.2017

50.250,00 €

5.154,93 €

… Transport-Container GmbH

Vertragsnummer

Datum

Investitionssumme

Mietzahlungen

TC 3324

24.03.2017

28.765,00 €

2.087,92 €

TC 19087

06.12.2017

30.580,00 €

0,00 €

8
Mit Anwaltsschreiben vom 28.01.2019 forderte die Klagepartei die Beklagte vorgerichtlich zum Ersatz des Schadens bis zum 18.02.2019 auf.
9
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).
10
Mit Endurteil vom 12.03.2020 (Az. 27 O 11121/19) gab das Landgericht München I der Klage teilweise statt. Es verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 130.269,11 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.02.2019, Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte des Klägers aus den während der Geschäftsführertätigkeit von … abgeschlossenen oben genannten Kauf- und Verwaltungsverträgen. Das Landgericht stellte ferner die Verpflichtung der Beklagten fest, den Kläger von jeglichen Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit den vorgenannten Verträgen freizustellen. Festgestellt wurde zudem das Vorliegen von Annahmeverzug im Hinblick auf die Zug-um-Zug-Leistung. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten erkannte das Landgericht nur in Höhe von 3.006,42 € zu. Mit Ausnahme der Kostenentscheidung wurde der Beklagten die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass von … vorbehalten.
11
Das Landgericht vertrat die Auffassung, der Kläger könne von der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolgerin von … Schadensersatz für die während seiner Geschäftsführertätigkeit erfolgten Vertragsschlüsse verlangen. Die Haftung aus § 826 BGB greife ein, weil es sich bei der … Sruppe jedenfalls ab dem Jahr 2007 um ein in Form eines Schneeballsystems betriebenes „Schwindelunternehmen“ gehandelt habe. … habe gegen die guten Sitten verstoßen, indem er als Vertriebsgeschäftsführer Anlegergelder über Kauf- und Verwaltungsverträge eingeworben habe, ohne sichere Kenntnis davon zu haben, dass die Gesellschaften ihre Verpflichtungen zur Eigentumsübertragung und Verwaltung auch tatsächlich erfüllen können. Dabei habe er zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Positive Kenntnis vom sittenwidrigen Verhalten des Haupttäters … sei insoweit nicht erforderlich gewesen. Es genüge, dass der Gehilfe die Augen bewusst vor der sich aufdrängenden Erkenntnis der Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells des Haupttäters verschließe, diesem das unkontrollierte Betreiben seines Geschäftsmodells ermögliche und so die Verwirklichung der erkannten Gefahr dem Zufall überlasse. Im Falle von … sei dies angesichts der von … betriebenen Informationsabschottung, des konkreten Geschäftsmodells unter Einschaltung der … Equipment & Finance Corp. und der mangelnden Überprüfbarkeit des Containerbestandes der Fall gewesen.
12
Hinsichtlich der Vertragsschlüsse mit der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH und der … Transport-Container GmbH, welche der Kläger nach der Abberufung von … als deren Geschäftsführer getätigt hatte (Verträge vom 24.11.2016/03.01.2017, 24.03.2017 und 06.12.2017), wies das Landgericht die Klage ab.
13
Insoweit scheide eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a InsO aus, weil mit der Beendigung der Organstellung die Insolvenzantragspflicht entfalle und aufgrund dieser Zäsur auch eine Haftungsbeschränkung vorzunehmen sei. Weil … nach seiner Abberufung als Geschäftsführer nicht mehr an der Vermittlung der konkreten Anlagen beteiligt gewesen oder hiervon Kenntnis gehabt habe, komme auch eine Haftung gemäß § 828 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht in Betracht. Schließlich scheide auch ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB aus, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung zu „Schwindelunternehmen“ an die bestehende Stellung als (faktischer) Geschäftsführer, Gesellschafter oder ähnlichem anknüpfe. Außerdem würde sich ein Vorsatz des Erblassers nicht auf in der Zukunft liegende, ihm nicht mehr bekannte Geschäftsvorfälle beziehen. Für die … Transport-Container GmbH gelte dies umso mehr, als diese Gesellschaft während der Geschäftsführertätigkeit … keine operativen Geschäfte durchgeführt und damit auch keine schädigenden Handlungen bewirkt habe.
14
Zu den Einzelheiten wird auf das Endurteil des Landgerichts München I vom 12.03.2020 Bezug genommen (Bl. 110/135 d.A.).
15
Gegen das ihm am 17.03.2020 zugestellte Urteil legte der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 31.03.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht München per Telefax am 01.04.2020, Berufung ein (Bl. 141/142 d.A.); die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 15.06.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht München per Telefax am selben Tag, innerhalb verlängerter Frist begründet (Bl. 156/162 d.A.).
16
Die Beklagte legte gegen das ihr am 13.03.2020 zugestellte Urteil mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.04.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht München per beA am selben Tag, ebenfalls Berufung ein (Bl. 147/148 d.A.); das Rechtsmittel wurde mit Schriftsatz vom 15.06.2020, eingegangen beim Oberlandesgericht München per beA am selben Tag, innerhalb verlängerter Frist begründet (Bl. 163/174 d.A.).
17
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren Klageabweisungsantrag erster Instanz weiter. Der Kläger begehrt mit seinem Rechtsmittel eine volle Verurteilung entsprechend seiner erstinstanzlichen Anträge.
18
Die Beklagte beantragt:
I. Das Urteil des LG München I vom 12.03.2020 (Geschäftsnummer: 27 O 11121/19) wird aufgehoben,
1. soweit die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 130.269,11 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.02.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte des Klägers aus folgenden von ihm unter der Kundennummer ..92673 abgeschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträgen:
- … Container Vertriebs- und Verwaltungs GmbH:

Vertragsnummer

Vertragsabschluss

Investitionssumme

LF 223916

17.05.2014

24.500,00 €

LF 248804

03.11.2015

49.450,00 €

- … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs GmbH:

Vertragsnummer

Vertragsabschluss

Investitionssumme

GC 135075

29.05.2013

28.990,00 €

GC 164049

02.10.2014

23.040,00 €

GC 174800

12.12.2014

26.684,00 €

GC 179924

18.05.2015

36.540,00 €

2. soweit festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichen Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit den in Ziffer 1 genannten Kauf – von Verwaltungsverträgen freizustellen; dies betrifft insbesondere Zahlungsansprüche des Insolvenzverwalters gegen den Kläger aus Insolvenzanfechtungstatbeständen gemäß §§ 129 ff. InsO.
3. soweit festgestellt wird, dass sich die Beklagte mit der in Ziffer 1 genannten Zug-um-Zug-Leistung in Verzug befindet.
4. soweit die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger außergerichtlich angefallene Gebühren in Höhe von 3.006,42 € zu bezahlen.
II. Die Klage wird abgewiesen.
19
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 12.03.2020, Az. 27 O 11121/19, wird wie folgt abgeändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 232.621,26 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.02.2019 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Abtretung aller Rechte des Klägers aus folgenden von ihm unter der Kundennummer ..92673 abgeschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträgen:
- … Container Vertriebs- u. Verwaltungs-GmbH:

Vertragsnummer

Vertragsabschluss

Investitionssumme

LF 223916

17.05.2014

24.500,00 €

LF 248804

03.11.2015

49.450,00 €

- … Gebrauchtcontainer Vertriebs- u. Verwaltungs-GmbH:

Vertragsnummer

Vertragsabschluss

Investitionssumme

GC 135075

29.05.2013

28.990,00 €

GC 164049

02.10.2014

23.040,00 €

GC 174800

12.12.2014

26.684,00 €

GC 179924

18.05.2015

36.540,00 €

GC 213989

03.01.2017

50.250,00 €

- … Transport-Container Vertriebs- u. Verwaltung-GmbH:

Vertragsnummer

Vertragsabschluss

Investitionssumme

TC 3324

24.03.2017

28.765,00 €

TC 19087

06.12.2017

30.580,00 €

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichen Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit den in Ziffer I genannten Kauf- und Verwaltungsverträgen freizustellen. Dies betrifft insbesondere Zahlungsansprüche des Insolvenzverwalters gegen den Kläger aus Insolvenzanfechtungstatbeständen gem. §§ 129 ff. InsO.
III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der in Ziffer I genannten Zug-um-Zug-Leistung in Verzug befindet.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtlich angefallene Gebühren in Höhe von 5.957,14 EUR zu zahlen.
20
Beide Parteien beantragen außerdem jeweils die Zurückweisung der gegnerischen Berufung.
21
Die Beklagte wendet hinsichtlich einer Haftung aus § 826 BGB ein, dass die deutschen …-Gesellschaften lediglich Anlegerkapital eingeworben und konzeptionsgemäß an die Schweizer … Equipment & Finance Corp. weitergeleitet hätten. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise habe der Aufbau und die Aufrechterhaltung eines Containerfehlbestandes bei gleichzeitiger Entgegennahme von Anlegerkapital ausschließlich auf der Ebene der selbständig tätigen Schweizer … Equipment & Finance Corp. stattgefunden. Bei …liege zudem kein subjektiv sittenwidriges und vorsätzliches Verhalten vor. Es habe sich bei dem Erblasser um einen im Verhältnis zu … untergeordneten Mitarbeiter gehandelt, dessen Zuständigkeit sich auf den Geschäftsbereich Vertrieb beschränkt habe. … habe auch wegen der vom …-Gründer … betriebenen umfassenden Informationsabschottung keine Kenntnis vom Aufbau eines Containerfehlbestandes bei der Schweizer … Equipment & Finance Corp. gehabt.
22
Für eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a InsO fehle es an ausreichendem klägerischem Vortrag dazu, ob und vor allem wann bei den streitgegenständlichen …-Gesellschaften jeweils einzeln von einer Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO auszugehen sei. Durch die Vorlage des pwc-Gutachtens (Anlage K 18) könne eine rechnerische Überschuldung ab dem 01.01.2011 nicht als erwiesen angesehen werden, weil eine konsolidierte Betrachtungsweise über alle Gesellschaften hinweg zugrunde gelegt worden sei. Insbesondere seien die Abzüge von Forderungen gegenüber der Schweizer … Equipment & Finance Corp. aufgrund eines modellhaft ermittelten, gruppenweiten Verteilungsschlüssels erfolgt. In dem pwc-Gutachten würden außerdem zu Unrecht sämtliche Containerrückkäufe als Verbindlichkeiten passiviert, obwohl die Gesellschaften unstreitig Verträge mit Anlegern geschlossen hätten, denen keine rechtlich verbindliche Rückkaufverpflichtung zugrunde gelegen habe. Auch habe die Beklagte nur den Betrieb eines Schneeballsystems für die Ebene der Schweizer … Equipment & Finance Corp. unstreitig gestellt, nicht aber für die deutschen …-Vertriebsgesellschaften. Unabhängig davon lasse sich der Ansatz nicht halten, dass aus einem Schneeballsystem gleichsam automatisch eine Überschuldungsvermutung resultiere. Eine positive Fortführungsprognose könne nach dem Streitstoff zumindest nicht ausgeschlossen werden. Nach Auffassung der Beklagten hätte zur Frage der (rechnerischen) Überschuldung jedenfalls ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen.
23
Die beklagte Partei vertritt schließlich die Ansicht, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft die Prozesskosten vom Vorbehalt der Haftung gemäß § 780 ZPO ausgenommen habe.
24
Der Kläger meint, das Landgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit den nach dem Ausscheiden von … aus der Geschäftsführerstellung abgeschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträgen verneint. Eine Haftung nach § 826 BGB sei nicht zwingend an die bestehende Stellung als (faktischer) Geschäftsführer, Gesellschafter oder ähnlichem zur Zeit des Vertragsschlusses gekoppelt. Der Schaden des Klägers stehe auch in einem inneren Zusammenhang mit der von … geschaffenen Gefahrenlage. Eine Unterbrechung des als Schneeballsystem betrieben Geschäftsmodells habe weder durch seine Abberufung als Geschäftsführer noch durch die Übertragung der Vertriebstätigkeit auf die … Transport-Container GmbH stattgefunden. Hinsichtlich der Haftung aus Insolvenzverschleppung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a InsO) sei … der nach seiner Abberufung eingetretene Schaden ebenfalls zurechenbar. Der Gesetzeszweck des § 15 a InsO sei klar zukunftsorientiert; bezweckt werde auch der Schutz sämtlicher zukünftiger Gläubiger. Hätte … rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt, so wäre das gesellschaftsübergreifend geführte gläubigerschädigende …-Geschäftsmodell beendet worden und hätte nicht über die … Transport-Container GmbH weitergeführt werden können. Gläubigerschädigend sei das praktizierte Geschäftsmodell an sich gewesen, so dass es nicht darauf ankomme, über welche Gesellschaft es abgewickelt worden sei. Damit liege auch hier ein innerer Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Erblassers und der Schädigung des Klägers vor.
25
Der Senat stellte mit Beschluss vom 28.07.2020 (Bl. 191/193 d.A.) fest, dass das Verfahren seit dem 17.06.2020 gemäß § 240 S. 2 ZPO unterbrochen ist, da mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 17.06.2020 (Gz. 1509 IN 1157/20) die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Nachlassvermögen von … angeordnet und der hier beklagten Erbin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden war, § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 InsO. Mit Schriftsatz vom 06.04.2021 (Bl. 197/199 d.A.) hat die Beklagte das Verfahren gemäß § 250 ZPO wiederaufgenommen.
26
Am 09.02.2023 erging ein Hinweisbeschluss gemäß § 139 ZPO (Bl. 235/253 d.A.). Die Klagepartei nahm hierzu mit Schriftsatz vom 28.02.2023 (Bl. 260/262 d.A.), die beklagte Partei mit Schriftsatz vom 09.03.2023 (Bl. 269/277 d.A.) Stellung.
27
Der Senat hat sodann am 22.03.2023 mündlich zur Sache verhandelt (Protokoll Bl. 278/280 d.A.).
28
Ergänzend wird auf die zwischen den Beteiligten in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die gerichtlichen Entscheidungen und Protokolle Bezug genommen.
B.
29
Das gemäß § 240 ZPO unterbrochene Verfahren wurde durch die Beklagte ordnungsgemäß aufgenommen.
I.
30
Die Aufnahme des Verfahrens richtet sich nach der Insolvenzordnung (BGH NJW-RR 2014, 1270), ihre Form richtet sich nach § 250 ZPO. Voraussetzung für die Aufnahme des Rechtsstreits ist nach §§ 179 Abs. 1 und 2, 180 Abs. 2 InsO zunächst, dass die Forderung zur Tabelle angemeldet, geprüft und bestritten worden ist (BGH NZI 2020, 782 Rn. 10 f. betreffend die Insolvenz der Partei). Die Beklagte ist zwar nur Erbin des Insolvenzschuldners; sie gilt aber für das Nachlassinsolvenzverfahren – mit Ausnahme der Beschränkungen, die an das Verhalten oder die Vermögensverhältnisse des den Insolvenzgrund setzenden Erblassers anknüpfen – als Schuldnerin (vgl. Gottwald/Haas/Döbereiner, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 110 Rn. 2, 4).
31
Nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 06.04.2021 (= Bl. 197/199 d.A.) hat der Kläger im Nachlassinsolvenzverfahren unter Nr. 347 eine Forderung in Höhe von 298.799,00 € angemeldet. Die Beklagte hat im Prüftermin die Forderung bestritten; sie war als Insolvenzschuldnerin daher zur Aufnahme befugt und hat den Rechtsstreit ordnungsgemäß gemäß § 250 ZPO aufgenommen.
II.
32
Eine Antragsumstellung war trotz des Insolvenzverfahrens über das Vermögen von … nicht erforderlich.
33
Die Antragsumstellung wird zwar bei der Aufnahme eines Prozesses während eines eine Partei betreffenden Insolvenzverfahrens grundsätzlich verlangt, da Streitgegenstand nunmehr die (negative) Feststellung des bestrittenen Insolvenzgläubigerrechts ist (BGH NJW 1962, 153, 154; ZIP 1994, 1193; vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 15. Aufl., § 180 Rn. 26 ff.). Weil die Beklagte aber nur Erbin des Insolvenzschuldners ist und kein Insolvenzverfahren bezüglich ihres eigenen Vermögens besteht, spielt dieser Umstand hier keine Rolle, auch wenn die Erbin im Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens teilweise dem Insolvenzschuldner gleichgestellt wird (und deshalb eine Unterbrechung des Zivilprozesses nach § 240 ZPO eintritt).
C.
34
Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 f. ZPO zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
35
Der Kläger hat Anspruch auf Schadensersatz hinsichtlich der vor Abberufung von … als Geschäftsführer abgeschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträge mit der … Container Vertriebs- und Verwaltung-GmbH (vom 17.05.2014 und 03.11.2015) und der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltung-GmbH (vom 29.05.2013, 02.10.2014, 12.12.2014 und 18.05.2015).
36
Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus den vorgenannten Kauf- und Verwaltungsverträgen kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 130.269,11 € (hierzu Ziffer I) nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.02.2019 (hierzu Ziffer III) verlangen. Das Landgericht hat ferner zu Recht festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von jeglichen Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit den vorgenannten Kauf- und Verwaltungsverträgen freizustellen (hierzu Ziffer IV). Zutreffend hat das Landgericht auch den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt (hierzu Ziffer V) und die Beklagte zur Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.006,42 € verurteilt (hierzu Ziffer VI). Der Beklagten war die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass von …vorzubehalten; der Vorbehalt betrifft allerdings nicht die von der Beklagten zu tragenden Kosten (hierzu Ziffer VII).
I.
37
Der Schadensersatzanspruch in Höhe von 130.269,11 € ergibt sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO, § 1967 Abs. 1 BGB.
38
… hat als Geschäftsführer der oben genannten Kapitalgesellschaften bereits vor der ersten Anlage des Klägers im Mai 2013 jedenfalls fahrlässig gegen § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO als Schutzgesetz verstoßen, indem er trotz bestehender Überschuldung keinen Insolvenzantrag gestellt hat.
39
1. § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO stellt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar (BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 130/10 –, Rn. 9). Der Schutzzweck der Vorschrift erfasst nicht nur Alt-, sondern auch Neugläubiger wie den Kläger, die in Unkenntnis der Insolvenzreife einer Gesellschaft noch in Rechtsbeziehungen zu ihr getreten sind (BGH a.a.O.).
40
2. Die …-Gesellschaften waren zum 01.01.2011, jedenfalls aber bei Abschluss der oben genannten Kauf- und Verwaltungsverträge überschuldet (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO). Das bei den Gesellschaften vorhandene Vermögen deckte die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr. Die Fortführung der Gesellschaften war nach den Umständen auch nicht überwiegend wahrscheinlich.
41
Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München in seinem Urteil vom 19.05.2022 – 8 U 2506/20 (dort S. 13 ff.).
42
Im Einzelnen:
43
a) Den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht hat grundsätzlich der Gläubiger zu erbringen. Steht fest, dass die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnerisch überschuldet war, so ist es allerdings Sache des Geschäftsführers, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen. Hierzu ist er weit besser in der Lage als ein außenstehender Gläubiger. Dem Geschäftsführer ist die Darlegung dieser Umstände zumutbar, weil er ohnehin zu einer laufenden Prüfung der Unternehmenslage verpflichtet ist (BGH NJW 1994, 2220, 2224).
44
b) Der Kläger hat eine rechnerische Überschuldung der streitgegenständlichen Gesellschaften für den hier maßgeblichen Zeitraum schlüssig dargetan.
45
Die Darlegung und der Nachweis der Überschuldung erfolgt regelmäßig durch Vorlage einer Überschuldungsbilanz, in der die Vermögenswerte der Gesellschaft mit ihren aktuellen Verkehrs- und Liquidationswerten auszuweisen sind (BGH NZG 2009, 750; BGH NJW-RR 2010, 1048, 1049 f.).
46
Danach hat die Klagepartei durch Vorlage und Auswertung des pwc-Gutachtens vom 12.09.2018 (Anlage K 18) ausreichend substantiiert zur Überschuldung der Gesellschaften der …-Gruppe spätestens zum 01.01.2011 vorgetragen (für die … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH: S. 45 ff. der Anlage K 18 mit Überschuldungsstatus auf S. 51; für die … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH: S. 53 ff. der Anlage K 18 mit Überschuldungsstatus auf S. 58).
47
Ursache für die Krise war nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts, dass innerhalb der … Gruppe bereits ab dem Jahr 2007 ein sog. „Schneeballsystem“ entstanden war. Seitdem seien von der …-Gruppe Container nicht mehr in dem Umfang erworben worden, wie sie von den deutschen Vertriebsgesellschaften an die Anleger verkauft worden seien. Aufgrund dieses Vorgehens und der dadurch entstandenen Lücke zwischen der Anzahl der an die Anleger verkaufen Container und der Anzahl tatsächlich von der …-Gruppe gehaltener Container (hierzu die Feststellungen auf S. 5 des angefochtenen Endurteils) sei diese in der Folgezeit dauerhaft nicht mehr in der Lage gewesen, ausreichende Erlöse für die garantierten Mietzahlungen an die Anleger zu erwirtschaften. Diese Liquiditätslücke habe bis zum Zusammenbruch der … Gruppe nur mithilfe der neu eingeworbenen Anlegergelder geschlossen werden können. Die fälligen Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Altanlegern habe … nur solange erbringen können, wie die Vertriebsgesellschaften ausreichend frisches Kapital beschafft hätten (S. 13 f. des angefochtenen Endurteils).
48
c) Die gegen den klägerischen Vortrag zur Überschuldung der … Gesellschaften erhobenen Einwendungen der Beklagten bleiben ohne Erfolg.
49
aa) Unstreitig hat die … Equipment & Finance Corp. ab dem Jahr 2007 die von den deutschen Vertriebsgesellschaften eingeworbenen und an sie weitergeleiteten Anlegergelder teilweise zweckwidrig verwendet und nicht die Anzahl an Containern erworben, die für die Erfüllung der von den deutschen Gesellschaften mit den Anlegern geschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträge erforderlich waren. Mit dem neuen Anlagekapital wurden teilweise die jeweils fälligen Ansprüche der Altanleger bedient. Bei den deutschen Vertriebsgesellschaften trat im Laufe der Zeit eine Überschuldung ein, weil ihre Ansprüche gegen die Schweizer … Equipment & Finance Corp. auf Zahlung von Einnahmen aus der Containervermietung nicht mehr ausreichend werthaltig waren.
50
bb) Der Einwand der Beklagten, der Kläger lege bei der Überschuldungsbilanz zu Unrecht eine gesellschaftsübergreifende Betrachtung zugrunde, weshalb die Überschuldung für die einzelnen deutschen Vertriebsgesellschaften nicht substantiiert dargelegt sei, überzeugt ebenfalls nicht.
51
Dass sich die Ausführungen im Zusammenhang mit den von pwc erstellten Überschuldungsstatuten häufig auf die gesamte …-Gruppe beziehen, folgt daraus, dass das Liquiditätsmanagement und die gesamte Abwicklung gesellschaftsübergreifend praktiziert wurden. Das zeigt sich letztlich auch daran, dass alle deutschen Gesellschaften der …-Gruppe im Frühjahr 2018 Insolvenzantrag stellten. Außerdem hat die Klagepartei im Anschluss an das von ihr in Bezug genommene pwc-Gutachten neben der gruppenweiten Betrachtung auch eine Einzelbetrachtung der Gesellschaften vorgenommen und für jede betroffene Gesellschaft einen gesonderten Überschuldungsstatus vorgelegt (Anlage K 18, S. 44 ff.).
52
Dass in den Überschuldungsstatuten für die … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH, die … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH und die … Container Leasing GmbH die Feststellung der werthaltigen Forderungen gegenüber der … Equipment & Finance Corp. jeweils aufgrund eines gruppenweit ermittelten Verteilungsschlüssels erfolgte (Anlage K 18, S. 52 i.V.m. S. 51, 58 und 63), ist nicht zu beanstanden. Bei der Aufstellung der Überschuldungsstatute mussten die hiermit beauftragten Gutachter beurteilen, inwieweit etwaige Ansprüche der deutschen …-Gesellschaften gegen die … Equipment & Finance Corp. werthaltig waren. Dies war deshalb erforderlich, weil nach den Feststellungen von pwc die zu erwartenden Gesamteinnahmen der Schweizer … Equipment & Finance Corp. beginnend mit dem Stichtag 31.12.2010 nicht für die Bedienung der Ansprüche aller deutschen Gesellschaften ausreichten und auch kein Vorrang einer der Gesellschaften gegeben war. Dass die Gutachter als Verteilungsschlüssel die potentiellen künftigen Verpflichtungen der jeweiligen deutschen Vertriebsgesellschaft gegenüber den Anlegern im Verhältnis zu den potentiellen künftigen Verpflichtungen der, …-Gruppe gegenüber den Anlegern zum jeweiligen Stichtag ansetzten (Anlage K 18, S. 52), ist dabei ohne Weiteres plausibel.
53
cc) Schließlich greift der Einwand der Beklagten nicht durch, in den Überschuldungsbilanzen seien Rückkaufverpflichtungen der … Vertriebsgesellschaften aufgenommen worden, obwohl derartige Verpflichtungen gar nicht bestanden hätten.
54
Im Falle von der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeiten sind in der Überschuldungsbilanz Rückstellungen zu passivieren (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB; vgl. BGH NJW 2003, 3629, 3631; K. Schmidt InsO/K. Schmidt/Herchen, 20. Aufl., § 19 Rn. 34). Dabei muss die Höhe und Fälligkeit der Schuld noch nicht mit Sicherheit feststehen (K. Schmidt InsO/K. Schmidt/Herchen, a.a.O.). Lediglich sog. Kulanzrückstellungen sind nicht aufzunehmen, weil diese bei unterstellter planmäßiger Liquidation nicht mehr erbracht würden (MüKolnsO/Drukarczyk/Schüler, 4. Aufl., § 19 Rn. 130). Für sog. Verbindlichkeitsrückstellungen, die durch eine finanzielle Verpflichtung ausgelöst werden, welcher sich das Unternehmen nicht entziehen kann, besteht auch im Überschuldungsstatus Ansatzpflicht, soweit die finanzielle Verpflichtung im Rahmen der planmäßigen Liquidation nicht zum Erliegen kommt (MüKolnsO/Drukarczyk/Schüler, a.a.O., § 19 Rn. 131).
55
Nach diesen Maßstäben waren in den Überschuldungsstatuten Rückkaufverpflichtungen als Verbindlichkeitsrückstellungen zu passivieren.
56
Nach dem klägerischen Vorbringen sei in den Verträgen jedenfalls bis in das Jahr 2015 hinein eine rechtliche Verpflichtung der Beklagten zum Rückkauf enthalten gewesen. In Ziffer 4 der bis dahin verwendeten Verwaltungsverträge habe es geheißen: „Nach Ablauf der Garantiezeit ist … bereit, den/die Container zurückzukaufen, und wird rechtzeitig vor Ablauf des Vertrages ein Kaufangebot unterbreiten.“
57
Dieser Vortrag entspricht dem Kenntnisstand des Senats aus zahlreichen schon bearbeiteten …-Fällen. Ferner wird er sowohl durch die Vertragslage in den von der Klagepartei beispielhaft vorgelegten Kauf- und Verwaltungsverträgen (Anlagenkonvolut K1) als auch durch die Formulierungen in den von der Klagepartei abgeschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträgen (Anlagenkonvolut K4) bestätigt. Auch dort ist erst bei dem am 03.11.2015 mit der … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH geschlossenen Vertrag eine Umformulierung der Rückkaufklausel vorhanden, während die anderen Verträge einschließlich des am 18.05.2015 mit der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH geschlossenen Vertrages in Ziffer 4 des jeweiligen Verwaltungsvertrages noch die oben zitierte Regelung enthielten. Der Insolvenzverwalter Dr. … hat in dem vorgelegten Insolvenzgutachten für die … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH vom 20.07.2018 ebenfalls die Verwendung dieser Formulierung bis August 2015 festgestellt (Anlage K 13, S. 41/44). Dass dies bei den anderen deutschen …-Gesellschaften anders gehandhabt worden sein könnte, erschließt sich angesichts der engen Vernetzung der Gesellschaften nicht. Die Verträge wurden unstreitig entsprechend durchgeführt und die Container nach Ablauf der Mietzeit stets zu guten Konditionen zurückgekauft. Gerade darin bestand ein wesentlicher Aspekt der Attraktivität und Rentabilität der Anlage in ….
58
Die Möglichkeit der Rückveräußerung war ein zentraler Bestandteil dieses Anlagemodells, wie auch das Vorhandensein einer eigenen Gebrauchtcontainer- und einer Containerleasing-Gesellschaft suggerierten. Ohne einen verlässlichen Rückkauf der Container zu guten Konditionen hätten die Anleger das Risiko getragen, sich nach Vertragsende selbst um den Unterhalt und die Weitervermietung bzw. Veräußerung der Seefrachtcontainer kümmern zu müssen, deren Standort auf der Welt nicht vorhersehbar war. Da für den Privatanleger auch kein geregelter Markt vorhanden war, auf dem die Container leicht selbst veräußert werden konnten, lag es für die Verantwortlichen von … auf der Hand, dass die Anleger bei ihrer Investitionsentscheidung von einem Rückkauf ausgingen. Andernfalls wäre zumindest mit einem erheblichen Einbruch des Neugeschäftsvolumens und einem Ansehensverlust am Anlegermarkt zu rechnen gewesen. Diese Verpflichtung war auch bei einer planmäßigen Liquidation zu erfüllen.
59
Auch dass die …-Gesellschaften im Jahr 2015 Anlass sahen, die vorgenannte Rückkaufklausel im Hinblick auf eine etwaige Prospektpflicht abzuändern, spricht dafür, dass diese selbst von einer derartigen Verpflichtung ausgingen. Dass der Rückkaufpreis noch nicht fest vereinbart war, steht der Annahme einer rechtlichen Verpflichtung nicht entgegen, zumal die …-Gesellschaften insoweit selbst mit Prognosen arbeiteten und entsprechende Renditeberechnungen vornahmen, welche den Anlageinteressenten zur Verfügung gestellt wurden und deshalb für die Auslegung der Rückkaufklausel heranzuziehen sind.
60
Die Beklagte hat zwar auf S. 4 ihres Schriftsatzes vom 09.03.2023 (= Bl. 272 d.A.) bestritten, dass … tatsächlich erst ab August 2015 dazu übergegangen wäre, auf eine Rückkaufverpflichtung im aufsichtsrechtlichen Sinne zu verzichten. Das von der Beklagten als Beleg angeführte Urteil des Landgerichts Flensburg vom 04.02.2022 (Az. 3 O 180/20) bietet aber keinen ausreichenden Anhaltspunkt für eine regelmäßige Verwendung solcher Vertragsformulare bereits vor dem genannten Zeitpunkt. Die dortige Feststellung, dass sich die … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH bereits im Januar 2013 den Rückkauf der Container (lediglich) vorbehalten habe, widerspricht insbesondere den oben wiedergegebenen Erkenntnissen des Insolvenzverwalters Dr. … der sich intensiv mit der Geschäftstätigkeit der insolventen …-Gesellschaften und der Gestaltung der Anlegerverträge befasst hat. Insofern kann der Senat nicht ausschließen, dass in dem vom Landgericht Flensburg entschiedenen Fall nur selten verwendete Vertragsbedingungen zur Anwendung gelangten oder dass das Landgericht Flensburg beim Zitat der entsprechenden Vertragsklausel einem Irrtum unterlegen ist.
61
Jedenfalls aber waren Rückkaufverpflichtungen schon deshalb zu passivieren, weil ein erhebliches Risiko bestand, dass die Rechtsprechung bei Auslegung der abgeänderten Formulierung in Ziffer 4 der Verträge, wonach sich … die Unterbreitung eines Rückkaufangebotes „vorbehielt“, ebenfalls von einer rechtlichen Rückkaufverpflichtung ausgeht. Das vorliegende Anlagekonzept war ohne Rückkaufverpflichtung von … aus den oben genannten Gründen nicht vermittelbar und lebte über die Jahrzehnte nicht zuletzt von der gerichtsbekannt plakativ beworbenen Einhaltung dieses Versprechens.
62
Selbst wenn man nur von einer faktischen Rückkaufverpflichtung ausgehen sollte, war diese bei einer planmäßigen Liquidation von einem ordentlichen Kaufmann zu erfüllen. Auch bei der planmäßigen Liquidation erwartet der Geschäftsverkehr, dass zentrale Zusagen erfüllt werden, wenn dies in der Vergangenheit – wie bei … – der Fall war.
63
Im Ergebnis erscheint es daher bilanzrechtlich zutreffend, dass die Rückkaufverpflichtungen in den vorgelegten Überschuldungsbilanzen passiviert wurden. Die Nichtberücksichtigung zumindest als Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten würde zu einem unzutreffenden Bild der tatsächlichen finanziellen Lage der …-Gesellschaften führen; durch die Überschuldungsbilanz würde die von der Unternehmensfortführung ausgehende Gläubigergefährdung nicht wirklichkeitsgetreu abgebildet.
64
Auch für die Höhe der zu passivierenden Verbindlichkeitsrückstellungen ist die planmäßige Liquidation des Unternehmens zu unterstellen (MüKolnsO/Drukarczyk/Schüler, a.a.O., § 19 Rn. 130 ff.). Ausgehend hiervon sind die ungewissen Verbindlichkeiten aus Rückkäufen entsprechend dem Überschuldungsgutachten (Anlage K 18, S. 29) mit den von … selbst prognostizierten Rückkaufwerten anzusetzen. Diese waren nach den Erkenntnissen der Gutachter stets die Grundlage für die tatsächlich gezahlten Rückkaufpreise und wurden vom Management auch so eingeplant.
65
Der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den vorgenannten Rechtsfragen bedurfte es nicht.
66
d) Der Senat hat sich aber auch die tatrichterliche Überzeugung gebildet, dass eine Überschuldung der hier maßgeblichen …-Gesellschaften zum 01.01.2011, spätestens jedoch beim ersten Containererwerb der Klagepartei im Mai 2013 vorlag.
67
aa) Wie bereits ausgeführt, hat die … Equipment & Finance Corp. ab dem Jahr 2007 die von den deutschen Vertriebsgesellschaften eingeworbenen und an sie weitergeleiteten Anlegergelder teilweise zweckwidrig verwendet und nicht die Anzahl an Containern erworben, die für die Erfüllung der von den deutschen Gesellschaften mit den Anlegern geschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträge erforderlich waren. Mit dem neuen Anlagekapital wurden teilweise die jeweils fälligen Ansprüche der Altanleger bedient. Aufgrund dieses Vorgehens und der dadurch entstandenen Lücke zwischen der Anzahl der an die Anleger verkaufen Container und der Anzahl tatsächlich von der … Equipment & Finance Corp. gehaltener Container war die … Gruppe dauerhaft nicht mit der Lage, ausreichende Erlöse für die garantierten Mietzahlungen an die Anleger und die Containerrückkäufe zu erwirtschaften. Diese Liquiditätslücke konnte bis zum Zusammenbruch der …-Gruppe nur mithilfe der neu eingeworbenen Anlegergelder geschlossen werden.
68
Zu diesem Ergebnis kommt nach umfangreicher Bestandsaufnahme und Sichtung der Unterlagen auch der Insolvenzverwalter Dr. … in dem als Anlage K 13 vorgelegten Insolvenzgutachten vom 20.07.2018. Demzufolge hätten die Einnahmen aus dem bei der … Gruppe vorhandenen Containerbestand schon seit vielen Jahren nicht ansatzweise ausgereicht, um die aus den Verträgen mit den Anlegern übernommenen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Bestandsanleger seien, solange es die Liquidität der … Gruppe zugelassen habe, vor allem mit den vereinnahmten Geldern aus Neuanlagen bezahlt worden. Ein funktionierendes Geschäftsmodell sei jedenfalls schon seit über einem Jahrzehnt nicht mehr vorhanden gewesen. Solange bestehe auch schon keine positive Fortführungsprognose mehr (Anlage K 13, dort S. 126 f.).
69
bb) Wesen eines Schneeballsystems ist, dass sich die finanzielle Lage der betroffenen Gesellschaft stetig verschlechtert und es zur Überschuldung kommt. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation wäre nur durch tiefgreifende Eingriffe und die Etablierung eines tragfähigen Geschäftsmodells möglich, was aber vorliegend nicht ersichtlich ist und sich insbesondere nicht aus dem „Projekt …“ (vgl. die als Anlage K6 vorgelegte Präsentation vom 17.03.2014 zum Abgleich der Flottenbestände bei den deutschen …-Gesellschaften einerseits und der Schweizer … Equipment & Finance Corp. andererseits) ergibt. Dass die Geschäftsleitung von … aus dieser Bestandsaufnahme Konsequenzen gezogen und sich tatsächlich um die (Wieder-) Einrichtung eines tragfähigen Geschäftsmodells bemüht hätte, trägt die Beklagte nicht vor. Die Überschuldung der …-Gesellschaften konnte sich somit bei dem seit dem Jahr 2007 bestehenden Schneeballsystem in den folgenden Jahren nur verfestigen, angesichts der bestehenden Abhängigkeiten auch dann, wenn der Containerfehlbestand – wie die Beklagte meint – „nur“ auf Ebene der Schweizer Gesellschaft bestanden hätte. Zum einen existierten die von den deutschen … Gesellschaften für die Anleger zu beschaffenden und an diese zu übereignenden Container teilweise nicht. Zum anderen waren die Ansprüche der deutschen … Gesellschaften gegen die Schweizer … Equipment & Finance Corp. auf Zahlung von Einnahmen aus der Containervermietung teilweise nicht werthaltig.
70
cc) Es wäre daher Sache der Beklagten gewesen, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht gerechtfertigt haben sollen, die X.-Unternehmen trotzdem fortzuführen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
71
Eine Fortführungsprognose ergibt sich jedenfalls nicht daraus, dass die Geschäfte der …-Gruppe noch bis zum Jahr 2018 weiter betrieben wurden. Es ist charakteristisch für ein Schneeballsystem, dass durch die Einwerbung neuer Liquidität der Zusammenbruch des Systems trotz bestehender Überschuldung und Fehlens einer positiven Fortführungsprognose oft jahrelang hinausgeschoben wird. Dies steht im Einklang mit den Feststellungen des Landgerichts, wonach die seit dem Jahr 2007 gegebenen Containerfehlbestände bis zur … nsolvenz im Jahr 2018 nicht verringert, sondern stetig aufgebaut wurden (S. 5 des angefochtenen Endurteils).
72
dd) Im Ergebnis hat der Senat keinen Zweifel daran, dass die …-Gesellschaften zum 01.01.2011 überschuldet waren (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO).
73
3. … hat pflichtwidrig keinen Insolvenzantrag gestellt und damit gegen § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO verstoßen.
74
Ihn traf als wirksam bestellten GmbH-Geschäftsführer eine Insolvenzantragspflicht; die Verpflichtung hängt weder von der Vertretungsregelung noch von der Geschäftsführungsbefugnis ab (vgl. hierzu MüKolnso/Klöhn, a.a.O., § 15 a Rn. 70 f.). Die …-Gesellschaften waren schon deutlich vor Abschluss der streitgegenständlichen Verträge überschuldet, so dass auch die dreiwöchige Antragsfrist abgelaufen war. Insolvenzanträge für die …-Gesellschaften wurden letztlich erst im Jahr 2018 gestellt.
75
4. … hat seine Antragspflicht zumindest fahrlässig und damit schuldhaft verletzt (§§ 823 Abs. 2, 276 Abs. 1 und 2 BGB, § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO).
76
a) Für den subjektiven Tatbestand der Insolvenzverschleppung genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei die Erkennbarkeit vermutet wird (BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 130/10 –, Rn. 11; BGH NZG 2012, 464, 466 Rn. 25; NJW 2011, 2427, 2430 Rn. 38 m.w.N.; BGHZ 126, 181, 200 = NJW 1994, 2220, 2224; MüKolnsO/Klöhn, a.a.O., § 15 a Rn. 265 m.w.N.).
77
b) Die Beklagte hat diese Vermutung nicht widerlegt. Vielmehr sprechen verschiedene Umstände dafür, dass die Überschuldung der … Gesellschaften für … nach Übernahme der Geschäftsführerämter erkennbar war.
78
… war am 20.02.2013 – und damit vor Abschluss der streitgegenständlichen Verträge – zum Geschäftsführer der … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH und der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH bestellt worden. Als für den Unternehmensbereich „Vertrieb“ verantwortlicher Geschäftsführer (vgl. Anlagen B9 ff.) war er für die Einwerbung neuer Anleger und den Abschluss neuer Verträge verantwortlich.
79
Wie das Landgericht zu Recht ausführt, war Herrn …ewusst, dass die deutschen Vertriebsgesellschaften und er als deren Geschäftsführer – nach eigenem Vortrag – weder eigene Informationen über die Art der Verwendung der an die Schweizer … Equipment & Finance Corp. weitergeleiteten Anlegergelder hatten noch die Möglichkeit bestand, insoweit Informationen von dieser ausländischen Gesellschaft zu erlangen, da; … als Gründer von … insoweit eine strikte Informationsabschottung betrieb (S. 16 des angefochtenen Urteils). Es ist daher davon auszugehen, dass das Risiko, dass mangels Überprüfbarkeit des Containerbestandes der Abschluss von Vertriebs- und Verwaltungsverträgen über tatsächlich nicht existierende Container (sog. „Leerverkäufe“) möglich und nicht kontrollierbar war, … bekannt war; jedenfalls hätte es ihm bekannt sein müssen.
80
Es kommt hinzu, dass für die Jahresabschlüsse der deutschen … Gesellschaften ab dem Geschäftsjahr 2010 lediglich eingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt wurden, weil nicht nur Angaben zu den Gesamtbezügen der Geschäftsführer, sondern auch Angaben zu nicht in der Bilanz enthaltenen Geschäften bzw. zum Gesamtbetrag der sonstigen finanziellen Verpflichtungen gemäß § 285 Nr. 3 und 3 a HGB fehlten (vgl. S. 72 ff. des als Anlage K 13 vorgelegten Insolvenzgutachtens für die … Container Vertriebs- und Verwaltung-GmbH vom 20.07.2018; S. 30 des als Anlage K 18 vorgelegten pwc-Gutachtens zur Überschuldung vom 12.09.2018). Wegen des Vorhandenseins nur eingeschränkter Bestätigungsvermerke hätte … das Geschäftsmodell schon bei Übernahme der Geschäftsführung einer besonders eingehenden Kontrolle unterziehen müssen. Hieran vermag der Einwand einer fehlenden Ressortzuständigkeit nichts zu ändern, denn dem Vertrieb obliegt die Prüfung, ob die verkauften Container auch tatsächlich existieren. Auf eine fehlende Kenntnis … von den eingeschränkten Bestätigungsvermerken könnte sich die Beklagte ebenfalls nicht berufen. Insofern hätte Herr … es fahrlässig unterlassen, sich als Organ einer Kapitalgesellschaft ein umfassendes Bild vom Zustand der Gesellschaft zu verschaffen. Bei Arbeitsteilung im Leitungsorgan besteht für alle Organmitglieder – auch bei fehlender Ressortzuständigkeit – eine Verpflichtung, sich an der Aufsicht über die Finanzlage zu beteiligen und die zuständigen Organmitglieder zu überwachen (Prinzip der Gesamtverantwortung; vgl. K. Schmidt InsO/K. Schmidt/Herchen, a.a.O., § 15 a Rn. 36). Hierzu gehört jedenfalls die Kenntnisnahme vom Inhalt der Jahresabschlüsse und der zugehörigen Testate des Wirtschaftsprüfers.
81
5. Dem Kläger ist durch die Schutzgesetzverletzung von … auch kausal ein Schaden entstanden.
82
Dabei ist grundsätzlich derjenige hypothetische Kausalverlauf zu unterstellen, der ohne besondere Vorkommnisse zu erwarten gewesen wäre (MüKolnsO/Klöhn, a.a.O., § 15 a Rn. 191 m.w.N.). Vorliegend hätte der Kläger nicht mehr in … angelegt, wenn …rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt hätte.
83
6. Nach §§ 823 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 a InsO ist das negative Interesse zu ersetzen (BGH NZG 2015, 227, 228 Rn. 13 m.w.N.; MüKolnsO/Klöhn, a.a.O., § 15 a Rn. 194 m.w.N.).
84
Die Neugläubiger haben bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind (BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 130/10 –, Rn. 13 m.w.N.).
85
Der Kläger ist mithin so zu stellen, als wenn er die Kauf- und Verwaltungsverträge mit der … Container Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH vom 17.05.2014 und 03.11.2015 sowie mit der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH vom 29.05.2013, 02.10.2014, 12.12.2014 und 18.05.2015 nicht abgeschlossen hätte. Der Schaden besteht in dem gezahlten Kaufpreis, wobei sich der Kläger die erhaltenen Mietzahlungen anrechnen lassen und Zug um Zug die Rechte aus den Verträgen an die Beklagte abtreten muss. Den Vorteilsausgleich (vgl. hierzu MüKolnsO/Klöhn, a.a.O., § 15 a Rn. 198) hat das Landgericht zutreffend vorgenommen; dies wird von der beklagten Partei auch nicht in Frage gestellt.
86
Die Klagepartei hat somit Anspruch auf Zahlung von 130.269,11 € (189.204,00 € Investitionssumme – 58.934,89 € Mietzahlungen; vgl. die Aufstellung auf S. 19 des angefochtenen Urteils).
II.
87
Ob die Beklagte auch nach §§ 826, 1967 Abs. 1 BGB für die während der Geschäftsführertätigkeit von … erfolgten Containerkäufe des Klägers haftet, kann dahinstehen. Sowohl nach § 826 BGB als auch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a InsO ist das negative Interesse zu ersetzen, weshalb der Klagepartei auf der Grundlage einer Haftung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung kein weitergehender Schadensersatzanspruch zustünde.
III.
88
Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.
89
Er hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 28.01.2019 unter angemessener Fristsetzung bis zum 18.02.2019 gemahnt und zur Leistung von Schadensersatz aufgefordert. Damit befand sich die Beklagte ab dem 19.02.2019 im Schuldnerverzug.
IV.
90
Die Klagepartei kann ferner die Feststellung verlangen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von jeglichen Zahlungsverpflichtungen im Zusammenhang mit den während der …-Geschäftsführertätigkeit von … abgeschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträgen freizustellen.
91
Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht, weil der Kläger aus diesen Verträgen jeweils Mietzahlungen erhalten hat, welche der Gefahr einer wirksamen Insolvenzanfechtung durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO unterlagen (siehe nunmehr aber BGH, Beschluss vom 26.01.2023 – IX ZR 17/22).
V.
92
Dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung spätestens mit Einlegung ihre Berufung in Verzug befindet, ergibt sich aus §§ 293, 295 BGB.
VI.
93
Der Kläger hat schließlich Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.006,42 € (§§ 823 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 a InsO).
94
Der Kläger durfte sich vorliegend veranlasst sehen (vgl. Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl., § 249 Rn. 57), zur Verfolgung seiner deliktischen Ansprüche gegen die Beklagte einen Rechtsanwalt zu mandatieren.
95
Ausgehend von einem Gegenstandswert von 177.417,02 € (begründeter Zahlungsanspruch in Höhe von 130.169,11 € zuzüglich 80 % der Mietzahlungen aus den berücksichtigungsfähigen Verträgen) und unter Ansatz einer Mittelgebühr von 1,3 (Nr. 2300 VV-RVG) ergibt sich ein erstattungsfähiger Anspruch in Höhe von 3.006,42 € [(1.928,00 € × 1,3 + 20,00 € Auslagenpauschale) × 1,19].
VII.
96
Die Beklagte hat zwar Anspruch darauf, dass ihr auf entsprechende Einrede die Geltendmachung der Beschränkung der Haftung auf den Nachlass von … vorbehalten bleibt. Einen entsprechenden Hilfsantrag hat die Beklagte bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 06.02.2020 (= Bl. 75 d.A.) gestellt. Der vom Landgericht ausgesprochene Vorbehalt bezieht sich aber zutreffend nicht auf die Prozesskosten.
97
Wegen der Kosten eines Rechtsstreits gegen den Erben kann der Erbe eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nur dann erfolgreich geltend machen, wenn die Kosten bereits durch die Prozessführung des Erblassers veranlasst wurden (BeckOK ZPO/Preuß, 47. Edition, § 780 Rn. 18 f.; vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 13.01.2004 – XI ZR 35/01, BeckRS 2004, 01156 für die Kosten eines Revisionsverfahrens, wenn der Kläger die Revision erst nach dem Tod des Erblassers eingelegt hat). Die vorliegende Klage wurde von vornherein gegen die Erbin erhoben, weshalb es sich bei den Prozesskosten nicht um eine Erblasserverbindlichkeit, sondern um selbst veranlasste Kosten des Erben handelt.
D.
98
Die zulässige Berufung des Klägers ist ebenfalls unbegründet und daher zurückzuweisen.
I.
99
Dem Kläger steht hinsichtlich der Anlagen bei der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH vom 24.11.2016/03.01.2017 und der … Transport-Container GmbH vom 24.03. und 06.12.2017, welche er nach dem Ausscheiden von … als Geschäftsführer dieser Gesellschaften tätigte, kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO, § 1967 Abs. 1 BGB zu.
100
1. Bei der Insolvenzverschleppung gemäß § 15 a InsO handelt es sich um ein Sonderdelikt, welches nur durch die wirksam bestellten Organe einer Gesellschaft verwirklicht werden kann. Mit der Beendigung der Organstellung endet auch die Insolvenzantragspflicht (MüKolnsO/Klöhn, a.a.O., § 15 a Rn. 70 ff.).
101
Rechtsschutzgesichtspunkte gebieten eine Haftung des ausgeschiedenen Organs für danach eingetretene Verschleppungsschäden jedenfalls dann nicht, wenn potenziellen Geschädigten – wie hier – ein Nachfolger des ausgeschiedenen Organs als antragspflichtige und haftende Person zur Verfügung steht.
102
Dementsprechend ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die reine Kausalitätsbetrachtung ihre Grenzen unter anderem im Schutzzweck der verletzten Norm oder Pflicht findet. Dies bedeutet für eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO, dass der objektive und subjektive Tatbestand einer Insolvenzverschleppung als Dauerdelikt im Zeitraum des zum Schaden des Neugläubigers führenden Geschäftsabschlusses zwischen ihm und der Gesellschaft noch vorliegen muss (BGH NJW 2005, 3137, 3138 für den dort einschlägigen Verstoß gegen die Konkursantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. in der besonderen Konstellation einer sich wieder erholenden Gesellschaft). Zum Zeitpunkt der oben genannten Containerkäufe der Klagepartei war … schon aus dem Geschäftsführeramt ausgeschieden, sodass es zu diesen Zeitpunkten bereits am objektiven Tatbestand fehlte.
103
2. Ferner kann von einem ehemaligen Geschäftsführer nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht verlangt werden, bei seinem etwaigen Nachfolger oder bei den Gesellschaftern auf die Stellung eines Insolvenzantrags hinzuwirken (so auch Gottwald/Haas/Kolmann/Kurz, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 90 Rn. 84, 180; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 15 a Rn. 12). Dem ehemaligen Geschäftsführer fehlt regelmäßig die rechtliche Handhabe, um entsprechenden Einfluss auf den/die aktuell Antragspflichtigen auszuüben.
104
Unabhängig davon liegt es auch nicht nahe, dass für … die tatsächliche Möglichkeit bestanden hätte, seinen organschaftlichen Nachfolger – den Initiator des …-Anlagesystems … – bzw. die Gesellschafter … und … zur Stellung eines Insolvenzantrags zu veranlassen.
105
3. Im Ergebnis beschränkt sich die Haftung und Verantwortlichkeit des Geschäftsführers im Außenverhältnis auf die vor Amtsbeendigung entstandenen Verschleppungsschäden (so auch Saenger/Inhester/Kolmann, GmbHG, 4. Aufl., vor § 64 Rn. 159 f.).
106
Selbst die Annahme einer zeitlich begrenzten Nachwirkung der Insolvenzantragspflicht (hierfür der 8. Zivilsenat in seinem Urteil vom 19.05.2022 – 8 U 2506/20 –, S. 41 f.) würde der Berufung des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen. Die Kauf- und Verwaltungsverträge vom 03.01., 24.03. und 06.12.2017 wurden deutlich nach dem Ausscheiden von … aus seinen Ämtern als Geschäftsführer der … Gebrauchtcontainer Vertriebs- und Verwaltungs-GmbH am 27.06.2016 und der … Transport-Container GmbH am 08.07.2016 abgeschlossen.
II.
107
Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 1967 Abs. 1 BGB für die nach dem Ausscheiden von … als Geschäftsführer getätigten Vertragsschlüsse des Klägers besteht ebenfalls nicht.
108
1. Eine Haftung von … aus § 826 BGB kommt dabei grundsätzlich sowohl wegen des Betreibens eines Schneeballsystems als auch wegen Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht in Betracht.
109
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die … Gesellschaften über Jahre hinweg ohne tragfähiges Geschäftsmodell im Wege eines Schneeballsystems betrieben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes haften Geschäftsführer, (faktische) Geschäftsleiter oder Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft nach § 826 BGB auf Schadensersatz, wenn das von ihnen ins Werk gesetzte Geschäftsmodell der Gesellschaft von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt ist, es sich mithin um ein „Schwindelunternehmen“ handelt (BGH, Versäumnisurteil vom 14.07.2015 – VI ZR 463/14 = WM 2015, 2112 Rn. 24 m.w.N.; Urteil vom 28.02.1989 – XI ZR 70/88 = ZIP 1989, 830, 831).
110
b) Darüber hinaus kann eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung in der Absicht, das als unabwendbar erkannte Ende eines Unternehmens so lange wie möglich hinauszuzögern, den Tatbestand einer sittenwidrigen Schädigung im Sinne des § 826 BGB erfüllen, wenn dabei die Schädigung der Unternehmensgläubiger billigend in Kauf genommen wird (BGH, Urteil vom 27.07.2021 – II ZR 164/20 –, Rn. 20 m.w.N.).
111
2. Für eine Haftung der Beklagten hinsichtlich der Anlagen des Klägers bei der … Transport-Container GmbH fehlt es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Klägers zu einem sittenwidrigen Verhalten von V. T..
112
Die … Transport-Container GmbH bot unstreitig erst ab dem 02.02.2017 öffentlich Vermögensanlagen an (S. 9 der Klageerwiderung = Bl. 33 d.A.) und war somit bis zur Abberufung von … als Geschäftsführer am 08.07.2016 nicht mit dem Containervertrieb innerhalb des von … betriebenen Schneeballsystems befasst gewesen. Nach den Ausführungen auf S. 65 ff. des pwc-Gutachtens vom 12.09.2018 (Anlage K 18) habe die Gesellschaft demnach erst seit Aufnahme des operativen Vertriebs einen negativen Überschuldungsstatus aufgewiesen. Dass … die Nutzung der … Transport-Container GmbH als Vertriebsgesellschaft noch in die Wege geleitet hätte, trägt die Klagepartei nicht vor.
113
3. Der dem Kläger durch die Containerkäufe vom 03.01., 24.03. und 06.12.2017 entstandene Schaden ist im Übrigen nicht vom Schutzzweck des § 826 BGB umfasst, sodass es auf das Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 826 BGB nicht ankommt.
114
Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Schadenszurechnung und damit die Haftung aus § 826 BGB nach dem Schutzzweck der Norm zu begrenzen (vgl. nur BGH, Urteil vom 04.06.2007 – II ZR 147/05 –, Rn. 30 ff. „ComROAD IV“).
115
a) Für die Verneinung des Schutzzweckzusammenhangs hinsichtlich des Betreibens eines Schneeballsystems waren folgende Erwägungen maßgeblich:
116
Wesentlich ist zunächst, dass … das Geschäftsmodell der … Unternehmensgruppe unstreitig nicht „ins Werk gesetzt“ hatte. Er war weder an der Gründung der …-Gruppe noch an der Installation eines Schneeballsystems beteiligt gewesen. Vielmehr war er für einen überschaubaren Zeitraum von etwa drei Jahren als für das Ressort „Vertrieb“ zuständiger Geschäftsführer der deutschen …-Vertriebsgesellschaften eingesetzt.
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… nahm nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer der deutschen … Gesellschaften unstreitig auch keine schädigenden Handlungen mehr vor. Eine irgendwie geartete Einbindung des Vaters der Beklagten in den weiteren Betrieb dieser Gesellschaften ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Er war an weiteren Containerverkäufen nicht beteiligt und hatte keine Kenntnis von künftigen Anlegern und deren künftigen Anlageentscheidungen.
118
Bei den …-Vertriebsgesellschaften gab es nach dem Ausscheiden von … jeweils einen neuen Geschäftsführer, den beginnend mit seinem Eintritt die Verantwortung für den Weiterbetrieb des Schneeballsystems und die Insolvenzantragspflicht traf. Der Vater der Beklagten hatte mit seinem Ausscheiden nicht mehr die Möglichkeit, der von ihm zuvor versäumten Insolvenzantragspflicht nachzukommen, weil er nicht mehr antragsberechtigt war. Einwirkungsmöglichkeiten auf seinen Nachfolger hatte er ebenfalls nicht.
119
Es kommt hinzu, dass es sich beim Nachfolger von …um … handelte. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte … die … Gruppe gegründet und jahrelang geleitet. Er wurde nach der Abberufung … wieder als alleiniger Geschäftsführer bestellt, nachdem er dieses Amt schon vorher bekleidet hatte. Mithin wurde kein neuer Geschäftsführer berufen, der sich erst mit dem Geschäftsmodell der Unternehmensgruppe vertraut machen musste und bei dem eine vorübergehende Unkenntnis von dem betriebenen Schneeballsystem zumindest vorstellbar wäre.
120
Eine zeitlich unbegrenzte Verantwortlichkeit für den Weiterbetrieb eines Schneeballsystems bzw. für die Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch eine beliebige Anzahl nachfolgender Geschäftsführer würde zu einer ausufernden Haftung führen, welche mit der vom Bundesgerichtshof geforderten Haftungsbegrenzung nach dem Schutzzweck des § 826 BGB nicht mehr vereinbar wäre.
121
Im vorliegenden Fall besteht auch kein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Abberufung von … als Geschäftsführer der … Vertriebsgesellschaften am 27.06.2016 bzw. am 08.07.2016 (bei der … Transport-Container GmbH) und den danach erfolgten Anlagen des Klägers. Zwar hatte der Kläger bereits zuvor investiert. Er fasste jedoch am 03.01.2017, am 24.03.2017 und am 06.12.2017 und damit erstmals etwa ein halbes Jahr nach dem endgültigen Ausscheiden … als Geschäftsführer von …-Gesellschaften einen neuen Anlageentschluss. Für diese Anlageentscheidungen trug … keine Verantwortung mehr.
122
b) Auch unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzverschleppung ist der geltend gemachte Schaden aus den Containerkäufen vom 03.01., 24.03. und 06.12.2017 nicht vom Schutzzweck des § 826 BGB umfasst.
123
Insoweit gilt das bereits unter Ziffer I Gesagte.
124
Zwar begrenzt der Bundesgerichtshof den Schutzzweck des über § 826 BGB begründeten Insolvenzverschleppungsverbots nicht auf diejenigen Personen und Schäden, die in den personellen und sachlichen Schutzbereich des § 15 a InsO fallen. Eine Haftung gemäß § 826 BGB kommt daher insbesondere gegenüber der Bundesagentur für Arbeit wegen der Zahlung von Insolvenzgeld in Betracht (MüKoInso/Klöhn, a.a.O., § 15 a Rn. 308 m.w.N.). Nicht damit verbunden ist allerdings eine Ausweitung der Insolvenzverschleppungshaftung auf Schadensereignisse, auf welche die in Anspruch genommene Person – wie hier; … nach seinem Ausscheiden als Geschäftsführer – keinen Einfluss mehr hat.
III.
125
Weil der Klagepartei im Hinblick auf die vorgenannten Kauf- und Verwaltungsverträge schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch zusteht, kommt auch die Feststellung der Freistellungsverpflichtung der Beklagten für etwaige Zahlungsverpflichtungen des Klägers aus diesen Verträgen nicht in Betracht. Die geltend gemachten Nebenansprüche waren insoweit ebenfalls nicht zuzusprechen.
E.
I.
126
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO (vgl. hierzu Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 97 Rn. 5).
II.
127
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
III.
128
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, soweit der Senat eine Haftung der Beklagten als Erbin von … aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO, § 1967 Abs. 1 BGB und §§ 826, 1967 Abs. 1 BGB für Vertragsschlüsse nach der Abberufung des Erblassers aus dem Geschäftsführeramt abgelehnt hat (siehe oben Buchstabe D).
129
Die Revisionszulassung erfolgt zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Es liegt eine abweichende obergerichtliche Rechtsprechung vor (vgl. OLG München, Urteil vom 19.05.2022 – 8 U 2506/20).
IV.
130
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48, 63 GKG, §§ 3, 4 ZPO festgesetzt.
- Berufung der Beklagten: 177.417,02 € [130.269,11 € + 0,8 × (8.212,12 € + 10.160,27 € + 14.955,94 € + 7.422,12 € + 8.592,64 € + 9.591,80 €)]
- Berufung des Klägers: 108.146,43 € [232.621,26 € – 130.269,11 € + 0,8 × (5.154,93 € + 2.087,92 €)].