Inhalt

LG München I, Beschluss v. 25.08.2023 – 5 HK O 12034/21
Titel:

internationales Gesellschaftsrecht, Sachverständigenablehnung, Rechtsmißbrauch, Verbleibender Verlustvortrag, Spruchverfahrensgesetz, Verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out, Angemessene Barabfindung, Sachverständigengutachten, Steuerliches Einlagekonto, Pensionsverpflichtung, Geschäftswert, Außergerichtliche Kosten, Elektronischer Rechtsverkehr, Privatgutachten, Konzernrecht, Patronatserklärung, Verschmelzungsvertrag, Ertragswertverfahren, Nicht betriebsnotwendiges Vermögen, Marktrisikoprämie

Schlagworte:
Antragsbefugnis, Anlassplanung, Plausibilität der Planung, Kapitalisierungszinssatz, Sonderwerte, Börsenkurs, Einwendungen gegen die Angemessenheit, Barabfindung, Ertragswertmethode, Unternehmenswert, Synergien, Cross-Selling-Effekte, günstigere Finanzierungskonditionen, Risikozuschlag, Basiszinssatz, Zinsstrukturkurve, Marktrisikoprämie, Sicherheitsäquivalent, Beta-Faktor, Wachstumsabschlag, Squeeze out, nicht betriebsnotwendiges Vermögen, Unternehmensbewertung, Arbeitspapiere, Gerichtskosten, Zinsen, Geschäftswert
Fundstelle:
BeckRS 2023, 53901

Tenor

I. Die von der Antragsgegnerin an die ehemaligen Aktionäre der O… AG zu leistende Barabfindung wird auf € 1,72 je auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktie erhöht. Dieser Betrag ist unter Anrechnung geleisteter Zahlungen ab dem 28.8.2021 mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz sowie der Wert für die Bemessung der von der Antragsgegnerin an den gemeinsamen Vertreter zu zahlenden Vergütung werden auf € 200.000,-- festgesetzt.

Gründe

A.
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1. a. Die Antragsgegnerin und die O… AG schlossen am 14.5.2021 einen Verschmelzungsvertrag, durch den die O… AG als übertragende Rechtsträgerin ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung auf die Antragsgegnerin als unternehmende Gesellschaft übertragen sollte. Der Verschmelzungsvertrag enthielt die Angabe, dass im Zusammenhang mit der Verschmelzung ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre der O… AG (im Folgenden auch: die Gesellschaft) erfolgen soll. Die Wirksamkeit des Verschmelzungsvertrages stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Beschluss über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Gesellschaft auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin in dem Handelsregister des Sitzes der übertragenden Gesellschaft mit dem entsprechenden Vermerk nach § 62 Abs. 5 Satz 7 UmwG eingetragen wird, dass der Übertragungsbeschluss erst gleichzeitig mit der Eintragung im Register des Sitzes der Antragsgegnerin wirksam wird. Am 29.6.2021 fasste die ordentliche Hauptversammlung der O… AG den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine von der Antragsgegnerin zu zahlende Barabfindung von € 1,57 je auf den Inhaber lautende Stückaktie auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin zu übertragen.
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Der Unternehmensgegenstand der O… AG besteht ausweislich der Regelung in § 2 Abs. 1 ihrer Satzung (Anlage AG 1) in der Organisation, der Herstellung und Bearbeitung von Programmen auf Bild- und Tonträgern sowie in deren Vervielfältigung und Vertrieb, im Erwerb und in der Vergabe von Filmrechten, in der Entwicklung, Vermarktung und Veranstaltung jedweder, insbesondere digitaler Medien- und Mediendienste sowie damit zusammenhängender Dienstleistungen, in der Nutzung des Internets für den Vertrieb und weiterer Aktivitäten, im Erwerb und in der Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen sowie der Ausübung von Konzernleitungsfunktionen. Aufgrund von § 2 Abs. 2 der Satzung ist die Gesellschaft zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gegenstand des Unternehmens dienen. Sie kann dabei im In- und Ausland Zweigniederlassungen erwerben oder Gründen und deren Geschäftsführung übernehmen sowie Unternehmensverträge abschließen.
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Das € 11.842.770,- betragende Grundkapital der Gesellschaft ist in 11.842.770 auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktie eingeteilt, wobei die Gesellschaft über 85.050 eigene Aktien verfügte und 1.001.000.925 Aktien sich im Streubesitz befanden. Die Aktien der Gesellschaft waren zum Handel im regulierten Markt der Wertpapierbörse in Fr. am M. zugelassen und zudem in den Freiverkehr der Börsen B,, Dü., H., Ha., M. und St. einbezogen.
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Mit Pressemitteilung vom 1.2.2021 gab die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin die Absicht zum Abschluss der Verschmelzung der O… AG auf sie sowie den damit verbundenen Ausschluss der Minderheitsaktionäre bekannt. Die Antragsgegnerin stellte mit Schreiben vom 9.2.2021 gegenüber dem Vorstand der Gesellschaft das Verlangen zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach §§ 327 a ff. AktG. Dieses Verlangen konkretisierte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 7.5.2021 gegenüber dem Vorstand. Bezogen auf den 31.1.2021 betrug der volumengewichtete durchschnittliche Börsenkurs für einen Zeitraum von drei Monaten vor der Bekanntgabe der Squeeze out-Absicht € 0,96 je Aktie der Gesellschaft.
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b. Im Vorfeld der Hauptversammlung vom 29.6.2021 erstattete die E… S…GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: E… S…) durch Herrn Wirtschaftsprüfer Dr. … P… und Herrn Wirtschaftsprüfer Dr. … R… eine gutachtliche Stellungnahme über die Ermittlung des Unternehmenswerts zum 29.6.2021 (Anlage AG 2). Die Wirtschaftsprüfer von E… S…ermittelten in Anwendung der Ertragswertmethode einen Wert der Gesellschaft zum 29.6.2021 von € 17,769 Mio., woraus sich dann die angebotene Barabfindung von € 1,57 errechnete. Dabei gingen die Bewertungsgutachter von einer die Jahre 2021 bis 2025 umfassenden Detailplanungsphase mit einem Jahresergebnis nach Ertragsteuern in den einzelnen Jahren von € 1,638 Mio., € 885.000,-, € 2,926 Mio., € 2,328 Mio. und € 2,225 Mio. aus. An die Detailplanungsphase schloss sich die Ewige Rente an, in der unter Ansatz einer Wachstumsrate von 1% mit einem nachhaltigen Jahresergebnis nach Ertragsteuern von € 1,801 Mio. gerechnet wurde. Als Ausschüttungsquote setzten die Bewertungsgutachter jeweils 50% an. Bei der Kapitalisierung der Überschüsse gingen die Bewertungsgutachter von E… S…in ihrer gutachtlichen Stellungnahme von einem Basiszinssatz von 0,2% vor Steuern aus. Den Risikozuschlag ermittelten sie in Anwendung des (Tax-)CAPM, wobei sie von einer Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern und einem über eine aus insgesamt zwölf Unternehmen bestehende Peer Group hergeleiteten Beta-Faktor von 0,9 unverschuldet ausgingen. Unter Beachtung des Verschuldungsgrades der Gesellschaft in Phase I wurde dieser auf 1,36 in 2022, 1,72 in 2022, 1,79 in 2023, 1,42 in 2024 und 1,40 in 2025 sowie im Terminal Value auf 1,36 angepasst. Für den Zeitraum der Ewigen Rente ab 2026 ff. ging das Bewertungsgutachten von einem Wachstumsabschlag von 1% aus. Sonderwerte wurden im Bewertungsgutachten als nicht vorhanden beschrieben. In der Stichtagserklärung der Bewertungsgutachter vom 29.6.2021 (Anlage AG 4) verwiesen sie auf einen auf 0,3% vor Steuern gestiegenen Basiszinssatz, der eine niedrigere Barabfindung zur Folge gehabt hätte.
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Die vom Landgericht München I mit Beschluss vom 16.2.2021, Az. 5 HK O 16028/21 zum Abfindungsprüfer bestellte D… GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: D…) gelangte in ihrem Prüfungsbericht vom 10.5.2021 (Anlage AG 3) zu dem Ergebnis, die auf € 1,57 festgelegte Barabfindung stelle sich als angemessen dar. In ihrer Aktualitätserklärung vom 29.6.2021 (Anlage AG 5) verwiesen sie darauf, dass sich keine wesentlichen Änderungen der wirtschaftlichen Situation und der Geschäftsaussichten der O… AG ergeben hätten, die in ihrer Gesamtheit zu einer veränderten Höhe der Barabfindung gegenüber dem Prüfungsbericht führen würde.
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Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Bewertungsgutachtens von E… S…sowie des Prüfungsberichts von D… samt der dazugehörigen Stichtags- bzw. Aktualitätserklärung wird in vollem Umfang auf die Anlagen AG 2-5 Bezug genommen.
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c. Die Eintragung des Squeeze out wie auch des Verschmelzungsvertrages im jeweiligen Handelsregister erfolgte jeweils am 24.8.2021. Die Bekanntmachung der Eintragung des Squeeze out erfolgte am 25.8.2021, die des Verschmelzungsvertrages am 27.8.2021. Die Antragsteller zu 1) bis 17), 19) bis 23), 25) bis 37) und 39 bis 68) waren zum Zeitpunkt der Eintragung des Verschmelzungsvertrages in das Handelsregister Aktionäre der O… AG.
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2. Zur Begründung ihrer spätestens am Montag, den 29.11.2021 zumindest per Telefax beim Landgericht München I eingegangenen Anträge machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, aufgrund ihrer zulässigerweise gestellten Anträge müsse die Barabfindung angesichts ihrer Unangemessenheit erhöht werden.
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a. Diese Notwendigkeit resultiere bereits aus den zum Nachteil der Minderheitsaktionäre unplausiblen und folglich korrekturbedürftigen Planannahmen.
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(1) Dies zeige sich bereits an der mangelnden Planungstreue in der Vergangenheit. Die auf Veranlassung der Antragsgegnerin erfolgte Verlängerung der Detailplanungsphase mit massiven Einbrüchen bei zentralen Parametern belege das Vorliegen einer unzulässigen Anlassplanung. Unzulässig erfolgt sei die Erstellung der Bilanzplanung durch die Bewertungsgutachter.
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(2) Bei der Ertragsplanung müsse es angesichts hoher aktivierter Eigenleistungen in den einzelnen Planjahren nachfolgend zu entsprechenden Umsatzsteigerungen kommen, weshalb sich vor allem der Rückgang in 2024 nicht erklären lasse. Die Fertigstellung außergewöhnlich vieler Eigenproduktionen müsse in den Folgejahren angesichts der zur Verfügung stehenden Kapazitäten im Jahr 2023 zu entsprechenden Umsätzen führen. Unklar bleibe die Überprüfung der Vorgaben des Vorstands zu einer vermehrten Zahl von Eigenproduktionen mit einer geringeren Marge im Vergleich zu Auftragsproduktionen ebenso wie die Abbildung der im Prüfungsbericht angesprochenen Auftragsproduktionen für R. 2 als Hauptkundin für Entertainment-Produktionen sowie des Programmvermögens zum Bewertungsstichtag am Ende eines jeden Planjahres nach Abschreibungen und die zur Etablierung eines wesentlichen Digitalgeschäfts schon unternommenen oder geplanten Maßnahmen. Aus den am Ende der Detailplanungsphase ansteigenden Abschreibungen müsse bei einer Nutzungs- bzw. Vertragsdauer zwischen 25 und 40 Jahren ein entsprechender Zuwachs der Umsatzerlöse erwartet werden. Aufklärungsbedarf bestehe zu den Fragen, wie die Verwertungsrechte im Werk von Erich Kästner und ob Erträge aus den Projekten Spy City, Masuren-Krimi und Kitz in die Planung der Jahre 2021 bis 2023 eingeflossen seien. Die Planung vernachlässige die bereits 2020 erfolgte Einbindung mit dadurch bedingten grundlegenden positiven Veränderungen der Geschäftsperspektive, nachdem die gesamte Vermarktungskette nunmehr im eigenen Haus stattfinde. Weiterhin übersehe die Planung die durch das Auftreten vor allem von A… und N… mit auch in Deutschland produzierten Filmen und Serien verstärkte Nachfrage sowie die Fokussierung der Gesellschaft auf beliebte Familien- und Unterhaltungsfilme und zunehmend auch Streaming-Plattform-Anbieter neben dem wenig krisenanfälligen Fernsehmarkt, weshalb der Anstieg der Umsätze von € 65 Mio. in 2021 auf € 73 Mio. im Jahr 2025 zu niedrig ausfalle. In gleicher Weise vernachlässige die Planung die deutliche Erhöhung der Umsätze im ersten Quartal des Jahres 2021 im Vergleich zum Vorjahr, die Erwartungen des Vorstandes über eine Steigerung des Umsatzes im Jahr 2021 sowie ein positives EBIT von bis zu € 2 Mio. und die Erwartung, es werde zu keinen pandemiebedingten Ausfällen mehr kommen. Die angenommene Stagnation von 2021 auf 2022 mit dem Rückgang in 2024 von € 76,14 Mio. auf € 71,97 Mio. sowie dem geringen Wachstum auf € 73,07 Mio. im Jahr 2025 stelle sich angesichts eines prognostizierten Marktwachstums von 6% als zu pessimistisch dar. Die Planung müsse auch staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die für die Entwicklung des Bilanzgewinns bzw. -verlusts in 2020 verantwortlich gewesen seien, weiterhin abbilden. Es bedeute einen Widerspruch, wenn einerseits eine abnehmende Ertragsmarge und Umsatzrendite erwartet würden, andererseits aber der Markt von einer Unternehmenskonzentration und demgemäß von wenigen großen Produzenten geprägt sei und die Nachfrage nach neuen Serien im Video on Demand stark steigen werde, wodurch es zu einer Entzerrung des Wettbewerbs mit der Folge tendenziell steigender Gewinnspannen kommen werde.
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(3) Der Aufwandsplanung fehle angesichts eines Anstiegs der Materialaufwandsquote von 58,1% auf 68,1% angesichts einmal erreichter Rationalisierungs- und Skaleneffekte die Plausibilität. Die Planung stelle sich zudem als widersprüchlich dar, wenn der Materialaufwand zum 31.12.2023 im Vergleich zu den Vorjahren bei steigenden Umsatzerlösen deutlich abnehme, um dann im Jahr 2024 bei rückläufigen Umsatzerlösen vor allem im Jahr 2024 anzusteigen. Fehlerhaft geplant sei der Anstieg der Personalaufwandsquote von 6,2% nach einem Absinken auf 5,9%. Dem CAGR von 9,5% beim betrieblichen Aufwand fehle angesichts des Vorliegens von Skaleneffekten die Plausibilität bei einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate der Erlöse von lediglich 7,2%. Aufklärungsbedarf bestehe bei der Art der Berücksichtigung des vom Vorstand auf € 8,5 Mio. bezifferten Lizenzbestands.
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Im Rahmen der Vergangenheitsanalyse hätte es zu einer Umgliederung der Abschreibungen von € 7,449 Mio. auf die Eigenproduktion Spy City in das neutrale Ergebnis kommen müssen, woraus sich dann ein bereinigtes EBIT von € 6,077 Mio. im Jahr 2020 ergäbe, weshalb rückläufige Ergebnisse in der Planung entstünden. Es könne nicht plausibel sein, wenn das EBIT des Jahres 2022 mit € 1,453 Mio. trotz Verdoppelung von Umsatz und Gesamtleistung in etwa nur das des Jahres 2018 erreiche. Der Ansatz außerplanmäßiger Verwertungsabschläge von € 3,136 Mio. beim Personalaufwand lasse sich im Rahmen der Vergangenheitsanalyse nicht rechtfertigen.
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(4) Bei den Synergien müsse man Cross-Selling-Effekte wie Erträge aus Lizenzvereinbarungen mit einem Umfang von € 4,187 Mio. bereits in 2020 in der Planung ebenso berücksichtigen wie Erträge aus der Konzernierung mit der Antragsgegnerin und KKR sowie günstigere Finanzierungskonditionen.
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(5) Im Rahmen der Abschreibungen müsse die Entwicklung in den Jahren der Detailplanungsphase mit dem starken Anstieg ab 2023 ff. hinterfragt werden. Fraglich sei auch, ob der Anstieg von € 5,442 Mio. in 2021 auf € 29,045 Mio. in 2023 durch entsprechende Cashflow-Projektionen hinterlegt sei und ob die bei der Bereinigung der historischen Ertragslage angesprochenen Abschreibungen auf den Kundenstamm in Höhe von € 806.000,- und € 3,315 Mio. wegen geänderter Sehgewohnheiten zwingend geboten seien.
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(6) Bei der Thesaurierung müsse geprüft werden, inwieweit es bei der Gesellschaft eine Ausschüttungsplanung gegeben habe und ob eine Thesaurierung in Höhe von 50% im Jahr 2024 erforderlich sei, nachdem in diesem Jahr vom aktuellen Status quo ausgegangen werde. Unklar stelle sich die Höhe der körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Verlustvorträge ebenso dar wie die Höhe der Finanzierungsverpflichtungen. Fehlerhaft erfolgt sei die Besteuerung inflationsbedingter Kurssteigerungen.
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(7) In der Ewigen Rente könne es nicht plausibel sein, wenn das Ergebnis mit vorläufig rund 1,8 Mio. nur noch etwa 62% des Jahresüberschusses des Geschäftsjahres 2023 mit etwa € 2,9 Mio. betrage und fast 20% unter dem € 2,493 Mio. betragenden Durchschnitt der letzten drei Planjahre liege. Dasselbe gelte für die nur mit 3,9% angesetzte EBIT-Marge, die unterhalb der EBIT-Margen der Jahre 2023 bis 2025 liege.
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b. Korrekturbedarf zu Gunsten der Minderheitsaktionäre bestehe auch beim Kapitalisierungszinssatz in all seinen Komponenten.
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(1) Beim Basiszinssatz müsse auf die zum Stichtag erzielbaren gültigen Zinssätze abgestellt werden. Auch verbiete sich ein Ansatz von Credit Default Swaps ebenso wie eine Rundung.
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(2) Deutlich zu hoch angesetzt sei der Risikozuschlag, wobei dessen Ansatz ohnehin fragwürdig sei. Fehlerhaft erfolgte die Ableitung über das CAPM bzw. (Tax-)CAPM. Der Ansatz einer Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern sei deutlich überhöht, zumal nicht auf das arithmetische Mittel abgestellt werden dürfe, sondern das geometrische Mittel heranzuziehen sei. Abzulehnen sei auch die Ermittlung über implizierte Marktrisikoprämien. Beim Beta-Faktor hätte angesichts seiner Liquidität der originäre Beta-Faktor der O… AG anstelle einer ohnehin fehlerhaft zusammengesetzten Peer Group herangezogen werden müssen. Aus ihr seien T… B…, T… F… und To… ebenso zu entfernen wie I…, V… oder W… D… . In gleicher Weise fehle S… M… AG, P… AG und Mo… TV die Vergleichbarkeit. Der angenommene Beta-Faktor stehe in Widerspruch zum geringen Risiko in einem konstanten, von Konjunkturschwankungen unabhängigen Geschäftsbereich, bei dem das Risiko auf den Auftraggeber ausgelagert sei. Die steigende Entwicklung des verschuldeten Beta-Faktors lasse sich wegen des Widerspruchs zu der sehr guten Planbarkeit und der gleichbleibenden Entwicklung des Fremdkapitals nicht rechtfertigen.
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(3) Der Wachstumsabschlag in Höhe von lediglich 1% müsse angesichts der leichteren Überwälzbarkeit der Kostensteigerungen und einer vermehrten Nachfrage nach kostenpflichtigen Streaming-Diensten mit einer starken Präsenz auch in der Nach-Covid-Zeit erhöht werden.
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c. Als Sonderwert müsse auch nicht betriebsnotwendige Liquidität sowie eine Büroimmobilie angesetzt werden. Ebenso hätte bei der Gesellschaft und/oder bei Tochtergesellschaften das steuerliche Einlagenkonto sowie Verlustvorträge als Sonderwert berücksichtigt werden müssen. Dasselbe gelte für den immateriellen Wert der Marke „O… AG“.
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d. Eine höhere Barabfindung lasse sich auch aus dem für Vorerwerbe gezahlten Preis ableiten. Beim Börsenkurs müsse der höhere Kurs zum Tag der Hauptversammlung angesetzt werden.
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3. Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber die Zurückweisung der Anträge. Dabei seien die Anträge der Antragsteller zu 18), 24) und 38) wegen fehlender Nachweise der Antragsberechtigung ebenso unzulässig wie der Antrag der Antragstellerin zu 40), der die Beteiligten- und Verkehrsfähigkeit fehle. In jedem Fall aber müsse die sachgerecht mit Hilfe der Ertragswertmethode festgelegte Barabfindung als angemessen angesehen werden.
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a. Bei der Planung lasse sich angesichts ihrer Plausibilität ein Korrekturbedarf nicht bejahen.
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(1) Eine unzulässige Anlassplanung liege nicht vor. Die Planungsrechnungen seien im Rahmen des regulären Planungsprozesses fortgeschrieben worden; die Verlagerung des Planungshorizonts auf fünf Jahre beruhe auf der Vereinheitlichung im L… -Konzern. Die Gesellschaft habe die Planung einschließlich der Bilanzplanung eigenverantwortlich aufgestellt und verabschiedet, wohingegen die Bewertungsgutachter von E… S…zulässigerweise die bewertungstechnischen Bereinigungen vorgenommen hätten. Aus der Vergangenheitsanalyse ergebe sich kein Rückschluss auf eine mangelhafte Planungssystematik; Planabweichungen seien regelmäßig anzutreffen.
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(2) In der Detailplanungsphase komme es zu einer plausiblen Abbildung der Umsatzerlöse, die mit dem Jahr 2020 als Ausgangspunkt um jährlich 7,2% im Durchschnitt gewachsen seien. Ein Ertrag aus dem Eigenproduktionsvolumen werde bei der vorgenommenen Bruttobilanzierung zunächst als „andere aktivierte Eigenleistungen“ in der G+V-Rechnung ausgewiesen; bei der Verwertung komme es zu einem zweiten Ertragsausweis bei den Umsätzen und im Gegenzug zu einer Verbuchung des Wertzuwachses auf das selbst erstellte Programmvermögen innerhalb der Abschreibungen. Im Geschäftsjahr 2023 werde die Gesamtleistung durch die Fertigstellung außergewöhnlich vieler Eigenproduktionen aufgrund Corona bedingter Nachholeffekte beeinflusst, die die Gesellschaft in den Folgejahren nicht erwarte. Vielmehr gehe sie auf Basis ihrer Produktionskapazitäten von einer Serie, einer Reihe und einem Kinofilm aus. Daraus erkläre sich dann auch der Rückgang der Umsatzerlöse im Geschäftsjahr 2024. Die zusätzlichen Umsatzerlöse aus Rechteverwertungen seien ab dem Geschäftsjahr 2024 vollständig in der Planung enthalten. Der isolierte Verweis auf Internet-Videoanbieter wie N… und A… verkenne die maßgebliche Beeinflussung auch der zukünftigen Entwicklung der O… AG durch die Entwicklung im deutschen Fernsehmarkt; die Planung reflektiere die erwartete Nachfrage nach den von der Gesellschaft produzierten Familien- und Unterhaltungsprogrammen und liege angesichts eines Umsatzanstiegs von € 51,52 Mio. im Jahr 2020 auf € 71,968 Mio. im Jahr 2024 mit einem CAGR von 8,7% über den Markterwartungen. Die erwarteten Filmförderungen seien in der Planung ebenso berücksichtigt wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stand alone. Angesichts der bereits im Mai 2019 erfolgten Einbindung in die L… -Gruppe seien bereits die Vergangenheitszahlen dadurch beeinflusst; die Planung enthalte alle aus dieser Struktur zu erwartenden Effekte.
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(3) Kein Korrekturbedarf bestehe bei der Material- und Personalaufwandsquote. Im Geschäftsjahr 2020 belaufe sich diese bereinigt auf 71,5% und unbereinigt auf 78,2%. Gesehen werden müsse im Geschäftsjahr 2023 der Sondereffekt als Folge der Fertigstellung ungewöhnlich vieler Eigenproduktionen, deren Materialaufwand bereits in den Vorjahren in der Planung abgebildet sei. Der zu den Umsatzerlösen des Geschäftsjahres 2023 korrespondierende Materialaufwand sei neben dem Materialaufwand des Geschäftsjahres 2023 zum Teil auch im Werteverzehr auf das aktivierte Programmvermögen in den Abschreibungen enthalten, weshalb die Abschreibungsquote einen außergewöhnlich hohen Wert aufweise. Der Materialaufwand enthalte zum Großteil Aufwendungen für bezogene Leistungen sowie für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für projektabhängig Beschäftigte. Die rückläufig geplante Materialaufwandsquote spiegele die geplante deutliche Margenverbesserung und den ambitionierten Charakter der Planung wider. Die deutlich sinkende Personalaufwandsquote von 9,0% auf 6,2% im Geschäftsjahr 2025 belege den erwarteten Eintritt von Skaleneffekten. Der Anstieg der Abschreibungen beruhe auf den aktivierten Eigenleistungen.
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(4) Zutreffend berücksichtigt seien Synergiepotentiale, wobei nur unechte Synergien anzusetzen seien. Die Planung enthalte alle aus der Sicht des Bewertungsstichtages zur erwartenden Effekte, was namentlich für die bereits im Geschäftsjahr 2020 erzielten konzerninternen Erträge aus Lizenzvereinbarungen gelte.
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(5) Beim Zinsergebnis bedürfe es keiner Veränderungen. Die temporäre Erhöhung der Verbindlichkeiten resultiere aus dem integrierten Finanzbedarfs- bzw. Planungsmodell, wobei der Anstieg der Netto-Finanzverbindlichkeiten im Jahr 2020 in Relation zum Anstieg der Gesamtleistung von 2020 auf 2021 unterproportional verlaufe, womit signifikant steigende Investitionen im Jahr 2021 sowie die Ausweitung des Working Capital verbunden seien. Die Finanzierung der zunehmenden Eigenproduktionen erfolge neben der Thesaurierung durch temporäre Aufnahme von Fremdkapital, wobei der Fremdkapitalbestand in den letzten Planjahren zurückgeführt werden solle.
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(6) Das nachhaltige Ergebnis sei plausibel und sachgerecht abgebildet, wobei nicht davon ausgegangen werden dürfe, die Jahre 2024 und 2025 seien schwach geplant. Ab dem Geschäftsjahr 2024 werde ein im Durchschnitt nachhaltiges zu erwartendes Produktions- und Margenniveau angenommen, während das Geschäftsjahr 2023 durch die pandemiebedingten Nachholeffekte nach oben verzerrt sei. Angesichts steuerlicher Effekte sei das Jahresergebnis für eine vergleichende Durchschnittsbetrachtung nur sehr eingeschränkt geeignet. Die Wettbewerbssituation der Gesellschaft werde in einer ausführlichen Beschreibung des Marktumfeldes zutreffend dargestellt, wobei diese Darstellung auch die Entwicklung der wesentlichen Märkte beleuchtet.
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(7) Die Annahmen zur Ausschüttung und Thesaurierung seien vertretbar, wobei sich in der Detailplanungsphase die Ausschüttungsquote von 50% aus der Planung der Gesellschaft ergebe. Für die Verwendung der thesaurierten Mittel gebe es eine konkrete Annahme, die für die Finanzierung der Geschäftstätigkeit in der Bilanzplanung sachgerecht berücksichtigt worden sei. Im Terminal Value müsse es zu einer Thesaurierung in Höhe der Wachstumsrate bezogen auf das wirtschaftliche Eigenkapital zum 31.12.2025 kommen. Der Ansatz einer Ausschüttungsquote von ebenfalls 50% in der Ewigen Rente stelle sachgerecht auf den Durchschnitt der Marktteilnehmer ab. Erfolgen müsse auch die Besteuerung inflationsbedingter Wertsteigerungen.
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b. Beim Kapitalisierungszinssatz lasse sich ein Korrekturbedarf nicht bejahen.
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(1) Der sachgerecht mit Hilfe der Svensson-Methode abgeleitete Basiszinssatz habe sich zum Stichtag der Hauptversammlung wertmindernd von 0,2% auf 0,3% vor Steuern erhöht. Der Ansatz von Credit Default Swaps könne unterbleiben.
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(2) Der notwendigerweise anzusetzende und sachgerecht über das (Tax-)CAPM abgeleitete Risikozuschlag müsse nicht angepasst werden. Die auf einem pluralistischen Ansatz beruhende Empfehlung des FAUB stelle sich als anerkannte Expertenauffassung dar und könne angesichts eines historisch niedrigen Basiszinssatzniveaus mit 5,75% nach Steuern angesetzt werden, ohne dass es der Kenntnis aller eingeflossenen Einzeltatsachen bedürfe. Der unternehmenseigene Beta-Faktor könne wegen fehlender Liquidität nicht herangezogen werden. Die Auswahl der Peer Group-Unternehmen müsse angesichts ihrer Vergleichbarkeit mit dem Geschäftsmodell der O… AG als sachgerecht bezeichnet werden.
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(3) Der sich auf das Wachstum der Ergebnisse, nicht der Umsätze beziehende Wachstumsabschlag von 1% müsse nicht erhöht werden. Dabei spiele die konsumorientierte allgemeine Inflationsrate keine Rolle; vielmehr müsse das unternehmensspezifische Geschäftsmodell im Fokus stehen. Der Wachstumsabschlag korrespondiere mit einer Gesamtwachstumsrate von 5,2%. Ein Schrumpfen des Unternehmens im Terminal Value sei mit diesem Ansatz nicht verbunden.
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c. Eine Aufdeckung stiller Reserven und deren Ansatz als Sonderwert verkenne das Wesen des Ertragswertverfahrens. Nachdem die angemietete Immobilie nicht mehr genutzt werde, müsse der zugehörige Vermögenswert abgeschrieben werden; mangels Eigenturms an ihr gebe es kein veräußerbares, nicht betriebsnotwendiges Vermögen. Der Ansatz eines Sonderwerts für nicht betriebsnotwendige Liquidität verbiete sich angesichts der Verwendung des Bestandes an flüssigen Mittel und Zahlungsmitteläquivalenten im Rahmen der Bilanzplanung zur Finanzierung des geplanten Wachtsums. Aus dem Erwerb steuerlicher Verlustvorträge im Jahr 2019 könne sich kein Schadensersatzanspruch gegen den Vorstand der Gesellschaft ergeben, weil keine Kaufentscheidung des Vorstandes der O… AG vorliege. Angesichts der Berücksichtigung der Verlustvorträge bei der integriert erfolgten Ableitung der zu zahlenden Steuern verbiete sich deren Erfassung als Sonderwert. Das steuerliche Einlagenkonto führe dazu, dass die Ausschüttungen in Phase I nicht der Abgeltungssteuer unterlägen; die dadurch erwarteten weiteren abgeltungssteuerfreien Ausschüttungen seien bei der Ableitung der nachhaltigen Nettoeinnahmen annuitätisch berücksichtigt.
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d. Der Börsenkurs führe zu keiner höheren Abfindung, weil er sachgerecht über einen volumengewichteten Durchschnitt über einen Zeitraum von drei Monaten vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme abgeleitet worden sei. Daher sei die Höhe des Börsenkurses zum Tag der Hauptversammlung, der Eintragung im Handelsregister oder einem anderen beliebigen Tag in der Vergangenheit nicht maßgeblich. Außerbörslichen Vorerwerben fehle für die Angemessenheit der Barabfindung die Bedeutung.
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4. a. Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 20.5.2022 (Bl. 225 d.A.) Herrn Rechtsanwalt Dr. … S… zum gemeinsamen Vertreter der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre bestellt. Mit Verfügung vom selben Tag hat der Vorsitzende die Veröffentlichung der Bestellung im Bundesanzeiger (Bl. 227 d.A.) veranlasst. Der gemeinsame Vertreter rügt in erstere Linie das Vorliegen einer Anlassplanung, die Widersprüchlichkeit zwischen Umsatzplanung und Planung des Materialaufwands, das Übersehen des Auftretens zusätzlicher Sender mit der Folge steigender Umsätze bei Produktionsfirmen, die Unangemessenheit der nachhaltigen EBIT-Marge ohne Darlegung ihrer Herleitung sowie die überhöhten Ansätze der Marktrisikoprämie und des Beta-Faktors und der angesichts der Entwicklung der Inflationsrate in Deutschland auf mindestens 2% zu erhöhenden Wachstumsabschlag.
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b. In der mündlichen Verhandlung vom 19.1.2023 hat das Gericht die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer von D… – Herrn Wirtschaftsprüfer … Su… und Herrn Wirtschaftsprüfer … La… – mündlich angehört. Ferner hat das Gericht die Abfindungsprüfer mit Beschluss vom 19.1.2023 (Bl. 403 d.A.) und vom 8.3.2023 (Bl. 419 d.A.) gebeten, in Ergänzenden Stellungnahmen zu einzelnen Aspekten der Unternehmensbewertung schriftliche Aussagen zu machen und eine Alternativberechnung mit geändertem Kapitalisierungszinssatz vorzunehmen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen und schriftlichen Anhörung der Abfindungsprüfer wird in vollem Umfang Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.1.2023 (Bl. 387/403 d.A.) sowie die allen Verfahrensbeteiligten zugestellten Ergänzenden Stellungnahmen vom 15.2.2023 (Bl. 409/414 d.A.) und vom 11.4.2023 (Bl. 423/428 d.A.) Bezug genommen.
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5. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2022 (Bl. 300/312 d.A.) und vom 19.1.2023 (Bl. 387/403 d.A.)
B.
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I. Die Anträge auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung sind zulässig und begründet, weil diese auf € 1,72 je Aktie festzusetzen ist; dieser Betrag ist ab dem 28.8.2021 mit 5% Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
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1. Die Antragsbefugnis aller Antragsteller im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 SpruchG a.F. muss bejaht werden, weil sie ausgeschiedene Aktionäre der O… AG im Sinne des § 1 Nr. 3 SpruchG sind. Maßgebender Zeitpunkt für die Aktionärsstellung kann dabei angesichts der Besonderheiten eines auf § 62 Abs. 5 UmwG gestützten Squeeze out-Beschlusses nicht die Eintragung dieses Beschlusses im Handelsregister der O… AG sein; vielmehr ist bei dem hier gegebenen verschmelzungsrechtlichen Squeeze out die Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses in das Handelsregister der Antragsgegnerin maßgeblich, die am 24.8.2021 erfolgte. Erst durch diese Eintragung verlieren die Minderheitsaktionäre ihre Stellung als Aktionäre, was sich aus der Regelung in § 62 Abs. 5 Satz 1 und Satz 7 UmwG ergibt. Der Squeeze out wird nach diesen zwingenden rechtlichen Vorgaben nämlich erst gleichzeitig mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister der übernehmenden Gesellschaft, mithin der Antragsgegnerin wirksam.
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a. Die Antragsgegnerin hat den entsprechenden rechtzeitigen Vortrag der Antragsteller zu 1) bis 17), 19) bis 23), 25) bis 37) und 39) bis 68) entweder von Vornherein nicht bestritten oder im weiteren Verlauf des Verfahrens unstreitig gestellt. Dementsprechend gilt der Sachvortrag dieser Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Aktionärseigenschaft gemäß §§ 8 Abs. 3 SpruchG, 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
46
b. Soweit die Antragstellerin den Vortrag zur Antragsberechtigung einzelner Antragsteller bestritten hat, haben diese den entsprechenden Nachweis zum Stichtag 24.8.2021 geführt.
47
(1) Die Antragstellerin zu 18) legte eine Bescheinigung der Consorsbank vom 26.1.2023 vor, aus der sich ohne jeden Zweifel die Aktionärsstellung dieser Antragstellerin am maßgeblichen Stichtag ergibt.
48
(2) In gleicher Weise zeigt die Bescheinigung der … bank vom 20.1.2023, dass der Antragsteller zu 24) seit dem 27.12.2016 bis zur Ausbuchung durch Squeeze out am 31.8.2021 ununterbrochen und demzufolge auch am maßgeblichen Stichtag der Eintragung des Verschmelzungsvertrages Aktionär der Gesellschaft war.
49
(3) Der Antragsteller zu 39) hat durch Vorlage einer Bestätigung der comdirekt vom 20.1.2023 nachgewiesen, dass er am 24.8.2021 Aktionär der O… AG war. Aus der Bescheinigung ergibt sich eine ununterbrochene Verwahrung von Aktien der Gesellschaft vom 22.2.2019 bis zum 2.9.2021.
50
2. Die Anträge wurden jeweils innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG a.F. beim Landgericht München I und damit fristgerecht eingereicht, also innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Bekanntmachung des Eintragungsbeschlusses entsprechend den Vorgaben aus § 10 HGB. Die Bekanntmachung der Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses als wesentliches Ereignis, das zum Ausscheiden der Minderheitsaktionäre führte und auf das bezüglich des maßgeblichen Datums der Bekanntmachung abgestellt werden muss, erfolgte am 27.8.2021, weshalb die Frist dann am 29.11.2021 endete, nachdem der 27.11.2021 ein Samstag war, weshalb gemäß §§ 17 Abs. 1 SpruchG., 16. Abs. 2 FamFG., 222 Abs. 2 ZPO die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages endet. Dies war Montag, der 29.11.2021. An diesem Tag gingen ausweislich der Gerichtsakten alle Anträge zumindest per Telefax und damit fristwahrend beim Landgericht München I ein.
51
3. Alle Antragsteller haben innerhalb der Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit der Kompensation erhoben, weshalb die Voraussetzungen von § 4 Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 SpruchG erfüllt sind. Aufgrund dieser Vorschrift sind konkrete Einwendungen gegen die Angemessenheit nach § 1 SpruchG oder gegebenenfalls den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert in die Antragsbegründung aufzunehmen. Diesen Anforderungen werden alle Anträge gerecht, weil die Anforderungen an die Konkretisierungslast nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer in Übereinstimmung mit dem BGH nicht überspannt werden dürfen (vgl. BGH NZG 2012, 191, 194 = ZIP 2012, 266, 269 = WM 2012, 280, 283 = DB 2012, 281, 284; LG München I ZIP 2015, 2124, 2126; Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5HK O 22657/12; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Drescher in: BeckOGK SpruchG, Stand: 1.4.2023, § 4 Rdn. 24). Die Antragsgegnerin hat insoweit auch keine Bedenken geäußert, weshalb weitere Ausführungen hierzu nicht veranlasst sind.
52
4. Die Antragstellerin zu 40) ist beteiligtenfähig im Sinne der §§ 17 Abs. 1 SpruchG., 8 Nr. 1 FamFG, und verfahrensfähig im Sinne der §§ 17 Abs. 1 SpruchG., 9 Abs. 3 FamFG.
53
a. Die Beteiligtenfähigkeit der Antragstellerin zu 40) resultiert aus ihrem Status als juristische Person nach USamerikanischem Recht, dessen Anerkennung sich aus Art. XXIV Abs. 5 Satz 2 des Freundschafts-Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 (BGBl. II 1956, S. 487) ergibt. Diese Vorschrift stellt eine staatsvertragliche Kollisionsnorm dar, der gemäß Art. 3 Abs. 2 EGBGB der Vorrang vor den Regeln des internationalen Gesellschaftsrechts zukommt. Danach gelten Gesellschaften, die gemäß den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsstaates in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaften dieses Vertragsteils; ihr rechtlicher Status wird im Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt.
54
Das Gesellschaftsstatut einer juristischen Person und damit auch deren Rechts- und Beteiligtenfähigkeit im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des Staates, in dem die juristische Person gegründet wurde. Eine in Übereinstimmung mit den USamerikanischen Vorschriften in den Vereinigten Staaten von Amerika wirksam gegründete, dort rechts- und parteifähige und noch bestehende Gesellschaft ist daher in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig unabhängig davon, wo sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz befindet, rechts- und damit partei- bzw. im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit verfahrensfähig (vgl. BGH NZG 2005, 44 = ZIP 2004, 2230, 2231 = DB 2004 2471 f. = BB 2004, 2595 = GmbHR 2005, 51, 52 = MDR 2005, 560, 561 = DStR 2004, 3213, 21,14 = GRUR 2005, 55 = DNotZ 2005, 141 = IPRax 2005, 340, 341). Davon muss vorliegend ausgegangen werden. Aus den vom Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu 40) vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass sie seit dem 5.9.2003 unter Registernummer ... beim Handelsregister des Staates Oregon, USA, als Unternehmenstyp „Domestic Business Corporation“ mit dem Status „Active“ geführt wird. Angesichts dessen kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Antragstellerin zu 40) um eine juristische Person handelt, die beteiligtenfähig ist. Dabei muss die Kammer nicht entscheiden, ob auf das in der Literatur überwiegend abgelehnte Erfordernis eines „genuine link“, also das Bestehen tatsächlicher, effektiver Beziehungen zum Gründungsstaat (vgl. hierzu Thorn in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdn. 3; Drouven/Möll NZG 2007, 7 jeweils m.w.N.) tatsächlich verzichtet werden kann. In keinem Fall nämlich dürfen an diesen „genuine link“ zu strenge Anforderungen gestellt werden. Als ausreichend muss es nämlich bereits angesehen werden, dass die Gesellschaft in den USA irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten entfaltet, nicht notwendigerweise im Gründungsstaat. Es kann nicht gefordert werden, dass dort auch der Verwaltungssitz liegt. Vielmehr soll dieses Erfordernis nur Missständen entgegenwirken und kann daher nur in extremen Ausnahmefällen zur Korrektur der staatsvertraglich festgelegten Anerkennung führen (vgl. BGH NZG 2005, 44 f. = ZIP 2004, 2230, 2231 f. = DB 2004, 2571, 2572 = BB 2004, 2595, 2596 = GmbHR 2005, 51, 52 f. = MDR 2005, 560, 561 = GRUR 2005, 55, 56 = DNotZ 2005, 141, 142 = IPRax 2005, 340, 341; BayObLG Beschluss vom 28.6.022, Az. 101 Sch 120/21; Kindler in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., Internationales Wirtschaftsrecht, Rdn. 346 f.). Die Antragstellerin zu 40) ist im entsprechenden Register des US-Bundesstaats Oregon als „AcI… e“ beschrieben und nimmt dort auch Dividendenzahlungen entgegen. Angesichts dessen kann an der Rechtsfähigkeit keinerlei Zweifel bestehen.
55
b. Aufgrund der Anerkennung des rechtlichen Status der Antragstellerin zu 40) als in den USA gegründete juristische Person ist sie auch verfahrensfähig im Sinne der §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 9 Abs. 3 FamFG.
56
II. Die Anträge auf Festsetzung einer angemessen Barabfindung sind auch begründet, weil diese € 1,72 je Aktie beträgt. Dieser Betrag ist ab dem 28.8.2021 unter Anrechnung geleisteter Zahlungen mit einem Zinssatz in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.
57
Aufgrund von §§ 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG, 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG legt der Hauptaktionär die Höhe der Barabfindung fest; sie muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Die Barabfindung ist dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also den vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Unter Berücksichtigung des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG muss der Aktionär einen vollständigen wirtschaftlichen Ausgleich für die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung als Aktionär gewährt werden. Hierzu muss der „wirkliche“ oder „wahre“ Wert des Anteilseigentums widergespiegelt werden (vgl. nur OLG München WM 2009, 1848 f. = ZIP 2009, 2339, 2340; ZIP 2007, 375, 376; AG 2020, 133, 134 f. = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 21 W 15/11, zit. nach juris; OLG Stuttgart ZIP 2010, 274, 276 = WM 2010, 654, 646; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 791 = Der Konzern 2018, 74, 75; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; LG München I AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17096/11; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 30.6.2023, Az. 5HK O 4509/21).
58
Die Barabfindung ist dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also den vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Zu ermitteln ist also der Grenzpreis, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (vgl. nur BayObLG, Beschluss vom 18.5.2022, Az. 101 ZBR 97/20; OLG München WM 2009, 1848 f. = ZIP 2009, 2339, 2340; ZIP 2007, 375, 376; AG 2020, 133, 134 f. = WM 2019, 2104, 2106; NZG 2022, 362, 364; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; Beschluss vom 28.3.2014, Az. 21 W 15/11, zit. nach juris; OLG Stuttgart ZIP 2010, 274, 276 = WM 2010, 654, 646; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 791 = Der Konzern 2018, 74, 75; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 94 = ZIP 2019, 370, 373 = DB 2018, 2108, 2111; LG München I AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; AG 2020, 222, 223; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17096/11; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15, Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20).
59
Der für die Abfindung je Aktie maßgebliche Unternehmenswert wurde dabei im Ausgangspunkt zutreffend unter Anwendung der Ertragswertmethode ermittelt, bei der es sich um eine in der Wissenschaft wie auch der Praxis anerkannte Vorgehensweise handelt (vgl. hierzu nur Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 8. Aufl., S. 353), die folglich auch der Ermittlung des Unternehmenswertes der O… AG zugrunde gelegt werden kann. Danach bestimmt sich der Unternehmenswert primär nach dem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens; er wird ergänzt durch eine gesonderte Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird.
60
Der Ertragswert eines Unternehmens wird dabei durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert zum Stichtag nicht geben kann. Vielmehr kommt dem Gericht die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert als Grundlage der Abfindung im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. nur BGHZ 208, 265, 272 = NZG 2016, 461, 462 = AG 2016, 359, 360 f. = ZIP 2016, 666, 668 = WM 2016, 711, 713 f. = DB 2016, 883, 885 = MDR 2016, 658 f. = NJW-RR 2016, 610, 611 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; AG 2007, 287, 288; NZG 2022, 362, 364 f.; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; Beschluss vom 9.4.2021, Az. 31 Wx 2/19; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 130; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; AG 2016, 329 = ZIP 2016, 71, 72 = WM 2016, 1685, 1687; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189; AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 15685/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20). Dabei ist es nicht geboten, zur Bestimmung des wahren „Wertes“ stets jede denkbare Methode der Unternehmensbewertung heranzuziehen oder die Kompensationsleistung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zu berechnen. Verfassungsrechtlich geboten sind nur die Auswahl einer im vorliegenden Fall geeigneten, aussagekräftigen Methode und die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Anwendung (vgl. BVerfG NJW 2011, 2497, 2498 = NZG 2011, 869, 870 = AG 2011, 511 f. = ZIP 2011, 1051, 1053 = WM 2011, 1074, 1075 f. = BB 2011, 1518, 1520; NZG 2012, 907, 908 f. = AG 2012, 625, 626 = ZIP 2012, 1408, 1410 = WM 2012, 1374, 1375 = BB 2012, 2780 f.; OLG München AG 2020, 133, 134 = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 30.7.2018, Az. 31 Wx 136/16; OLG Düsseldorf AG 2016, 864, 865). Die Ertragswertmethode ist – wie ausgeführt – in Rechtsprechung und Literatur wie auch der bewertungsrechtlichen Praxis weithin anerkannt. Auch bei dem Standard IDW S1 handelt es sich um eine fachliche Bewertungsweise, mit deren Hilfe der Ertragswert bestimmt werden kann. Die Kammer sieht diese Methode, auch wenn sie von einem privaten Verein entwickelt wurde und daher keinen bindenden Rechtsnormcharakter haben kann, als zur Unternehmenswertermittlung geeignet an, weshalb sie hier zugrunde gelegt werden kann.
61
Die Möglichkeit, den Unternehmenswert anhand des Ertragswertverfahrens entsprechend den Grundsätzen des IDW S1 sachgerecht zu ermitteln, zeigt sich letztlich auch anhand der Wertung der §§ 199 ff. BewG. Aufgrund von § 201 BewG bildet der zukünftig nachhaltig zu erzielende Jahresertrag die Grundlage für die Bewertung bei steuerlichen Anlässen. Dieses Verfahren ist zwar von Typisierungen und Vereinfachungen geprägt, um die steuerliche Abwicklung zu erleichtern (vgl. Krumm in: Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, 39. Erg.Lfg, Stand: Oktober 2021, Kap. 94 Rdn. 25), orientiert sich aber von der Methodik her an den Grundsätzen des Ertragswertverfahrens entsprechend dem Standard IDW S1, wie es sich in der – auch von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung gebilligten – Praxis durchgesetzt hat. Der Gesetzgeber geht in §§ 199 ff. BewG sehr wohl davon aus, dass sich der Unternehmenswert auf diese Art und Weise durch Kapitalisierung der künftig zu erzielenden Überschüsse ermitteln lässt, wie dies auch dem Standard IDW S1 zugrunde liegt (vgl. auch OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113 f.). Daher ist den im Hinweisbeschluss des Landgerichts Köln, Az. 82 O 2/16 geäußerten Zweifeln an der Tragfähigkeit der Ermittlung des objektivierten Unternehmenswerts nach dem Standard IDW S1 nicht zu folgen.
62
Diesem Ansatz lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Berechnung müsse in Anlehnung an die Best Practice-Empfehlungen der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management zumindest plausibilisiert werden. Die Ertragswertmethode ist in der betriebswirtschaftlichen Lehre und Praxis weithin anerkannt und üblich, weshalb sie entsprechend den Vorgaben insbesondere auch des BGH der Ermittlung des Unternehmenswerts als Grundlage der angemessenen Barabfindung bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen zugrunde gelegt werden kann. Angesichts dessen bedarf es nicht zwingend einer weiteren Überprüfung durch eine andere Methode, die zudem nicht unerheblicher Kritik in der Fachliteratur ausgesetzt ist, weil das Konzept des markttypischen Erwerbers sich vom relevanten Bewertungsobjekt unzulässiger Weise entferne und es auch zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung der Unsicherheit im Bewertungskalkül komme (vgl. Olbrich/Rapp CF 2012, 233 ff.; auch Quill, Interessengeleitete Unternehmensbewertung – Ein ökonomisch-soziologischer Zugang zu einem neuen Objektivismusstreit, Diss. Universität des Saarlandes, 2016, S.330 f.). Auf eine variable Bandbreite abzielende Empfehlungen sind keinesfalls besser geeignet als die Ertragswertmethode, weil eine Bandbreite keine angemessene Barabfindung darstellen kann, nachdem diese auf einen bestimmten Betrag lauten muss.
63
Für die O… AG ergibt sich zum Stichtag der Hauptversammlung am 29.6.2021 auf dieser Grundlage ein Unternehmenswert von € 20,171 Mio. und damit eine Abfindung von € 1,72 je Aktie.
64
1. Grundlage für die Ermittlung der künftigen Erträge ist die Planung der Gesellschaft, die auf der Basis einer Vergangenheitsanalyse vorzunehmen ist und vorliegend auch vorgenommen wurde. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge allerdings nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. BVerfG NJW 2012, 3020, 3022 = NZG 2012, 1035, 1037 = AG 2012, 674, 676 = ZIP 2012, 1656, 1658 = WM 2012, 1683, 1685 f.; OLG München BB 2007, 2395, 2397; ZIP 2009, 2339, 2340 = WM 2009, 1848, 1849; NZG 2022, 362, 367 f.; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 114; AG 2006, 420, 425; 2007, 705, 706). Demzufolge kann eine Korrektur der Planung nur dann erfolgen, wenn diese nicht plausibel und unrealistisch ist (vgl. OLG München WM 2009, 1148, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; OLG Frankfurt ZIP 2010, 729, 731; OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 354; OLG Stuttgart AG 2014, 291, 296 f.; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = Der Konzern 2016, 94, 96 = DB 2015, 2200, 2202; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189 f.; ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 16513/11; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20; Beschluss vom 30.6.2021, Az. 5HK O 4509/21). Diese Grundsätze wurden bei der O… AG zutreffend angewandt.
65
a. Dies gilt zunächst für die allgemeinen Erwägungen, auf denen die Planung der Gesellschaft beruht.
66
(1) Die die Geschäftsjahre 2021 bis 2025 umfassende Planung der O… AG, die am 27.4.2021 vom Vorstand beschlossen und am selben Tag vom Aufsichtsrat zur Kenntnis genommen wurde, entsprach dem üblichen Planungsprozess der Gesellschaft. Die Planung begann im September 2020 und wurde nach Erstellung des Jahresabschlusses im Frühjahr 2021 entsprechend der in den Vorjahren geübten Praxis im Vergleich zu den Planannahmen aus dem vierten Quartal des Jahres 2020 aktualisiert, indem die aktuellen Entwicklungen in die Planung eingeflossen sind. Dabei ging es vor allem um die durch die Covid-19-Pandemie veranlassten Projektverschiebungen – „Die Saat“ sollte später, „Vaterland“ früher als in der Planung vom September 2020 produziert werden, wie die Abfindungsprüfer im Rahmen ihrer Anhörung erläuterten. Zudem gab es nach den von den Prüfern ermittelten Erkenntnissen eine Anpassungsnotwendigkeit angesichts in der Zwischenzeit mit Auftraggebern verhandelten coronabedingten Anpassungen, die neue Erkenntnisse zu realisierbaren Margen betrafen. Davon berührt waren „Letzte Spur Berlin“ sowie „TV Movie“ und „TV Serie 2022“ sowie TV Movie Nr.4 2022 sowie K-Amadeus 2022 und im Jahr 2023 „Letzte Spur Berlin“. Für TV Movie und TV Serien gab es zwar noch keine konkret vorliegenden Projekte; allerdings gingen die Verantwortlichen von ihrer Akquirierung aus.
67
Aus diesen Aktualisierungen kann jedoch nicht auf eine besonders kritisch zu sehende Anlassplanung (vgl. hierzu OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 330 = ZIP 2016, 71, 72 f, = WM 2016, 1685, 1687 f.; OLG Karlsruhe AG 2016, 672, 673) geschlossen werden. Ohne Berücksichtigung neuerer Entwicklungen bei den Planansätzen würde die Abfindung nämlich nicht mehr die Verhältnisse zum Stichtag der Hauptversammlung widerspiegeln, wie dies von den maßgeblichen Vorschriften der §§ 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG, 327 b Abs. 1 Satz 1 AktG jedoch gefordert wird (vgl. OLG München AG 2019, 659, 660; LG München I, Beschluss vom 2.12.2016, Az. 5 HK O 5781/15). Die Annahme einer problematischen Anlassplanung lässt sich auch nicht mit der Verlängerung der Detailplanungsphase von zwei auf fünf Jahre begründen. Zum einen muss gesehen werden, dass die Fünf-Jahresplanung erstmals bereits im September 2020 aufgestellt wurde und damit zu einem Zeitpunkt, als die Squeeze out-Absicht noch nicht öffentlich an die Kapitalmärkte kommuniziert worden war. Damit erfolgte zwar eine Anpassung an die Konzernstruktur der Gruppe der Antragsgegnerin, was indes bei Konzernierungen häufig zu beobachten ist – der Ansatz eines einheitlichen Planungshorizonts. Zum anderen aber muss ganz wesentlich berücksichtigt werden, dass die frühere Planung mit einem Budgetjahr und zwei weiteren Planjahren so gerade nicht hätte zugrunde gelegt werden können. Herr Su… wies nämlich darauf hin, dass im Jahr 2023 noch kein eingeschwungener Zustand erreicht war, deswegen der Planungszeitraum – zumindest über eine Konvergenzphase – auf fünf Jahre hätte verlängert werden müssen. Die Planung für das Jahr 2023 war nämlich geprägt von Nachholeffekten mit fünf Eigenproduktionen, während in den Folgejahren lediglich drei Eigenproduktionen mit einem einjährigen Produktionszyklus und anschließender Vermarktung angesetzt wurden. Dann aber kann am Ende des Jahres 2023 nicht von einem Gleichgewichtszustand als Basis für die Ableitung des Terminal Value ausgegangen werden.
68
(2) Von den Bewertungsgutachtern vorgenommene Anpassungen der Bilanzplanung stehen der Verwertbarkeit und Maßgeblichkeit der Planung nicht entgegen. Die Ergänzungen bezogen sich sachgerecht bei den Abschreibungen im Wesentlichen auf die von der Gesellschaft geplanten Eigenproduktionen, wobei wesentlich war, was verwertet und in Umsatz umgewandelt werden kann. In geringem Umfang gab es Abschreibungen auf das Anlagevermögen, wobei alle Ansätze auf der Planung der Gesellschaft beruhten, wie Herr La… erläuterte.
69
Beim Finanzergebnis wurden für die zur Finanzierung erforderlichen Mittel die damals gültigen Konditionen als Basis herangezogen, wobei das Kreditlimit so aussah, dass es ausreichend zur Finanzierung war. Dann aber wurden auch die bei der O… AG bestehenden Vertragsstrukturen und die Planung der Gesellschaft zur Finanzierung durch Kreditmittel und die Thesaurierung in der Detailplanungsphase herangezogen, nicht aber eigenständige Festlegungen durch die Abfindungsprüfer von D… getroffen.
70
(3) Die Geschäftsjahre 2018 bis 2020 umfassende Vergangenheitsanalyse lässt keinen Rückschluss auf eine fehlerhafte Planungssystematik zu, die allenfalls dazu führen könnte, dass die Planannahmen zu pessimistisch sein könnten. Diese verfolgt in erster Linie den Zweck zu ermitteln, inwieweit die für die Ermittlung des Ertragswerts wesentlichen und bestimmenden Zukunftsprognosen tragfähig und plausibel sind (vgl. OLG Frankfurt AG 2020, 955, 958; LG München I AG 2020, 222, 224 = Der Konzern 2020, 311, 312). Der hierfür heranzuziehende Betrachtungszeitraum beträgt üblicherweise zwei bis drei Jahre, wie der Kammer aus einer Vielzahl bei ihr anhängiger Spruchverfahren bekannt ist. In den Jahren zwischen 2015 bis 2019, in denen ein Vergleich der Planmit den Ist-Zahlen der Folgejahre vorgenommen wurde, zeigten sich zum Teil deutliche Planabweichungen, wobei die Ist-Zahlen insbesondere beim EBIT bei insgesamt 12 Datenpunkten nur einmal über den Planannahmen lagen; bei den Umsatzerlösen blieb das Ist-Ergebnis in 9 von 12 Datenpunkten hinter der Planung zurück. Wenn das gesamte geplante Produktionsvolumen im Voraus überschätzt wurde, ist es in Übereinstimmung mit den Bewertungsgutachtern und den Abfindungsprüfern durchaus gerechtfertigt, die Planung als ambitioniert einzustufen.
71
Die im Rahmen der Vergangenheitsanalyse vorgenommenen außerplanmäßigen Verwertungsabschläge in Höhe von € 3,316 Mio. waren gerechtfertigt, um die Vergleichbarkeit herzustellen. Diese Posten mussten herausgerechnet werden, weil damit eine außerplanmäßige Wertberichtigung als Folge zuvor in zu geringem Umfang erfolgter Abschreibungen vorgenommen wurde. Andererseits war bei der Vergangenheitsanalyse eine Umgliederung der Abschreibungen in das neutrale Ergebnis vor allem im Zusammenhang mit der Eigenproduktion Spy City nicht geboten, weil sich diese Abschreibungen auf die operative Geschäftstätigkeit bezogen, nicht aber auf einen zu neutralisierenden Sondereffekt, worauf Herr La… im Termin vom 19.1.2023 hingewiesen hat.
72
(4) Stille Reserven können nicht in die Ermittlung des Ertragswerts einfließen. Diese werden aufgedeckt, wenn ein in der Bilanz unterbewerteter Vermögensgegenstand zu einem höheren Wert veräußert wird. Diese unterstellte Veräußerung zum Stichtag würde indes einen Widerspruch zur Fortsetzung des Unternehmens darstellen, bei der das betriebsnotwendige Vermögen weiter genutzt werden muss und folglich gerade nicht veräußert werden kann (vgl. LG München I, Beschluss vom 7.2.210 Az. 5 HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.20217 Az. 5 HK O 26513/11; LG Stuttgart, Beschluss vom 7.10.2019, Az. 31 O 36/16 KfH SpruchG – zit. nach juris).
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(5) In die Planzahlen fließen auch Inflationserwartungen oder Inflationsraten während der Detailplanungsphase ein, weshalb ein gesonderter Ausweis einer Wachstumsrate in dieser Zeitspanne von 2021 bis 2025 nicht gesondert ausgewiesen werden kann.
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(6) Soweit zum Teil geltend gemacht wird, der verschmelzungsrechtliche Squeeze out stelle sich als rechtsmissbräuchlich dar, kann die Unangemessenheit der Barabfindung aus diesem Vortrag schon im Ansatz nicht hergeleitet werden, auch wenn der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aus der Antragsgegnerin wieder ausgegliedert und auf die O… AG (zurück-)übertragen wurde. Ein Rechtsmissbrauch kann nur mittels Anfechtungsklage geltend gemacht werden, was für alle denkbaren Anfechtungsgründe gilt. Da vorliegend aber keine Anfechtungsklage erhoben wurde, ist der Beschluss der Hauptversammlung vom 29.6.2021 über den verschmelzungsrechtlichen Squeeze out und damit den Ausschluss der Minderheitsaktionäre bestandskräftig geworden. Im vorliegenden Spruchverfahren geht es nurmehr um die Höhe der Barabfindung, nicht aber um das Vorliegen der Voraussetzungen dieses Ausschlusses (vgl. LG Frankfurt AG 2022, 548, 549 = Der Konzern 2022, 435, 436).
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b. Die Umsatzplanung der Gesellschaft musste als plausibel eingestuft werden, weshalb insoweit keine Korrekturen veranlasst sind.
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(1) Die hohen aktivierten Eigenleistungen in den einzelnen Planjahren müssen nicht nachfolgend zu entsprechenden Umsatzsteigerungen führen. Der Anstieg der aktivierten Eigenleistungen beruht auf den coronabedingten Projektverschiebungen. In den Jahren 2021 bis 2023 werden die aktivierten Eigenleistungen spätestens im Jahr 2023 verwertet werden, woraus dann Umsätze entstehen. Bei einem einjährigen Produktionszyklus kann nach den Angaben der Abfindungsprüfer nicht angenommen werden, im Jahr 2024 könnten höhere Umsätze erzielt werden. Ab diesem Jahr wird nämlich von einem einjährigen Produktionszyklus und anschließender Verwertung und Vermarktung ausgegangen. Dabei kann die Tatsache, dass die höchsten aktivierten Eigenleistungen in den Jahren 2024/2025 auftreten, der Plausibilität der Planung nicht entgegengehalten werden. Dies ergibt sich aus der Systematik dieser Planungs- und Bilanzierungsmethodik. In einem ersten Schritt werden die Eigenleistungen aktiviert; dadurch kommt es zur Umbuchung zu immateriellen Vermögenswerten. In einem weiteren Schritt kommt es durch die Verwertung und durch die Umsatzerlöse zu Abschreibungen. Der in den Jahren 2024 und 2025 zu beobachtende Anstieg der aktivierten Eigenleistungen beruht auf dem Ansatz verstärkter Eigenproduktionen in der Planung. Wenn in den ersten drei Planjahren ein Umsatz von € 13 Mio. pro Jahr und danach von € 16 Mio. ansteigend angenommen wird, dann müssen auch die aktivierten Eigenleistungen höher sein. Bei den Eigenproduktionen erfolgte eine Bruttobilanzierung, wobei die in deren Rahmen angefallenen Aufwendungen zunächst ertragsseitig als aktivierte Eigenleistungen (selbst erstelltes Programmvermögen) aktiviert werden. Verkaufserlöse werden nach der Fertigstellung der Produktion aus der Lizenzierung der Programmrechte ausgewiesen, wie auf Seite 29 des Prüfungsberichts dargestellt wird. Wenn ab 2024 innerhalb eines Jahres eine Eigenproduktion hergestellt und dann auch im selben Jahr veräußert werden soll, so werden auch schon in diesem Jahr Umsatzerlöse erwirtschaftet.
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Demgegenüber gab es in den Jahren zuvor eine Periodenverschiebung dergestalt, dass die Umsätze auch erst nach dem Jahr der Fertigstellung entstehen sollen und sich der Fertigstellungsprozess über mehrere Jahre erstreckte. Bei den Eigenproduktionen floss ab 2024 je ein Kinofilm, ein TV-Film und eine Serie ein, wofür es allerdings noch keine konkreten Produkte im Zeitpunkt der Planaufstellung gab. Ab 2024 wird eine Marge von 15,2% angesetzt, was der Marge einer guten Auftragsproduktion entsprach. Da das konkrete Projekt noch nicht bekannt sein konnte, muss es als hinreichende Plausibilisierung angesehen werden, wenn die Abfindungsprüfer die Marge mit der einer guten Auftragsproduktion vergleichen. Bei Eigenproduktionen lag der Durchschnitt der Umsatzmarge bei 11,6% mit Werten zwischen 3,0% und 17,2%. Die Mehrzahl der Eigenproduktionen erwirtschaften aber nicht den Wert von 15,2%, wie er ab 2024 angesetzt wird. Bei Auftragsproduktionen geht die Planung für den Bereich „Fiction“ in den ersten drei Planjahren von einem Durchschnitt von 14% bei Extremwerten von 7,2% und 17% aus. Im Bereich „Entertainment“ beläuft sich der Durchschnitt nach den Angaben von Herrn Su… im selben Zeitraum auf 18,2% und beruht auf Projekten, die es so noch nicht gab und Umsatzmargen zwischen 17% und 22,5% bringen sollen. Im Jahr 2021 lagen die Werte für den Bereich „Entertainment“ zwischen 12% und 18%.
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(2) In die Planung eingeflossen sind auch bereits produzierte „Konserven“, bei denen es später zu einer Verwertung kommen wird. Bei Eigenproduktionen werden Lizenzrechte für einen bestimmten Zeitraum vergeben, nach dessen Ende das Verwertungsrecht an die O… AG zurückfällt. Diese Positionen wurden in der Ewigen Rente mit einem Wert von etwa € 900.000,- erfasst, wobei Herr Su… mit Blick auf die in der Vergangenheit hieraus erzielten Erträge darauf verwies, dieser Betrag erscheine ihm relativ hoch. Beim Ansatz derartiger Filme muss tatsächlich auch gesehen werden, dass nicht jeder Film ein Blockbuster ist, der entsprechend hohe Erträge generiert.
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(3) Die Verwertungsrechte beispielsweise am Werk von Erich Kästner flossen entsprechend den Vergangenheitszahlen, an denen sich die Planung orientierte, mit anfänglich € 600.000,- pro Jahr in die Planung ein.
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(4) Erträge aus den Projekten Spy City und Kitz wurden nach den Angaben von Herrn La… im Jahr 2021 mit € 1,7 Mio. bzw. € 7,3 Mio. angesetzt. Masuren-Krimi 3 und 4 floss in 2021 mit € 3,7 Mio. in die Planung ein. Für Masuren-Krimi 5 und 6 ging die Planung für das Jahr 2022 von Einnahmen in Höhe von € 3,6 Mio. ein, während für das Jahr 2023 2 x 90 Min. Masuren-Krimi Erlöse in Höhe von wiederum € 3,6 Mio. bringen sollten.
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(5) Nach den von Herrn Su… vermittelten Erkenntnissen vernachlässigt die Planung gerade nicht die positiven Veränderungen, die sich aus der Einbindung in den Konzern der Antragsgegnerin ergeben. Aus dieser Kooperation bildet die Planung nämlich Gesamterlöse aus Auftragsproduktionen ab, die von € 4 Mio. im Jahr 2021 auf € 6 Mio. im letzten Jahr der Detailplanungsphase ansteigen sollen.
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(6) Eine Vernachlässigung einer verstärkten Nachfrage nach in Deutschland produzierten Serien durch das Auftreten von A… und N… sowie der Fokussierung der Gesellschaft auf beliebte Familien- und Unterhaltungsfilme sowie zunehmend auf Streaming-Anbieter neben dem wenig krisenanfälligen TV-Geschäft lässt sich nicht annehmen. Der geplante Anstieg der Umsatzerlöse im Zeitraum von 2021 bis 2025 von € 65 Mio. auf € 73 Mio. liegt deutlich über den Markterwartungen. Verwertungen über Streaming-Plattformen werden ab 2021 im Bereich Digital abgebildet. Auf der Ertragsseite ist zudem zu berücksichtigen, dass die Margen mit N… und A… deutlich unter denen liegen, die mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten und Privatsendern erzielt werden. Zudem wiesen die Abfindungsprüfer bei ihrer Anhörung daraufhin, dass es bei N… zwar üblich sei, bei gut laufenden Serien Erfolgshonorare zu bezahlen, die dann aber wieder nach kurzer Zeit abgesetzt würden. Damit aber werden Umsätze geplant, die nicht im gleichen Umfang zu Ertragssteigerungen führen können. Demgemäß berücksichtigt die Planung bei der für N… erfolgten Produktion von Kitz eine Marge von lediglich 7,2% – dies ist die niedrigste Marge für konkret geplante Auftragsproduktionen. Zum anderen ist zu beachten, dass das Potential der Gesellschaft auch durch bestehende Kapazitäten insbesondere auch an Mitarbeitern begrenzt ist und daher auch das Umsatzwachstum nicht beliebig gesteigert werden kann.
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Soweit die Umsatzentwicklung von 2021 auf 2022 von einer Stagnation ausgeht, beruht dies auf dem erhöhten Niveau an Eigenproduktionen, die erst in den Folgejahren Umsätze generieren. Der Rückgang in 2024 beruht auf der Umsatzverarbeitung aus in den Vorjahren produzierten Eigenproduktionen, wobei im Jahr 2023 ein vergleichsweise sehr starker Anstieg zu verzeichnen war. Die Umsatzerlösplanung aus Eigenproduktionen ist durch coronabedingte Verschiebungen und nachgelagerte Umsatzreduzierung geprägt. Insgesamt zeigt sich aber in Phase I ein CAGR von 7,2%, das über den Markterwartungen mit 6% liegt. Dabei ist das Entfallen von Nachholeffekten in 2024 nicht zu beanstanden, weil Produkte im Jahr 2023 fertig gestellt werden, die schon in den Vorjahren hätten fertiggestellt werden sollen, dann aber in Folge der Covid-19-Pandemie verschoben werden mussten. Diese Coronaeffekte zeigen sich nur an der Verschiebung von Umsätzen, weshalb von einer Übergewichtung der Auswirkungen der Pandemie nicht gesprochen werden kann, nachdem die Planung selbst auf konkreten Projekten beruht, selbst wenn diese noch nicht im Detail feststanden.
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Zusätzliche Auftragsproduktionen für RTL 2 als Hauptabnehmer wurden in die Planung aufgenommen. Für 2021 waren dies die wesentlichen Projekte „Echt Fame“, „Met Recitals“ und „Villa der Liebe“. Der Gesamtumsatz mit RTL 2 soll von € 3,3 Mio. im Jahr 2020 bis auf € 5,5, Mio. im Jahr 2025 angsteigen. Im Bereich „Non Fiction“ sieht die Planung nach den Aussagen der Abfindungsprüfer einen Gesamtumsatz von € 14,5 Mio. vor, wobei RTL 2 hier der größte Einzelkunde ist. Zum Stichtag der Hauptversammlung gab es für einzelne dieser Projekte bereits Auftragsvergaben, allerdings nicht für deren Gesamtheit. Dies erklärt sich nach den Erläuterungen des Vertreters der Antragsgegnerin im Termin vom 19.1.2023 nachvollziehbar aus sehr kurzfristigen Auftragsvergaben, wobei der Vertrag zum Teil erst nach Fertigstellung unterzeichnet wird; die Produktion hat dann in der Regel nur die in einem Letter of Intent festgelegten Rahmenbedingungen als Grundlage.
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(7) Die Planung bildet die Entwicklung des Programmvermögens nach Abschreibungen zum bewertungstechnischen Stichtag bis zum Ende der Detailplanungsphase und im Terminal Value ab. Ausgangspunkt war dabei zwar der bewertungstechnische Stichtag zum 31.12.2020 mit einem Ansatz von € 4 Mio. entsprechend dem Konzernabschluss. Zum 31.12.2021 belief sich das Programmvermögen auf € 12,6 Mio., zum 31.12.2022 auf € 15,6 Mio. und zum 31.12.2023 auf € 4 Mio., wobei dieser Wert auch ab 2024 und in der Ewigen Rente angesetzt wurde.
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Die Äußerungen des Vorstands in der Hauptversammlung über einen Lizenzbestand von € 8,5 Mio. steht hierzu nicht in Widerspruch. Geht man von einer linearen Entwicklung des Programm- und Lizenzvermögens aus, so liegt dieser zum Zeitpunkt der Hauptversammlung genannte Wert in etwa in der Mitte zwischen den Werten von € 4 Mio. zum bewertungstechnischen Stichtag und von € 12, 6 Mio. zum Ende des Geschäftsjahres am 31.12.2021. Folglich ist dieser Wert als durchaus nachvollziehbar und plausibel zu bezeichnen.
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(8) Für das Digitalgeschäft wurden von der Gesellschaft Ziele geplant, zu deren Realisierung es auch entsprechende Akquisitionsbemühungen gab. Für N… gab es bereits erste Produktionen; allerdings waren weitere konkrete Projekte zum Bewertungsstichtag nicht absehbar.
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(9) Staatliche Filmfördermaßnahmen sind in den sonstigen betrieblichen Erträgen abgebildet; im Terminal Value wurde hierfür ein Betrag von € 3,5 Mio. angesetzt. Coronabedingte Unterstützungsmaßnahmen sind dort indes nicht abgebildet, wie sich auch aus den Ausführungen im Bewertungsgutachten von E… S…ergibt. Angesichts der zunehmend geplanten Eigenproduktionen konnte auch ein über den im Durchschnitt der Vergangenheit liegender Betrag angesetzt werden.
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c. Die Annahmen zur Aufwandsplanung müssen angesichts ihrer Plausibilität nicht zugunsten der Minderheitsaktionäre angepasst werden.
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(1) Dies gilt zunächst für den Anstieg des Materialaufwands von 58,1% im Jahr 2023 auf 68,1% der Gesamtleistung. Die Quote von 58,1% bezieht sich auf die im Jahr 2023 eingetretene Verlagerung mit einer höheren Gesamtleistung als Folge, die wiederum eine niedrigere Materialaufwandsquote zur Folge haben muss. Da es im Jahr 2024 nicht zu einer nachgelagerten Realisierung von Umsatzerlösen kommt, muss auch die Materialaufwandsquote wieder höher sein. In den Jahren 2021 und 2022 war die Materialaufwandsquote demgegenüber mit 81,0% und 72,8% sogar deutlich höher als in den Jahren 2024 und 2025, was nachvollziehbar darauf beruht, dass in den Jahren 2021 und 2022 Eigenproduktionen hergestellt wurden, aus denen dann aber kein entsprechender Umsatz im selben Jahr erwirtschaftet werden konnte. Bei der Personalaufwandsquote, die im Jahr 2023 auf 5,9% abgefallen war und dann auf 6,2% gestiegen war, ist derselbe Effekt zu beobachten gewesen.
91
Ein Vergleich mit den Ist-Zahlen aus den von der Covid-19-Pandemie noch nicht betroffenen Jahren 2018 und 2019, in denen die Materialaufwandsquote bei 74,7% bzw. 83,4% und die Personalaufwandsquote bei 10,1% bzw. 8,5% lagen, zeigt, dass die Annahmen zu den Material- und Personalaufwandsquoten in den Jahren 2024 und 2025 von sinkenden Aufwandsquoten im Vergleich zu den Jahren der Vergangenheitsanalyse geprägt werden.
92
(2) In Bezug auf das 9,5% betragende CAGR beim betrieblichen Aufwand kann kein Korrekturbedarf erkannt werden, auch wenn es über der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate der Umsatzerlöse von 7,2% liegt. Wesentlicher Treiber der durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate beim betrieblichen Aufwand ist der Anstieg im ersten Jahr von 2020 auf 2021, der auf dem in den sonstigen betrieblichen Aufwendungen verbuchten Umzug in neue Büroräume beruht. Der Umzug in neue Räumlichkeiten zog im Jahr 2021 einen Anstieg um nahezu 38% nach sich, während sich der Anstieg in den Folgejahren im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr deutliche reduzierte. Im Jahr 2022 betrug er nach der Planung noch knapp 12%, während er im Jahr 2024 und im Jahr 2025 jeweils auf etwa 1% zurückging. Im Jahr 2023 geht die Planung sogar von einem Rückgang der sonstigen betrieblichen Aufwendungen um 0,2% aus. Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen lagen bezogen auf die Gesamtleistung im Planungszeitraum unterhalb des historischen Niveaus der Jahre 2018 bis 2020. Da es allerdings zu keiner Produktionsausweitung kommt, sahen die Abfindungsprüfer ungeachtet dieser Entwicklung keinen Hinweis auf Skaleneffekte.
93
d. Die in die Unternehmensbewertung eingeflossenen Synergien müssen nicht verändert werden.
94
Bei der Ermittlung des Ertragswerts im Zusammenhang mit aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen finden angesichts des grundlegenden Stand alone-Prinzips nur solche Synergien oder Verbundeffekte Berücksichtigung, die auch ohne die geplante Strukturmaßnahme durch Geschäfte mit anderen Unternehmen hätten realisiert werden können (vgl. OLG Stuttgart NZG 2000, 744, 745 f. = AG 2000, 428, 429; AG 2011, 420; BayOblG AG 1996, 127, 128; LG München I AG 2016, 51, 54 = ZIP 2015, 2124, 2129; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 9122/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 171; Zeidler in: Semler/Stengel, UmwG, 4. Aufl., § 9 Rdn. 47), während sogenannte echte Synergien, derentwegen üblicherweise die Strukturmaßnahme durchgeführt wird, regelmäßig nicht in die Bewertung einfließen können (vgl. OLG München AG 2018, 753, 755 = Der Konzern 2019, 277, 280; OLG Düsseldorf AG 2017, 712, 714; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., Anh § 305 Rdn. 31a; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 171). Unechte Synergien sind zu berücksichtigen, wenn die synergiestiftende Maßnahme am Bewertungsstichtag bereits eingeleitet oder im Unternehmenskonzept dokumentiert war (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 840, 843; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh § 305 Rdn. 31b).
95
Gegen diese Grundsätze wurde vorliegend nicht verstoßen.
96
(a) Cross-Selling-Effekte sind in der Unternehmensplanung der O… AG angemessen reflektiert, auch wenn im Jahr 2020 entsprechend den Angaben im Konzernabschluss Erträge mit nahestehenden Personen in Höhe von € 6,3 Mio. enthalten sind, von denen 99,5% auf die Antragsgegnerin und 0,5% auf die L… Holding GmbH sowie die i…-P… GmbH entfallen. Darin sind insgesamt € 2,1 Mio. an Produktionserlösen der Entertainment-Auftragsproduktion „Hartz Rot Gold“ und „Armes Deutschland“ enthalten. Die in den Erträgen nahestehenden Personen und Unternehmen enthaltenen Lizenzerlöse des Jahres 2020 von € 4,2 Mio. stammen aus Lizenzerlösen in Folge der Verwertung von Eigen- bzw. Koproduktionen, wobei es sich im Wesentlichen um die Produktion Spy City handelt. Die Planung enthält in der Detailplanungsphase Erträge mit der Gruppe der Antragsgegnerin, insbesondere aus der Verwertung der inter-nationalen Lizenzrechte von Eigenproduktionen, wobei für das Projekt „Krass Klassenfahrt“ Umsatzerlöse von € 2,4 Mio. in 2021 geplant sind, wovon wiederum € 1,5 Mio. auf die Gruppe der Antragsgegnerin entfallen sollen. Das Projekt „Die Saat“ soll im Jahr 2023 Umsatzerlöse von insgesamt € 8,4 Mio. bringen, an denen die Gruppe der Antragsgegnerin mit € 1,8 Mio. beteiligt sein soll. Aus noch nicht konkret benennbaren Produkten aus dem Bereich „Serie Eigenproduktion 2023“ mit geplanten Umsatzerlösen von € 9 Mio. sollen im Jahr 2023 € 5 Mio. auf die L… -Gruppe entfallen; in den beiden folgenden Planjahren sowie der Ewigen Rente beträgt deren Anteil jeweils rund 31% der gesamten Eigenproduktion-Verwertungen auf Lizenzveräußerungen an die Gruppe der Antragsgegnerin, wie die Abfindungsprüfer in ihrer Ergänzenden Stellungnahme vom 13.2.2023 dargestellt haben.
97
Im Bereich der Entertainment-Produktionen werden im Jahr 2021 für die konkreten Projekte „Hartz Rot Gold“ und „Armes Deutschland“ Umsatzerlöse von insgesamt € 900.000,- geplant, die – wie im Jahr 2020 über die L… -Gruppe an den Endkunden RTL 2 veräußert werden sollen. Da im Entertainment-Bereich konkrete Projekte nur sechs Monate in Voraus geplant werden, erfolgt eine Volumenplanung auf der Basis noch zu konkretisierender „Dummy-Projekte“, für die aber Umsatzerlöse mit der Antragsgegnerin und ihrer Gruppe nicht explizit ausgewiesen werden. Allerdings geht die Planung nach den Ausführungen der Abfindungsprüfer in ihrer Ergänzenden Stellungnahme vom 13.2.2023 über die Fortentwicklung des Gesamtvolumens von einem vergleichbaren Anteil an Umsatzerlösen mit den Gesellschaften des Mutterkonzerns auch für den Bereich Entertainment aus. Demgemäß sind berücksichtigungsfähige Vorteile aus der im Jahr 2020 vollzogenen Konzernierung in der Planung abgebildet.
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(b) Günstigere Finanzierungskonditionen mussten bei den Synergien nicht einfließen. Die Abfindungsprüfer orientierten sich bei der Ableitung des Zinsergebnisses an den aktuellen Finanzierungskonditionen der O… AG. Diese erreichten erkennbar zur Finanzierung der Gesellschaft aus, weshalb zum maßgeblichen Stichtag nicht auf die Antragsgegnerin als Finanzierungsquelle zurückgegriffen werden musste. Damit aber wären Bürgschafts- oder Patronatserklärungen der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Wurzeltheorie nicht zu berücksichtigen. Danach sind nämlich nur solche Faktoren zu berücksichtigen, die zu den am Stichtag herrschenden Verhältnissen bereits angelegt waren (vgl. nur BGHZ 138, 136, 140; 140, 35, 38 = NZG 1999, 70, 71; BGH NZG 2016, 139, 143 = AG 2016, 135, 141 = ZIP 2016, 110, 115 = WM 2016, 157, 162 = = BB 2016, 304, 305 = DB 2016, 160, 165 = NJW-RR 2016, 231, 236 = DStR 2016, 424, 427 = MDR 2016, 337, 338; OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1169; OLG Frankfurt AG 2016, 551, 553; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; OLG Stuttgart NZG 2007, 478, 479; AG 2008, 510, 514; LG München I, Urteil vom 18.1.2013, Az. 5HK O 23928/09; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585715; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Riegger in: Kölner Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Anh § 11 SpruchG Rdn. 10; Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S.365; Riegger/Wasmann in: Festschrift für Goette, 2011, S. 433, 435; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rdn. 315). Nach der Aussage von Herrn Su… gab es jedoch keine Patronatserklärung der Konzernobergesellschaft.
99
e. Der Anstieg der Abschreibungen von € 5,442 Mio. im Jahr 2021 auf € 29,045 Mio. im Jahr 2023 deckt sich mit der Cashflow-Planung und ist dabei auch durch entsprechende Cashflow-Projektionen hinterlegt, wobei der Anstieg als Folge der aufgeschobenen Eigenproduktionen nachvollziehbar erfolgte. Da die Höhe des Produktionsvolumens ab 2023 ff. ansteigen soll, müssen die Abschreibungen über dem Durchschnitt der Vergangenheit liegen. Die Planung enthält keine Abschreibungen auf den Kundenstamm. Die in der Vergangenheit von Abschlussprüfern vorgenommenen entsprechenden Abschreibungen auf der Grundlage geänderter Sehgewohnheiten, eines sich schnell ändernden Zuschauerverhaltens, des anhaltenden Serienbooms sowie der Kinokrise 2020 sind nach Auskunft von Herr Su… in der Zukunft nicht zu erwarten, weshalb dies zu normalisieren war.
100
f. Das aus der Planung abgeleitete EBIT muss ebenso wenig korrigiert werden wie die Entwicklung der angenommenen Margen, weil diese Ansätze frei von Widersprüchen sind.
101
(1) Ein Widerspruch lässt sich nicht aus geäußerten Erwartungen des Vorstands über eine Steigerung des Umsatzes im Geschäftsjahr 2021 sowie über ein positives EBIT von bis zu € 2 Mio. ableiten. Die Planung weist im Jahr 2021 einen deutlichen Umsatzanstieg von € 51,52 Mio. auf € 65,5 Mio. und damit um etwa 27,1% aus. Das EBIT soll nach der Planung € 2,177 Mio. betragen und liegt damit sogar über den vom Vorstand erwarteten Wert von „bis zu 2 Mio.“. Der Ansatz coronabedingter Verzögerungen ist eingeflossen, wobei eine Verzögerung nicht zwingend auf einen Ausfall der Umsätze schließen lässt, sondern auf eine zeitliche Verschiebung in eine spätere Planperiode.
102
(2) Die Annahme einer abnehmenden Ertragsmarge/Umsatzrendite unter Hinweis auf einen künftigen intensiven Verdrängungswettbewerb steht nicht in Widerspruch zu Markterwartungen mit Unternehmenskonzentrationen und zu einem starken Anstieg der Nachfrage nach neuen Serien im Bereich Video on Demand mit der Folge tendenziell höherer Gewinnspannen. Herr La… verwies zwar auf einen starken Anstieg in dem Bereich Video on Demand. Daraus kann aber kein Rückschluss auf erhöhte Margen bei den Produzenten gezogen werden. Dies resultiert zum einen aus der Tatsache, dass die Streaming-Plattformen vermehrt selbst produzieren, und zum anderen daraus, dass die Gesellschaft bei den Streaming-Auftraggebern nur geringere oder gedeckelte Margen erwirtschaften kann. Im Rahmen ihrer Planungen muss die O… AG zudem auch die Personalkapazitäten für entsprechende Produktionen beschäftigen; die „Menschen hinter der Kamera“ wie Produzenten oder Regisseure lassen sich nicht beliebig vermehren. Dadurch kommt es zu einer gewissen Limitierung der Möglichkeiten zur Umsatzsteigerung. Dann aber ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht wenig sinnvoll, sich auf ein margenärmeres Geschäft zu konzentrieren und den Umsatz vom margenstärkeren Geschäft weg zu verlagern. Herr Su… verwies in diesem Zusammenhang zudem auf die steigenden Umsätze im Digitalbereich, die auch in der Planung abgebildet sind.
103
(3) Das EBIT des Jahres 2022 in Höhe von € 1,453 Mio. kann trotz Verdoppelung von Umsatz und Gesamtleistung nicht als widersprüchlich angesehen werden, auch wenn es nur in etwa die Größenordnung des EBIT aus dem Jahr 2018 mit € 1,497 Mio. erreicht. Das Jahr 2022 ist geprägt durch die Produktion von Programmvermögen, das aber erst im Folgejahr 2023 Umsatz generieren soll. Im Jahr 2018 dagegen wurde mehr Umsatz erwirtschaftet als produziert wurde – es trat also im Vergleich zum Jahr 2022 genau der entgegengesetzte Effekt ein. Im Jahr 2019 mit außergewöhnlich vielen im Folgejahr 2020 verumsatzten Produktionen ein Rückgang des EBIT auf € 859.000,- ein. Dann aber beruhen die Änderungen auf den Besonderheiten des Produktionsprozesses bei der O… AG, nicht aber auf einer fehlerhaften Planung.
104
g. Die Steuer- und Finanzplanung muss nicht korrigiert werden.
105
(1) Die sich auf € 8,7 Mio. für die Körperschaftsteuer und auf € 8,0 Mio. für die Gewerbesteuer belaufenden Verlustvorträge wurden im Laufe der Detailplanungsphase fast vollständig abgebaut, weshalb in der Ewigen Rente entsprechend den obigen Ausführungen in den Jahresüberschuss von € 1,801 Mio. nur eine Annuität der verbleibenden Verlustvorträge einfließen konnte.
106
(2) Die Pensionsverpflichtungen wurden sachgerecht berücksichtigt. Die zum 31.12.2020 bestehenden Pensionsverpflichtungen in Höhe von € 474.000,- wurden auf Basis der biometrischen Rechnungsgrundlagen entsprechend den Richttafeln 2018 G von K. Heubeck und mit einem Rechnungszins von 0,0% p.a. ermittelt, nachdem im Vorjahr noch 0,3% angesetzt worden waren. In der Berechnung wurde dann ein jährlicher Rententrend in Höhe von 1,75% angenommen, soweit es eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht zur Rentenanpassung für die jährlichen Pensionsverpflichtungen gab, wie dies auch im Konzernabschluss zum 31.12.2020 ausgewiesen ist. Für Zwecke der Bewertung wurde eine Ablösung der Pensionen angenommen und der Betrag in eine Bankverbindlichkeit umgebucht. Somit wurden wirtschaftlich die Pensionsverpflichtungen zum Bewertungsstichtag abgelöst; die Verschuldung bleibt im Startpunkt netto konstant. Somit ist entsprechend den Erläuterungen im Ergänzungsgutachten vom 13.2.2023 eine Fortentwicklung der Pensionszusage für Bewertung ohne Bedeutung.
107
h. Die vorgenommenen Ansätze zur Ewigen Rente, bei der von einem Jahresergebnis von 1,801 Mio. und einer Fortschreibung der Ertrags- und Aufwandspositionen des Jahres 2025 ausgegangen wird, erfolgten sachgerecht.
108
(1) Dabei kann bereits ab den Geschäftsjahren 2026 ff. von einem eingeschwungenen Zustand ausgegangen werden. Ein solcher Gleichgewichts- oder Beharrungszustand liegt vor, wenn sich Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bewertungsobjektes am Ende von Phase I im sogenannten Gleichgewichts- oder Beharrungszustand befinden und sich die zu kapitalisierenden Ergebnisses annahmegemäß nicht mehr wesentlich verändern bzw. mit einer konstanten Rate, der mit dem Wachstumsabschlag im Kapitalisierungszinssatz Rechnung getragen wird, verändern. Dabei zeichnet sich die Ewige Rente durch die Berücksichtigung langfristiger Entwicklungstendenzen bei der Projektion der in der Detailplanungsphase gewonnenen Erkenntnisse aus (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.9.2011, Az. 20 W 7/08 – zit. nach juris; LG München I, Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5 HK O 5884/20; Beschluss vom 22.06.2022, Az 5 HKO 16226/08; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh. § 11 Rdn. 72; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, 5. Aufl., § 305 Rdn. 119).
109
Die Abfindungsprüfer gelangten im Rahmen ihrer Prüfung zu der Erkenntnis, dass die Kapazitäten ausgelastet waren und keine weitere Geschäftsausweitung geplant war. Sie nahmen einen Vergleich der Margen mit denen der letzten Planjahre vor und konnten dabei feststellen, inwieweit eine angemessene Kapitalverzinsung erreicht wurde und ob sich weitere außerordentliche Effekte aus den Planjahren wie die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zeigen könnten, was sie angesichts der Bejahung des Gleichgewichtszustandes verneinen konnten. Zudem waren die Verlustvorträge bereits vollständig verbraucht.
110
(2) Das operative Ergebnis muss im Terminal Value nicht korrigiert werden, auch wenn es unter dem des letzten Planjahres wie auch den Durchschnitt der letzten drei Planjahre liegt. In der Ewigen Rente soll das Ergebnis vor Steuern im Vergleich zum letzten Jahr der Detailplanungsphase von € 2,645 Mio. um € 37.000,- auf € 2,682 Mio. ansteigen, während lediglich das Jahresergebnis um € 881.000,- auf € 1,801 Mio. absinkt. Im letzten Planjahr beliefen sich die Ertragsteuern auf € 420.000,-. Ihr Anstieg auf € 881.000,- beruht auf dem Auslaufen der steuerlichen Verlustvorträge, die in der Steuerplanung berücksichtigt wurden. Im Terminal Value wurden die geringen verbleibenden Verlustvorträge als Annuität bei der Ermittlung des nachhaltigen Ergebnisses angesetzt.
111
(3) Der Ansatz einer EBIT-Marge von 3,9% nach den höheren EIBT-Margen in den Jahren 2023 mit 4,9%, von 4,0% im Jahr 2024 und 4,1% im Jahr 2025 muss dennoch als plausibel eingestuft werden. Die Abfindungsprüfer wiesen nämlich daraufhin, dass dieser Wert von 3,9% EBIT-Marge Bezug nimmt zu den Umsatzerlösen nach den sonstigen betrieblichen Erträgen. Bei dieser Bezugsgröße, auf die alleine abzustellen ist, gelangt man im Jahr 2024 zu einem Wert von 3,8% und im Jahr 2025 von 3,9%. Die deutlich höhere Marge des Jahres 2023, die bei diesem Vergleich mit 4,6% anzusetzen ist, beruht auf den Nachholeffekten aus der Pandemie und kann daher nicht als aussagekräftig für eine nachhaltige EBIT-Marge herangezogen werden.
112
(4) Die entsprechend der Wachstumsrate auf € 19,255 Mio. erhöhten Abschreibungen setzten sich in der Ewigen Rente zu einem ganz überwiegenden Teil von € 18,891 Mio. aus den aktivierten Eigenleistungen zusammen, was dem Programmvermögen der Detailplanungsphase entspricht, sowie zu € 365.000,- aus sonstigen Vermögensgegenständen.
113
i. Die Annahmen zur Ausschüttung und zur Thesaurierung in Höhe von jeweils 50% der Jahresausschüsse bedürfen weder in der Detailplanungsphase noch im Terminal Value einer Anpassung.
114
(1) In der Detailplanungsphase muss keine Veränderung vorgenommen werden.
115
(a) Zwar wird regelmäßig davon ausgegangen, dass sich der Umfang der Ausschüttungen bzw. Thesaurierung in der Planungsphase I an den konkreten Planungen der Gesellschaft zu orientieren hat (vgl. nur LG München I, Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5 HK O 17095/11, S. 37; Beschluss vom 6.11.2013, Az. 5 HK O 2665/12; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 29.8.2018, 5HK O 16585/15; Beschluss vom 26.7.2019, Az. 5HK O 13831/17). Allerdings war eine Ausschüttungsplanung bei der Gesellschaft so nicht vorhanden, weshalb die Bewertungsgutachter Annahmen treffen mussten, die die Abfindungsprüfer zutreffend als sachgerecht beschrieben.
116
(b) Dabei erfolgte in Absprache mit der Gesellschaft der Ansatz einer Ausschüttungsquote von 50% in der Detailplanungsphase. Die einbehaltenen Mittel werden zur Finanzierung des operativen Geschäfts herangezogen. Durch die Thesaurierung in den Jahren 2024 und 2025 kann ein zu starker Anstieg des Fremdkapitals vermieden werden, was sich in Folge des sinkenden verschuldeten Beta-Faktors zu Gunsten der Aktionäre auswirkt. Die thesaurierten Beträge wurden bezüglich ihrer Verwendung in der Bilanzplanung sachgerecht abgebildet, worauf im Prüfungsbericht auf Seite 37 hingewiesen wurde.
117
(2) In der Ewigen Rente konnte eine Ausschüttungsquote von 50% angesetzt werden. Es ist nämlich sachgerecht, auf den Durchschnitt der Marktteilnehmer abzustellen (vgl. OLG München AG 2015, 508, 511 = ZIP 2015, 1166, 1170; WM 2020, 2104, 2112; OLG Stuttgart AG 2011, 560, 563; LG München I AG 2020, 222, 224; Beschluss vom 28.5.2014, Az. 5 HK O 22657/12; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 13671/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5 HK O 5884/20; Hachmeister/R…/Mager DB 2014,1209, 1211 f.). Der Kammer sind die marktüblichen Werte auch aus anderen Spruchverfahren bekannt, weshalb gegen den Ansatz einer innerhalb der genannten Bandbreite von Ausschüttungsquoten, die zwischen 40 und 60% bzw. 70% liegt, angesiedelte Ausschüttungsquote von 50% keine Bedenken bestehen.
118
(3) Der Abzug eines Betrages von € 190.000,- zur Wachstumsfinanzierung in der Ewigen Rente erfolgte sachgerecht.
119
(a) Die im nachhaltigen Ergebnis angesetzte Thesaurierung in dieser Höhe berücksichtigt, dass das mit dem langfristig erwarteten Wachstum der G+V-Rechnung bzw. der Überschüsse einhergehende Wachstum der Bilanz entsprechend finanziert werden muss. Demgemäß bedingt das nachhaltige Wachstum der finanziellen Überschüsse auch ein entsprechendes Wachstum der Bilanz, was entweder über Eigenkapital erfolgen kann oder aber durch Fremdkapital aufgebracht werden muss. Für die Finanzierung über das Eigenkapital müssen zu dessen Stärkung Erträge thesauriert werden. Die Alternative der Finanzierung über Fremdkapital würde zwangsläufig das Zinsergebnis (negativ) beeinflussen. Ein Wachstum ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel ist folglich nicht möglich; nachhaltiges Gewinnwachstum kommt ohne Finanzierung nicht in Betracht (so ausdrücklich: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06 – zit. nach juris; OLG München AG 2020, 440, 442 = WM 2020, 1028, 1032; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.9.2021, Az. 21 W 38/15 – zit. nach juris; LG München I, Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 16.4.2019, 5HK O 14963/17; LG Frankfurt Der Konzern 2022, 435, 438 = AG 2022, 548, 551; auch Dörschell/Franken/Schulte, Der Kapitalisierungszinssatz in der Unternehmensbewertung, 2. Aufl., S. 326 f.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass bei einer sich im eingeschwungenen Zustand befindlichen Gesellschaft die Kapitalstruktur in der Ewigen Rente konstant bleiben soll. Auch dies spricht für die Notwendigkeit des Ansatzes eines entsprechenden thesaurierungsbedingten Wachstums.
120
(b) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dadurch werde der Effekt des Wachstumsabschlags rückgängig gemacht. Es ist nämlich eine differenzierende Betrachtungsweise erforderlich. Die Erfassung von thesaurierungsbedingtem Wachstum erfolgt in der Phase des Terminal Value zum einen zur Abbildung des preisbedingten Wachstums in Form des Wachstumsabschlages und zum anderen zur Berücksichtigung des durch die Thesaurierung generierten Mengenwachstums durch eine nominale Zurechnung des über die Finanzierung des preisbedingten Wachstums hinausgehenden Thesaurierungsbeitrages. Damit aber hat der Wachstumsabschlag eine andere Funktion als der Ansatz des thesaurierungsbedingten Wachstums. Dabei müssen Investitionen in der Ewigen Rente höher sein als die Abschreibungen, weil auch das Anlagevermögen im Terminal Value wächst und es ohne Finanzierung auf dem Niveau des letzten Jahres der Detailplanungsphase verharren würde.
121
(4) Im Rahmen der Ermittlung des Ertragswerts konnte die Besteuerung auch unter Einschluss inflationsbedingter Kursgewinne erfolgen.
122
(a) Der Ansatz einer typisierten Einkommensteuer auf den Wertbeitrag aus Thesaurierung mit dem hälftigen Steuersatz zuzüglich des Solidaritätszuschlages ist angemessen. Die Festlegung eines Steuersatzes bedarf typisierender Annahmen. Aus empirischen Studien, die es wenigstens in den Vereinigten Staaten von Amerika, wenn auch nicht für Deutschland gibt, erkennt man eine Haltedauer zwischen 25 und 30 Jahren. Auch wenn diese lange Dauer entsprechend den Erkenntnissen der Kammer aus anderen Spruchverfahren mit der Existenz von sehr langfristig engagierten Pensionsfonds zusammenhängt und dies für Deutschland nicht zwingend sein mag, kann es beim angesetzten Steuersatz bleiben. Dem lässt sich insbesondere auch nicht die Regelung aus § 52 a Abs. 10 EStG entgegenhalten. Ohne eine typisierende Betrachtung ließe sich nämlich ein einheitlicher Unternehmenswert nicht festlegen. Die Verwendung typisierter Steuersätze ist die notwendige Folge der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts und folglich unvermeidbar. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn eine inländische unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person als Anteilseigner angenommen wird. Wenn für Stichtage nach dem 1.1.2009 im Rahmen der Ermittlung der Zuflüsse an die Anteilseigner von der Besteuerung der Veräußerungsgewinne auszugehen ist, im Einzelfall aber ein Anteilsinhaber einen steuerfreien Veräußerungsgewinn haben kann, so muss dies bei der notwendigen Typisierung außer Betracht bleiben (vgl. OLG München NJW-RR 2014, 473, 474; AG 2015, 508, 511 f. = ZIP 2015, 1166, 1170; Beschluss vom 18.6.2014, Az. 31 Wx 390/13; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 957; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; AG 2014, 208, 211; Beschluss vom 18.12.2009, Az. 20 W 2/08; LG München I, Beschluss vom 21.6.2013, Az. 5HK O 19183/09; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/16; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585/15; P… in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 1578; Baetge/Kümmel/... /Wiese in: Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 461; in diese Richtung auch Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, a.a.O., Rdn. 488 ff., insbesondere 491).
123
Ein Abstellen auf die individuelle Haltedauer und die individuellen Steuersätze eines jeden einzelnen Aktionärs – gegebenenfalls auch mit Sitz im Ausland – würde eine Unternehmensbewertung unmöglich machen, zumal die Gesellschaft über Inhaberaktien verfügt und folglich die Aktionäre nicht einmal namentlich bekannt sind. Angesichts dessen ist die hier vorgenommene typisierende Betrachtung unausweichlich und rechtlich unbedenklich.
124
(b) Allerdings muss auch eine effektive Ertragsteuer auf inflationsbedingte Wertsteigerung in das Bewertungskalkül einfließen. Soweit die Kammer hierzu in der Vergangenheit die gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. LG München I, Beschluss vom 29.8.2028, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; auch LG Dortmund, Beschluss vom 26.8.2019, Az. 20 O 4/12) wird daran nicht mehr festgehalten. Die Berücksichtigung einer effektiven Ertragssteuer führt zu einer besseren Annäherung an den „wahren“ oder „wirklichen“ Unternehmenswert. Dies beruht zunächst auf der Erwägung, dass der Teil des Unternehmenswertes, der auf laufenden operativen Gewinnen beruht, den Anteilseignern über eine fiktive Vollausschüttung zugerechnet wird. Im Termin Value steigt der Unternehmenswert aber nicht nur durch diese laufenden operativen Gewinne, sondern auch inflationsbedingt. Auch diese Wertsteigerung steht den Aktionären zu, die aber konsequenterweise ebenso wie die Dividende in Phase I und thesaurierungsbedingte Wertsteigerungen in der Ewigen Rente um die persönlichen Steuern zu kürzen sind. Soweit Steuern abfließen, kann dieser Teil des Unternehmenswerts den Anteilseignern nicht fiktiv als Nettozufluss zugerechnet werden. Die von der Kammer bislang als Argument für die unterbliebene Berücksichtigung angeführte Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner im Bewertungskalkül kann nach nochmaliger Überprüfung nicht aufrechterhalten werden. Erst durch die Berücksichtigung der Besteuerung inflationsbedingter Kursgewinne kann das sogenannte Steuerparadoxon vermieden werden. Die Marktrisikoprämie im Nenner wird aus nominellen, empirisch am Markt beobachtbaren Aktienrenditen abgeleitet, in denen alle Wachstumsaspekte enthalten sind, mithin auch inflationsbedingtes Wachstum. Bei einer Umrechnung des Vorsteuerin den Nachsteuerwert werden also auch die inflationsbedingten Kursveränderungen hiervon erfasst. Wenn aber im Nenner (implizit) das inflationsbedingte Wachstum berücksichtigt ist, muss dies dann konsequenterweise auch bei den Überschüssen im Zähler folgen. Folglich kann von einer Inkonsistenz zwischen Zähler und Nenner nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegt darin ein Widerspruch zwischen der grundsätzlichen Annahme einer unbegrenzten Lebensdauer des zu bewertenden Unternehmens einerseits und einer Besteuerung von tatsächlich nur durch Veräußerung zu realisierenden Kursgewinnen. Es handelt sich hierbei um eine bewertungstheoretische Annahme, ohne die den Aktionären wesentliche Teile des Unternehmensvermögens vorenthalten würden (so OLG München, Beschluss vom 3.12.2020, Az.: 31 Wx 330/16 – zit. nach juris; OLG Frankfurt AG 2020, 954, 956; P…/R… in: Fleischer/Hüttemann, Rechtshandbuch Unternehmensbewertung, 2. Aufl., § 12.150 ff.; WP Handbuch 2014, Band 2, Rdn. 399; P… Der Konzern 2019, 149, 153 ff.; Laas WPg 2020, 1256, 1258 ff.).
125
Angesichts dessen berechnen sich die zu kapitalisierenden Überschüsse der O… AG folgendermaßen:

Plan

Plan

Plan

Plan

Plan

Ewige Rente

TEUR

GJ2021

GJ2022

GJ2023

GJ2024

GJ2025

GJ 2026 ff.

Umsatzerlöse

65.500

65.502

76.140

71.968

73.072

73.803

Sonst. betrieblicher Ertrag

1.448

3.678

4.570

3.652

3.688

3.725

Bestandsänderung

[460]

Aktivierte Eigenleistung

13.591

16.078

17.026

18.518

18.704

18.891

Gesamtleistung

80.999

85.257

97.736

94.138

95.464

96.419

Materialaufwand

(65.579)

(62.051)

(56.807)

(64.107)

(65.064)

- 65.715

Personalaufwand

(5.683)

(5.868)

(5.805)

(5.863)

(5.922)

- 5.981

Abschreibungen

(5.442)

(13.508)

(29.045)

(18.876)

(19.065)

- 19.225

Sonst. betrieblicher Aufwand

(2.117)

(2.378)

(2.373)

(2.397)

(2.421)

- 2.445

EBIT

2.177

1.453

3.706

2.895

2.993

3.023

Finanzergebnis

(431)

(561)

(483)

(360)

(348)

- 340

EBT

1.746

[892]

3.222

2.534

2.645

2.682

Ertragsteuern

(108)

(7)

(296)

(206)

(420)

- 881

Jahresergebnis

1.638

[885]

2.926

2.328

2.225

1.801

Gewinnthesaurierung

(819)

(442)

(1.463)

(1.164)

(1.112)

-

Wachstumsthesaurierung

-

-

-

-

-

(19)

Auskehrungspotential

[819]

[442]

1.463

1.164

1.112

1.783

Dividendenbesteuerung

-

-

-

-

-

(145)

Veräußerungsgewinnbesteuerung

-

-

-

-

-

(147)

Nettoeinnahmen

[819]

[442]

1.463

1.164

1.112

1.491

126
2. Der Wert so ermittelten Überschüsse muss nach der Ertragswertmethode auf den Stichtag der Hauptversammlung abgezinst werden. Der hierfür heranzuziehende Kapitalisierungszinssatz, der die Beziehung zwischen den zu bewertenden Unternehmen und den anderen Kapitalanlagemöglichkeiten herstellen soll, muss aufgrund eines herabzusetzenden Risikozuschlags dergestalt korrigiert werden, dass in den Jahren der Detailplanungsphase von 2021 bis 2025 Kapitalisierungszinssätze von 7,38%, 9,15%, 9,56%, 7,7% und 7,62% sowie von 6,42% in der Ewigen Rente angesetzt werden müssen.
127
Zutreffend ist der Ausgangspunkt bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes unter Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern in der Bewertung durch die Antragsgegnerin. Da die finanziellen Überschüsse aus der alternativ am Kapitalmarkt zu tätigenden Anlage der persönlichen Ertragsbesteuerung der Unternehmenseigner unterliegen, ist der Kapitalisierungszinssatz unter Berücksichtigung der persönlichen Steuerbelastung zu ermitteln (vgl. OLG München ZIP 2006, 1722, 1725; AG 2007, 287, 290; NJW-RR 2014, 473, 474; OLG Düsseldorf AG 2019, 92, 95 = ZIP 2019, 370, 373 f. = DB 2018, 2108, 2111 f.; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 134: OLG Karlsruhe AG 2013, 353, 355; Laas WPg 2020, 1256, 1257). Dabei ist im Rahmen der Unternehmensbewertung nach dem im Zeitpunkt der Hauptversammlung maßgeblichen Steuerregime der Abgeltungssteuer von einem Steuersatz von 25% entsprechend der gesetzlichen Regelungen in §§ 43, 43 a Abs. 1 Nr. 1, 32 d Abs. 1 Satz 1 EStG auszugehen, der auch angesetzt wurde. Zudem ist der Solidaritätszuschlag zu beachten, woraus sich dann ein Steuersatz von 26,375% errechnet.
128
a. Der Basiszinssatz war dabei mit 0,3% vor Steuern und folglich mit 0,22% nach Steuern festzusetzen. Die Tatsache, dass der Basiszinssatz im Vergleich zum Bewertungsgutachten und zum Prüfungsbericht erhöht wurde, führt nicht zu einer unzulässigen Verschlechterung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Gericht die angebotene Barabfindung nach unten korrigieren würde. Dies ist indes nicht der Fall. Ein schutzwürdiges Interesse der Aktionäre im Rahmen eines – wenn auch wesentlichen – Bewertungsparameters bei einzelnen Elementen, die den angemessenen Kapitalisierungszinssatz ermitteln sollen, nicht schlechter gestellt zu werden, kann nicht anerkannt werden. Der Schutz der Antragsteller sowie der übrigen Aktionäre wird hinreichend dadurch gewährleistet, dass eine Herabsetzung der festgesetzten Abfindungssumme im Spruchverfahren ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 207, 114, 129 = NZG 2016, 139, 143 = AG 2016, 135, 140 = WM 216, 157, 162 = WM 2016, 157, 162 = Der Konzern 2016, 88, 92 = NJW-RR 2016, 231, 235 f.; OLG Frankfurt AG 2017, 832, 834; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, a.a.O., § 11 SpruchG Rdn. 2; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 11 SpruchG Rdn. 7).
129
(1) Der Basiszinssatz bildet eine gegenüber der Investition in das zu bewertende Unternehmen risikolose und laufzeitadäquate Anlagemöglichkeit ab. Die Ermittlung des Basiszinssatzes anhand der Zinsstrukturkurve von Zerobonds quasi ohne Kreditausfallrisiko kann methodisch nicht beanstandet werden. Es ist nämlich betriebswirtschaftlich gefordert, dass der Kapitalisierungszinssatz für den zu kapitalisierenden Zahlungsstrom hinsichtlich Fristigkeit, Risiko und Besteuerung äquivalent sein muss. Die Zinsstrukturkurve stellt den Zusammenhang zwischen der Verzinsung und den Laufzeiten von den am Markt gehandelten Anleihen dar und gibt den Zusammenhang zwischen Verzinsung bzw. Rendite einer Anleihe und deren Laufzeit wieder. Die nach der sogenannten Svensson-Methode ermittelte Zinsstrukturkurve bildet den laufzeitspezifischen Basiszinssatz – den sogenannten Zerobond-Zinssatz – ab. Sie ist in der Rechtsprechung zu Recht weithin anerkannt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2012, Az. 12 W 66/06; OLG Frankfurt NZG 2012, 1382, 1383; 2013, 69, 70; OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; AG 2012, 749, 752 = Der Konzern 2012, 561, 564; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1170; OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I AG 2016, 95, 98; 2020, 222, 225; Beschluss vom 30.12.2016, Az. 5HK O 414/15; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; auch Baetge/Kümmel/... /Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 448 f.). Nur dadurch kann der Grundsatz der Laufzeitäquivalenz verwirklicht werden. Die Annahme, es müsse auf den zum Bewertungsstichtag aktuellen Zinssatz für langläufige Bundesanleihen abgestellt werden, übersieht, dass die Unternehmensbewertung auf die Ewigkeit ausgelegt ist. Gerade die Anwendung der Svensson-Methode zeigt auch, dass hier gerade nicht auf Daten der Vergangenheit abgestellt wird, sondern künftige Entwicklungen der Ermittlung des Basiszinssatzes zugrunde gelegt werden (vgl. OLG Stuttgart AG 2013, 724, 728; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15). Mit ihrer Hilfe wird ein Zinssatz auf der Grundlage laufzeitabhängiger, zukunftsorientierter Kapitalmarktdaten verwendet (vgl. Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, 3. Aufl., S. 481; Baetge/Kümmel/... /Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., S. 437).
130
(2) Eine Reduktion wegen der Existenz von Credit Default Swaps muss nicht erfolgen. Allein der Umstand, dass am Markt auch Credit Default Swaps in Bezug auf staatliche Anleihen der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten sind, rechtfertigt nicht den Ansatz einer Kürzung des Basiszinssatzes. Zum einen ist die Bundesrepublik Deutschland – ungeachtet einer möglichen, aber keinesfalls sicheren Verwirklichung von Haftungsrisiken als Folge der Staatsschuldenkrise innerhalb des Euro-Raums – unverändert ein sicherer Schuldner. Auf ein theoretisches Restausfallrisiko kommt es nicht entscheidend an, weil völlig risikofreie Anlagen ohnehin nicht verfügbar sind. Zudem ist aus anderen Spruchverfahren gerichtsbekannt, dass es zwar Spekulationen gegen die Bundesrepublik Deutschland gibt; diese sind indes zahlenmäßig so gering, dass eine Berücksichtigung beim Basiszinssatz nicht gerechtfertigt sein kann. Weiterhin kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Staatsschulden der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Neuregelungen in Art. 109 Abs. 3 und Art. 115 Abs. 2 GG zumindest nicht in dem Ausmaß ansteigen dürfen, wie dies in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten war (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011, Az. 21 W 7/11; LG München I Der Konzern 2020, 311, 313 f.; Beschluss vom 29.8.2014, Az. 5HK O 7455/14; Beschluss vom 6.3.2015, Az. 5HK O 662/13; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5HK O 26513/11).
131
(3) Ebenso wenig ist es geboten, den Basiszinssatz in Phase I jeweils für ein konkretes Planjahr gesondert auszuweisen. Die einheitliche Festlegung des Basiszinssatzes für den gesamten Beurteilungszeitraum stellt eine allgemein übliche und nicht zu beanstandende Vorgehensweise dar (so ausdrücklich OLG München NJW-RR 2014, 423, 474; Beschluss vom 30.7.2018, Az., 31 Wx 122716). Dies ergibt sich letztlich auch aus der Überlegung, dass Erträge zwar jährlich erzielt und ausgeschüttet werden sollen, die Dauer des Unternehmens und damit die Ermittlung des Ertragswertes in die Ewigkeit angelegt ist und demzufolge auch nicht von einer jährlich neu stattfindenden Alternativanlage ausgegangen werden kann, wenn Bewertungsanlass das Ausscheiden eines Aktionärs aus der Gesellschaft ist (vgl. LG München I, Beschluss vom 30.3.2012, Az. 5 HK O 11296/06; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15).
132
b. Für die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes muss der Basiszinssatz um einen Risikozuschlag erhöht werden, der nach § 287 Abs. 2 zu schätzen ist und vorliegend in den Planjahren mit 7,16% in 2021, 8,93% in 2022, 9,34% in 2023, 7,48% in 2024 und 7,4% in 2025 sowie mit 7,2% in der Ewigen Rente festzusetzen ist.
133
(1) Der Grund für den Ansatz eines Risikozuschlages liegt darin, dass Investitionen in Unternehmen im Vergleich zur Anlage in sichere oder zumindest quasi-sichere öffentlichen Anleihen einem höheren Risiko ausgesetzt sind. Dieses Risiko wird bei einem risikoaversen Anleger durch höhere Renditechancen und damit einen erhöhten Zinssatz ausgeglichen, weshalb der Ansatz eines Risikozuschlages unumgänglich ist, zumal der Verzicht auf diesen die ohnehin nicht durch die Planung abgegoltenen Risiken wie politische Krisen, Naturkatastrophen oder weitere nicht in die Planungsrechnung einzubeziehenden allgemeinen wirtschaftlichen Risiken vernachlässigen würde. Ebenso kann die Gefahr des Verfehlens der Planungsziele nicht völlig unberücksichtigt bleiben. Angesichts dessen geht die heute nahezu einhellig vertretene obergerichtliche Rechtsprechung vom Erfordernis des Ansatzes eines Risikozuschlages aus (vgl. nur OLG München ZIP 2009, 2339, 2341 = WM 2009, 1848, 1850; KG NZG 2011, 1302, 1304 = AG 2011, 627, 628 f. = ZIP 2011, 2012, 2013 = WM 2011, 1705, 1706 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 17.10.2011, Az. 20 W 7/11; AG 2013, 724, 729; AG 2014, 208, 211; OLG Frankfurt NZG 2012, 549, 550 = Der Konzern 2012, 199, 205 f.; AG 2017, 790, 793 = Der Konzern 2018, 74, 78; ebenso Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 394; Baetge/Kümmel/... /Wiese in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, a.a.O., S. 455).
134
(2) Allerdings wird die Frage, wie der Risikozuschlag im Einzelnen zu ermitteln ist, nicht einheitlich beurteilt.
135
(a) Mehrheitlich wird heute davon ausgegangen, der Risikozuschlag könne mittels des (Tax-)CAPM (Capital Asset Pricing Model) ermittelt werden. Danach wird die durchschnittliche Marktrisikoprämie, die anhand empirischer Daten aus der langfristigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und risikolosen staatlichen Anleihen errechnet wird, mit einem spezifischen Beta-Faktor multipliziert, der sich aus der Volatilität der Aktie des zu bewertenden Unternehmens ergibt (vgl. OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1685, 1690; OLG Stuttgart AG 2010, 510, 512; AG 2008, 510, 514 f.; NZG 2007, 112, 117 = AG 2007, 128, 133 f.; OLG Frankfurt AG 2016, 551, 554; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 144; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 126 f.). Zur Begründung der Maßgeblichkeit dieses kapitalmarkttheoretischen Modells wird vor allem ausgeführt, dass bei der Feststellung des Unternehmenswertes intersubjektiv nachvollziehbare Grundsätze unter Zugrundelegung von Kapitalmarktdaten Anwendung fänden und dass es kein anderes Modell gebe, das wie das CAPM die Bewertung risikobehafteter Anlagenmöglichkeiten erläutere.
136
Die weiteren in der Literatur diskutierten Modelle sind jedoch dem (Tax-)CAPM keinesfalls überlegen, sondern weisen – wie der Kammer aus anderen Spruchverfahren wie dem Verfahren 5HK O 16226/08 bekannt – deutliche Schwächen auf, weshalb sie zur Ermittlung des Risikozuschlages nicht herangezogen werden können.
137
Die Arbitrage Pricing Theory (APT) kann nicht als geeignetes Modell bezeichnet werden. Durch diese Methode wird ein Zusammenhang zwischen erwarteter Rendite und Risiko hergestellt. Die dabei zugrundeliegende Annahme unterscheidet sich allerdings deutlich von der des (Tax-)CAPM. Während das CAPM bei der Schätzung der Security Market Line davon ausgeht, dass alle Anlagen effizient diversifizierende Portfolios bilden und sich der Kapitalmarkt im Gleichgewicht befindet, nimmt das APT an, in funktionierenden Märkten könne es zu keinem Fortbestehen von Arbitragemöglichkeiten kommen. Grundgedanke ist dabei, dass bei kurzfristig auftretenden Arbitragemöglichkeiten der Marktpreis von den Marktteilnehmern dahingehend beeinflusst wird, dass sich die Arbitragemöglichkeit als Ausnutzen von Preisdifferenzen für dasselbe Wertpapier an zwei unterschiedlichen Handelsplätzen auflöst. Eine Verletzung dieser Beziehung spräche daher für einen irrationalen Markt. Die zweite Annahme des APT liegt in der Erklärung von Aktienrenditen durch ein Faktorenmodell, wobei sowohl Ein- als auch Mehrfaktorenmodelle Verwendung finden. Dabei wird die Aktienrendite unter Berücksichtigung mehrerer Risikofaktoren bestimmt, wie beispielsweise die Risikoprämien für makroökonomische Größen, die das Bruttoinlandsprodukt oder die Inflationsrate darstellen. Die dritte zentrale Annahme besteht im Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Wertpapieren, um wertpapierspezifische Risiken durch Diversifikation zu eliminieren. Ein erheblicher Nachteil dieses Modells liegt darin, dass keine konkrete Vorgehensweise in Bezug auf die Bestimmung von relevanten Faktoren, bzw. den korrespondierenden Risikoprämien aufgezeigt wird.
138
In gleicher Weise kann auch für das Drei-Faktoren-Modell nach Fama-French eine Überlegenheit gegenüber dem (Tax-)CAPM nicht angenommen werden, weshalb es wie das APT zur Ableitung der Marktrisikoprämie nicht herangezogen werden muss. Dieses Modell berücksichtigt neben der Marktrisikoprämie und dem Beta-Faktor zusätzlich noch weitere Faktoren, die sich auf die Marktkapitalisierung und das Kurs-Buchwert-Verhältnis beziehen, wodurch die erwartete Überrendite von kleinen Unternehmen und Unternehmen mit einem hohem Quotienten aus Buch- und Marktwert berücksichtigt werden sollen. Die gerichtlich bestellten Sachverständigen haben in ihrem Hauptgutachten dargestellt, dass die Ermittlung der Faktoren auf empirischer Erklärungsgüte von Aktienrenditen basiert und somit theoretisch nicht fundiert ist. Aus einem anderem Spruchverfahren, Az. 5 HK O 16505/08 ist der Kammer aufgrund der Ausführungen des dortigen Sachverständigen, Herrn Dipl.-Kfm. ... , zudem bekannt, dass eine durchgeführte Untersuchung von ... aus dem Jahr 2009 für den deutschen Kapitalmarkt gerade keine Überrendite für kleine und große Unternehmen feststellen konnte. Angesichts dessen wird das Modell von Fama-French den deutschen Marktgegebenheiten nicht gerecht. Auch dieser Umstand spricht neben der kontrovers diskutierten Auswahl der Risikofaktoren gegen den Ansatz der Überlegungen von Fama & French zur Ermittlung des Risikozuschlags bei der Gesellschaft.
139
Auch die Sicherheitsäquivalenzmethode, die im Zähler des Bewertungskalküls ansetzt, stellt keine vorzugswürdige alternative Methode zur Bestimmung des Risikozuschlags dar. Sie beruht auf der Erwägung, dass der unsichere künftige Zahlungsstrom als Grundlage der Bewertung nach der Ertragswertmethode durch einen Zahlungsstrom ersetzt wird, der anstelle des Erwartungswertes risikoneutrale Erwartungswerte abbildet. Die Diskontierung des Zahlungsstroms erfolgt dann mit dem risikofreien Zinssatz. Das Sicherheitsäquivalent ist dabei diejenige Ergebnishöhe, die bei sicherem Eintreten aus Sicht des Bewerters den gleichen Nutzen stiftet wie das volle (unsichere) Ergebnis-Verteilungsspektrum. Hierzu ist indes die Bestimmung einer Risikonutzenfunktion erforderlich. Die dieser zugrundeliegende Schätzung risikoneutraler Wahrscheinlichkeiten lässt sich beispielsweise über Marktdaten wie Optionspreise bei Annahme der Arbitragefreiheit ermitteln. Indes stellt die Risikonutzenfunktion ein abstraktes Konzept dar, dessen Bestimmung in Bezug auf den konkreten Funktionsverlauf mit solchen Herausforderungen verbunden ist, dass sie in der Bewertungspraxis keine Anwendung findet und schon deshalb nicht geeignet sein kann, den Risikozuschlag abzuleiten. Die Überlegungen für den Ansatz einer bestimmten Methode, wie sie oben einleitend unter B. II. dargestellt wurden, müssen hier in gleicher Weise geltend. Zudem ist, wie der Kammer aus den Verfahren 5 HK O 7819/09 durch die Aussage der dort bestellten Sachverständigen ... und ... bekannt ist, dass eine darauf beruhende Bewertung intersubjektiv kaum oder gar nicht nachprüfbar ist, nachdem sie die Kenntnis der Risiko-Nutzen-Funktion der Eigentümer voraussetzt.
140
Für die von Gl. entwickelte Ermittlung der Kapitalkosten auf der Grundlage des Ertragsrisikos, das anhand von Variationskoeffizienten von Ertrag oder von freiem Cash-Flow gemessen wird, wobei dieser das Verhältnis der Standardabweichung zum Ertragswert darstellt, muss ungeachtet des dieser Methode innewohnenden Vorteils einer Ermittlung ohne Heranziehen von Kapitalmarktdaten gelten, dass sie in der wirtschaftswissenschaftlichen Praxis für aktienrechtliche Strukturmaßnahmen nicht angewandt wird, sondern nur vereinzelt für Bewertungsanlässe außerhalb solcher Maßnahmen. Somit fehlt es an einer zentralen Voraussetzung entsprechend den obigen Ausführungen unter B. II.
141
Angesichts dessen konnte und kann auf das (Tax-)CAPM zurückgegriffen werden, um den Risikozuschlag zu schätzen.
142
Die angesetzte Marktrisikoprämie von 5,75% nach Steuern bedarf keiner Korrektur. Sie liegt innerhalb der zum damaligen Stichtag vom FAUB des IDW empfohlenen Bandbreite von 5,0% bis 6,5%. Der Stichtag der Hauptversammlung liegt nun aber zeitlich nach der aktuellen Empfehlung vom 22.10. 2019, durch die nach Anhebung der Obergrenze eine Bandbreite zwischen 5% und 6,5% nach Steuern als sachgerecht bezeichnet wurde. Zur Begründung dieser aktuellen Empfehlung führte der FAUB aus, aufgrund der aktuellen Entwicklung in Bezug auf den risikolosen Zinssatz von damals 0%, der danach sogar negativ wurde, sei eine erneute Anpassung in Bezug auf die Marktrisikoprämie erforderlich. Die Gesamtrenditeerwartung sei tatsächlich bereits in den Jahren 2012/2013 leicht gesunken; der Rückgang stehe jedoch in keinem Verhältnis zum Rückgang der Renditen deutscher Staatsanleihen. Ausgehend von einer aktuellen Gesamtrenditeerwartung von 7% bis 9% vor Steuern oder rund 5,62% bis 7,22% nach Steuern müsse es zu einer Anhebung der Marktrisikoprämie auf 6% bis 8% vor Steuern, mithin einem Nach-Steuerwert von 5% bis 6,5% kommen. Dieses Fazit einer leicht gesunkenen Gesamtrenditeerwartung beruht auf einer vom FAUB vorgenommenen Analyse verschiedenster Methoden, wobei namentlich historisch gemessene Aktienrenditen, langfristig reale Aktienrenditen, ex ante-Analysen impliziter Kapitalkosten und aktuelle Betrachtungen herangezogen wurden. Diese Empfehlung des FAUB beruht auf einem pluralen Ansatz und nicht nur auf einer einzelnen Ableitung. Dabei werden sowohl vergangenheitsbezogene Zahlen als auch Überlegungen zur Herleitung einer impliziten Marktrisikoprämie herangezogen. Seit Beginn der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise mit in der Folge sinkenden Basiszinssätzen gibt es eine wachsende Unsicherheit und damit verbunden eine hohe Risikoaversion, was – anders als steigende Diversifizierungsmöglichkeiten und eine im Zeitlauf gestiegene Risikotoleranz aufgrund gestiegenen Vermögens – für eine höhere Marktrisikoprämie spricht. Jüngere empirische Untersuchungen auch unterschiedlicher Ansätze – Betrachtung historisch gemessener Aktienrenditen, Betrachtung langfristig realer Aktienrenditen, Verwendung von ex ante-Analysen impliziter Kapitalkosen sowie modelltheoretische Analysen ohne risikofreie Kapitalkosten – deuten auf eine im Vergleich zu früheren Ansätzen infolge der Finanzkrise gestiegene Marktrisikoprämie hin (vgl. Castedello/Jonas/Schiessl/ Lenckner WPg 2018, 806 ff.). Dieser plurale Ansatz ist ungeachtet der an dieser Vorgehensweise in der Literatur geäußerten Kritik, die Marktrisikoprämie müsse anhand impliziter, am Kapitalmarkt beobachtbarer Kapitalkosten abgeleitet werden (vgl. Bassemir/Gebhardt/Ruffing WPg 2012, 882, 886), weshalb die theoretische Fundierung der Erhöhung fehle, vorzugswürdig. Die alleinige Ableitung der Marktrisikoprämie aus impliziten Kapitalkosten ist nämlich wiederum der nachvollziehbaren Kritik ausgesetzt, dass es sich dabei um einen Zirkelschluss handele, weil der aktuell gegebene Aktienkurs als gegebene Größe in die Ermittlung der impliziten Eigenkapitalkosten eingehe und sich eine einheitliche oder gar richtige Methode zu ihrer Herleitung nicht gebildet habe. Die mit der geänderten Bandbreite zum Ausdruck kommende, abwägende und veränderte Konzeption der zurückhaltenderen Herangehensweise ist ein für die Zwecke einer praktischen Unternehmensbewertung jedenfalls vertretbarer und damit für die gerichtliche Überprüfung hinreichend tauglicher Ansatz, den geänderten Bedingungen am Kapitalmarkt mit sehr niedrigen Basiszinssätzen und den daraus resultierenden empirischen Beobachtungen Rechnung zu tragen. Dabei ist nicht ersichtlich, dass die Nichtbeachtung der stichtagsaktuellen Empfehlungen des FAUB zur Marktrisikoprämie im Rahmen objektivierter Unternehmensbewertungen zu „richtigeren“ Unternehmenswerten führen könne. Wenn aber die Bandbreite einen genügenden Rahmen bietet, kann auch der Mittelwert von 5,75% nach Steuern vorliegend herangezogen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.9.2020, Az. 21 W 121/15; OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 599, 605 f.; OLG Düsseldorf AG 2018, 679, 681 = Der Konzern 2019, 92, 96). Dabei muss gerade in diesem Zusammenhang gesehen werden, dass der Rückgang des Basiszinssatzes und die darauf beruhende Anpassung der Bandbreitenempfehlung deutlich stärker ausfiel als die Erhöhung der Marktrisikoprämie.
143
Soweit in der Literatur vertreten wird, eine höhere Marktrisikoprämie lasse sich nicht rechtfertigen (vgl. Knoll Der Konzern 2020, 478 ff.), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Gerade die Ableitung und Höhe der Marktrisikoprämie sind in der betriebswirtschaftlichen Literatur heftig umstritten, wie eine Vielzahl von Studien und Literaturbeiträgen deutlich machen. Eine zweifelsfreie Klärung der Problematik wird nicht möglich sein. Da es nicht Aufgabe des Spruchverfahrens sein kann, wirtschaftswissenschaftliche Streitfragen einer letztverbindlichen Klärung zuzuführen, ist die Kammer auch nicht gehalten, ein Sachverständigengutachten zu diesem Themenkomplex einzuholen. Ein weiterer Erkenntnisgewinn ist hierdurch nicht zu erwarten, nachdem es insbesondere keine belastbaren Studien gibt, die dem Gericht eine bessere Erkenntnisgrundlage vermitteln könnten (so ausdrücklich OLG München AG 2020, 629, 632 = WM 2021, 629, 606). Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Entscheidungen des BGH zur Ermittlung des Risikozuschlags nach § 7 Abs. 4 und Abs. 5 StromNEV durch die Regulierungsbehörde (vgl. BGH, Beschluss vom 9.7.2019, Az. EnVR 41/18; Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18) herleiten. Der BGH lässt in diesen Entscheidungen gerade nicht erkennen, dass der Ansatz des FAUB des IDW nicht geeignet sein könnte, die Marktrisikoprämie angemessen abzubilden. Es wird lediglich ausgeführt, es handele sich hierbei um eine alternativ in Betracht kommende Bewertungsmethode, die dem Ansatz der Bundesnetzagentur nicht klar überlegen sei (vgl. OLG München AG 2020, 133, 136 = WM 2019, 2104, 2113; Beschluss vom 3.12.2020, Az. 31 Wx 330/16; OLG Düsseldorf NZG 2023, 160, 166 f. = AG 2022, 705, 710 f. = ZIP 2022, 1269, 1274 f. = WM 2022, 1480, 1486 = Der Konzern 2022, 483, 492). Die vom Kartellsenat des BGH aufgestellten Grundsätze lassen sich nach den ausdrücklichen Feststellungen im Beschluss vom 3.3.2020, Az. EnVR 34/18 gerade nicht mit denen zur Ermittlung der angemessenen Barabfindung nach § 327 b AktG vergleichen, weil die Ermittlung des Wagniszuschlags nach § 7 Abs. 5 StromNEV nicht der Ermittlung eines Unternehmenswertes dient, sondern der Bestimmung eines Faktors, dem ausschlaggebende Bedeutung für die Bestimmung einer den Zielen der §§ 1 und 21 EnWG Rechnung tragenden Vergütung für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen zukommt.
144
(c) Der herangezogene unverschuldete Beta-Faktor muss allerdings von 0,9 auf 0,85 herabgesetzt werden. Im Ausgangspunkt zutreffend wurde der Beta-Faktor allerdings auf der Grundlage einer Peer Group und trotz der Börsennotiz der Gesellschaft nicht mit Hilfe des unternehmenseigenen Beta-Faktors abgeleitet.
145
Der Beta-Faktor gibt an, wie sich die Rendite des zu bewertenden Unternehmens im Vergleich zum Marktportfolio verhält, so dass er das unternehmensindividuelle Risiko ausdrückt. Dabei beschreibt der Beta-Faktor, welche Änderung der Rendite der zu bewertenden Aktie bei einer Änderung der Rendite des Marktportfolios zu erwarten ist. Somit ist er kein empirisch feststellbarer Vergangenheitswert, sondern ein durch Schätzung zu ermittelnder Zukunftswert. Dabei erfolgt die Ableitung des künftigen Beta-Faktors bei börsennotierten Unternehmen aus historischen Kapitalmarktdaten anhand einer linearen Regression der unternehmensspezifischen Aktienkursrendite auf die Rendite des Aktienindex, wobei der Beta-Faktor die Steigerung der Regressionsanalyse angibt (vgl. OLG Karlsruhe, AG 2013, 880, 881 = Der Konzern 2013, 499, 512; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.1.2014, Az. 26 W 22/12 (AktE) – zit. nach juris; OLG Frankfurt AG 2017, 790, 795; NZG 2020, 339, 346 = AG 2020, 298, 302 = ZIP 2020, 810, 818; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG a.a.O., Anh. § 305 Rdn. 45 a; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 155 und 158;). Sofern das unternehmenseigene Beta aussagekräftig und nicht durch Sonderfaktoren verzerrt ist, ist dieses zur Ermittlung des unternehmensindividuellen Risikos heranzuziehen und gegenüber der Ermittlung aus einer Peer Group vorzugswürdig. Dies resultiert aus der Überlegung, dass der eigene Beta-Faktor im Zweifelsfall das systematische, operative Risiko der Gesellschaft unmittelbar wiedergibt, weshalb er der beste Indikator für den künftigen Beta-Faktor ist (vgl. OLG Frankfurt, AG 2017, 790, 795; NZG 2020, 339, 346 = AG 2020, 298, 303 = ZIP 2020, 810, 818; OLG Karlsruhe BeckRS 2017, 124, 895; OLG Düsseldorf BeckRS 2016, 21, 367 = AG 2016, 584, 567; BeckRS 2016, 111006; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 163; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh. 305 Rdn. 47; Franken/Schulte/Brunner/Dörschell, Kapitalkosten und Multiplikatoren für die Unternehmensbewertung, 6. Aufl., S.407 ff.).
146
(aa) Der unternehmenseigene Beta-Faktor der O… AG, der sich je nach Index, Betrachtungszeitraum und Renditeintervallen in einer Spanne zwischen 0,11 und 0,91 bewegte, konnte der Ermittlung des Unternehmenswerts und damit der Barabfindung nicht zugrunde gelegt werden. Dem originären Beta-Faktor fehlt die Aussagekraft, wie eine Analyse der hierfür maßgeblichen Parameter zeigt.
147
Die Bid-Ask-Spreads lagen ausweislich der Analyse der Bewertungsgutachter von E… S…wie auch der Abfindungsprüfer über einen Zeitraum von 4 Jahren bezogen auf Jahresscheiben bei 12,31% (1Jahr), 42,2, % (2 Jahre), 31,7% (3 Jahre) und 21,35% (4 Jahre). Bei Aktien mit einem geringen Handelsvolumen liegt der Bid-Ask-Spread deutlich über dem sehr liquider Aktien. Daher müssen Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit geringem Handelsvolumen einen erheblich höheren Abschlag auf ihre Bruttorendite hinnehmen als Käufer bzw. Verkäufer einer Aktie mit hohem Handelsvolumen. Infolge dessen wird ein rationaler Investor nicht unmittelbar auf jede neue Kapitalmarktinformation reagieren, weil er bei jeder Transaktion erhebliche Renditeabschläge hinnehmen müsste durch die höheren Bid-Ask-Spreads. Folglich zeigt sich das tatsächliche Risiko eines Unternehmens nicht am empirisch ermittelten Beta-Faktor, da der Kurs aufgrund der hohen Transaktionskosten nur träge auf neue Kapitalmarktinformationen reagiert. Die Grenze, bis zu der Bid-Ask-Spreads auf eine hinreichende Liquidität hinweisen, wird üblicherweise in einer Größenordnung von 1,25% gezogen. Die für die Gesellschaft ermittelten Bid-Ask Spreads lagen somit um ein Vielfaches über diesem Grenzwert und lassen es bereits nicht zu, den unternehmenseigenen Beta-Faktor heranzuziehen.
148
Auch das Bestimmtheitsmaß R² spricht gegen die hinreichende Belastbarkeit des unternehmenseigenen Beta-Faktors, nachdem dieses bei 0,06 zum 29.1.2021, 0,07 zum 10.5.2021 und 0,06 zum Stichtag der Hauptversammlung lag. Das Bestimmtheitsmaß als Korrelationskoeffizient zwischen einer Aktie und dem Referenzindex macht deutlich, in welchem Umfang das Risiko einer Aktie durch Marktfaktoren bestimmt wird. Die ermittelten Werte besagen also, dass das Risiko der Aktie nur zu maximal 7% durch Marktfaktoren bestimmt war.
149
(bb) Die Ermittlung des Beta-Faktors über eine Peer Group vergleichbarer Unternehmen erfolgte daher im Ansatz zutreffend; eine Korrektur ist jedoch hinsichtlich ihrer Zusammensetzung erforderlich.
150
Für die Auswahl der Peer Group-Unternehmen wesentlich ist die Vergleichbarkeit hinsichtlich des Geschäftsmodells, der spezifischen Produktsegmente bzw. des Diversifikationsgrades und der Produktart, hinsichtlich der regionalen Abdeckung und gegebenenfalls auch hinsichtlich ihrer Größe (vgl. Franken/Schulte/Dörschell, Kapitalkosten für die Unternehmensbewertung, 3. Aufl., S. 47). Dabei konnten auch im Ausland ansässige und notierte Gesellschaften einbezogen werden. Es ist in der Rechtsprechung weithin anerkannt, dass angesichts der internationalen Verflechtung der Kapitalmärkte auch ausländische Unternehmen in eine Peer Group aufgenommen werden können (vgl. OLG Celle AG 2007, 865, 867 = ZIP 2007, 2025, 2028; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2226; LG München I, Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 26.7.2019, Az. 5HK O 13831/17; Beschluss vom 16.4.2021, Az. 5HK O 5711/19). Unter Berücksichtigung der Aussagekraft der jeweiligen Beta-Faktoren konnten A… C…, S.A., C… Co., Ltd., Mod… TV S.p.A., To…, X… S.A. und A… N… Inc. in die Peer Group aufgenommen werden.
151
Vergleichbar ist namentlich auch To… . Dieses Unternehmen plant und produziert audiovisuelle Inhalte für verschiedene Zwecke und bietet diese Leistungen an – Teil dieses Leistungsangebots sind eigene TV-Programme, Videoinhalte, Kinofilme und Dramaserien, Synchronisierungs- und Untertitelungsleistungen, Broadcasting- und Streaming-Services sowie der Verkauf von Unterhaltungserlösen. Damit aber ist das Geschäftsmodell zu einem nicht unwesentlichen Teil mit dem der O… AG vergleichbar, weshalb dieses Unternehmen in dem von den Prüfern erstellten Scoring-Modell, bei den Regionalität und Geschäftstätigkeit eine wichtige Rolle spielten, einen vorderen Platz einnahm.
152
Die Abfindungsprüfer hielten die von den Bewertungsgutachtern von E… S…noch aufgenommenen Unternehmen I… plc., V… oder W… D… Company für nicht vergleichbar, nachdem diese Unternehmen selbst über große Fernsehkanäle verfügen und auch qualitativ andere Geschäftsbereiche bedienen. Dasselbe gilt für Television Française und T… B…, so dass auch diese mit der Gesellschaft nicht vergleichbar sind.
153
Die Zusammensetzung der von den Abfindungsprüfern herangezogenen Peer Group muss vorliegend allerdings insofern korrigiert werden, als die Aktien der P… AG, der Mo… TV F… S.A. und der S… M… AG, die in der Peer Group der Abfindungsprüfer aufgeführt waren, nicht hirneichend liquide sind. Die Bid-Ask-Spreads dieser drei Unternehmen liegen nicht unerheblich über dem oben genannten Grenzwert von 1,25% – bei der P… AG betrugen sie 3,71%, bei Mo… TV France S.A. 2,23% und bei S… M… AG 8,82%. Das Bestimmtheitsmaß R² beträgt zum Stichtag der Hauptversammlung bei Mo… TV France S.A. 0,08 und ist daher gleichfalls nicht geeignet, die Aktien dieser Gesellschaft als hinreichend liquide anzusehen. Bei den beiden anderen Gesellschaften liegt das Bestimmtheitsmaß R² mit 0,1 X bzw. 0,13 gerade an bzw. nur geringfügig über der üblicherweise gezogenen Grenze von 0,1. Der Mittelwert des täglich gehandelten Volumens in Euro liegt mit € 81.000,- bei Mo… TV F… S.A., mit € 40.000,- bei der P… AG und mit € 4.000,- bei der S… M…AG deutlich unter den Volumina der Gesellschaften, die über Bid-Ask-Spreads verfügen, die einen Rückschluss auf eine ausreichende Liquidität zulassen. Die Grenze wird bei einem Handelsvolumen von € 115.000,- am Tag gezogen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.11.2019, Az. 21 W 77/14 – zit. nach juris).
154
Aus der dann maßgeblichen Peer Group mit den sechs oben genannten Unternehmen resultiert dann aus einer Gesamtbetrachtung der vier unterschiedlichen Möglichkeiten, wie sie in der Bewertungspraxis zur Ableitung des Beta-Faktors üblich sind, ein unverschuldeter Beta-Faktor von 0,85 als Mittelwert. Bei einer Regression gegen den größten lokalen Index ergibt sich bei einem zweijährigen Betrachtungszeitraum mit wöchentlichen Renditeintervallen ein unverschuldeter Beta-Faktor von 0,75 im Durchschnitt und von 0,73 im Median, bei einem fünfjährigen Betrachtungszeitraum mit monatlichen Renditeintervallen von 0,77 im Durchschnitt und 0,84 im Median. Soweit die Regression gegen den MSCI World Index erfolgte, wurden Kurse und Index entsprechend den herangezogenen Daten von Capital IQ in der gleichen Währung gerechnet. Bei diesem Kapitalmarktdienstleister werden die Kurse standardmäßig automatisiert umgerechnet. Beim MSCI World als Regressionsindex beträgt der durchschnittliche Beta-Faktor 0,73 und 0,67 im Median bei einem zweijährigen Betrachtungszeitraum mit wöchentlichen Renditeintervallen, während der Durchschnitt bei einem Renditeintervall von fünf Jahren monatlich 0,93 und der Median 0,96 beträgt. Der Mittelwert des Durchschnitts liegt bei 0,8, während das arithmetische Mittel der über den Median ermittelten Werte bei 0,78 liegt. Andererseits muss gesehen werden, dass sich die unverschuldeten Beta-Faktoren in einer Bandbreite zwischen 0,67 und 0,93 bewegen. Unter Berücksichtigung der Risiken der O… AG am Markt erachtet die Kammer im Wege einer Gesamtbetrachtung einen unverschuldeten Beta-Faktor von 0,85 als angemessen. Dieser Wert entspricht in etwa dem durchschnittlichen operativen Risiko aller im Markt tätigen Unternehmen. Von einem unter diesem Durchschnitt liegenden Risiko kann bei der O… AG nicht ausgegangen werden. Die Abfindungsprüfer wiesen in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 11.4.2023 nämlich darauf hin, dass als Folge der zukünftig vom Management geplanten verstärkten Konzentration auf Eigenproduktionen die Gesellschaft einschließlich ihrer Tochtergesellschaften neben dem Kostenauch das Absatzrisiko tragen wird. Damit aber ist das Risiko höher als das etablierter Wettbewerber, weshalb es gerechtfertigt ist, den Beta-Faktor am oberen Rand der aus der Peer Group hergeleiteten Bandbreite abzuleiten.
155
Der angesetzte Beta-Faktor von unverschuldet 0,85 trägt dem historischen Verlauf der Beta-Faktoren der heranzuziehenden Vergleichsunternehmen Rechnung und reflektiert das erhöhte Planungsrisiko aufgrund der hohen Marktdynamik, sich wandelnder Marktstrukturen wie auch der Verschiebung der Produktionsschwerpunkte. Hierauf haben die Abfindungsprüfer in ihrer Stellungnahme vom 11.4.2023 ausdrücklich und überzeugend hingewiesen. Das Wettbewerbs- und Marktumfeld der Gesellschaft ist von einem intensiven Wettbewerb geprägt. Die O… AG steht hier im Wettbewerb mit Filmproduktionsfirmen wie C… F…, S… Ha…, X-F…, Z… F…, B… F…, U… und V… Dabei besteht auf dem deutschen wie dem europäischen Produktionsmarkt erheblicher Wettbewerbsdruck hinsichtlich der für die Produktion benötigten spezialisierten Mitarbeiter wie Kameraleute, Schauspieler und Visagisten. Auch wenn das Hauptaugenmerk der Gesellschaft nicht auf dem deutschen Kinomarkt liegen wird, erhofft sich die Gesellschaft, vermehrt Eigenproduktionen auch in diesem Bereich produzieren zu können, wie im Prüfungsbericht dargestellt wurde. Im Kinomarkt will die Gesellschaft weiterhin über Ko- und Eigenproduktionen auftreten. Im Fernsehmarkt, für den die O… AG primär produziert, ist in Deutschland eine hart umkämpfte Fernsehlandschaft mit sinkenden Wachstumsraten zu beobachten, wobei dieser Markt zunehmend von neuen Marktteilnehmern beeinflusst wird, die Kundenreferenzen verändern und zunehmend das Geschäftsmodell prägen. Zusätzliche Konkurrenz kommt von Video-Streaming-Diensten wie A… P… V… und N… .
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In diesem Geschäftsfeld sollen andererseits vermehrt Eigen- und Auftragsproduktionen im Entertainment-Bereich vor allem für RTL 2 das geplante Wachstum generieren. Chancen für die Gesellschaft bieten sich zudem im Internet-Videomarkt, für den im zunehmenden Maße Formate durch Streaming-Portale produziert werden sollen. Das wachsende Angebot und die steigende Qualität führen zu steigender Beliebtheit und zunehmender Bereitschaft, für diese Dienste zu bezahlen. Allerdings wächst zum Stichtag der Hauptversammlung die Zahl der Wettbewerber, wobei auch bekannte Marken wie Apple und Disney am Tag der Hauptversammlung bereits in den Markt eingetreten waren. Dies führt dazu, dass auch die Marktführer A… P… V… o und N… unter Druck gesetzt werden. Dann aber ist es nachvollziehbar, wenn sich dieser Druck auch auf kleinere Anbieter wie die O… AG fortsetzt. Neben den Chancen in diesem Bereich fallen aber auch Risiken bei der Gesamtbetrachtung ins Gewicht.
157
Der ursprünglich herangezogene unverschuldete Beta-Faktor von 0,9 kann der Ermittlung der Abfindung nicht zugrunde gelegt werden. Die auch für die Erhöhung maßgeblichen Unternehmen mit sehr hohen Beta-Faktoren wie namentlich I… plc. konnten nach der Beurteilung der Abfindungsprüfer mangels Vergleichbarkeit nicht in die Peer Group aufgenommen werden.
158
Die historische Entwicklung der Beta-Faktoren der sechs Vergleichsunternehmen zeigt entsprechend der Abbildung auf Seite 3 der Stellungnahme vom 11.4.2023, dass sich der Median seit etwa 2017 und damit seit etwa 4 ¼ Jahren vor der Hauptversammlung mit zeitlich kurzen Ausreißern nach oben im Juni 2018 und zu Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020 stabil bei etwa 0,8 bewegt. Gerade das mit der Planung verfolgte Ziel eines im Vergleich zum Markt überdurchschnittlichen Wachstums der Jahresüberschüsse im Zähler des Bewertungskalküls wird dann aber auch durch den etwas höheren Beta-Faktor im Nenner angemessen dargestellt. Damit trägt die Bewertung hinreichend dem Grundsatz der Risikoäquivalenz zwischen Zähler und Nenner Rechnung.
159
Ein niedrigerer Beta-Faktor lässt sich nicht durch eine geringere Konjunkturabhängigkeit begründen. Herr Su… wies in diesem Zusammenhang nämlich darauf hin, dass das Geschäftsmodell sehr wohl konjunkturabhängig ist. Die Gesellschaft ist bei ihrer Produktion abhängig von Fernsehsendern, wobei gerade Privatsender wie RTL 2 als einer der Hauptkunden wiederrum sehr stark von den eigenen Werbeeinnahmen abhängig sind; diese sind wiederum konjunkturabhängig und tendenziell rückläufig. Ein Kostenrisiko deckt die O… AG zudem nicht nur bei den Eigen-, sondern auch bei Auftragsproduktionen ab, bei denen zudem noch das Verzögerungsrisiko eine Rolle spielt, weshalb insoweit nicht von gänzlich sicheren Cashflows auszugehen ist.
160
Dem über zwei Jahre ermittelten Beta-Faktor, der für die Minderheitsaktionäre günstigere Ergebnisse nach sich ziehen würde, ist nicht zwingend der Vorzug gegenüber dem fünfjährigen Beta-Faktor zu geben, auch wenn die Ableitung über zwei Jahre besser aufzeigt, wie der Kurs auf nahe zum Bewertungsstichtag liegende Ereignisse reagiert. Vorliegend muss aber berücksichtigt werden, dass der zweijährige Zeitraum ganz wesentliche von der Covid-19-Pandemie geprägt, in deren Verlauf es zumindest kurzfristig zu Einbrüchen und Verwerfungen an den Kapitalmärkten kam, was bei der längeren Periode von fünf Jahren besser ausgeglichen werden kann.
161
Das Heranziehen des MSCI World Index beim Beta-Faktor bedingt nicht zwingend das Abstellen auf eine internationale Marktrisikoprämie als weiteren Teil des Risikozuschlags. Die Ermittlung der künftigen Marktrisikoprämie wie auch des Beta-Faktors beruht naturgemäß auf einer Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO. Dabei wurde aber der Risikozuschlag gerade nicht nur mit Hilfe des globalen Index als Regressionsindex ermittelt; vielmehr erfolgte eine Regression auch gegen den größten nationalen Index. Damit aber wird eine Gesamtschau vorgenommen. Da die Abfindung aus der Sicht eines inländischen Aktionärs abgeleitet wird, muss dann aber auch nicht zwingend auf eine globale Marktrisikoprämie abgestellt werden. Ihr Ansatz stünde zudem im Widerspruch zur Ableitung des Basiszinssatzes auf der Grundlage deutscher Staatsanleihen. Zur Ableitung der Kapitalkosten müssten dann aber die in lokalen Währungen und Anleihen zu ermittelten Basiszinssätze herangezogen werden, was allerdings regelmäßig nicht geschieht. Eine internationale Marktrisikoprämie ist nicht geeignet, die Überrendite gegenüber deutschen Staatsanleihen auszudrücken, was aber auch Aufgabe des Risikozuschlags nach dem (Tax-)CAPM ist.
162
(d) Neben dem operativen Risiko prägt auch das Kapitalstrukturrisiko eines Unternehmens dessen Risiko, weshalb es ebenfalls in den Beta-Faktor einfließen muss. Demgemäß muss über das Relevern die künftige Verschuldung abgebildet werden, woraus sich dann der verschuldete Beta-Faktor herleiten lässt. Dieser beträgt bei einem Verschuldungsgrad von 66,2% im Jahr 2021 1,24, im Jahr 2022 bei einem Verschuldungsgrad von 116,9% 1,55, im Jahr 2023 bei einem Verschuldensgrad von 128,7% 1,62, im Jahr 2024 bei einem Verschuldungsgrad von 74,3% 1,30, im Jahr 2025 bei einem Verschuldungsgrad von 72,7% 1,29 und im Terminal Value bei einem Verschuldungsgrad von 67% noch 1,25.
163
Dabei ist der Anstieg des Verschuldungsgrades, der jeweils zu Beginn der Periode angesetzt wurde, in den ersten Jahren der Detailplanungsphase nicht zu korrigieren. In den Jahren 2021 und 2022 setzt die Gesellschaft vermehrt auf Eigenproduktionen, die erst im Geschäftsjahr 2023 Umsatz bringen sollen. In diesen beiden Jahren besteht somit ein hoher Vorfinanzierungsbedarf, der durch die Kontokorrentlinie gedeckt wird. Die Verschuldung kann ohne Widerspruch aus der integrierten G+V-Rechnung und der integrierten Bilanzplanung abgebildet werden.
164
c. Der für das Wachstum der Jahresüberschüsse in der Ewigen Rente mit 1% angesetzte Wachstumsabschlag bedarf keiner Erhöhung, weil er als angemessen zu betrachten ist.
165
(1) Mit dem Wachstumsabschlag wird zugunsten der Aktionäre berücksichtigt, dass sich die Geldentwertung bei festverzinslichen Anleihen stärker auswirkt als bei einer Unternehmensbeteiligung. Das Unternehmen hat in der Regel die Möglichkeit, die Geldentwertung zumindest zu einem Teil durch Preiserhöhungen aufzufangen, während die Anleihe ohne Inflationsausgleich zum Nominalwert zurückgezahlt wird. Die Höhe des festzusetzenden Abschlages ist dabei abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Maßgeblich ist vor allem, ob und in welcher Weise Unternehmen die erwarteten Preissteigerungen an die Kunden weitergeben können; daneben sind aber auch sonstige prognostizierte Margen und Strukturänderungen zu berücksichtigen (vgl. OLG Stuttgart AG 2007, 596, 599; NZG 2007, 302, 307; AG 2008, 783, 788 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1851 = ZIP 2009, 2339, 2342; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1171; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2227; OLG Karlsruhe Der Konzern 2015, 442, 450 f.; 2016, 35, 41; LG München I AG 2017, 501, 506; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Beschluss vom 27.11.2019, Az. 5HK O 6321/14; Beschluss vom 25.11.2020, Az. 5HK O 12435/05). Ausschlaggebend ist dabei primär die individuelle Situation des Unternehmens, nicht die allgemeine Entwicklung zum Bewertungsstichtag. Dabei kann nicht auf Umsätze und deren Entwicklung in Relation zur allgemeinen Inflationsrate abgestellt werden; entscheidend ist vielmehr das Wachstum der Ergebnisse. Die erwartete durchschnittliche Inflationsrate kann dabei nur einen ersten Ansatzpunkt für die Höhe des Wachstumsabschlages bilden (so auch ausdrücklich OLG München AG 2018, 753, 756 f. = Der Konzern 2019, 277, 282 f.; OLG Düsseldorf AG 2016, 329, 331 = WM 2016, 1686, 1691; Der Konzern 2019, 410, 419; van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 168). Es ist nämlich zu beachten, dass – wie auch aus anderen Spruchverfahren gerichtsbekannt ist – Unternehmensergebnisse anderen Preiseinflüssen als der Verbraucherpreisindex unterliegen, weil Chancen und Risiken nominaler Ergebnisveränderungen sowohl von der Marktlage und Wettbewerbssituation als auch der Struktur jedes einzelnen Unternehmens abhängen.
166
Angesichts dieser Bedeutung des Wachstumsabschlages ist er auch ausschließlich in der Ewigen Rente festzusetzen; Preissteigerungen in der Detailplanungsphase sind bereits über die Planzahlen abgebildet, die dann auch zu einem entsprechenden Umsatz- und Ergebniswachstum führen.
167
(2) Unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage lässt sich ein höherer Wachstumsabschlag nicht rechtfertigen.
168
(a) Der Ansatz von 1% vernachlässigt nicht die Maßgeblichkeit der unternehmensspezifischen Inflationsrate. Die Lage der Gesellschaft ist durch die Situation bei den TV-Sendern getrieben, weil diese die (Haupt-)Abnehmer der O… AG sind. Demgemäß ist die Gesellschaft auch von den Werbeeinnahmen der Fernsehsender abhängig. Wenn bei diesen aber die Produktionskosten für andere Bereiche wie beispielsweise Sport steigen, wird es auch nach Auffassung der Kammer schwer, einen vollständigen Inflationsausgleich gerade für die eigenen Kostensteigerungen auf Beschaffungsseite der O… AG zu erlangen. Hierfür spricht gerade auch der intensive Verdrängungswettbewerb mit zahlreichen senderunabhängigen und senderabhängigen Wettbewerbern. Das Bewertungsgutachten verweist – was auch bei der Anhörung in anderem Zusammenhang von den Abfindungsprüfern von D… bestätigt wurde – auf einen erheblichen Wettbewerbsdruck im Hinblick auf die für die Produktionen benötigten (freie) Mitarbeiter wie Visagisten, Kameraleute oder Schauspieler, während auf der Absatzseite nur geringe Erhöhungen der bezahlten Preise je Minute produzierten Films zu beobachten sind.
169
Dem kann nicht entgegengehalten werden, Inflationstreiber würden zu einer leichteren Überwälzbarkeit der Kostensteigerungen und damit zu einem höheren Wachstumsabschlag führen. Im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Tags der Hauptversammlung konnte von einer absehbaren Steigerung der Inflationsraten nicht ausgegangen werden. Namentlich der von Russland am 24.2.2022 – also nahezu acht Monate nach der Hauptversammlung – begonnene Angriffskrieg gegen die Ukraine, der einer maßgeblichen Treiber der allgemeinen Inflationsrate ist, war zum damaligen Zeitpunkt der Hauptversammlung am 29.6.2021 keinesfalls absehbar. Die Schätzungen des Internationalen Währungsfonds gingen von einem Anstieg des Verbraucherpreisindex in Deutschland in der Detailplanungsphase von 2,25%, 1,1%, 1,49%, 1,65% und 1,86% sowie von 2,06% im Terminal Value aus. Branchenanalysten gingen für das Jahr 2021 von Werten zwischen 1,1% und 2,9%, für das Jahr 2022 zwischen 0,8% und 2,5% sowie für das Jahr 2022 zwischen 1,0% und 2% aus.
170
(b) Aus der Überlegung der vermehrten Nachfrage nach kostenpflichtigen Streaming-Diensten mit einer starken Präsenz auch bei der Gesellschaft lässt sich kein höherer Wachstumsabschlag rechtfertigen. Zum einen muss gesehen werden, dass der Wachstumsabschlag nach seinem Grundkonzept auf einem nachhaltigen Zustand ohne Kapazitätserweiterungen beruht. Zum anderen aber ist das verstärkte Agreement im Bereich Video on D. und bei Streaming-Diensten bereits berücksichtigt. Allerdings zeigen sich gerade bei den Streaming-Diensten niedrigere Margen, die sich dann auch bei der Entwicklung der Jahresüberschüsse in der Ewigen Rente mit einer nicht höher als 1% festzusetzenden Wachstumsabschlag niederschlagen.
171
(c) Der Ansatz eines Wachstumsabschlags von 1% und damit auch unterhalb der von der EZB langfristig erstrebten Inflationsrate von 2% kann nicht entgegengehalten werden, es werde dadurch zu einem laufenden Schrumpfen der Gesellschaft kommen. Zur Beurteilung der Angemessenheit des Wachstumsabschlages muss die Gesamtwachstumsrate der geplanten entziehbaren Überschüsse analysiert werden. Bei einer tatsächlichen Thesaurierung ist im Wachstumsabschlag zusätzlich nämlich das thesaurierungsbedingte Wachstum aus den tatsächlich einbehaltenen Beträgen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung dieses notwendigen Ansatzes muss tatsächlich von einer deutlich höheren Gesamtwachstumsrate ausgegangen werden.
172
Angesichts dessen ergibt sich aus den kapitalisierten Überschüssen unter Berücksichtigung einer Aufzinsung vom 31.12.2020 als dem bewertungstechnischen Stichtag, zu dem sich ein Ertragswert von € 19,475 errechnet, auf den Tag der Hauptversammlung am 29.6.2021 mit einem Aufzinsungsfaktor von 1,04 ein Ertragswert in Höhe von 20,171 Mio.

Nettoeinnahmen

[819]

[442]

1.463

1.164

1.112

1.491

Kapitalisierungszins

7,38%

9,15%

9,56%

7,70%

7,62%

6,42%

Barwertfaktor

0,93

0,85

0,78

0,72

0,67

10,5

Barwert

[763]

[377]

1.139

[842]

[747]

15.606

Ertragswert zum 31.12.2020

19.475

Aufzinsungsfaktor zum 29. Juni 2021

1,04

Unternehmenswert zum 29.06.2021 (TEUR)

20.171

173
Bei der Ermittlung der Abfindung als Quotient aus Unternehmenswert und Zahl der Aktien sind die von der O… AG gehaltenen eigenen Aktien nicht zu berücksichtigen, so dass der Unternehmenswert durch die Zahl von 11.757.720 zu teilen ist. Hieraus ergibt sich dann die angemessene Barabfindung von € € 1,72. Damit kommt es zu einer Erhöhung der Abfindung um knapp 9,6%, die auch zu einer Anpassung und Änderung des Beschlusses der Hauptversammlung führen muss. Einen exakten, einzig richtigen Wert eines Unternehmens kann es zwar unabhängig von der angewandten Bewertungsmethode nicht geben, weil jede in die Zukunft gerichtete Prognose naturgemäß gewisse Unsicherheiten bedingt, die auch im Hinblick auf das Gebote effektiven Rechtsschutzes hinzunehmen sind. Solange die vorgenommene Bewertung nach ihrer Methodik und der zugrunde liegenden Prämissen wie hier mit dem Bewertungsziel in Einklang steht, muss eine gewisse Bandbreite von Werten als noch angemessen angesehen werden. Eine höhere Barabfindung kann erst dann angenommen werden, wenn eine gewisse Grenze überschritten ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.5.2022, Az. 101 ZBR 97/20; OLG München AG 2020, 133, 134, 138 = WM 2019, 2104, 2106, 2117; OLG Stuttgart, AG 2011, 205, 211; OLG Frankfurt AG 2012, 330, 334 f. = ZIP 2012, 371, 376; AG 2015, 504, 508 = Der Konzern 2015, 378, 387 f.; AG 2016, 551, 555 = ZIP 2016, 716, 719; OLG Düsseldorf WM 2019, 1789, 1795). Die hier vorliegende Abweichung von nahezu 10% kann nicht mehr als geringfügig angesehen werden. Die Abweichung beruht auf einer Änderung der Parameter des Kapitalisierungszinssatzes, wobei auch beim Beta-Faktor ein gewisser Spielraum besteht, was die Auswahl der Vergleichsunternehmen wie auch der Regressionsindices angeht. Dann aber kann es nicht gerechtfertigt sein, diesen Spielraum noch dazu zu vergrößern, dass eine Abweichung erst ab 10% als nicht mehr gerichtfügig angesehen werden kann. (vgl. OLG München AG 2020, 133, 137 f. = DM 2019, 2104, 2116 f).
174
Soweit eine Mindermeinung in der Literatur davon ausgeht, angesichts der Konzernneutralität des Squeeze out seien auch die eigenen Aktien abfindungsberechtigt (vgl. Habersack in: Emmerich: Habersack, Aktienrecht- und GmbH-Konzernrecht, 10. Aufl., § 327 b Rdn. 6; Heidel/Lochner in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 5. Aufl., § 327 b Rdn. 2; Habersack ZIP 2001, 1230, 1236), kann dem nicht gefolgt werden. Die von der Aktiengesellschaft gehaltenen eigenen Aktien gehen nicht auf den Hauptaktionär über. Sie werden wie alle Anteile, für die § 16 Abs. 4 AktG gilt, von dem Rechtsübergang nicht erfasst, weil ein entsprechendes Interesse des Hauptaktionärs hieran nicht angenommen werden kann. Auch erzwingt der Regelungszweck des Squeeze out nicht den Rechtsübergang auf den Hauptaktionär. Durch diese Maßnahme soll der Hauptaktionär in seiner unternehmerischen Handlungsfreiheit gestärkt werden (so ausdrücklich BT-Drucks. 14/7034 S. 31 f.). Dem liefe es indes zuwider, wenn eigene Aktien der Aktiengesellschaft kraft Gesetzes, also ohne den erklärten Willen auf den Hauptaktionär übergingen und dieser verpflichtet wäre, die Gesellschaft deshalb mittels Barabfindung zu entschädigen. Dem Zweck wird bereits hinreichend entsprochen, wenn der Hauptaktionär nicht länger mit der Ausübung zwingender Minderheitsrechte rechnen muss und ein Anfechtungsrisiko bei Hauptversammlungsbeschlüssen ausgeschlossen ist. Aufgrund von § 71 b AktG besteht aus eigenen Aktien kein Stimmrecht, weshalb auch insoweit dem Gesetzeszweck Genüge getan ist. Diese Sichtweise steht auch in Einklang mit der Regelung in §§ 327 a Abs. 2, 16 Abs. 2 Satz 2 AktG, wonach auch bei der Berechnung der Schwelle von 95% des Grundkapitals die eigenen Aktien der betroffenen Aktiengesellschaft nicht mitgezählt werden. Anders als bei der Eingliederung im Sinne des § 320 AktG muss die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin beim Squeeze out nicht zwingend Alleinaktionärin werden, nachdem eine Regelung die § 327 Abs. 1 Nr. 3 AktG über das Ende der Eingliederung im Falle des Verlustes der Eigenschaft als Alleinaktionärin in §§ 327 a ff. AktG nicht enthalten ist (vgl. LG München I Beck RS 2018, 18223; Beschluss vom 16.4.2019, Az. 5HK O 14963/17; Beschluss vom 25.6.2021, Az. 5HKO 9171/17; Grunewald in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 327 e Rdn. 12; Singhof in: BeckOGK AktG, Stand 1.2.2021, § 327 b Rdn. 9; Schnorbus in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 327 e Rdn. 25; Koch, AktG, a.a.O., § 327 e Rdn. 4; Holzborn/Müller in: Bürgers/Körber, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 5; Lieder/Stange Der Konzern 2008, 617, 623 ff.; Riegger DB 2003, 541, 542 ff.).
175
3. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das gesondert zu bewerten wäre, war bei der O… AG zum Stichtag der Hauptversammlung nicht vorhanden.
176
a. Nicht betriebsnotwendige Liquidität war zum Stichtag der Hauptversammlung bei der O… AG nicht anzusetzen. Zum bewertungstechnischen Stichtag vorhandene flüssige Mittel waren in einem Umfang von € 1,072 Mio. projektbezogen. Zudem muss ein gewisser Teil der Liquidität zur Finanzierung des laufenden Geschäfts vorgehalten werden. Die Bankverschuldung wurde zur Finanzierung des operativen Geschäfts benötigt.
177
b. Soweit im Geschäftsbericht 2020 eine Büroimmobilie genannt wurde, war diese nicht beim nicht betriebsnotwendigen Vermögen einzuordnen. Die Immobilie war Gegenstand eines Leasingvertrages und von Abschreibungen, weshalb in der Bilanz kein Eigentum an dieser Immobilie aufgeführt ist. Zudem zog die Gesellschaft aus dem Gebäude aus, worauf Herr M2. im Termin vom 19.1.2023 hinwies. Eine Untervermietung war nicht möglich. Insgesamt muss das schuldrechtliche Recht an der Immobilie als nicht werthaltig angesehen werden, weshalb es auch abgeschrieben wurde.
178
c. Für das Vorhandensein weiteren nicht betriebsnotwendigen Vermögens in Form sonstiger Vermögenswerte oder von Kunstgegenständen fanden die Abfindungsprüfer wie auch die Bewertungsgutachter keinerlei Anhaltspunkte.
179
d. Die Marke „O…“ durfte nicht als nicht betriebsnotwendiges Vermögen angesetzt werden. Die Marke dient nämlich unmittelbar dem Erzielen der Erlöse, weshalb ihr Wert über die Ertragsplanung in die Unternehmensbewertung einfließt und demzufolge nicht im Rahmen des nicht betriebsnotwendigen Vermögens Berücksichtigung finden kann; anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Doppelerfassung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.1.2011, Az. 20 W 3/09; LG München I AG 2017, 501, 507; Beschluss vom 8.2.2017, Az. 5HK O 7347/15; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 16.4.2021, Az. 5711/19; Beschluss vom 22.6.20200, Az. 5HK O 16116/08; LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.8.2010, Az. 3-5 O 73/04; Ruiz de Vargas in: Bürgers/Körber/Lieder, AktG, a.a.O., Anh. 305 Rdn. 36 b).
180
e. Eine gesonderte Berücksichtigung von Verlustvorträgen wie auch des steuerlichen Einlagenkontos als Sonderwert kann nicht erfolgen, weil es anderenfalls zu einer unzulässige Doppelerfassung käme. Die Verlustvorträge wurden im Rahmen der Steuerplanung noch als Annuität in der Ewigen Rente verbraucht. Das steuerliche Einlagenkonto im Sinne des § 27 KStG floss im Umfang seiner Nutzbarkeit direkt in die Planung ein.
181
Aus dem Erwerb steuerlicher Verlustvorträge können keine Schadensersatzansprüche der O. F2.AG gegen ihre Vorstandsmitglieder hergeleitet werden. Der in diesem Zusammenhang in Bezug genommene Erwerbsvorgang bezieht sich jedoch auf einen notariell beurkundeten Gesellschaftsanteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 18.2.2019, mit dem die Antragsgegnerin sämtliche Anteile an der T.-M. sowie sämtliche Geschäftsanteile an der T. F3. GmbH – der damaligen alleinigen Komplementärin – erwarb. Nach einem Wechsel in der Person der Komplementärin aufgrund eines Verschmelzungsvertrages vom 16.6.2020, durch den die einzige Komplementärin auf die Antragsgegnerin als einzige Kommanditistin verschmolzen wurde, kam es zur Verschmelzung der T.-M. im Wege der Anwachsung auf die Antragsgegnerin. Damit aber liegt kein Handeln des Vorstands der Gesellschaft, sondern der Antragsgegnerin vor. Schadensersatzansprüche aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG lassen sich daher nicht begründen. Angesichts dessen muss die Kammer auch nicht abschließend entscheiden, ob diese im Rahmen eines Spruchverfahrens überhaupt anzusetzen sind, sofern sie nicht unstreitig sind oder ein rechtkräftiges Urteil vorliegt.
182
4. Aus anderen Gründen lässt sich eine höhere Barabfindung nicht rechtfertigen.
183
a. Dies gilt zunächst für den Börsenkurs, der in einem Zeitraum von drei Monaten vor der Bekanntgabe der Squeeze out-Absicht an die Kapitalmärkte am 1.2.2021 bei € 0,96 lag.
184
(1) Nach der Rechtsprechung insbesondere auch des Bundesverfassungsgerichts ist bei der Bemessung der Barabfindung nicht nur der nach betriebswirtschaftlichen Methoden zu ermittelnde Wert der quotalen Unternehmensbeteiligung, sondern als Untergrenze der Abfindung wegen der Wertung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG der Börsenwert zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 100, 289, 305 ff. = NJW 1999, 3769, 3771 ff. = NZG 1999, 931, 932 f. = AG 1999, 566, 568 f. =ZIP 1999, 1436, 1441 ff. = WM 1999, 1666, 1669 ff. = DB 1999, 1693, 1695 ff. = BB 1999, 1778, 1781 f. – DAT/Altana; BVerfG WM 2007, 73 = ZIP 2007, 175, 176 = AG 2007, 119 f.; BGH NJW 2010, 2657, 2658 = WM 2010, 1471, 1473 = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 = NZG 2010, 939, 940 f. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 = Der Konzern 2010, 499, 501 – Stollwerck; OLG München AG 2007, 246, 247; OLG Frankfurt AG 2012, 513, 514; Koch, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 6 und § 305 Rdn. 29; Schnorbus in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 327 b Rdn. 3; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 327 b Rdn. 9; Simon/Leverkus in: Simon, SpruchG, a.a.O., Anh § 11 Rdn. 197 f.; Meilicke/Kleinertz in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, a.a.O., § 305 AktG Rdn. 36).
185
Der BGH geht nunmehr in Übereinstimmung mit der überwiegend vertretenen Ansicht in Rechtsprechung und Literatur und unter teilweiser Aufgabe seiner früher vertretenen Auffassung mit Beschluss vom 19.7.2010, Az. II ZB 18/09 (vgl. BGH NJW 2010, 2657, 2658 ff. = WM 2010, 1471, 1472 ff. = ZIP 2010, 1487, 1488 f. = AG 2010, 629, 630 ff. = NZG 2010, 939, 941 ff. = DB 2010, 1693, 1694 f. = BB 2010, 1941, 1942 ff. = Der Konzern 2010, 499, 501 ff. – Stollwerck; bestätigt durch BGH AG 2011, 590 f. = ZIP 2011, 1708 f.; ebenso OLG Stuttgart ZIP 2007, 530, 532 ff. = AG 2007, 209, 210 ff. = NZG 2007, 302, 304 ff. – DaimlerChrysler; ZIP 2010, 274, 277 ff.; OLG Düsseldorf ZIP 2009, 2055, 2056 ff. = WM 2009, 2271, 2272 ff.; Der Konzern 2010, 519, 522; OLG Frankfurt NZG 2010, 664; AG 2012, 513, 514; Paulsen in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 105 f.; ebenso Koch, AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 45; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 45, 46 und 46 a; Tonner in: Festschrift für Karsten Schmidt, 2009, S. 1581, 1597 ff.) davon aus, der einer angemessenen Abfindung zugrunde zu legende Börsenwert der Aktie müsse grundsätzlich aufgrund eines nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurses innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der Bekanntmachung einer Strukturmaßnahme ermittelt werden.
186
(2) Die Frist von drei Monaten endete somit am 29.1.2021 als letztem Handelstag vor der Ad hoc-Mitteilung vom 1.2.2021. Für diesen Zeitraum ermittelte sich ein volumengewichteter Durchschnittskurs von € 0,96, der deutlich unter dem nach der Ertragswertmethode ermittelten Unternehmenswert lag. Auf nach diesem Zeitpunkt liegende Durchschnittskurse oder einzelne über dem Abfindungsbetrag liegende Tageskurse kann es folglich nicht entscheidungserheblich ankommen.
187
Von einem längeren Zeitraum, der eine Hochrechnung erforderlich machen würde, kann bei einer Zeitspanne von knapp unter fünf Monaten und damit deutlich weniger als 7 ½ Monaten nicht ausgegangen werden. Ein solcher Zeitraum kann noch nicht als längerer Zeitraum angesehen werden (vgl. hierzu BGH NJW 2010, 2657, 2660 = WM 2010, 1471, 1475 = ZIP 2010, 1487, 1491 = AG 2010, 629, 632 = NZG 2010, 939, 942 = DB 2010, 1693, 1697 = BB 2010, 1941, 1944 = Der Konzern 2010, 499, 503 – Stollwerck). Es liegt in der Natur der Sache der Vorbereitung eines Squeeze out-Beschlusses, dass sich diese über einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckt, nachdem insbesondere ein Bewertungsgutachten zum Unternehmenswert der O… AG zu erstellen ist und ein – wenn auch zulässigerweise im Wege der Parallelprüfung erstellter – Prüfungsbericht gefertigt werden muss. Würde man den längeren Zeitraum dagegen bereits unterhalb der vom BGH gezogenen Grenze von 7 ½ Monaten ansetzen, bestünde zudem die Gefahr, dass die als Ausnahme konzipierte Rechtsprechung des II. Zivilsenats des BGH zur Regel wird (vgl. OLG Saarbrücken AG 2014, 866, 867 f. = ZIP 2014, 1784, 1786; OLG Frankfurt AG 2020, 837, 838 = ZIP 2021, 408, 409 = WM 2011, 593, 595 = Der Konzern 2021, 338, 340; OLG München, Beschluss vom 14.12.2021, Az: 31 Wx 190/20; Wasmann ZGR 2011, 83, 94 ff., 96; Bungert/Wettich BB 2010, 2227, 2229; Decher ZIP 2010, 1673, 1675 f.). Soweit in einer jüngeren Studie die Ansicht vertreten wird, angesichts eines Durchschnitts von vier Monaten und drei Tagen im Median müsse bei einem längeren, also über diesen Durchschnitt hinausgehenden Zeitraum eine Anpassung im Sinne einer Hochrechnung erfolgen (vgl. Weimann, Spruchverfahren nach Squeeze out, 2015, S. 409), kann dem nicht gefolgt werden. Selbst wenn diese Zeitspanne der Durchschnitt sein mag, führt nicht jede Überschreitung um etwas mehr als einen Monat zu der Annahme, es müsse eine Anpassung oder Hochrechnung erfolgen. Dieser Ansatz in der Literatur berücksichtigt nämlich nicht hinreichend die Besonderheiten des Einzelfalles wie beispielsweise die Größe und Komplexität des zu bewertenden Unternehmens.
188
(3) Soweit der BGH in seiner jüngsten Rechtsprechung davon ausgeht, die Abfindung könne allein über den Börsenkurs als marktorientierte Bewertungsmethode die Angemessenheit der Abfindung begründet werden (vgl. BGH AG 2023, 443, 444 f. = ZIP 2023, 795, 796 f. = WM 2023, 714, 715 f. = DB 2023, 953, 954 f. = Der Konzern 2023, 217, 219), lässt sich der hinter dieser Rechtsprechung stehende Gedanke nicht auf diesen Fall übertragen. Die marktorientierte Methode der Heranziehung des Börsenwerts einer Gesellschaft ist grundsätzlich als Grundlage für die Schätzung des Werts einer Beteiligung an dieser Gesellschaft geeignet. Auch bei der Ermittlung des Unternehmenswerts anhand des Börsenwerts wird der Wert eines Anteils nicht unabhängig vom Wert des Unternehmens bestimmt. Denn die Berücksichtigung des Börsenwerts beruht auf der Annahme, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der Aktien niederschlägt. Voraussetzung der Bestimmung des Werts einer Unternehmensbeteiligung nach dem Börsenwert ist dabei nicht, dass der Kapitalmarkt in Bezug auf die Anteile streng allokations- und informationseffizient ist, also ein Zustand perfekten Wettbewerbs herrscht und alle prinzipiell zugänglichen öffentlichen und nichtöffentlichen Informationen korrekt in den Kursen verarbeitet sind (a.A. Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW [FAUB], AG 2021, 588 f.; Ruthardt/Popp, AG 2020, 240, 244). Nur wenn im konkreten Fall von der Möglichkeit einer effektiven Informationsbewertung durch die Marktteilnehmer nicht ausgegangen werden kann, so dass der Börsenkurs keine verlässliche Aussage über den Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung erlaubt, kann der Anteilswert nicht unter Rückgriff auf den Börsenkurs ermittelt werden (so BGH AG 2023, 443, 444 f. = ZIP 2023, 795, 796 f. = WM 2023, 714, 715 f. = DB 2023, 953, 954 f. = Der Konzern 2023, 217, 219). Von einer solchen Situation muss hier ausgegangen werden. Der Börsenkurs ist nicht als aussagekräftig einzustufen. Dies zeigt sich zum einen an der Ungeeignetheit des unternehmenseigenen Beta-Faktors ebenso wie an der Tatsache, dass der mit Hilfe der Ertragswertmethode ermittelte Abfindungsbetrag um nahezu 80% über dem Börsenkurs lag. Dann aber können nicht alle relevanten Informationen in den Börsenkurs eingeflossen sein.
189
b. Die Höhe der Barabfindung muss Vorerwerbspreise nicht berücksichtigen. Soweit teilweise in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertreten wird, Vorerwerbspreise seien zu berücksichtigen, weil auch eine sogenannte „Kontrollprämie“ Teil des Unternehmenswertes sei (vgl. LG Köln AG 2009, 835, 838 = Der Konzern 2009, 494, 496 f.; Schüppen/Tretter in: Frankfurter Kommentar zum WpÜG, 3. Aufl., § 327 b AktG Rdn. 16; Hüttemann in: Festschrift für Hoffmann-Becking, 2013, S. 603, 615 f.; Behnke NZG 1999, 934; in diese Richtung auch Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 305 Rdn. 68; für einen Sonderfall auch LG Frankfurt, Beschluss vom 25.11.2014, Az. 3-05 O 43/13), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Erwerbspreise, die ein Großaktionär in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem Squeeze out entrichtet, spielen für die Bemessung der angemessenen Barabfindung keine Rolle. Der Preis, den ein Mehrheitsaktionär an die Minderheitsaktionäre zu zahlen bereit ist, hat zu dem „wahren“ Wert des Anteilseigentums in der Hand der Mindestaktionäre regelmäßig keine Beziehung. In ihm kommt nämlich der Grenznutzen zum Ausdruck, den der Mehrheitsaktionär an den erworbenen Aktien ziehen kann. Dieser ist wesentlich dadurch bestimmt, dass der Mehrheitsaktionär mit den so erworbenen Aktien ein Stimmenquorum erreicht, das aktien- oder umwandlungsrechtlich Voraussetzung für bestimmte gesellschaftsrechtliche Maßnahmen ist. Daher ist der Mehrheitsaktionär vielfach bereit, einen „Paketzuschlag“ zu zahlen. Aus der Sicht des Minderheitsaktionärs ist der vom Mehrheitsaktionär außerbörslich bezahlte (erhöhte) Preis nur erzielbar, wenn es ihm gelingt, gerade seine Aktien an den Mehrheitsaktionär zu veräußern. Darauf aber hat der Minderheitsaktionär weder verfassungsrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG noch einfachrechtlich angesichts des Grundsatzes der Vertragsfreiheit einen Anspruch (vgl. BVerfGE 100, 289, 306 f. = NJW 1999, 3769, 3771 = NZG 1999, 931, 932 = WM 1999, 1666, 1669 = AG 1999, 566, 568 = ZIP 1999, 1436, 1441 = DB 1999, 1693, 1695 = BB 1999, 1778, 1780 = JZ 1999, 942, 944 – DAT/Altana; BGHZ 186, 229, 241 = NJW 2010, 2657, 2660 = NZG 2010, 939, 943 = ZIP 2010, 1487, 1491 = AG 2010, 629, 632 = DB 2010, 1693, 1697 = WM 2010, 1471, 1475 = Der Konzern 2010, 499, 503 – Stollwerck; LG München I AG 2020, 222, 228; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17095/11; Beschluss vom 31.7.2015, Az. 5HK O 16371/13; Beschluss vom 21.12.2015, Az. 5HK O 24402/13; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 29.6.2018, Az. 5HK O 4268/17; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 16858/15; Veil/Preisser in: BeckOGK AktG, Stand 1.1.2023, § 305 Rdn. 71 f.; Steinle/Liebert/Katzenstein: in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 7: Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Corporate Litigation), 6. Aufl., § 34 Rdn. 177 f.; Vetter AG 1999, 569, 572). Aus der Wertung des § 31 Abs. 4 WpÜG lässt sich das gegenteilige Ergebnis nicht begründen, weil das System des WpÜG mit dem der aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen wie dem Squeeze out nicht vergleichbar ist. Die Annahme des Erwerbsangebots beruht auf einer freien Entscheidung des Aktionärs, während er sich bei einem Squeeze out der Mehrheitsentscheidung der vom Hauptaktionär dominierten Hauptversammlung beugen muss. §§ 31 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 WpÜG, 4 WpÜG-AngVO verfolgen zudem einen anderen Zweck als die Bestimmung der Abfindung nach § 305 AktG. Sie sollen bei öffentlichen Übernahmeangeboten das in § 3 Abs. 1 WpÜG verankerte übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgebot absichern (vgl. Krause in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, WpÜG, 3. Aufl., § 31 Rdn. 4 und § 4 WpÜG/AngVO Rdn. 1). Demgegenüber sollen im Rahmen der Abfindung die außenstehenden Aktionäre für den mit dem Abschluss des Unternehmensvertrages verbundenen Eingriff in ihr Aktieneigentum entschädigt werden, ohne dass sie einen Anspruch auf einen solchen Preis haben, den ein anderer Minderheitsaktionär bei der Veräußerung an den herrschenden Aktionär erzielt (vgl. van Rossum in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 7 m.w.N.).
190
5. Weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts sind auch unter Berücksichtigung des in § 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG normierten Amtsermittlungsgrundsatzes nicht veranlasst.
191
a. Dabei ist namentlich die Durchführung einer gesonderten Beweisaufnahme durch die Einholung des Gutachtens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht erforderlich, weil die Anhörung der gerichtlich bestellten Prüfer bereits zu einem für die Kammer überzeugenden Ergebnis geführt hat.
192
(1) Ein gerichtliches Sachverständigengutachten muss nur dann eingeholt werden, wenn nach der Anhörung des Prüfers, die sachlich auf § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG gestützt wurde, weiterer Aufklärungsbedarf besteht (vgl. OLG München Der Konzern 2014, 172, 173; AG 2015, 508, 512 = ZIP 2015, 1166, 1172; Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; OLG Düsseldorf AG 2015, 573, 575 = ZIP 2015, 1336, 1338 = Der Konzern 2016, 94, 96; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, AktG, 4.Aufl., § 8 Rdn. 4; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; im Grundsatz auch Drescher in: BeckOGK SpruchG, Stand 1.4.2023, § 8 SpruchG Rdn. 15). Aufgrund des Berichts der Abfindungsprüfer, der ausführlichen Erläuterungen in einem mehrstündigen Anhörungstermin und der aufgrund von § 7 Abs. 6 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahmen der Abfindungsprüfer hat die Kammer keinen Zweifel an der Plausibilität der Planannahmen sowie den Feststellungen zur Ewigen Rente einschließlich der Grundfragen des Kapitalisierungszinssatzes sowie zum nicht betriebsnotwendigen Vermögen.
193
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Anhörung der gemäß §§ 327 c Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 293 c Abs. 1 AktG bestellten Abfindungsprüfer diene nur der Aufklärung über ihre anlässlich der Prüfung getroffenen Feststellungen, nicht jedoch der Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit der Planung und sonstiger Bewertungsparameter (in diese Richtung aber auch Puszkajler in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Vorb. §§ 7 bis 11 SpruchG Rdn. 29 und § 8 Rdn. 32 f.). Diese Auffassung ist nämlich mit dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck des § 8 Abs. 2 SpruchG nicht vereinbar. Mit der Anhörung des sachverständigen Prüfers soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Erkenntnisbasis schon zu Beginn des Verfahrens verbreitert und eine eventuell zusätzlich notwendig werdende Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen zur Begutachtung bestimmter Fragen erleichtert werden. Damit allerdings erschöpft sich nicht die Zielsetzung dieser Vorschrift. Bereits aus der Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 8 SpruchG, die sich der Deutsche Bundestag erkennbar zu eigen gemacht hat, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, es könne auch aufgrund der Anhörung des Prüfers eine abschließende Entscheidung des Gerichts getroffen werden. Hierfür spricht insbesondere auch der Gedanken in den Gesetzesmaterialien, die Prüfungsberichte sollten künftig verstärkt als Grundlage zur Entscheidungsfindung der Gerichte beitragen; der Beschleunigungseffekt soll sich dann gerade auch daraus ergeben, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten als Folge der Bestellung und letztlich auch der Anhörung ganz vermieden werden kann (vgl. BT-Drucksache 15/371 S. 14 f. und 18; auch Riegger/Gayk in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., Einl SpruchG Rdn. 50). Dann aber muss es dem Gericht möglich sein, auch Aussagen des gerichtlich bestellten Prüfers zu Bewertungsfragen im Rahmen seiner Entscheidung zu verwerten. Dem steht letztlich auch nicht die Formulierung in § 8 Abs. 2 Satz 1 SpruchG entgegen, wenn dort die Anhörung des Prüfers als „sachverständiger Zeuge“ beschrieben wird. Auch wenn dies suggeriert, er solle dem Gericht nur Tatsachen bekunden, die er aufgrund seiner besonderen Sachkunde wahrgenommen hat (vgl. § 414 ZPO), kann seine Rolle nicht auf die eines sachverständigen Zeugen beschränkt werden, weil anderenfalls der vom Gesetzgeber bezweckte Effekt der Beschleunigung des Verfahrens konterkariert würde. Dies gilt umso mehr, als das Problem der rechtlichen Einordnung des gerichtlich bestellten Prüfers in den Gesetzesmaterialien nicht weiter problematisiert wurde.
194
Die weitere Einschaltung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen wird namentlich auch nicht vom Schutz der Minderheitsaktionäre gefordert. Die Einschaltung eines vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfers im Vorfeld der Strukturmaßnahmen soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner im Spruchverfahren dienen; deshalb kann sein Prüfungsbericht zusammen mit dem Ergebnis einer auf § 8 Abs. 2 SpruchG gestützten Anhörung zusammen mit der aufgrund von § 8 Abs. 2 Satz 3 SpruchG eingeholten ergänzenden Stellungnahme im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden. Im Übrigen haftet der sachverständige Prüfer nach §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 2 AktG, 323 HGB auch gegenüber den Anteilsinhabern. Gerade durch die Verweisung auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen der §§ 319 Abs. 1 bis Abs. 3, 323 HGB ist die Unabhängigkeit des Prüfers sichergestellt. Der Umstand der Parallelprüfung, also der Prüfung zeitgleich mit dem Erstellen des Berichts des Hauptaktionärs, vermag an der Unabhängigkeit der Prüfung nichts zu ändern und begründet für sich genommen keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG München ZIP 2007, 375, 377 f.; AG 2014, 453, 454; OLG Stuttgart AG 2007, 128, 129 f.; LG München I, Beschluss vom 28.6.2013, Az. 5HK O 18685/11; Beschluss vom 29.8.2017, Az. 5HK O 16585/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 8 Rdn. 21; Emmerich in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 8 SpruchG Rdn. 6). § 407 a ZPO ist angesichts der Sonderregelung in § 8 SpruchG unanwendbar.
195
Eine Mitgliedschaft von Herrn Su… und Herrn La… im Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. begründet kein Bestellungsverbot im Sinne des § 319 Abs. 1 bis Abs. 4 HGB, der aufgrund der Verweisung in §§ 327 c Abs. 2 Satz 4, 293 d Abs. 1 AktG Anwendung findet. Angesichts dessen muss die Kammer auch nicht entscheiden, inwieweit sich daraus ein Verwertungsverbot ableiten ließe. Einen Ablehnungsgrund vermag die Kammer gleichfalls nicht zu erkennen. Dabei muss bereits davon ausgegangen werden, dass die Vorschriften über die Sachverständigenablehnung in §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 30 Abs. 1 FamFG, 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO auf den gerichtlich bestellten Prüfer keine Anwendung finden. Das Spruchverfahrensgesetz behandelt ihn aufgrund der Vorschrift des § 8 Abs. 2 nicht als Sachverständigen, sondern als sachverständigen Zeugen, weshalb die Vorschriften über die Ablehnung eines Sachverständigen auf ihn nicht anwendbar sind (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 23.3.2017, Az. 31 O 1/15; LG München I, Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Drescher in: BeckOGK, Stand 1.4.2023, § 8 SpruchG Rdn. 15). Abgesehen davon wäre ein Befangenheitsgrund auch nicht zu bejahen. Ein solcher ergibt sich nicht aus einer Mitgliedschaft der Abfindungsprüfer im IDW. § 4 Abs. 9 der Satzung des IDW enthält nämlich keine unbedingte Verpflichtungserklärung des Wirtschaftsprüfers auf die Vorgaben des IDW. Zwar hat jedes Mitglied die Prüfungsstandards aufgrund dieser Vorschrift zu beachten. Aufgrund von § 4 Abs. 9 Satz 2 und Satz 3 der Satzung kann eine sorgfältige Prüfung indes ergeben, dass ein Prüfungsstandard nicht anzuwenden oder hiervon abzuweichen ist. Somit bietet die genannte Selbstverpflichtung genügend Raum für die dem Abfindungsprüfer auferlegte unparteiische Überprüfung (vgl. OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). Ein Ablehnungsgrund lässt sich auch nicht daraus ableiten, wenn Herr Su… und Herr La… in anderen Fällen als gerichtlich bestellter Prüfer tätig wurden und gegebenenfalls auch Privatgutachten zur Unternehmensbewertung erstellten. Zwar wird davon auszugehen sein, dass bei einem (gerichtlich bestellten) Sachverständigen, der in derselben Sache für einen nicht unmittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat, ein Ablehnungsgrund besteht, weil dann die Besorgnis besteht, er werde von einer früher geäußerten Begutachtung nicht abweichen (vgl. BGH MDR 2017, 479 f. = VersR 2017, 641, 642 = NJW-RR 2017, 569, 570 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Von einem gleichgelagerten Sachverhalt kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden, wenn die gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer völlig andere Unternehmen bewertet haben (vgl. auch OLG Karlsruhe AG 2018, 405, 406). In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es dagegen um die Frage, dass möglicherweise die zu begutachtende Hüftgelenksprothese aus derselben Modellreihe stammte wie die, die dort bestellte Sachverständige auch als Privatgutachter zu beurteilen hatte. Vorliegend wird auch von Seiten der Antragsteller nicht vorgetragen, D… sowie Herr Su… und Herr La… seien früher mit der Bewertung der O… AG befasst gewesen.
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(2) Die Kammer hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen der Wirtschaftsprüfer der gerichtlich bestellten Abfindungsprüferin D… Herr Su… und Herr La… verfügen zweifelsohne über die zur Beurteilung auch komplexer Fragen der Unternehmensbewertung erforderliche Fachkompetenz. Sie haben sowohl im Prüfungsbericht als auch bei ihrer mündlichen Anhörung samt der ergänzenden Stellungnahmen die vorgenommenen Prüfungshandlungen deutlich dargestellt und dabei auch begründet, warum sie die Ansätze aus dem Bewertungsgutachten von E… S…für angemessen und sachgerecht begründet erachten. Dies macht deutlich, dass sich Herr Su… und Herr La… ihrer Aufgabe und Funktion als Prüfer in vollem Umfang bewusst waren und die Feststellungen der Bewertungsgutachter kritisch durchleuchtet haben. Namentlich bei der Herleitung des Beta-Faktors haben sie gerade nicht nur die Ansätze aus dem Bewertungsgutachten von E… S…übernommen; vielmehr kam es gerade auch zu einer Änderung der in die Peer Group aufgenommenen Unternehmen, indem sie einige der von den Bewertungsgutachtern von E… S…herangezogenen Gesellschaften aus der von ihnen selbst zusammengestellten Peer Group ausschlossen.
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(3) Bei der Entscheidungsfindung konnte auch auf das Bewertungsgutachten sowie die Äußerungen von Herrn Dr. R… insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.1.2023 zurückgegriffen werden. Sie können im Wege der freien Beweiswürdigung durch die Kammer verwertet werden, wobei sich die Kammer bewusst ist, dass es hierbei um den Vortrag eines Beteiligten geht. Da die Erkenntnisse der Bewertungsgutachter vom Abfindungsprüfer einer umfassenden Überprüfung unterzogen wurden, hat die Kammer allerdings keinen Zweifel an ihrer Richtigkeit, zumal sie sich in das Gesamtbild des zu bewertenden Unternehmens einfügen.
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b. Die Vorlage weiterer Unterlagen zur Planung und zur Bewertung sowie einer Inventarliste war ebenso wenig anzuordnen wie die Vorlage der Arbeitspapiere der beteiligten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, weil die Voraussetzungen von § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG als einzig denkbarer Anspruchsgrundlage nicht erfüllt sind.
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(1) Nach dieser sehr weit gefassten Vorschrift sind sonstige Unterlagen, die für die Entscheidung des Gerichts erheblich sind, auf Verlangen der Antragsteller oder des Vorsitzenden des Gerichts und gegebenenfalls eines vom Gericht bestellten gemeinsamen Vertreters unverzüglich vorzulegen. Zwar gehören auch Planungsunterlagen einer Gesellschaft zu den sonstigen Unterlagen im Sinne dieser Vorschrift (vgl. nur Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 55). Allerdings haben die Antragsteller die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage der vollständigen Planungsunterlagen nicht plausibel dargelegt, was indes zwingende Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung wäre (so OLG Düsseldorf AG 2021, 25, 27; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2010, Az. 20 W 17/06; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 7.5.2014, Az. 5HK O 21386/12; Beschluss vom 25.4.2016, Az. 5HK O 20672/14; Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; LG Frankfurt AG 2022, 548, 552 = Der Konzern 2022, 435, 439; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 67). Eine derartige Entscheidungserheblichkeit vermag die Kammer nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend zu berücksichtigen, dass wesentliche Grundlagen der Planung im Prüfungsbericht der gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer dargestellt wurden, weshalb dieser eine ausreichende Basis für die Erhebung hinreichend substantiierter Einwendungen bildet.
200
(2) Die Antragsgegnerin ist weiterhin nicht verpflichtet, die Arbeitspapiere der Bewertungsgutachter von E… S…sowie der Abfindungsprüfer von D… vorzulegen. Einem derartigen Verlangen steht nach h.M. bereits die Regelung in § 51 b Abs. 4 WPO entgegen, weil es keinen durchsetzbaren Anspruch des Auftraggebers – hier also der Antragsgegnerin – gegen den Wirtschaftsprüfer auf Herausgabe der Arbeitspapiere gibt (vgl. nur LG Frankfurt AG 2022, 548, 552 = Der Konzern 2022, 435, 439; Bungert/Mennicke BB 2003, 2021, 2029; Wasmann/Roßkopf ZIP 2003, 1776, 1780; Winter in: Simon, SpruchG, a.a.O., § 7 Rdn. 58; Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 22). Ob dem mit Blick auf §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 26 FamFG in jedem Fall zu folgen sein wird (kritisch zur h.M. Drescher in: BeckOGK SpruchG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 10), kann vorliegend aber dahinstehen. Es fehlt nämlich jedenfalls an der Entscheidungserheblichkeit. Zwar sind die Arbeitspapiere in der Begründung zum Regierungsentwurf des Spruchverfahrensgesetzes (vgl. BT-Drucks. 15/371 S. 15) beispielhaft aufgeführt. Dies bedeutet indes nicht, dass die Antragsteller verlangen können, ihnen müssten sämtliche Unterlagen, die die Wirtschaftsprüfer verwendet und in ihren Arbeitspapieren festgehalten haben, in jedem Fall zugänglich gemacht werden. Der Bericht der Hauptaktionärin wie auch der Bericht des gerichtlich bestellten Prüfers soll neben den allgemein zugänglichen Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen. Diese ist durch die Vorlage des Berichts der Hauptaktionärin sowie des Prüfungsberichts des gerichtlich bestellten Abfindungsprüfers gewährleistet. Zudem fehlt es vorliegend an einem begründeten Vorlageverlangen der Antragsteller, die sich auf einen Anspruch nach § 7 Abs. 7 Satz 1 SpruchG hinsichtlich der Arbeitspapiere berufen. Sie haben nicht hinreichend begründet, warum ihnen nur mit Hilfe der Vorlage der Arbeitspapiere eine hinreichend substantiierte Rüge namentlich in Bezug auf die Planung möglich sein sollen; dies wäre indes erforderlich gewesen (vgl. OLG Karlsruhe AG 2006, 463, 464 = NZG 2006, 670, 671 f.; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; LG München I, Beschluss vom 30.6.2017, Az. 5HK O 13182/15; Dorn in: Kölner Kommentar zum AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 67; Drescher in: BeckOGK SpruchG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 10; Klöcker/Wittgens in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 7 SpruchG Rdn. 13). Gerade auch unter diesem Gesichtspunkt können keine überspannten Anforderungen an die Substantiierungslast bezüglich einzelner Rügen gestellt werden.
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(3) Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 SpruchG lassen sich auch nicht mit Blick auf die Vorlage einer Inventarliste bejahen. Der Geschäftsbericht des Geschäftsjahres 2020 macht einen Widerspruch gerade nicht deutlich. Die Formulierung über die außerplanmäßigen Abschreibungen „… auf das Nutzungsrecht einer nicht mehr genutzten Immobilie …“ macht bereits deutlich, dass die Gesellschaft nicht Eigentümerin ist. Die Art des Nutzungsrechts ist im Laufe der mündlichen Verhandlung vom Vertreter der Antragsgegnerin durch den Hinweis auf einen Leasingvertrag konkretisiert worden. Da sich aus dem Geschäftsbericht die fehlende Nutzung ergibt und eine außerplanmäßige Abschreibung erfolgte, können die Minderheitsaktionäre bereits diesen Ausführungen entnehmen, dass eine Nutzung aus dieser Immobilie für die Gesellschaft keinen Ertrag bringen kann. Dann aber fehlt es auch hier an der Entscheidungserheblichkeit des Vorlageverlangens. Mangels Werthaltigkeit der Immobilie mussten weder der Übertragungsbericht noch das Bewertungsgutachten oder der Prüfungsbericht hierzu Ausführungen enthalten.
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5. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 62 Abs. 5 Satz 8 UmwG, 327 b Abs. 2 1. Hs. AktG.
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a. Die Verzinsung beginnt dabei mit der Bekanntmachung der Eintragung des Verschmelzungsvertrages in das Handelsregister, die hier am 27.8.2021 erfolgte. Da die Zinspflicht mit Ablauf des Tages beginnt, an dem die Bekanntmachung vorgenommen wurde (vgl. Singhof in: BeckOGK AktG, Stand: 1.4.2023, § 320 b Rdn. 11), war die Verzinsung ab dem 28.8.2021 auszusprechen. Eine bereits mit dem Tag der Hauptversammlung beginnende Verzinsung kann nicht angenommen werden. Die an die Bekanntmachung der Eintragung anknüpfende gesetzliche Regelung entspricht verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfG NJW 2007, 3268, 3271 = NZG 2007, 587, 589 f. = AG 2007, 544, 546 = ZIP 2007, 1261, 1263 = WM 2007, 1329, 1330 = DB 2007, 1577, 1579 = BB 2007, 1515, 1517; OLG Stuttgart ZIP 2006, 27, 30 = AG 2006, 340, 343 = WM 2006, 292, 296; LG München I, Beschluss vom 30.3.2013, Az. 5HK O 11296/06; Beschluss vom 24.5.2013, Az. 5HK O 17095/11; Hüffer, AktG, a.a.O., § 305 Rdn. 26). Dabei durfte insbesondere berücksichtigt werden, dass die Aktionärsstellung und damit der Verlust des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Aktieneigentums erst mit der Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister eintritt, nicht aber bereits im Zeitpunkt des Beschlusses der Hauptversammlung.
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b. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich unmittelbar aus § 327 b Abs. 2 1. Hs. AktG.
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III. 1. a. Die Entscheidung über die Gerichtskosten hat ihre Grundlage in § 15 Abs. 1 SpruchG. Nachdem es zu einer Erhöhung der Kompensationsleistung kam, besteht für eine vom Grundsatz des § 15 Abs. 1 SpruchG abweichende Regelung kein Anlass; demgemäß hat die Antragsgegnerin die Gerichtskosten zu tragen.
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b. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten beruht die Entscheidung auf § 15 Abs. 2 SpruchG; danach ordnet das Gericht an, dass die Kosten der Antragsteller, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, ganz oder zum Teil vom Antragsgegner zu erstatten sind, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht. Davon muss vorliegend ausgegangen werden. Soweit teilweise in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, selbst bei einer Erhöhung der Kompensationsleistung unterhalb einer Größenordnung von 15 bis 20%, sei eine Kostenteilung angemessen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.11.2009, Az. 5 W 48/09), vermag dem die Kammer nicht zu folgen. Wenn es wie hier zu einer Erhöhung der maßgeblichen Kompensationsleistung kommt, ist eine Kostenaufteilung nicht gerechtfertigt. Da Informationsmängel hinsichtlich der Angemessenheit der Kompensation ebenso wenig wie die Rüge der fehlenden Angemessenheit eine erfolgreiche Anfechtungsklage begründen können, was sich bezüglich Informationsmängeln nunmehr aus § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG ergibt, indes schon vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechtes am 1.11.2005 auch für den Squeeze out von der h.M. vertreten wurde, stellt sich die Kostenbelastung der Antragsteller bei Anträgen, die sogar zu einer Erhöhung der Barabfindung führen – unabhängig von prozentualen Werten im Einzelnen –, als dazu angetan dar, Aktionäre von ihrem Rechtsschutz abzuhalten, wenn sie selbst bei einem erfolgreichen Ausgang des Spruchverfahrens einen Teil ihrer außergerichtlichen Kosten selbst tragen müssten (so ausdrücklich Emmerich in: Emmerich/Habersack; Aktien- und GmbH-Konzernrecht, a.a.O., § 15 SpruchG Rdn. 20 f.).
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2. Der Geschäftswert war in Anwendung von § 74 Satz 1 GNotKG festzusetzen. Der Erhöhungsbetrag beläuft sich auf € 0,15 je Aktie. Bei insgesamt 1.001.925 außenstehenden abfindungsberechtigten Aktien errechnet sich aus der Multiplikation dieser beiden Zahlen ein Geschäftswert von € 150.288,75 ergeben. Angesichts dessen muss aber der Mindestgeschäftswert aus § 74 Satz 1 2. HS. GNotKG von € 200.000,- festgesetzt werden. Dieser Wert bildet aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 3 SpruchG auch die Grundlage für die von der Antragsgegnerin aufgrund von § 6 Abs. 2 Satz 2 SpruchG geschuldete Vergütung des gemeinsamen Vertreters.