Titel:
Krankenhausrecht, Zweckbindung von Fördermitteln, Nutzungsaufgabe, Bestimmtheitsgrundsatz, Ermessensfehler
Normenkette:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2a
Schlagworte:
Krankenhausrecht, Zweckbindung von Fördermitteln, Nutzungsaufgabe, Bestimmtheitsgrundsatz, Ermessensfehler
Fundstelle:
BeckRS 2023, 53603
Tenor
I. Der Bescheid vom ... Juni 2021 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin, Trägerin einer Fachklinik, wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem sie zur Rückzahlung gewährter Förderung für den sog. Kinderbau verpflichtet wurde.
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Am ... August 1994 gewährte der Beklagte der damaligen Trägerin der Klinik Fördermittel für Asbestsanierung und Brandschutzmaßnahmen in Höhe von … Mio. DM und legte eine Anlage mit Hinweisen auf „anzuwendende Vorschriften (Krankenhausgesetz – KHG, Bayerisches Krankenhausgesetz – BayKrG, Bayerische Haushaltsordnung – BayHO, Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG, Verordnung zur Durchführung des Bayerischen Krankenhausgesetzes und des Art. 10b Finanzausgleichsgesetzes – DVBayKrG/FAG)“ und einer Empfehlung zur Durchsicht derselben bei. Mit Bescheid vom … … 2005 wurden abschließend Fördermittel für die genannten Maßnahmen in Höhe von insgesamt …,- € bewilligt, von denen …,- € auf den Kinderbau entfielen. Auf Seite 3 des Bescheids wurde u.a. auf die „Vorschriften über den Widerruf von Förderbescheiden und die Rückerstattung von Fördermitteln (Art. 19, 20 BayKrG, Art. 48, 49, 49a BayVwVfG)“ hingewiesen. Infolge der Gründung der Rechtsvorgängerin der Klägerin gingen die Rechte und Pflichten aus dem Förderbescheid auf diese über.
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Am … Dezember 2017 teilte der Beklagte der Klägerin u.a. mit, die förderrechtlichen Konsequenzen seien erneut zu prüfen, wenn und soweit die bedarfsgerechte akutstationäre zweckentsprechende Nutzung der geförderten Anlagegüter vor Ablauf der förderrechtlichen Bindungsfrist beendet werde. Eine Berechnung der Restbuchwerte bezüglich der betroffenen Fördermaßnahmen (u.a. „Asbest, Brandschutz (Hauptbau, Kinderbau, Bau D): Restbuchwert zum 31.12.2022: 0 €“) wurde beigelegt.
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Die Klägerin bestätigte mit Schreiben vom … Januar 2018 sowie … Februar 2019, dass ihr bewusst sei, dass wenn und soweit die bedarfsgerechte akutstationäre zweckentsprechende Bindung der geförderten Anlagegüter vor Ablauf der förderrechtlichen Bindungsfrist beendet werde, die förderrechtlichen Konsequenzen erneut geprüft, die Bescheide gegebenenfalls teilweise widerrufen und die noch gebundenen Mittel zurückgefordert würden.
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Mit Schreiben vom … März 2020 wurde die Klägerin erstmals zu einem beabsichtigten Widerruf und einer teilweisen Rückforderung angehört. Die Maßnahme „Asbest/Brandschutz beim Hauptbau, Kinderbau, Bau D“ werde förderrechtlich als mittelfristiges Anlagegut mit einer Laufzeit von 20 Jahren (AfA 5%) angesehen. Die förderrechtliche Restnutzungsdauer sei mit Ablauf des … Juni 2022 beendet. Mit Schreiben vom … September 2019 habe die Klägerin mitgeteilt, dass der Abbruch der Kinderklinik geplant sei. Damit würden geförderte, weiterhin bedarfsnotwendige Krankenhauseinrichtungen vor Ablauf ihrer Nutzungsdauer ganz untergehen. Ein solcher Sachverhalt falle nicht unter den Tatbestand nach Art. 19 Abs. 1 BayKrG. Daher sei über den Widerruf des Förderbescheides eine Ermessensentscheidung nach Art. 49a Abs. 2a BayVwVfG zu treffen. In der Regel seien dabei vergleichbare Kriterien wie bei den Fällen des Art. 19 Abs. 1 BayKrG relevant. Die Ersatzeinrichtung des Kinderbaus werde im Rahmen des Neubaus wieder gefördert, sodass für einen Verzicht auf die Rückerstattung der Restbuchwerte der bisherigen Krankenhauseinrichtung kein Raum gesehen werde.
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Die Klägerin führte daraufhin insbesondere aus, dass das Kinderhaus am … Dezember 2019 außer Betrieb gegangen sei.
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Am … Mai 2020 erfolgte die abschließende Anhörung. Mit den erfolgten Maßnahmen sei das geförderte Anlagegut „Kinderbau“ auf den Stand einer funktionsfähigen Krankenhauseinrichtung gebracht worden. Die Zuordnung des geförderten Anlagegutes sei aufgrund der künftig realistisch zu erwartenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer erfolgt. Zum Zeitpunkt der Fördermaßnahme sei es in jedem Fall den förderrechtlichen Abschreibungen zuzuordnen gewesen, da nicht aus Pflegesätzen finanzierbar. Auf § 3 Abs. 2 Nr. 3 der Abgrenzungsverordnung (AbgrV) vom 12. Dezember 1985 wurde hingewiesen. Asbest- und Brandschutzmaßnahmen würden den mittelfristigen Anlagegütern zugeordnet und daher werde zugunsten des Krankenhausträgers die aktuell gültige durchschnittliche Nutzungsdauer (20 Jahre statt 25 Jahre) angewendet. Mit der Aufgabe der Nutzung und der folgenden Abrissmaßnahme sei die erforderliche zweckentsprechende Verwendung der geförderten Anlagegüter demnach für 2,5 Jahre nicht mehr erfüllt. Eine Doppelförderung sei nach den Grundsätzen von Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit unzulässig. Statt der Rückforderung hätte man alternativ die anteilig geförderten Anlagegüter aus der neuen Gesamtförderung ausklammern können, was jedoch für die Klägerin wirtschaftlich ungünstiger wäre. Gründe, die ausnahmsweise für ein Absehen vom Widerruf sprechen könnten, seien – auch unter Berücksichtigung der erneuten Förderung im Rahmen des Ersatzneubaus – nicht ersichtlich.
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U.a. am … September 2020 nahmen die Klägerbevollmächtigten hierzu Stellung. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG seien bereits deshalb nicht erfüllt, weil der „in dem Verwaltungsakt bestimmte Zweck“ im maßgeblichen Förderbescheid vom … September 2005 keine Angaben zu einer Zweckbindungsfrist enthalte. Auf verschiedene gerichtliche Entscheidungen wurde hingewiesen. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayKrG sehe vor, dass Entscheidungen nach diesem Gesetz – mithin auch Förderbescheide – mit Nebenbestimmungen verbunden werden könnten, um eine zweckentsprechende Verwendung der Fördermittel sicherzustellen. Auch der Verwaltungspraxis sei diese Verpflichtung zur expliziten Regelung einer Zweckbindungsfrist unmittelbar im Förderbescheid an verschiedenen Stellen zu entnehmen. U.a. auf Nr. 4.2.3 der Verwaltungsvorschriften zu Art. 44 der Bayerischen Haushaltsordnung (VV-BayHO) und Nr. 8.1 der Richtlinie zur Förderung der Umwandlung von Krankenhäusern (UmwFR) wurde hingewiesen. Der vorliegende Bescheid sei insoweit nicht bestimmt genug formuliert. Der einzige Hinweis auf eine Zweckbindung finde sich in der Betreffzeile. Dies werde auch dadurch belegt, dass der Beklagte nunmehr eine durchschnittliche Nutzungsdauer von 20 statt 25 Jahren in Aussicht stelle. Selbst wenn man davon ausgehen dürfte, dass eine Verweisung auf Rechtsnormen, die Regelungen zur Zweckbindungsfrist enthielten, genügte, so habe eine solche Einbeziehung vorliegend gerade nicht stattgefunden. Den im Hinweis auf Seite 3 des Bescheids genannten Vorschriften sei eine Zweckbindungsfrist nicht zu entnehmen. Angesichts dessen könne die Behörde zudem nicht ersatzweise auf bilanzielle Abschreibungszeiträume zurückgreifen. Förderrechtliche Zweckbindungsdauer und bilanzieller Abschreibungszeitraum könnten im Einzelfall zwar durchaus identisch sein, seien aber gleichwohl aufgrund ihrer andersartigen Funktionen zu unterscheiden, was ebenfalls für eine ausdrückliche Pflicht der Förderbehörde zur Regelung der Zweckbindungsdauer spreche. Mit der förderrechtlichen Zweckbindungsdauer solle nicht nur die anfängliche zweckentsprechende Nutzung, sondern regelmäßig auch die Nutzung über einen zeitlich näher definierten Zeitraum sichergestellt werden. Weiterhin wären vorliegend im Rahmen der Ermessensausübung in jedem Fall die Wertungen des Art. 19 Abs. 1 BayKrG heranzuziehen. Der Gesetzgeber bringe mit dessen Nr. 1 zum Ausdruck, dass nach Ablauf des Zeitraums von fünfzehn Jahren seit Inbetriebnahme der Krankenhauseinrichtungen das Interesse des Fördermittelempfängers am Behaltendürfen der Fördermittel das Rückforderungsinteresse des Fördermittelgebers überwiege. Hintergrund dieser Regelung sei der Gedanke, dass ein solcher Krankenhausträger bereits ein erhöhtes Maß an Vertrauensschutz genieße. Im vorliegenden Fall sei dabei zu berücksichtigen, dass Maßnahmen zur Asbest- und Brandschutzsanierung gefördert worden seien, die nicht aus sich heraus geeignet seien, krankenhausplanerische Zwecke zu erfüllen. Zudem handele es sich um Investitionsgüter, welche aufgrund sich stetig ändernder Rahmenbedingungen nur bedingt einer verlässlichen Planbarkeit hinsichtlich ihrer Nutzungsdauer unterlägen, weshalb deren Nutzung für einen längeren Zeitraum nicht in jedem Fall sichergestellt werden könne. Dieser Zeitraum von fünfzehn Jahren sei vorliegend bereits verstrichen. Insoweit sei von einem intendierten Ermessen der Förderbehörde auszugehen.
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Mit Bescheid vom … Juni 2021, zugestellt am ... Juli 2021, wurde die abschließende Bewilligung vom ... September 2005 bezüglich der Maßnahme „Asbest, Brandschutz, Hauptbau, Kinderbau, Bau D“ mit Wirkung ab dem ... Januar 2020 hinsichtlich eines Betrages in Höhe von …,- € teilweise widerrufen (Nr. 1) und ab diesem Zeitpunkt bis zum Zahlungseingang mit 3 v.H. über dem Basiszinssatz verzinst (Nr. 2).
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Zur Begründung wurden teilweise die Ausführungen in den Anhörungen wiederholt und ergänzend insbesondere ausgeführt, die Leistungen nach dem KHG/BayKrG stellten keine Zuwendungen gemäß Art. 23 BayHO dar, weshalb nicht die VV zu Art. 44 BayHO gälten. Dies sei dem Krankenhausträger auch bewusst und bekannt (gewesen). Im Laufe der letzten Jahrzehnte seien zahlreiche seiner Maßnahmen gefördert worden. Für das betroffene Förderverfahren sei eine mehrmonatige Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) und der Förderbehörde erfolgt, wobei auch immer auf die Regelungen im BayKrG und in der DVBayKrG hingewiesen worden sei. Der fachlichen Billigung vom ... August 1994 sei zudem als Anlage ein Blatt „Auflagen und Hinweise“, die auf die anzuwendenden Gesetze, Verordnungen sowie Verwaltungsvorschriften ausdrücklich Bezug nehme, beigefügt. Gleiches sei auch im Abschlussbescheid erfolgt. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayKrG regele ausdrücklich, dass Fördermittel nur dem Förderzweck entsprechend verwendet werden dürften. Dieser ergebe sich aus den vorherigen Bestimmungen. Auf Art. 1, Art. 3 ff. sowie Art. 9 BayKrG wurde hingewiesen. Entsprechend dieser Zielsetzungen ergebe sich die Verpflichtung aus der Investitionskostenförderung nach KHG und BayKrG für eine zweckentsprechende Nutzung der geförderten Anlagegüter bis zum Ablauf deren regelmäßiger Nutzungsdauer. Die Vorgaben von Nr. 8.1 der UmwFR aus dem Jahre 2019 seien auf das vorliegende Förderverfahren nicht anwendbar und beträfen ohnehin nicht die Förderung nach Art. 11 BayKrG. Auch seien die nach Krankenhausrecht vorgenommenen Abschreibungen nicht mit bilanziellen Abschreibungszeiträumen vergleichbar bzw. identisch. Die förderrechtlichen Abschreibungen dienten zur Berechnung der Restbuchwerte, wonach sich die förderrechtliche Bindungsfrist für die geförderten Anlagegüter ergebe. Danach erfolgten keine förderrechtlichen Konsequenzen mehr, die Nutzbarkeit des geförderten Anlagegutes könne aber durchaus noch weiter gegeben sein. Die Zweckbindungsdauer sei auch eine Grundlage für die Dauer der Absicherung von Fördermitteln (Art. 18 Abs. 3 BayKrG i.V.m. den Absicherungsrichtlinien – AbR). Im Rahmen der Absicherung habe der Krankenhausträger hier bereits die förderrechtliche Nutzungsdauer von 20 Jahren anerkannt. Die Pflicht zur längerfristigen zweckentsprechenden Nutzung ergebe sich des Weiteren aus Art. 19 Abs. 3 Satz 1 BayKrG. Die gesetzlichen Regelungen gälten auch unmittelbar gegenüber dem Krankenhausträger. Das zwingende Erfordernis einer Angabe der Zweckbindung in zeitlicher Hinsicht im Förderbescheid selbst könne weder dem Wortlaut des Art. 49 Abs. 2a Nr. 1 BayVwVfG noch der Literatur oder Rechtsprechung entnommen werden. Vor dem Hintergrund der eindeutigen Zielsetzungen und Regelungen des Krankenhausförderrechts wäre eine solche Regelung auch hier im speziellen Einzelfall nicht erforderlich. Die Ermittlung der konkret anzuwendenden Nutzungsdauern erfolge unter Berücksichtigung der normierten Regelungen in § 18 DVBayKrG, der AbgrV sowie der Krankenhausbuchführungsverordnung (KHBV) für jedes geförderte Anlagegut. Die Nutzungsdauern nach § 18 DVBayKrG und der AbgrV seien dem Krankenhausträger bekannt. Detaillierte Erläuterungen zur Ermittlung der Abschreibungen und Restbuchwerte ergäben sich auch aus Nr. 1 eines Schreibens des … Staatsministeriums der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (im Folgenden: FMS) vom … Juli 2008. Bei den Ausführungen der Klägerbevollmächtigten werde verkannt, dass das KHG/BayKrG nur Investitionen fördere, die im Rahmen der Krankenhausplanung bedarfsgerecht seien. Es sei dem Krankenhausträger freigestellt, mit seinen Anlagegütern nach eigenen Kriterien zu verfahren. Auf Art. 19 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 BayKrG wurde Bezug genommen. Eine fünfzehnjährige Nutzungsdauer bei Asbest- und Brandschutzmaßnahmen, die ja gerade eine langfristige Nutzung des Anlagegutes sicherstellten, sei dabei unangemessen. Bei Krankenhausinvestitionen, die lang- und mittelfristige sowie ggf. auch kurzfristige Anlagegüter umfassten, wäre grundsätzlich eine durchschnittliche Abschreibungsdauer von 25 Jahren zugrunde zu legen. Zugunsten des Krankenhausträgers sei aufgrund des Anteils der Baumaßnahmen an der Gesamtmaßnahme sowie der Tatsache, dass bei Brandschutzmaßnahmen ein entsprechender technischer Fortschritt berücksichtigt werden könne, eine 20-jährige Abschreibungsdauer zugrunde gelegt worden. Vorliegend überwägen die Interessen des Beklagten gegenüber dem Interesse des Krankenhausträgers. Fördermittel seien wirtschaftlich und sparsam einzusetzen. Dabei sei auch darauf zu achten, dass Rückflüsse von Fördermitteln wieder für andere bedarfsnotwendige Krankenhausinvestitionen eingesetzt würden. Ein Widerruf des Förderbescheides erscheine auch unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes geboten. Umstände, dass von der Geltendmachung des Zinsanspruches abgesehen werden könne, seien nicht gegeben. Der Krankenhausträger habe insbesondere die Umstände, die zum Widerruf des Bewilligungsbescheides geführt hätten, selbst zu vertreten. Hierauf sei er auch ausdrücklich mit E-Mail vom … Mai 2020 hingewiesen worden.
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Am ... August 2021 erhob die Klägerin durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom selben Tag Klage und beantragte,
den Bescheid des Beklagten vom … Juni 2021 aufzuheben.
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Zur Begründung wurden die Ausführungen im Schriftsatz vom … September 2020 wiederholt und ergänzend unter Verweis auf diverse gerichtliche Entscheidungen im Wesentlichen vorgebracht, es gehöre zu den wesentlichen Inhalten eines Zuwendungsbescheids, die essentiellen Voraussetzungen für den endgültigen Verbleib der Zuwendung beim Empfänger klar und eindeutig zu regeln und dem Empfänger insbesondere transparent mitzuteilen, ab welchem Zeitpunkt er aus etwaigen fördermittelrechtlichen Bindungen entlassen sei. Ausreichend sei also nicht bereits die Angabe eines Förderzwecks. Insbesondere enthalte die zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids geltende Vorschrift des Art. 19 BayKrG noch nicht einmal die 15-Jahres-Frist, die in der seit 1. Januar 2017 geltenden Fassung enthalten sei. Auch ein Verweis auf die im Bescheid vom … Juni 2021 angeführte Vorschrift des Art. 11 BayKrG sei im Ausgangsbescheid nicht erfolgt. Ohnehin enthalte auch dessen zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids geltende Fassung für Sanierungsmaßnahmen keine Angaben zu einer etwaigen Nutzungsdauer der geförderten Investitionen. Maßgeblich sei auch in diesem Zusammenhang der Bestimmtheitsgrundsatz. Es sei vorliegend auch nicht ausreichend gewesen, der Klägerin im Förderbescheid die Rechtsgrundlagen abstrakt bekannt zu machen. Dies gelte umso mehr, wenn es hinsichtlich eines Sachverhalts nicht nur eine mögliche Rechtsfolge gebe. Die vorliegend in Streit stehende förderrechtliche Einordnung der Maßnahme zeige bereits deutlich, dass die konkrete Einordnung einer Maßnahme in einen bestimmten Zweckbindungszeitraum nicht „automatisch“ abgeleitet werden könne.
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Der Beklagte beantragte
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Werde eine Förderleistung nicht mehr für den Förderzweck verwendet, so sei ein Widerruf dem Grunde nach – unabhängig von einer etwaigen Zweckbindungsfrist – möglich (vgl. Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG). Der Zeitraum der bisherigen zweckentsprechenden Nutzung könne aber im Rahmen der Ermessensentscheidung für die Frage relevant sein, in welchem Umfang der Förderbescheid zu widerrufen sei. Auf Art. 49a BayVwVfG sowie die Spezialregelung des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 BayKrG wurde verwiesen. Die in den AbR vorgegebenen Zeiträume, nach deren Ablauf die Sicherheiten freigegeben werden könnten, korrespondierten mit der Ermittlung der Höhe einer möglichen Rückforderung nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 BayKrG. Diese Regelungen seien der Klägerin bekannt. Auf ein beigelegtes Rundschreiben der Regierung von Oberbayern vom … Oktober 2011 wurde verwiesen. Außerdem seien die Regelungen für die Ermittlung der Abschreibungen und der Restbuchwerte ebenfalls Ausfluss der Verpflichtung für eine dauerhafte zweckentsprechende Verwendung der Fördermittel, da andernfalls im Rahmen der Prüfung eines Widerrufs von Förderbescheiden über die Rückforderung von Fördermitteln zu entscheiden sei. Die Erwartung der Klägerin, dass eine Nutzungsaufgabe zum Zeitpunkt ihrer Stellungnahme vom … Februar 2019 eine erneute fördermittelrechtliche Prüfung zur Folge haben würde, habe nur dann ihre Berechtigung, wenn ihr bewusst gewesen sei, dass auch zu diesem Zeitpunkt noch eine Verpflichtung zur zweckentsprechenden Verwendung der Fördermittel bestanden habe. Sie habe ausdrücklich erklärt, dass sie sich bewusst sei, dass bei Nutzungsaufgabe vor Ablauf der anerkannten Laufzeiten die Möglichkeit des Widerrufs des Förderbescheides unter Rückforderung der Fördermittel gegeben sei. Auch die Bestimmtheit der Regelung gegenüber der Klägerin sei gegeben. Gesetzliche Regelungen müssten im Bescheid nicht wiederholt werden, die Bezugnahme auf gegenüber den Beteiligten bekannte und ihnen vorliegende oder jederzeit zugängliche Regelungen, Unterlagen und Pläne etc. sei zulässig. Die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich der Adressat sachkundiger Hilfe bedienen müsse, um die Regelungen erfüllen zu können. Folglich sei auch eine ordnungsgemäße haushaltsrechtliche Erfolgskontrolle und Mittelverwendungsprüfung jederzeit möglich gewesen. Die Zugrundelegung einer 20-jährigen Abschreibungsfrist mache das Regelungssystem im Allgemeinen und die Entscheidung im Einzelfall nicht unbestimmt. Unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der Selbstbindung der Verwaltung könne nicht von der ursprünglichen Zweckbindungsfrist abgewichen werden.
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Die Klägerbevollmächtigten erwiderten im Wesentlichen, die Klägerin habe sich in ihrem Schreiben vom … Februar 2019 nicht zu einer Nutzungsaufgabe vor Ablauf der „regelmäßigen Nutzungsdauer“, sondern zur Nutzungsaufgabe vor Ablauf der „förderrechtlichen Bindungsfrist“ geäußert. Sie habe damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass ihr bewusst sei, dass eine Nutzungsaufgabe zum damaligen Zeitpunkt eine erneute fördermittelrechtliche Prüfung zur Folge haben würde. Dieser Umstand führe indes nicht dazu, dass der entsprechende Rückforderungsbescheid nicht wegen Verstößen gegen gesetzliche Anforderungen einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterzogen werden könne. Auch vergangene Förderverfahren und Rückforderungen ließen keinen Rückschluss auf die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Widerrufs- und Rückforderungsverlangens zu. Auch aus der Absicherungspflicht und den entsprechenden AbR für den vorliegenden Sachverhalt lasse sich keine fördermittelrechtliche Zweckbindungsfrist ableiten. Die entsprechenden Mechanismen der AbR führten nicht konstitutiv dazu, dass eine nicht geregelte Zweckbindungsfrist nachträglich in das Zuwendungsrechtsverhältnis eingeführt werde. Dies gelte umso mehr, als das genannte Rundschreiben vom … Oktober 2011 sowie die AbR erst nach Erlass des Zuwendungsbescheids veröffentlicht worden seien. Ein subjektives Bewusstsein sei keine Voraussetzung. Entscheidend sei vielmehr, ob die Zweckbindungsfrist wirksam in das Zuwendungsverhältnis Eingang gefunden habe. Wie sich eine Zweckbindungsfrist aus dem Sachzusammenhang ergeben solle, bleibe offen. Das Erfordernis einer Zweckbindungsfrist finde auch im Recht der Krankenhausförderung Anwendung. Verwaltungsverfahrensrechtlicher Hintergrund sei dabei die Vorschrift des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Für den Fördermittelempfänger bestehe nur im Falle einer hinreichend bestimmten Regelung Sicherheit darüber, wie lange die erhaltenen Mittel fördermittelrechtlichen Bindungen unterlägen, was wiederum zentral für die künftigen Dispositionsmöglichkeiten im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen sei. Umgekehrt sei dies auch für die Behörde von besonderer Bedeutung. Es sei nur auf diesem Wege möglich, eine ordnungsgemäße haushaltsrechtliche Erfolgskontrolle und Mittelverwendungsprüfung durchzuführen. Der Krankenhausbereich sei in besonderer Weise von staatlicher Förderung abhängig. Insoweit sei es von besonderer Bedeutung, dass die Krankenhäuser bereits im Zeitpunkt des Erhalts der Fördermittel hinreichende Sicherheit und Klarheit über die zeitlichen und inhaltlichen Einzelheiten der Mittelverwendung erhielten. Der Beklagte könne sich nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz in Verbindung mit der Selbstbindung der Verwaltung berufen. Eine solche bestehe bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am … November 2023 Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom … Juni 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn es liegt weder ein Widerrufsgrund in Form einer Zweckverfehlung vor (Nr. 1) noch hat der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt (Nr. 2).
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1. Rechtsgrundlage für den Widerruf des Zuwendungsbescheids vom … September 2005 ist § 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG.
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1.1. Die Vorschrift des Art. 19 Abs. 1 BayKrG über den Widerruf von Förderbescheiden ist – wie vom Beklagten zutreffend ausgeführt – vorliegend nicht anzuwenden, da hier unstreitig von Anfang an feststand, dass die bisherige Krankenhauseinrichtung („Kinderbau“) keinem nicht akut-stationären Zweck zugeführt werden (vgl. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayKrG), sondern im Zuge des Bauvorhabens untergehen sollte. Die Klägerin teilte insofern mit, dass das Kinderhaus am … Dezember 2019 außer Betrieb gegangen sei.
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1.2. Gemäß Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird. Maßgebend für die Zweckbestimmung ist der Leistungsbescheid. Der Zweck der Leistung, die aus öffentlichen Mitteln erbracht wird, muss dem Adressaten gegenüber mit hinreichender Deutlichkeit seitens der Bewilligungsbehörde artikuliert werden. Indem das Gesetz die Verfolgung eines bestimmten Zweckes statuiert, ist das Bestimmtheitsgebot verankert. (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 3. EL August 2022, § 49 VwVfG Rn. 168 f.). Der Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit verlangt größtmögliche Bestimmtheit bei der in den Zuwendungsbescheid aufzunehmenden Zweckbestimmung (vgl. BayVGH, U.v. 22.5.1997 – 22 B 96.3646, 22 B 96.3732 – juris Rn. 18 m.w.N.). Zu den wesentlichen, bereits bei der Bewilligung der Zuwendung festzulegenden Voraussetzungen gehört die zeitliche Dauer der Zweckbindung der Zuwendung. Der Zuwendungsgeber muss insbesondere, wenn er den Unternehmer als Voraussetzung für das Behaltendürfen der Zuwendung zu einem bestimmten wirtschaftlichen Verhalten veranlasst, festlegen, zu welchem Zeitpunkt der Zuwendungsempfänger aus diesen Bindungen entlassen ist. Er kann den Unternehmer nicht auf unabsehbare Zeit in die Erreichung seiner strukturpolitischen allgemeinwirtschaftlichen Förderungsziele einbinden. Für den Zuwendungsempfänger muss das ihm obliegende oder von ihm sogar geschuldete Verhalten klar und eindeutig fassbar sein. Die Begrenzung der Dauer der Zweckbindung schafft Rechtssicherheit (vgl. VG Berlin, U.v. 17.12.2009 – 20 A 26.04 – juris Rn. 65 ff. m.w.N.).
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Bei der Ermittlung des vom Zuwendungsgeber zu bestimmenden Zwecks einer Zuwendung ist auf den Wortlaut des Zuwendungsbescheids sowie analog § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den objektiven Gehalt der Erklärung aus Sicht eines verständigen Empfängers und auf die dem Begünstigten bekannten und erkennbaren Umstände abzustellen. Dazu gehört hier maßgeblich der Inhalt der Richtlinien, die Grundlage der Subventionsbewilligung gewesen sind (BVerwG, U.v. 11.02.1983 – 7 C 70/80 – juris Rn. 16). Gemessen daran verstößt die Auslegung eines Zuwendungsbescheides gegen §§ 133, 157 BGB, wenn die Zweckverfehlung nicht aus dem Zuwendungsbescheid und der von ihm in Bezug genommenen Richtlinie, sondern allein aus einer nach Auffassung der Beteiligten bestehenden Förderpraxis abgeleitet wird (BVerwG, U.v. 25.5.2022 – 8 C 11/21 – juris Rn. 13). Interpretationsfähig zur Zweckermittlung sind auch zulässigerweise mit dem Verwaltungsakt verknüpfte Verwaltungsvorschriften. Unklarheiten gehen zu Lasten der Behörde (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 3. EL August 2022, § 49 VwVfG Rn. 169).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist eine Zweckverfehlung in Form der Nutzungsaufgabe des Kinderhauses vor Ablauf der Zweckbindungsfrist nicht gegeben. Insbesondere ist die Zweckbestimmung vorliegend nicht hinreichend bestimmt, da sich eine Zweckbindungsfrist weder aus den Förderbescheiden noch aus den darin genannten oder sonstigen zum Erlasszeitpunkt geltenden Vorschriften ergibt.
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2.1 Der Bescheid vom ... August 1994, mit dem erstmalig Fördergelder bewilligt wurden, enthält lediglich in der Betreffzeile eine Bezeichnung der geförderten Maßnahmen („Asbestsanierung und Brandschutz“), jedoch keine Anhaltspunkte für die zeitliche Dauer der Zweckbindung. Soweit der Beklagte auf die Anlage „Auflagen und Hinweise“ zum Bescheid verweist, so ist darin bloß eine Empfehlung aufgeführt, sich mit den genannten Vorschriften vertraut zu machen, wobei die damals geltenden Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften lediglich pauschal aufgezählt sind („KHG, BayKrG, BayHO, BayVwVfG, DVBayKrG/FAG, VV zu § 9 Abs. 1 KHG“). Ein Hinweis auf eine Zweckbindungsfrist findet sich in der Anlage nicht. Auch der Bescheid vom … September 2005 enthält zwar eine Zweckbestimmung in Form einer Bezeichnung der Maßnahmen („Vollzug des KHG/BayKrG und des FAG, Asbestsanierung und Brandschutzmaßnahmen beim Krankenhaus, Hauptbau, Kinderbau und Bau D“), jedoch keine konkrete Zweckbindungsfrist. Dies gilt auch für den im Bescheid enthaltenen Hinweis, wonach „die Vorschriften über den Widerruf von Förderbescheiden und die Rückerstattung von Fördermitteln (Art. 19, 20 BayKrG, Art. 48, 49, 49a BayVwVfG)“ besonders zu beachten sind.
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2.2 Auch aus den in den Bescheiden bzw. deren Anlage und Hinweisen enthaltenen Vorschriften geht keine Zweckbindungsfrist hervor.
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Eine solche folgt zunächst nicht aus den Vorschriften des BayKrG in den damals gültigen Fassungen vom 1. Januar 1987, 1. Januar 1991 und 1. Januar bzw. 1. Februar 2003 (im Folgenden: a.F.). Die vom Beklagten im Widerrufsbescheid aufgeführten Vorschriften der Art. 1, 3 ff. und Art. 9 BayKrG a.F. enthalten lediglich das Gesetzesziel sowie allgemeine Grundsätze der Krankenhausplanung und der Investitionsförderung. Art. 11 BayKrG a.F. führt auf, welche Investitionen in Anlagegüter förderfähig sind, wobei lediglich abstrakt verschiedene Nutzungsdauern genannt werden. Art. 18 BayKrG a.F. enthält zwar die Maßgabe einer dem Förderzweck entsprechenden Verwendung der Fördermittel, jedoch keine Angaben zur Dauer dieser zweckentsprechenden Verwendung. Soweit der Beklagte auf Art. 18 Abs. 3 BayKrG i.V.m. den AbR verweist, so traten diese Richtlinien jedenfalls erst zum ... Februar 2015 und somit nach Erlass der Zuwendungsbescheide in Kraft. Auch aus Art. 19 und 20 BayKrG a.F. folgt nichts anderes. Insbesondere wurde – wie zutreffend von der Klägerseite ausgeführt – die in der heutigen Fassung des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayKrG enthaltene 15-jährige Nutzungsdauer erst nach Erlass der Förderbescheide ins Gesetz aufgenommen. Soweit in Art. 20 Abs. 3 Satz 1 BayKrG a.F. ausgeführt wird, die Verpflichtung zur Erstattung von Fördermitteln vermindere sich (…) entsprechend der abgelaufenen regelmäßigen Nutzungsdauer der jeweils geförderten Anlagegüter, so geht daraus jedenfalls nicht hervor, um welche Nutzungsdauer es sich vorliegend konkret handelte.
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Auch die DVBayKrG in der Fassung vom 27. Dezember 1993 enthält keine Zweckbindungsfrist. Soweit der Beklagte in der Begründung des Widerrufsbescheids im Zusammenhang mit der Ermittlung der konkret zugrunde zulegenden Nutzungsdauer auf § 18 DVBayKrG verwiesen hat, ist dieser in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Zuwendungsbescheide geltenden Fassung noch nicht enthalten. Auch dem KHG ist keine Zweckbindungsfrist zu entnehmen. Zuletzt folgt aus Tz. 4.2.3 der VVBayHO in der Fassung vom 5. Juli 1973 zu Art. 44 BayHO, dessen Anwendbarkeit zwischen den Beteiligten strittig ist, dass der Zuwendungsbescheid eine hinreichend genaue Bezeichnung des Zuwendungszwecks und regelmäßig die Angabe, wie lange erworbene oder hergestellte Gegenstände für den Zuwendungszweck gebunden sind, enthalten muss. Jedoch sind der Verwaltungsvorschrift ohnehin keine Anhaltspunkte für die Zweckbindungsfrist im vorliegenden Fall zu entnehmen, sodass es auf deren Anwendbarkeit nicht ankommt. Art. 48, 49 und 49a BayVwVfG setzen gerade eine Zweckbindungsfrist als Teil der Zweckbestimmung voraus. Somit folgt auch aus diesen Vorschriften kein Hinweis auf eine vorliegend bestehende Zweckbindungsfrist.
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2.3 Sonstige Umstände, aus denen die Klägerin auf die Dauer der Zweckbindung hätte schließen können, sind nicht gegeben.
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Eine Zweckbindungsfrist folgt insbesondere nicht aus der vom Beklagten im Widerrufsbescheid genannten AbgrV in der Fassung vom 12. Dezember 1985. In § 3 Abs. 3 AbgrV wird lediglich ausgeführt, dass die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Anlageguts auf der Grundlage der Nutzungsdauer bei einschichtigem Betrieb zu ermitteln sei. Jedoch geht auch aus dieser Vorschrift kein konkreter Zeitraum hervor. Soweit der Beklagte zudem auf die KHBV in der Fassung vom 10. April 1978 verweist, zählt diese nur die Bestandteile des Anlagevermögens auf. Auch gibt es kein zum Zeitpunkt des Erlasses der Zuwendungsbescheide geltendes FMS oder Schreiben des Beklagten, dem die Klägerin eine Zweckbindungsfrist hätte entnehmen können. Das erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegte FMS vom … Januar 1997 enthält entgegen der Auffassung des Beklagten keine Anhaltspunkte für eine konkrete Nutzungsdauer oder eine Zweckbindungsfrist. Das FMS, das erstmals konkrete Abschreibungsfristen für Anlagegüter und damit Hinweise zur Ermittlung von Restbuchwerten enthält, ist erst am … Juli 2008 – und somit nach Erlass des zweiten Bescheids vom ... September 2005 – ergangen. Auch das vom Beklagten erwähnte Regierungsschreiben vom … Oktober 2011, das die Hinweise aus dem FMS vom … Juli 2008 wiederholt, ist erst später erstellt worden, sodass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob der Klägerin die Schreiben bekannt waren.
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Selbst wenn die in den nach Erlass der Bescheide ergangenen Schreiben genannten Werte jedoch herangezogen werden könnten, wäre aus Sicht der Klägerin im Vorfeld nicht erkennbar gewesen, wie lange die Fördermittel zweckgebunden zu verwenden waren. Denn vorliegend wurde vom Beklagten nach Erlass der Zuwendungsbescheide zunächst eine Einordnung der Anlagegüter vorgenommen und eine durchschnittliche Abschreibungs- und somit Nutzungsdauer von 25 Jahren ermittelt, dann aber zugunsten der Klägerin eine 20-jährige Abschreibungs- und Nutzungsdauer zugrunde gelegt. Dies legt nahe, dass auch aus Sicht des Beklagten bei Bewilligung der Fördermittel keine Zweckbindungsfrist festgesetzt wurde. Soweit die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass damals gewisse Nutzungsdauern üblich waren, liegen dem Gericht jedenfalls dahingehend keine Unterlagen o.Ä. vor. Soweit der Beklagte auf eine entsprechende Förderpraxis in der Vergangenheit hinweist, von der auch die Klägerin Kenntnis gehabt haben soll, kann dies aber ohnehin dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht genügen (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2022 – 8 C 11/21 – juris Rn. 13).
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Auch bei Berücksichtigung der Entscheidung des Gerichts vom … März 2016 (.. .. .. …..), auf das der Beklagte in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Denn die Entscheidung befasst sich inhaltlich nicht mit der Frage der Bestimmtheit einer Zweckbestimmung und Zweckbindungsfrist, sodass daraus keine Schlüsse für den streitgegenständlichen Sachverhalt gezogen werden können.
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2.4 Etwas anderes folgt zuletzt auch nicht daraus, dass der Beklagte der Klägerin mit E-Mail vom … Dezember 2017 die noch gebundenen Restbuchwerte unter Vorlage einer entsprechenden Tabelle mitgeteilt hat. Selbst wenn die Klägerin zu diesem Zeitpunkt Kenntnis über eine 20-jährige Nutzungsdauer erlangen konnte, so wirkt sich dies jedenfalls nicht auf die ihr im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Förderbescheide bekannten Umstände aus.
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3. Selbst bei Annahme einer hinreichenden Bestimmtheit der Zweckbestimmung hat der Beklagte jedenfalls sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt.
33
Die Ermessensentscheidung ist nach § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht prüft nach § 114 VwGO lediglich, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dazu ist zu prüfen, ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Parteien kennzeichnenden Gesichtspunkte eingestellt hat, ob sie dabei von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist (vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1995 – 5 C 24/93 – juris Rn. 15) und ob ihre sodann vorgenommene Gewichtung der widerstreitenden Interessen sachgerecht und vertretbar sowie das Abwägungsergebnis nicht schlechterdings unzumutbar ist. Das Ermessen der Behörde bei einer Entscheidung nach Art. 49 BayVwVfG kann durch die Widerrufsgründe spezifische Prägungen erhalten, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind. Bei einer teilweisen Zweckverfehlung wegen Nichteinhaltung der Bindungsfrist verlangt die ordnungsgemäße Ermessensausübung die Berücksichtigung auch der Zeitdauer zweckentsprechender Verwendung eines erlangten Zuschusses und des Interesses des Empfängers am Behaltendürfen der Zuwendung (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 3. EL August 2022, § 49 VwVfG Rn. 195).
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Vorliegend hat der Beklagte einen entscheidenden Gesichtspunkt nicht in seine Ermessensentscheidung einfließen lassen, sodass ein Ermessensfehler vorliegt. Denn er hat unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin die Fördermittel zum Zeitpunkt der Nutzungsaufgabe am … Dezember 2019 bereits fast 17,5 Jahre zweckentsprechend verwendet hat und somit bis zum Erreichen der vom Beklagten angesetzten 20-jährigen Nutzungsdauer nur noch ein geringer Zeitraum fehlte.
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Der Beklagte hat im Klageverfahren seine Ermessenserwägungen bezüglich des fehlenden Gesichtspunkts der langjährigen zweckentsprechenden Verwendung auch nicht substantiiert ergänzt (vgl. § 114 S. 2 VwGO), weshalb vorliegend offen bleiben kann, ob eine nachträgliche Heilung durch zusätzliche Ermessenserwägungen eingetreten ist (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn. 88 ff. m.w.N.).
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4. Aufgrund der Akzessorietät der Zinspflicht zum Erstattungsanspruch ist auch die Zinserhebung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids rechtswidrig (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 3. EL August 2022, § 49a VwVfG Rn. 83).
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Nach alledem ist der streitgegenständliche Bescheid daher aufzuheben. Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).