Titel:
Anpassung des Versorgungsausgleichs und Aufhebung der Kürzung der Versorgungsbezüge, Auswirkungen auf Hinterbliebenenversorgung
Normenketten:
BayBeamtVG Art. 92, Art. 31 Nr. 3, 34 bis 36
VersAusglG § 37 und § 38
VAHRG § 4 und § 9
Leitsätze:
1. In §§ 37 und 38 VersAusglG hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 VAHRG einen Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen, wenn nur die Hinterbliebenen der Ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden.
2. Die vom Versorgungsurheber ursprünglich beantragte und gewährte Anpassung des Versorgungsausgleichs und Aufhebung der Kürzung eigener Versorgungsbezüge wirkt nicht zugunsten der Hinterbliebenen.
Schlagworte:
Anpassung des Versorgungsausgleichs und Aufhebung der Kürzung der Versorgungsbezüge, Auswirkungen auf Hinterbliebenenversorgung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 53554
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die ungekürzte Auszahlung von Witwengeld.
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Die Klägerin ist Alleinerbin ihres Ehemanns, Herrn …, geboren am … und verstorben am … Dieser stand bis zum … im Dienste des Beklagten als Steuerhauptsekretär und bezog seit dem … Ruhegehalt. Die Klägerin und Herr … waren seit dem … verheiratet. Der Ehemann der Klägerin war zuvor mit Frau …, geborene …, verheiratet. Diese Ehe wurde durch Urteil vom … geschieden. Zugunsten der ersten Ehefrau waren durch Versorgungsausgleich Rentenanwartschaften von damals … DM begründet worden. Auf die Berechnungen des Beklagten wird Bezug genommen (vgl. Bl. 46 ff. der Verwaltungsakte). Die erste Ehefrau des Beamten starb am …, bevor sie aus diesen Anwartschaften eine Rente beziehen konnte.
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Der Ehemann der Klägerin beantragte nach dem Tod der ersten Ehefrau nach Angaben der Klägerin, den Versorgungsausgleich gemäß §§ 37 und 38 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) anzupassen und die Kürzung seines Ruhegehalts gem. Art. 92 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) aufzuheben. Diesen Anträgen sei entsprochen worden.
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Mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 (versandt am 2. November 2020) setzte das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Versorgung die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin auf monatlich … EUR brutto und das Sterbegeld auf … EUR brutto fest. Der monatliche Kürzungsbetrag gemäß Art. 92 BayBeamtVG wurde am 1. November 2021 auf … EUR festgesetzt.
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Mit Schreiben vom 11. Januar 2021 ließ die Klägerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten einen Antrag auf Neuberechnung des Witwengeldes stellen. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass eine Kürzung ihrer Versorgung (Witwengeld) anlässlich des Versorgungsausgleichs ihres Ehemanns mit seiner ersten Ehefrau nicht gerechtfertigt ist. Denn ihr Ehemann hatte die Anpassung des Versorgungsausgleichs und Aufhebung der Kürzung beantragt; beiden Anträgen sei entsprochen worden. Wenn der ursprüngliche Versorgungsausgleich aufgehoben sei, dürfe er in der Person der Klägerin nicht wieder aufleben. Die Klägerin sei nämlich als Alleinerbin Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes. Zu berücksichtigen sei insbesondere die lange Zeitspanne seit Anpassung des Versorgungsausgleichs und Aufhebung der Kürzung.
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Dies wurde mit Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle …, Bezügestelle Versorgung – vom 19. Januar 2021 abgelehnt.
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Dagegen ließ die Klägerin – unter gleicher Begründung wie des ursprünglichen Antrags – Widerspruch einlegen.
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Mit Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle …, Bezügestelle Versorgung – vom 22. Februar 2021 wurde dieser zurückgewiesen.
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Die Bescheide wurden im Wesentlichen damit begründet, dass seit 1. September 2009 das Recht des Versorgungsausgleichs neu geregelt wurde und unter Heranziehung der § 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 38 Abs. 1 Satz 2 des VersAusglG die Kürzung nur zugunsten des Ehemanns der Klägerin aufgehoben gewesen sei; diese Aufhebung aber nicht zu Gunsten der Klägerin wirkt. Denn im Rahmen des § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG sei nunmehr nur (noch) die ausgleichspflichtige Person antragsberechtigt und nicht (mehr) die Hinterbliebenen. Unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (U. v. 24.4.2014 – Az. B 13 R 25/12 R) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590) würde das durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner wahrgenommene Antragsrecht gerade nicht zugunsten der Hinterbliebenen weiter wirken.
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Die Klägerin hat am 24. März 2021 Klage gegen die Bescheide erheben lassen und diese wie im Verwaltungsverfahren begründet.
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Die Klägerin beantragt schriftsätzlich:
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Der Bescheid der Beklagten vom 19.01.21 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.21 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Versorgungsbezüge der Klägerin ungekürzt ohne Abzug für Versorgungsausgleichsleistungen rückwirkend ab November 2020 an die Klägerin zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Bescheide. Ergänzend führt er aus, dass der Hinweis auf die Stellung als Alleinerbin ins Leere gehe, denn bei dem Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung handele es sich nicht um ein abgeleitetes Recht, sondern ein originäres, welches unmittelbar aus dem Gesetz folge.
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Mit Erklärungen vom 26. Juli 2023 und vom 30. Oktober 2023 haben die Klägerin und der Beklagte jeweils ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erteilt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte (Bl. 1 – 87) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Wegen des Einverständnisses der Beteiligten konnte das Gericht gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kürzung der Hinterbliebenenversorgung in Form des Witwengeldes ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten,§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sie hat keinen Anspruch auf Witwengeld, das über den festgesetzten Betrag hinausgeht.
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Die Klägerin lässt mit ihrer Klage nicht die Berechnung des Witwengeldes angreifen, sondern ficht die Ablehnung ihres Antrags vom 11. Januar 2021 an. Dort wurde die Neuberechnung des Witwengeldes abgelehnt und die Kürzung auf der Rechtsgrundlage des Art. 92 BayBeamtVG verteidigt. Entscheidende Frage dieses Verfahrens ist somit die Rechtmäßigkeit der Kürzung des Witwengeldes.
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Nach Art. 92 BayBeamtVG werden die Versorgungsbezüge des oder der Ausgleichsverpflichteten und seiner oder ihrer Hinterbliebenen nach Anwendung von Ruhens-, Kürzungs- und Anrechnungsvorschriften um den nach Abs. 2 oder 3 berechneten Betrag gekürzt, wenn bei der Durchführung eines Versorgungsausgleichs Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder §§ 14 und 16 VersAusglG rechtskräftig begründet oder Anwartschaften nach dem Bundesversorgungsteilungsgesetz (BVersTG) oder entsprechendem Landesrecht rechtskräftig übertragen worden sind. Nach Abs. 3 berechnet sich der Kürzungsbetrag für das Witwen- und Waisengeld aus dem Kürzungsbetrag nach Abs. 2 für das Ruhegehalt, das der Beamte oder die Beamtin erhalten hat oder hätte erhalten können, wenn er oder sie am Todestag in den Ruhestand getreten wäre, nach den Anteilssätzen des Witwen- oder Waisengeldes.
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Das Witwengeld ist ein originärer gesetzlicher Anspruch der Hinterbliebenen, der in der Höhe vom Versorgungsurheber abgeleitet wird (dazu 1.). Zweck der Kürzung gem. Art. 92 BayBeamtVG ist der Ausgleich des Dienstherrn (dazu 2.). Selbst wenn der Versorgungsurheber ungekürzte Versorgungsbezüge (hier: Ruhegehalt) bezogen hat, sind diese für das Witwengeld in gekürzter Höhe heranzuziehen (dazu 3.).
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1. Das Witwengeld ist Teil der Hinterbliebenenversorgung, vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 2, Art. 31 Nr. 3, Art. 34 bis 36 BayBeamtVG.
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Danach erhalten Witwer oder Witwen eines Versorgungsurhebers Witwengeld. Dabei beträgt die Höhe des Witwengeldes 55 v. H. des Ruhegehalts, das der Versorgungsurheber erhalten hat oder hätten erhalten können, wenn er am Todestag in den Ruhestand getreten wäre. Nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG beträgt es in bestimmten Fällen 60 vom Hundert – so auch bei der Klägerin.
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Es handelt sich insoweit um eine selbstständige, vom Versorgungsurheber abgeleitete Versorgung (vgl. dazu BayVGH, U. v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590). Die öffentlich-rechtliche Unterhaltspflicht des Dienstherrn erstreckt sich über den Tod des Beamten hinaus auch auf die Hinterbliebenen. Ihnen steht aus dem gleichen Rechtsgrund ein eigener selbstständiger Anspruch zu. Der Dienstherr setzt die öffentlich-rechtliche Alimentation der Familie des Beamten gegenüber den hinterbliebenen Familienangehörigen fort. Das Witwengeld unterliegt als eigenes Recht der Witwe selbst den Ruhens- und Kürzungsvorschriften (Kazmaier in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, 10. Ruhens- und Kürzungsvorschriften, Rn. 5 und 22 ff.). Es ist insoweit vom Versorgungsurheber abgeleitet, als dessen Ruhegehalt die Basis des Witwengeldes darstellt.
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2. Der Zweck des Art. 92 BayBeamtVG deckt sich im Wesentlichen mit dem der Bundesvorschrift in § 57 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG).
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Da der Dienstherr des Beamten als Träger der Versorgungslast dem Versicherungsträger gemäß § 225 SGB VI die Aufwendungen zu erstatten hat, die auf Grund der Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich entstanden sind, sieht § 57 BeamtVG einen Ausgleich durch Kürzung der Versorgungsbezüge des ausgleichspflichtigen beamteten Ehegatten vor. Damit wird abschließend derjenige herangezogen, der den Versorgungsausgleich zu verantworten hat. Der Dienstherr und damit der Steuerzahler soll nicht wegen der Versorgungsleistungen und des Ausgleichs gegenüber dem Träger der Rentenversicherung mehrfach belastet werden. Mit dem rentenversicherungsrechtlichen Aufwendungsersatz erfüllt der Dienstherr eine Verpflichtung, für die der Beamte nach dem zivilrechtlichen Eherecht einzustehen hat (OVG Berlin-Bbg, B. v. 19.8.2016 – OVG 4 N 23.15).
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Der Dienstherr soll dadurch aufgrund der Scheidung nicht höher belastet werden, als wenn es nicht zu einer Scheidung des Beamten gekommen wäre. Durch die Kürzung wird daher im Ergebnis ein Ausgleich beim Beamten genommen (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590).
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3. Das Witwengeld der Klägerin war vorliegend trotz der Anpassung des Versorgungsausgleichs gem. Art. 92 BayBeamtVG zu kürzen.
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Dies erscheint unproblematisch, sofern schon zu Lebzeiten des Beamten dessen Ruhegehalt wegen des durchgeführten Versorgungsausgleichs gekürzt worden war.
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Der Versorgungsurheber hatte im vorliegenden Fall jedoch nach dem Tod seiner ersten Ehefrau den ursprünglich durchgeführten Versorgungsausgleich gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG anpassen lassen, die Kürzung wurde zu seinen Gunsten aufgehoben. Dies war möglich, da die erste Ehefrau verstorben war, ohne eine Rente aus der zu ihren Gunsten begründeten Anwartschaft zu erhalten. Dies wirkt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu ihren Gunsten als Hinterbliebene.
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Nach § 37 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VersAusglG wird das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat. Antragsberechtigt ist nach § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG die ausgleichspflichtige Person.
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Die Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes sind unter Beachtung der zuvor geltenden Regelungen des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) vom 21. Februar 1983 auszulegen und zu verstehen. Mit Wirkung zum 1. September 2009 wurde das VAHRG vom VersAusglG abgelöst.
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a. Die erkennende Kammer schließt sich der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an (U. v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590; B. v. 18.11.2019 – 14 ZB 18.2584) an.
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Dort wird zu Recht auf die Einschränkungen des neuen Rechts hingewiesen. Denn nach § 38 Abs. 1 Satz 2 des VersAusglG ist antragsberechtigt eben nur noch die ausgleichspflichtige Person (hier als der Versorgungsurheber bzw. der verstorbene Ehemann). Geregelt ist nicht mehr – wie zuvor nach § 4 Abs. 1 VAHRG – die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen oder – wie in § 9 Abs. 2 VAHRG – ein Antragsrecht der Hinterbliebenen. Die „neue“ Regelung in § 38 Abs. 1 Satz 2 des VersAusglG korrespondiert auch mit dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG. Danach wird nämlich nur ein Anrecht der ausgleichspflichtigen Person nicht mehr gekürzt, das der Hinterbliebenen ist nicht (mehr) erwähnt.
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Im Wesentlichen ähnlich argumentiert das Bundessozialgericht (U. v. 24.4.2014 – B 13 R 25/12 R). Danach wirkt der Anpassungsantrag des Versorgungsurhebers gerade nicht auch zugunsten der Hinterbliebenen. Das Bundessozialgericht zieht allgemeine Rechtsgrundsätze heran, wonach ein Antragsteller immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen kann. Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten (hier: Versorgungsurheber) und dem Rentenversicherungsträger (hier: Dienstherr) ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen. Dies ist auf die Beamtenversorgung übertragbar.
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b. Die Gesetzesbegründung verhält sich ebenfalls für eine Kürzung zu Lasten der Hinterbliebenen (BT-Drs. 17/10144, S. 75 f.). Wie schon im gerichtlichen Hinweis vom 24. Mai 2023 dargelegt, hat der Gesetzgeber nämlich anders als in § 4 Abs. 1 VAHRG einen Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen, wenn nur die Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden. Diese haben kein schutzwürdiges Interesse an der Rückgängigmachung der Versorgungskürzung. Die Witwe oder der Witwer mussten damit rechnen, dass die Hinterbliebenenversorgung der ausgleichspflichtigen Person um den für den Versorgungsausgleich abgezogenen Betrag reduziert war.
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c. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (U. v. 18.7.2017 – 3 BV 16.590) zeigt zu Recht und nachvollziehbar auf, weswegen die Gegenmeinung, die zu Gunsten der Klägerin eine Kürzung ablehnt, nicht vom Gesetzgeber intendiert ist.
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Dazu wird ausgeführt, dass auch die Hinterbliebenen die Wirkung der Aussetzung bzw. Aufhebungen der Kürzung treffen muss. Tragendes Argument ist, dass die Anrechte der ausgleichsberechtigten Person durch die Anpassung auf Antrag der ausgleichspflichtigen Person erlöschen. Daraus wird gefolgt, dass bei erfolgter Antragstellung die Anpassung auch zugunsten der Hinterbliebenen wirken muss (Bergmann in BeckOK, Stand: 1.8.2023, § 37 VersAusglG Rn. 9). Ferner könnte für diese Ansicht die Gesetzesbegründung angeführt werden, die auf S. 75 davon spricht, dass ein „Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen ist, wenn nur die Hinterbliebenen […] profitieren würden.“
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt dazu aus:
Der – soweit ersichtlich – einzigen Gegenmeinung, auf die sich die Klägerin beruft, vermag sich der Senat hingegen nicht anzuschließen. Gutdeutsch (in BeckOK BGB, Stand: Feb. 2017, § 37 VersAusglG) führt aus, dass im Fall der Anwendung der Anpassungsnorm auf den Ausgleichspflichtigen auch spätere Hinterbliebenenversorgungen daraus nicht mehr der Kürzung unterliegen. Dieser (von Gutdeutsch genannte) Fortsetzungsanspruch könnte sich eventuell aus der Begründung in BT-Drs. 16/10144 S. 76 herleiten lassen, wonach ein Anpassungsanspruch dann nicht mehr vorgesehen ist, wenn „nur“ die Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden. Der folgende Satz der Begründung, der lautet: „Diese haben kein schutzwürdiges Interesse an der Rückgängigmachung der Versorgungskürzung“, müsste dann aber gelesen werden wie „Diese haben allein kein schutzwürdiges…“. Das hieße aber andererseits, dass differenziert werden müsste zwischen dem Fall der Kürzungsaufhebung zu Gunsten des Ausgleichspflichtigen, die sich dann zu Gunsten der Hinterbliebenen fortsetzt und dem Fall der Nichtanwendung der „Aussetzungsnorm“ beim Ausgleichspflichtigen, bei dem also nur die Hinterbliebenen begünstigt würden, was nach neuem Recht unzulässig ist. Für eine derartige Differenzierung lässt sich kein sachlicher Grund erkennen (vgl. Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer a.a.O § 37 VersAusglG Rn. 14 a.E.).
Auch das Bundessozialgericht widerspricht der von Gutdeutsch vertretenen Rechtsauffassung und führt in seinem Urteil vom 24. April 2014 (B 13 R 25/12 R – juris Rn.16) aus, dass auch angesichts des Wortes „nur“ in der zitierten Gesetzesbegründung den §§ 37, 38 VersAusglG nicht entnommen werden kann, dass das durch den ausgleichspflichtigen Ehepartner wahrgenommene Antragsrecht im Rentenrecht zugunsten der Hinterbliebenen weiter wirkt. Um auch für die Hinterbliebenen einen „Rückausgleich“ durchführen zu können, müssten diese ebenfalls einen entsprechenden Antrag stellen dürfen. Die Möglichkeit sah das alte Recht noch vor. Nach der Neuregelung durch das Gesetz über den Versorgungsausgleich aber steht den Hinterbliebenen das (Antrags-)Recht auf Rückausgleich nicht mehr zu, auch nicht für den Fall, dass der verstorbene ausgleichspflichtige Ehepartner bereits wegen des noch von ihm beantragten Rückausgleichs eine eigene Rente ohne versorgungsausgleichsbedingte Abschläge bezogen hatte (vgl. Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer a.a.O § 37 VersAusglG Rn. 15). Etwas anderes kann auch nicht aus der Regelung des § 37 Abs. 3 VersAusglG geschlossen werden. Hiernach „erlöschen“ zugunsten des ausgleichspflichtigen Ehepartners begründete Anrechte (bei anderen Trägern) mit dem Rückausgleich („Anpassung“). Dies mag die Folgerung nahelegen, dass die Erlöschenswirkung auch die Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen treffe und daher die Aussetzung der Kürzung ihnen ebenfalls zugutekommen müsse (so Gutdeutsch in BeckOK BGB a.a.O. § 37 VersAusglG Rn. 7). Hierfür bietet der Gesetzeswortlaut jedoch keinen Anhalt (vgl. BSG, U.v. 24.4.2014 a.a.O. Rn. 18).
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d. Diesen Maßstäben folgend ist das Witwengeld entsprechend des Versorgungsausgleichs zu kürzen.
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Die vom Versorgungsurheber beantragte Anpassung des Versorgungsausgleichs und Aufhebung der Kürzung wirkt nicht zugunsten der Hinterbliebenen. Schon nach dem VAHRG war ein eigener Antrag der Hinterbliebenen notwendig, nachdem ihre Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Tod des Versicherten zum Vollrecht gegen den Versorgungsträger erstarkt ist. Wie dargestellt, bestand damals ein solches Antragsrecht in § 9 Abs. 2 VAHRG. Mit am 1. September 2009 in Kraft getretener Neuregelung wurde dieses Antragsrecht der Hinterbliebenen gestrichen. Wenn aber nach allgemeinen Grundsätzen (BSG, U. v. 24.4.2014 – B 13 R 25/12 R) ein Antragsteller nur in eigener Sache die Durchsetzung und Wahrung individueller Rechte verfolgen kann, folgt aus der Streichung dieses Antragsrechts der Hinterbliebenen, dass diese keine Möglichkeit mehr haben, die Kürzung aufzuheben. Dies deckt sich mit der Gesetzesbegründung, nach der diese gerade nicht schutzwürdig sind, da diese wussten, dass die Versorgung zu kürzen ist bzw. sein wird.
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Der Gesetzgeber hat unter Heranziehung seines gesetzgeberischen Gestaltungspielraums eine im Ergebnis interessengerechte Lösung gefunden. Denn die Nachwirkungen der Ehe (Art. 6 des Grundgesetzes) sorgen dafür, dass eine Ehe auch nach der Scheidung rechtliche Wirkungen entfalten kann. Der Versorgungsurheber hat zugunsten der ersten Ehefrau auf eigene Versorgung verzichtet. Das letzten Endes zufällige Ereignis des Vorversterbens der ausgleichsberechtigten Person vor Bezug von Renten aus dieser Versorgungsanwartschaft wurde damit zugunsten des Ausgleichspflichtigen aufgelöst. Dieser kann den Versorgungsausgleich anpassen lassen und entsprechend ungekürzte Versorgung erhalten. Er soll aus der ihn belastenden Anwartschaft nicht unnötigerweise belastet werden. Das Ausgleichsinteresse des Dienstherrn wurde vom Gesetzgeber insoweit als geringer eingestuft als das Interesse des Beamten ungekürzte Versorgung zu erhalten.
43
Wenn jedoch der Beamte verstirbt, wurde durch die Neuregelung dem Ausgleichsinteresse des Dienstherrn Vorrang vor dem Interesse der Hinterbliebenen an ungekürzter (Hinterbliebenen-)Versorgung eingeräumt. Im Hinblick darauf, dass die Hinterbliebenen in aller Regel Kenntnis von der Belastung der Versorgung haben und darauf, dass es sich „nur“ um eine abgeleitete Versorgung handelt, ist die Auflösung dieses „Zufalls“ auf diese Weise nicht bedenklich. Die Hinterbliebenen konnten schließlich zu Lebzeiten des Versorgungsurhebers auch von der Aufhebung der Kürzung profitieren. Ein besonderes, dem Interesse der Allgemeinheit an der Einsparung fiskalischer Mittel überwiegendes Interesse der Klägerin als Hinterbliebene ist nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.
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Dadurch wird auch dem Zweck der Kürzungsregelung des Art. 92 BayBeamtVG Rechnung entsprochen. Denn die ursprüngliche Kürzung beim ausgleichspflichtigen Beamten ist zweckentsprechend, da zu diesem Zeitpunkt noch das Risiko bestand, dass durch die Aufteilung der Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften ein Nachteil des Dienstherrn entsteht.
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Nach erstem Anschein dem Zweck widersprechen könnte die Anpassung bzw. Aufhebung dieser Kürzung nur beim ausgleichspflichtigen Beamten und nicht auch bei den Hinterbliebenen. Denn, wenn schon beim ausgleichspflichtigen Teil kein Ausgleich durch den Dienstherrn genommen wird, könnte das dafür sprechen, dass das auch bei dessen Hinterbliebenen der Fall ist. Gegen diese Erwägung spricht allerdings, dass zwischen der „ursprünglichen Kürzung“ der Versorgungsbezüge und deren anschließender Aufhebung unterschieden werden muss. Es liegt beidem ein unterschiedlicher Sachverhalt zugrunde und es werden unterschiedliche rechtliche Grundlagen angewandt. Auch die Interessenlage ist grundsätzlich eine andere. Im Zeitpunkt der Kürzung wird ganz regelmäßig – so jedenfalls hier – nicht feststehen, ob der Ausgleichszweck zum Tragen kommt. Bei Aufhebung dieser steht das fest, die ursprüngliche Kürzung wirkt jedoch zu Lasten der Hinterbliebenen fort. Diese beruht allerdings nicht mehr auf Art. 92 BayBeamtVG, sondern auf § 37 und § 38 VersAusglG. Dort ist aber – wie oben beschrieben – nur eine Anpassung bzw. Aufhebung der Kürzung zugunsten des ausgleichspflichtigen Teils geregelt.
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Rein faktisch handelt es sich bei der Anpassung des Versorgungsausgleichs und der Aufhebung einer Kürzung der Versorgung um einen „Aufschub“ der Kürzung zu Lebzeiten des Versorgungsurhebers.
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Der von der Klägerin vorgebrachte lange Zeitraum, der zwischen der Anpassung des Versorgungsausgleichs durch den Versorgungsurheber und dem Anspruch auf Witwengeld lag, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn dies ändert an der Kenntnis der Klägerin von dem damals durchgeführten Versorgungsausgleich nichts.
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4. Daher war die Klage vollumfänglich abzuweisen. Die Entscheidung der Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.