Titel:
Überstundenvergütung, Betriebsvereinbarung, TV-Ärzte, Überstundenzuschlag, tarifliche Ausschlußfrist, Ausschlußfristen, Darlegungs- und Beweislast, Abgeltung der Überstunden, Überstundenprozess, Tarifvertragspartei, Tarifvertragliche, Tarifvertragsregelung, flexible Arbeitszeit, Flexible Arbeitszeitmodelle, Arbeitszeitsysteme, regelmäßige Arbeitszeit, Arbeitszeitdokumentation, Arbeitszeitgesetz, Arbeitszeitrecht, Arbeitszeitsouveränität
Schlagworte:
Zulässigkeit der Klage, Anspruch auf Überstundenvergütung, Darlegungs- und Beweislast, Tarifliche Regelungen, Ausschlussfrist, Verfall von Ansprüchen, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Urteil vom 19.12.2023 – 6 Sa 281/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 53532
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.717,43 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.05.2022 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beklagte hat 87%, der Kläger 13% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Der Streitwert wird auf 1.965,83 € festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Überstundenvergütung.
2
Der Kläger war vom 01.08.1989 bis zum 28.02.2022 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Arzt beschäftigt.
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Kraft beiderseitiger Tarifbindung gilt für die Parteien der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA). Hierin ist unter § 7 eine regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen von durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich geregelt; aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen kann auf der Grundlage einer Betriebs/Dienstvereinbarung im Rahmen des § 7 Abs. 1, 2 und des § 12 ArbZG von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes abgewichen werden.
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§ 14 TV-Ärzte/VKA lautet wie folgt:
„Die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte sind durch elektronische Verfahren oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz dokumentiert ist. Dabei gilt die gesamte Anwesenheit der Ärztinnen und Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit. Eine abweichende Bewertung ist nur bei Nebentätigkeiten zulässig, die keine Dienstaufgaben sind, und bei privaten Tätigkeiten des Arztes/der Ärztin. Die Ärztin/der Arzt hat insbesondere zur Überprüfung der dokumentierten Anwesenheitszeiten nach Satz 1 ein persönliches Einsichtsrechts in die Arbeitszeitdokumentation. Die Einsicht ist unverzüglich zu gewähren.“
1. Bei einer außerplanmäßigen Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden haben die Ärztinnen und Ärzte dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen den Grund der Überschreitung mitzuteilen.
2. Für die private Veranlassung gemäß Satz 3 trägt der Arbeitgeber nach den allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts die Darlegungs- und Beweislast.
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§ 14 TV-Ärzte/VKA gilt in dieser Fassung seit dem 01.07.2019. Vor dieser Zeit ab 01.05.2010 bis 30.06.2019 enthielt § 14 nur den heutigen Satz 1.
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Der TV-Ärzte/VKA enthält folgende Protokollerklärung zu Abschnitt II, zu welchem die §§ 7 bis 14 zählen: „Bei In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages bestehende Gleitzeitregelungen bleiben unberührt.“. Dieser Text gilt zumindest seit 01.05.2010, ggf. schon früher.
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Der TV-1-Ärzte/VKA enthält unter § 37 eine Ausschlussfrist, nach der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.
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Im Betrieb der Parteien besteht eine Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft vom 01.06.2017, abgeschlossen zwischen der Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat. Hierin ist unter anderem folgendes für flexible Arbeitszeitmodelle geregelt:
(1) Die Arbeitszeit ist grundsätzlich durch den Zeitraum von 6:30 Uhr als frühester Beginn und 19:30 Uhr als spätestens Ende der Arbeitszeit begrenzt.
(2) Für Beschäftigte, die unter den Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA fallen, können abweichend von Abs. 1 Satz 1 bis zu 12-stündige tägliche Rahmenzeiten in der Zeit von 6:00 Uhr bis 20:00 Uhr festgelegt werden (s.a. TV- Ärzte/VKA § 7 Abs. 8 Satz 1)
(5) Alle innerhalb der nach Abs. 1 bis Abs. 2 festgelegten Grenzen erfassten Arbeitszeiten sind überstundenzuschlagsfrei. …“
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Ab 2019 galt in der Abteilung des Klägers bzw. in dem für diese geltenden Dienstplan grundsätzlich eine Rahmenarbeitszeit Montag bis Freitag von 8:00 Uhr bis 18:45 Uhr und Samstag von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr, abweichend hiervon im August 2020 Montag bis Freitag von 8:30 Uhr bis 17:00 Uhr.
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Der Kläger dokumentierte seine Anwesenheitszeiten elektronisch. Aus der vom Kläger vorgetragenen Anwesenheitsdokumentation für den Zeitraum 01.07.2019 bis 28.02.2022 ergibt sich sowohl, dass der Kläger zum Teil vor Beginn der Rahmenzeit anwesend war, als auch, dass er nach Ende der Rahmenzeit noch anwesend war.
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Anwesenheitszeiten innerhalb der Rahmenzeit wertete die Beklagte als Arbeitszeit, Zeiten außerhalb der Rahmenzeiten erfasste die Beklagte in der Dokumentation, wertete sie jedoch – es sei denn, der Kläger nahm eine nachträgliche Einzelfallmeldung auf Zeitkorrektur vor – nicht als Arbeitszeit.
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Erstmals mit Schreiben vom 27.12.2019 verlangte der Kläger, die von ihm geleisteten Arbeitszeiten ab dem 01.01.2019 in Höhe von 8,98 Stunden – die gesamte Anwesenheitszeit abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen – als Arbeitszeit im Sinne von § 14 S. 2 TV-Ärzte/VKA zu werten. Mit Schreiben vom 30.12.2019 bestätigte die Beklagte, dass der Kläger mit seinem Schreiben zur Geltendmachung nicht gewerteter Zeiten die Ausschlussfrist gemäß § 37 Abs. 1 TV-Ärzte/VKA gewahrt habe. Mit Schreiben vom 19.10.2021 machte der Kläger unter Verweis auf sein Schreiben vom 27.12.2019 nunmehr die Wertung der ungewerteten Arbeitszeit in Höhe von 42,78 Stunden im Zeitraum Januar 2019 bis einschließlich September 2021 als Arbeitszeit geltend.
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Am 04.05.2022 erhob der Kläger die vorliegende Klage und verlangt hierin die Bezahlung von Überstundenvergütung für 40,61 Stunden auf Basis des Stundenentgelts in der Entgeltgruppe II, Stufe vier in Höhe von 1.717,43 € brutto sowie von Überstundenzuschlägen von 15% in Höhe von 248,40 € brutto.
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Der Kläger trägt vor, nach dem auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden TV-Ärzte/VKA seien die dokumentierten Anwesenheitszeiten am Arbeitsplatz grundsätzlich als tarifvertragliche Arbeitszeit zu werten und die geltend gemachten Überstunden mit Zuschlägen zu vergüten.
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Die Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft treffe eine abweichende Regelung zur Wertung der Arbeitszeit gemäß § 14 S. 2 TV-Ärzte/VKA, verstoße deshalb gegen den Tarifvertrag, und sei deshalb unwirksam.
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Die Protokollerklärung zu Abschnitt II beinhalte keine Öffnungsklausel, die vorliegend eine Abweichung zulasse. Die Protokollerklärung sei unverändert seit dem ersten Tarifabschluss im Jahr 2006 im Tarifvertrag enthalten. Die Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft bestehe erst seit – unstreitig – dem 01.06.2017.
17
Die Tarifregelung des § 14 S. 2 TV-Ärzte/VKA verstoße nicht gegen höherrangiges Recht und sei nicht unwirksam. Die Auslegung ergebe, dass es sich im Kern um eine Beweislastumkehr bezüglich der Wertung der Arbeitszeit handele. Nach der Norm werde vermutet, das Anwesenheitszeit als Arbeitszeit zu werten ist. Der Arbeitgeber könne diese Vermutung widerlegen. Die Norm verstoße weder gegen das Arbeitszeitrecht noch gegen die Arbeitszeitsouveränität des Arbeitgebers.
18
Er habe durch sein Geltendmachungsschreiben vom 27.12.2019 die Ausschlussfrist des Tarifvertrags gewahrt. Mit dem Schreiben habe er auch die Vergütung der genannten Stunden geltend gemacht.
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.965,83 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte trägt vor, dem Kläger stehe die geltend gemachte Überstundenvergütung nebst Zuschlägen nicht zu.
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Dem Kläger stehe eine Vergütung der in der Zeiterfassung nicht gewerteten Zeiten, in denen der Kläger entweder ein paar Minuten vor Beginn der Rahmen Zeit bereits ein stempelte, oder erst nach Ende der Rahmenarbeitszeit ausstempelte, nicht zu.
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Vorrangig fände Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft Anwendung. Der TV-Ärzte/VKA enthalte eine sogenannte Öffnungsklausel für vorrangige anderweitige Regelungen in der Protokollerklärung zum Abschnitt II, vorliegend in Gestalt der Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft.
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Die Tarifregelung des § 14 S. 2 und S. 3 TV-Ärzte/VKA verstoße gegen höherrangiges Recht und sei daher unwirksam. Die Auslegung des Tarifinhalts ergebe eine Fiktionswirkung hinsichtlich der Arbeitszeit, nicht lediglich eine bloße Darlegungs- und Beweislastregelung. Durch die Fiktionswirkung werde gegen die Arbeitszeitsouveränität, welche der Beklagten durch das Direktionsrecht zustehe, verstoßen. Der jeweilige Arbeitnehmer könne seine Arbeitszeit infolge der tariflichen Regelung vollkommen frei durch seine bloße Anwesenheit steuern. Mit § 106 GewO sei dies nicht vereinbar. Zudem verstoße die Regelung gegen das Arbeitszeitrecht, da die Fiktionswirkung das gesetzlich vorgegebene Arbeitszeitsystem nicht aufnehme.
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Zudem sei der Tarifvertrag hinsichtlich der tarifvertraglichen Öffnung für Gleitzeitregelungen widersprüchlich und unklar und daher unwirksam, weil die Protokollerklärung anderweitige Gleitzeitregelungen erlaube, diese dann aber in die Regelung des § 14 eingreifen würden.
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Mit den Schreiben vom 27.12.2019 und 19.10.2021 habe der Kläger die tarifliche Ausschlussfrist für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht gewahrt. Denn er habe nicht die finanzielle Abgeltung der Überstunden verlangt, sondern nur die ordnungsgemäße Erfassung der Arbeitszeit. In jedem Fall sei aber ein Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen hierfür verfallen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet.
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Die Klage ist zulässig. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht München ist örtlich zuständig gemäß §§ 12, 17 ZPO.
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Die Klage ist zum Teil begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 1.717,43 € brutto nebst Zinsen zu, nicht jedoch die eingeklagten Überstundenzuschläge.
31
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem TV- Ärzte/VKA einen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 1.717,43 € brutto nebst Zinsen.
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a) Die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess liegt grundsätzlich beim Arbeitnehmer. Er muss die einzelnen Überstunden im Bestreitensfalle mit Datum und Uhrzeit darlegen und beweisen und zudem darlegen und beweisen, ob die Überstunden angeordnet, geduldet oder gebilligt oder zur Erbringung der vertragsgemäßen Arbeit erforderlich waren.
33
Die Beklagte hat die vom Kläger dargelegten Überstunden in Form der elektronisch erfassten Anwesenheitszeiten nicht bestritten. Strittig ist lediglich, ob diese als Arbeitsleistung zu vergüten sind. Der Kläger hat nicht im Einzelnen dargelegt, dass die einzelnen Überstunden angeordnet, geduldet, gebilligt oder erforderlich waren. Das pauschale Sich-Berufen auf das Erfordernis, auch über die geplante Dienstzeit hinaus weiter zu arbeiten, um Patienten zu versorgen, ist zwar nachvollziehbar, erfüllt aber nicht das Erfordernis der Darlegungslast. Zum Erfordernis, bereits vor Dienstbeginn einzustempeln, hat der Kläger sich, mit Ausnahme eines pauschalen Hinweises auf Verkehrsverbindungen, nicht geäußert.
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b) Damit steht dem Kläger nur die geltend gemachte Überstundenvergütung zu, wenn nicht die Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft, sondern § 14 TVÄrzte/VKA für die streitgegenständlichen Arbeitszeiten einschlägig ist. Denn nach der tariflichen Regelung, die im Vergleich zur Betriebsvereinbarung höherrangiges Recht darstellt, gelten die Anwesenheitszeiten als Arbeitszeiten, welche dann im Regelfall – wenn sie nicht privat oder durch Nebentätigkeit veranlasst sind – zu vergüten sind. Dies stellt eine Darlegungs- und Beweislastumkehr für die Überstundenvergütung dar.
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c) Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt die Protokollerklärung zu Abschnitt II keine Öffnungsklausel im Sinne des § 4 Abs. 3 TVG dar. Denn zum Zeitpunkt der Protokollerklärung – sei es 2006 oder 2010 gewesen – gab es die Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft noch nicht. Die Öffnungsklausel gilt nur für bei Inkrafttreten des Tarifvertrags bestehende Gleitzeitregelungen. Auch die zweite Ausnahmefallgruppe des § 4 Abs. 3 TVG ist nicht erfüllt, da die Abweichung in der Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft keine für die Arbeitnehmer günstigere Regelung enthält.
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d) § 14 TV-Ärzte/VKA verstößt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen höherrangiges Recht. Auch wenn alle Anwesenheitszeiten der Ärzte/Ärztinnen als Arbeitszeit gelten, so stellt dies zum einen für sich genommen noch keinen zwingenden Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz dar. Dies gilt selbst dann, wenn sich aus den Anwesenheitszeiten einer Arbeitszeit von mehr als zehn Stunden pro Tag ergibt. Denn zum anderen sind gemäß § 7 ArbZG Abweichungen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes in Tarifverträgen möglich.
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e) Zwar schränkt die tarifliche Regelung das Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO ein, indem sie die grundsätzlich andersherum geltende Darlegungs- und Beweislast umgekehrt. Dennoch untersagt die tarifliche Regelung dem Arbeitgeber nicht sein grundsätzliches Direktionsrecht hinsichtlich der Arbeitszeiten. Im Übrigen hat die Arbeitgeberin auch in der Betriebsvereinbarung Zeitwirtschaft durch die flexible Arbeitszeit und Rahmenzeiten eine Einschränkung ihres Direktionsrechts hingenommen. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht ist daher nicht zu erkennen.
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f) Damit geht die tarifliche Regelung als höherrangiges Recht vor. Die Beklagte hätte im Einzelnen darlegen müssen, dass die Anwesenheitszeiten des Klägers nicht dienstlich, sondern privat motiviert waren oder auf Nebentätigkeit beruhen. Entsprechender Vortrag ist nicht erfolgt.
39
g) Der Kläger hat hinsichtlich der klageweise geltend gemachten Überstundenvergütung mit seinem Geltendmachungsschreiben vom 27.12.2019 die tarifliche Ausschlussfrist eingehalten.
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Hierin hat der Kläger die Berücksichtigung der nicht berücksichtigten Anwesenheitszeiten als Überstunden nach § 14 TV-Ärzte/VKA gefordert. Sinn und Zweck von – tarifvertraglichen und individualrechtlichen – Ausschlussfristen ist, dass dem Vertragspartner frühzeitig klar wird, ob sein Vertragspartner noch mit Forderungen auf ihn zukommen wird. Dieser Zweck ist mit dem Geltendmachungsschreiben des Klägers erreicht. Nicht erforderlich ist, dass der Kläger – da im laufenden Arbeitsverhältnis ohnehin der Zeitausgleich für Überstunden Vorrang hat – ausdrücklich die finanzielle Abgeltung der nicht berücksichtigten Überstunden verlangt hat. Der Tarifvertrag regelt ausdrücklich, dass für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung auch für später fällige Leistungen ausreicht. Der Beklagten konnte daher klar sein, dass der Kläger die Nichtberücksichtigung der Anwesenheitszeiten in vollem Umfang nicht akzeptieren wird. Auch ohne Angabe der konkreten Überstundenhöhe konnte die Beklagte dies erkennen.
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h) Daher steht dem Kläger ein Anspruch auf Überstundenvergütung in Höhe von 1.717,43 € € brutto für 40,61 Stunden zu. Die Berechnung der Überstundenvergütung hat die Beklagte nicht bestritten.
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i) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 286 BGB.
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2. Jedoch hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Zahlung der eingeklagten Überstundenzuschläge in Höhe von 248,40 € brutto. Dieser Anspruch ist aufgrund der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist im Tarifvertrag verfallen. Die Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit hat der Kläger weder mit seinen Geltendmachungsschreiben noch mit der Klageerhebung eingehalten.
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Aus den Geltendmachungsschreiben ist zwar für die Beklagte zu schließen gewesen, dass der Kläger für die nicht berücksichtigten Anwesenheitszeiten Vergütung verlangt (s.o.). Nicht zwingend herauszulesen ist jedoch, dass er hierfür auch Überstundenzuschläge verlangt. Weder ausdrücklich noch mittelbar finden sich hierfür Anhaltspunkte in seinen Schreiben.
45
Die Klageerhebung reicht für die Einhaltung der Ausschlussfrist nicht aus. Die Klage ist der Beklagten erst am 13.05.2022 zugestellt worden. Der Anspruch auf Zahlung von Überstundenzuschlägen ist jeweils mit Ableistung der jeweiligen Überstunde entstanden. Daher sind die Ansprüche auf Zahlung von Überstundenzuschlägen insgesamt verfallen.
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Aus den genannten Gründen war der Klage zum Teil stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Hierfür waren das jeweilige Obsiegen und Unterliegen ins Verhältnis zu setzen. Hieraus ergibt sich die aus dem Tenor ersichtliche Kostentragungsverteilung.
48
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Streitwert war in Höhe des geltend gemachten Zahlungsantrags festzusetzen.
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Soweit die Berufung nicht bereits aus gesetzlichen Gründen zulässig ist, war die Berufung nicht gesondert zuzulassen. Dies gilt für die Klageabweisung in Höhe von 248,40 €, da hierfür die Beschwerdesumme von 600,00 € nicht erreicht ist.
50
Gründe, die für die teilweise Klageabweisung eine Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG erforderlich machen, liegen nicht vor. Die Rechtssache hat in diesem Punkt keine grundsätzliche Bedeutung, sondern betrifft einen Einzelfall. Es handelt sich nicht um eine Rechtsstreitigkeit zwischen Tarifvertragsparteien oder tariffähigen Parteien, und das Arbeitsgericht weicht auch nicht von einem Urteil eines übergeordneten Landesarbeitsgerichts ab.