Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 31.07.2023 – 7 W 807/23
Titel:

Vorfälligkeitsentschädigung, PKH-Bewilligungsverfahren, Prozesskostenhilfe, Veräußerung des Grundstücks, Veräußerungserlös, Rechtsverfolgung, Prozeßkosten, Grundstücksveräußerung, Beleihungswert, Verkehrswertgutachten, Sofortige Beschwerde, Schonvermögen, Notarkosten, Vertragsstrafe, Bausparkassen, Angemessenes Hausgrundstück, Wert des Beschwerdeverfahrens, Beschwerde des Antragstellers, Angaben des Antragstellers, Darlehensschulden

Leitsätze:
1. Ein auf einem 700 m2 großen Grundstück errichtetes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 176,98 m2 überschreitet für einen Dreipersonenhaushalt in der Regel den Rahmen des „angemessenen Hausgrundstücks“ und stellt (dann) kein Schonvermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII dar.
2. Gleichwohl muss der Einsatz eines solchen Hausgrundstücks zur Finanzierung der Kosten einer beabsichtigten Rechtsverfolgung auch im Übrigen „zumutbar“ sein (§ 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Solches kann u. a. dann ausscheiden, wenn sich die Immobilienverwertung als unwirtschaftlich (und damit unverhältnismäßig) darstellen würde.
3. Wird kein Verkehrswertgutachten beigebracht, kann im PKH-Verfahren auch der Beleihungswert einer kreditfinanzierten Immobilie als belastbarer Ansatzpunkt für deren Bewertung herangezogen werden. Der Beleihungswert bewegt sich üblicherweise in einer Spanne von circa 60% bis 85% des Verkehrswerts.
Schlagworte:
PKH-Bewilligung, Schonvermögen, Verwertungspflicht, Beleihungswert, Unverhältnismäßigkeit, Stundungsausspruch, Kostenentscheidung
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 15.03.2023 – 9 O 8292/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 53352

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. März 2023 in Ziffer 3 des Tenors dahingehend abgeändert, dass die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung der von ihm zu tragenden Prozesskosten aus seinem Vermögen bis zum 30. April 2024 gestundet wird. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 15. März 2023 zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller ist Alleineigentümer des 700 m2 großen Grundstücks …straße … in …, das von der Antragsgegnerin (einer B. GmbH) aufgrund Planungs- und Verbraucherbauvertrag vom … zum „Festpreis“ von 400.000,00 € (Betragsangaben – wie auch im Folgenden, soweit nichts anderes angegeben – in brutto) zuzüglich eventueller Nachträge mit einem Einfamilienhaus (Wohnfläche: 176,98 m2) bebaut worden ist (wegen der Details der vertraglichen Vereinbarung wird auf die Anlage K01a verwiesen). Der Antragsteller hat den Vertrag mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25. Juli 2019 (Anlage K04) mangels Fortsetzung/Fertigstellung der Bauarbeiten durch seinen anwaltlichen Vertreter außerordentlich kündigen lassen und beabsichtigte zuerst, die in … ansässige Antragsgegnerin vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth auf Rückzahlung überzahlter Abschlagszahlungen (17.431,50 €) und Vertragsstrafe (3.100,00 €) wegen Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins (14. Mai 2019; der Antragsteller hat die Immobilie mit seiner Familie zum 31. Juli 2019 bezogen) in Anspruch zu nehmen. Die diesbezüglichen Einzelheiten ergeben sich aus Klageentwurf vom 28. Dezember 2021.
2
Der Antragsteller hat sodann bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2021 beantragt, ihm für die in Aussicht genommene Rechtsverfolgung unter Beiordnung des von ihm bereits außergerichtlich beauftragten Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe (im Folgenden kurz: PKH) zu bewilligen.
3
Die Antragsgegnerin ist der angekündigten Klage mit Schriftsatz vom 18. Februar 2022 entgegengetreten. Sie vertritt die Auffassung, es liege weder eine Überzahlung noch eine Überschreitung des Fertigstellungstermins vor, da vertraglich vereinbarte Bauunterbrechungen wegen Feier- und Schlechtwettertagen sowie Bauzeitverlängerungen aufgrund Zahlungsverzugs unberücksichtigt geblieben seien. Vielmehr schulde der Antragsteller ihr laut Schlussrechnung vom 29. Dezember 2021 noch einen Restwerklohn in Höhe von 20.886,28 €. Zudem mache er „teilidentische“ Ansprüche aus dem gegenständlichen Bauvorhaben in Höhe von 20.000,00 € gegen die Bürgin der Antragsgegnerin (eine Versicherung) vor dem Landgericht X geltend (der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 21. Juli 2023 mitgeteilt, das LG X, Az.: …, habe ihm dort – wohl ohne Einschränkungen – PKH bewilligt). Für den Fall der Bewilligung von PKH im hiesigen Verfahren hat die Antragsgegnerin ankündigt, wegen des Restwerklohns Widerklage zu erheben (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf deren Schriftsatz vom 18. Februar 2022 verwiesen).
4
Mit Schriftsatz vom 10. August 2022, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, hat der Antragsteller seinen PKH-Antrag auf „Restfertigstellungskosten“ in Höhe von 19.259,35 €, Kosten für in „Eigenregie“ vorgenommene Fertigstellungsarbeiten (Außenputz, Freianlage, Terrasse, Hauseingang) in Höhe von 15.254,22 € sowie Beweissicherungskosten in Höhe von 1.131,91 € erstreckt.
5
Nachdem das Landgericht am 14. November 2022 einen Erörterungstermin (§ 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) durchgeführt hatte, bei dem keine gütlichen Streitbeilegung gelang, bewilligte es dem Antragsteller mit Beschluss vom 15. März 2023 unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigen PKH. Zudem stellte es fest, das Anwesen …straße … in … falle wegen der angesichts der Größe der Familie des Antragstellers (Ehemann, Ehefrau, zehnjähriger Sohn) nicht mehr „angemessenen“ Grundstücksgröße und Wohnfläche nicht unter das Schonvermögen (§ 115 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII) und sei daher zur Finanzierung der Prozesskosten zu verwerten. Die Verpflichtung des Antragstellers, die von ihm zu tragenden Prozesskosten aus seinem Vermögen zu zahlen, stundete es bis zum 16. Dezember 2023. Im Übrigen wies die Vorinstanz den PKH-Antrag zurück.
6
Gegen diesen Beschluss, der dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 21. März 2023 zugestellt worden ist, wendet sich der Antragsteller mit seiner am 13. April 2023 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
7
Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 27. April 2023 nicht abgeholfen.
8
Es steht auf dem Standpunkt, der Antragsteller sei gehalten, das gegenständliche Anwesen zur Finanzierung der von ihm selbst mit 25.000,00 € taxierten Prozesskosten zu veräußern, da eine weitere Belastung des Grundstücks zum Zwecke der Absicherung zusätzlicher Kredite nach den Angaben des Antragstellers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen (auf die – auch in der erneuerten Fassung vom 17. Juli 2023 – Bezug genommen wird) nicht möglich sei. Anders als der Antragsteller gehe das Landgericht aufgrund mehrerer Vergleichsangebote, die es – wie auch der Antragsteller zum Beleg seiner unterschiedlichen Wertangaben vom 21. Dezember 2021 (600.000,00 €), 13. Januar 2023 (647.000,00 €) und 13. April 2023 (675.000,00 €) – dem Internetauftritt der I. S. GmbH (https://www.i....de) entnommen hat, von einem „Wert des Grundstücks … deutlich über 675.000,00 €“ aus. Belastbare Unterlagen zum Grundstückswert habe der Antragsteller trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorlegt, wogegen der Antragsteller eingewandt hat, keine anderweitigen Immobilienbewertungen beibringen zu können, weil er nicht über die erforderlichen Geldmittel verfüge, sich in einer „finanziellen Abwärtsspirale“ befinde und – wegen seines hohen Kapitaldienstes für das Einfamilienhaus (monatlich 3.031,97 € bei einem Gehalt von „durchschnittlich“ 3.600,00 €) – „vom Überziehungskredit“ lebe. Vor diesem Hintergrund sei die Veräußerung auch in Ansehung der von der Bausparkasse zum 28. Januar 2022 berechneten Vorfälligkeitsentschädigung bei Ablösung des Darlehens Y1 (440.000,00 €) in Höhe von 33.589,05 € nicht unverhältnismäßig (die Bausparkasse hat inzwischen, mit Schreiben vom 7. Juli 2023, mitgeteilt, bei dem Darlehen Y1 falle keine Vorfälligkeitsentschädigung mehr an, bei dem weiteren Darlehen Y2 (30.000,00 €) betrage die Vorfälligkeitsentschädigung 635,43 €). Notarkosten und Maklergebühren seien bei der Veräußerung nicht zu berücksichtigen (der Antragsteller veranschlagt hierfür bis zu 5.000,00 € bzw. bis zu 24.097,05 €), denn diese trage regelmäßig der Käufer; die Zuziehung eines Maklers sei nicht zwingend. Wegen der Umzugskosten sei die angegebene Preisspanne (5.000,00 € bis 10.000,00 €) „aus der Luft gegriffen“. Da sich die beabsichtigte Rechtsverfolgung auf Ansprüche wegen Überzahlung, Vertragsstrafe und Mehrkosten für die Fertigstellung beziehe, werde dem Hauptsacherechtsstreit durch die Grundstücksveräußerung auch nicht der Boden entzogen.
9
Der Antragsteller meint, die Vorinstanz hätte ihm „einschränkungslos“ PKH bewilligen müssen. Ausgehend von einem Verkaufspreis der Immobilie von bis zu 675.000,00 € sei ihm die vom Landgericht auferlegte Pflicht zur Grundstücksverwertung nicht zumutbar (§ 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO) bzw. bedeute eine „Härte“ im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, von der die Bewilligung von PKH nicht abhängig gemacht werden dürfe. Die zu erwartenden Prozesskosten (25.000,00 €; s. o.) stünden in keinem Verhältnis zu den bei der Veräußerung des Grundstücks anfallenden Kosten. Zu den Aufwendungen für die vorzeitige Ablöse des Darlehens Y1 (vormals 31.907,96 € netto; s. o.) kämen Notarkosten, Maklergebühren und Umzugskosten im vorgenannten Umfang (insgesamt bis zu 39.097,05 €). Sämtliche vom Antragsteller zur Immobilienfinanzierung aufgenommenen Darlehen valutierten zum 23. März 2023 noch in einer Gesamthöhe von 607.070,50 €. Bei einem Verkaufspreis von 675.000,00 € verbleibe nach Abzug der Darlehensschulden noch ein Betrag von circa 68.000,00 €. Bei einem weiteren Abzug in Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung sowie der Notarkosten, Maklergebühren und Umzugskosten („mindestens circa 64.000,00 €“) stehe kein sinnvoll einsetzbarer Verkaufspreisrest mehr zur Verfügung, vor allem nicht in Höhe der zu erwartenden Prozesskosten.
II.
10
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO – der Antragsteller wendet sich nicht gegen die „Bewilligung“ von PKH als solche, sondern allein gegen die Verpflichtung zur Vermögensverwertung) und form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 ZPO). Das Rechtsmittel hat indes nur insoweit Erfolg, als der Stundungsausspruch, wie tenoriert, aufgrund der zwischenzeitlich verstrichenen Zeit anzupassen war. Im Übrigen ist es unbegründet.
11
1. Da vorliegend dem Grunde nach PKH bewilligt wurde, beschränkt sich der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts auf die vom Antragsteller gerügte Verwertung des Hausgrundstücks, also allein auf die Frage der Bedürftigkeit des Antragstellers speziell in diesem Punkt (§ 114 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ZPO). Auch wenn der angefochtene Beschluss keine Ausführungen zu den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung enthält, wäre auf die Beschwerde des Antragstellers hin eine weitergehende Einschränkung der bereits erfolgten PKH-Bewilligung oder gar deren Aufhebung aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten wegen des im Beschwerdeverfahren geltenden Verschlechterungsverbots (Verbot der reformatio in peius) nicht möglich (z. B. MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 127 Rn. 36).
12
2. Die Vorinstanz hat zutreffend entschieden, dass die gegenständliche Immobilie mit Blick auf die Grundstücks- und Hausgröße den Rahmen eines „angemessenen Hausgrundstücks“ für die dreiköpfige Familie des Antragstellers überschreitet und daher kein Schonvermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO i. V. m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII darstellt. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die richtigen und bereits im landgerichtlichen Beschluss vom 15. März 2023 mit zahlreichen Fundstellen aus dem zivil- und sozialrechtlichen Schrifttum belegten Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden. Diese Einordnung des Hausgrundstücks wird auch durch die Beschwerdebegründung nicht infrage gestellt. Lediglich ergänzend ist hierzu noch anzuführen, dass auch schon in der Judikatur ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 140 m2 für einen Dreipersonenhaushalt als nicht mehr „angemessen“ angesehen worden ist (z. B. OLG Celle FamRZ 2009, 532).
13
Weder die auf Anordnung des Beschwerdegerichts vorgelegten Lichtbilder zum Zuschnitt und zur Ausstattung des Wohngebäudes noch der hier in Ansatz zu bringende Immobilienwert (dazu unter II.3.) führen in der Gesamtschau aller in § 90 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 SGB XII aufgezählten Angemessenheitskriterien zu einem abweichenden Ergebnis. Vielmehr bestätigen beide Gesichtspunkte zusätzlich die richtige Beurteilung durch das Erstgericht. Auch irgendeinen besonderen Wohnbedarf (z. B. für die Versorgung behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen) hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.
14
3. Zu Recht hat das Landgericht den Einsatz des Hausgrundstücks zur Finanzierung der Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch im Übrigen als „zumutbar“ im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO angesehen.
15
a) Die Grenzen der Zumutbarkeit ergeben sich aus der entsprechenden Anwendung des Katalogs von § 90 Abs. 2 SGB XII und der Härteklausel von § 90 Abs. 3 SGB XII, und zwar stets mit Blick auf die besondere Funktion der PKH als „Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege“, die über die Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen hinausreicht (OLG Jena, Beschluss vom 4. April 2017 – 5 W 601/16, BeckRS 2017, 141025, Rn. 8). Danach hat der Bedürftige zunächst alle verfügbaren eigenen Mittel einzusetzen, bevor ihm staatliche Hilfe auf Kosten der Allgemeinheit bewilligt werden kann (OLG Jena, a. a. O.). Gleichwohl kann der Einsatz von Vermögenswerten, die der Antragsteller für eine angemessene Lebensführung benötigt, unter Umständen auch dann „unzumutbar“ sein, wenn sie – wie hier (s. o., unter II.2.) – nicht unter § 90 Abs. 2 SGB XII fallen. Solches kommt jedoch nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, weil eine allgemeine Zumutbarkeitsprüfung, welche die einschränkenden Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 und Abs. 3 SGB XII überflüssig machen würde, nicht stattfindet (OLG Jena, a. a. O., Rn. 11). Anerkannte Fallgruppen, in denen der Einsatz von Vermögen auch jenseits der Voraussetzungen des § 90 SGB XII „unzumutbar“ sein kann, sind die Verweisung auf unpfändbares oder zweckgebundenes Vermögen sowie die Unverhältnismäßigkeit des Vermögenseinsatzes (zu alledem Wache, a. a. O., ZPO § 115 Rn. 71).
16
b) Der Antragsteller beruft sich der Sache nach („atypische schwere Belastung des Vermögensinhabers“) auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt, d. h. die Unverhältnismäßigkeit des Vermögenseinsatzes aufgrund von Unwirtschaftlichkeit der Immobilienveräußerung (für eine darüber hinausgehende „Härte“ im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII ist nichts eigens dargetan). Dabei kann unentschieden bleiben, ob es rechtlich in jedem Fall zutreffen muss, dass die Verweisung des Antragstellers auf eine Prozessfinanzierung durch Aufnahme eines Immobilienkredits nicht in Betracht kommt, wenn der Antragsteller eine daraus resultierende zusätzliche Kreditbelastung voraussichtlich nicht wird tragen können (so Wache, a. a. O., ZPO § 115 Rn. 87; a. A. OLG Koblenz FamRZ 2004, 1298). Auch zu der im PKH-Bewilligungsverfahren bislang nicht angesprochenen Frage nach den Möglichkeiten einer Teilvermietung des in Rede stehenden Objekts brauchte keine Stellung genommen zu werden (dazu Wache, a. a. O.). Denn die Argumentation der Antragstellerseite, die vom Landgericht für zumutbar gehaltene Grundstücksverwertung durch Veräußerung stehe nicht in einem angemessenen Verhältnis zur beabsichtigten Rechtsverfolgung und zu den hierfür voraussichtlich anfallenden Kosten, ist nicht tragfähig. Sie leidet daran, dass ein (auf Basis von unscharfen Internetrecherchen) zu geringer erwartbarer Veräußerungserlös ansetzt worden ist.
17
aa) Handgreiflicher Ansatzpunkt für die Bewertung der Immobilie ist die vom Antragsteller beigebrachte Stellungnahme der das Projekt finanzierenden Bausparkasse vom 13. Juli 2023 zum Beleihungswert des Hausgrundstücks (z. B. OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2014, 877). Danach beträgt der Beleihungswert des Anwesens 659.000,00 €.
18
(1) Allerdings ist der Beleihungswert nicht mit dem im PKH-Bewilligungsverfahren maßgeblichen Verkehrswert der Immobilie gleichzusetzen. Das ergibt sich bereits aus § 7 Abs. 7 Satz 1 BauSparkG, wonach der bei der Beleihung angenommene Wert des Pfandobjektes (Beleihungswert) den Verkehrswert nicht übersteigen darf. Vielmehr sind bei der Feststellung des Beleihungswerts nur die dauernden Eigenschaften des Pfandobjektes und der Ertrag zu berücksichtigen, den das Pfandobjekt bei ordnungsgemäßer Wirtschaft jedem Besitzer nachhaltig gewähren kann (§ 7 Abs. 7 Satz 2 BauSparkG). Zur Ermittlung des Beleihungswerts ist die zukünftige Verkäuflichkeit der Immobilie unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objekts, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung zugrunde zu legen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BelWertV). Der Beleihungswert ist ein Dauerwert, der dazu dient, dem Kreditgeber eine verlässliche Vorstellung über die Eignung eines Grundstückes zur Absicherung eines langfristigen Kredits zu verschaffen, wobei dem Sicherheitsinteresse des Kreditgebers angesichts des ständigen Wertwandels der Objekte durch Anwendung besonderer Vorsicht Rechnung zu tragen ist, was durch behutsame Wertansätze (ohne Berücksichtigung künftiger Wertsteigerungen) sowie pauschale Abschläge und Sicherheitsspannen geschieht (vgl. Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen – heute: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin – an die Spitzenverbände der Bausparkassen vom 4. August 1980 zur Ermittlung des Beleihungswerts, bei beck-online abrufbar unter der Abkürzung „BeleihWErm“).
19
(2) Als Ausfluss dieses Vorsichtsprinzips kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass sich der Beleihungswert in einer Spanne von circa 60% bis 85% des Verkehrswerts bewegt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Juni 2016 – I-10 W 93/16, BeckRS 2016, 12247, Rn. 6). Dementsprechend nimmt die Judikatur nach den banküblichen Gepflogenheiten im Verhältnis zwischen Verkehrs- und Beleihungswert einen Abschlag (von ersterem) von wenigstens etwa 20% vor (OLG Dresden, Beschluss vom 19. Februar 2007 – 8 U 2137/06, BeckRS 2007, 13304, unter II.2.a bb (3)). Besondere Umstände, die vorliegend zu einer davon abweichenden Bewertung führen könnten (z. B. ein signifikanter und dauerhafter Preiseinbruch am einschlägigen Immobilienmarkt), sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
20
bb) Bei Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall muss dem gegenständlichen PKH-Bewilligungsverfahren bei realistischer Betrachtung – selbst wenn man zugunsten des Antragstellers einen Beleihungswertansatz der Bausparkasse auf sehr hohem Niveau (85% des Verkehrswerts) unterstellt – zugrunde gelegt werden, dass sich der Verkehrswert des Hausgrundstücks im Bereich von mindestens 775.000,00 € bewegt ((659.000,00 € : 85) x 100).
21
Ausgehend von diesem Wert würde eine Veräußerung des Hausgrundstücks auch bei unkritischer Berücksichtigung aller vom Antragsteller angesetzten Veräußerungsaufwendungen nicht zu einem unwirtschaftlichen Ergebnis führen: Nach Abzug der laut Beschwerdebegründung vom 13. April 2023 noch offenen grundstücksbezogenen Darlehensschulden in Höhe von insgesamt 607.070,50 € verbliebe als Sockelbetrag ein Verwertungserlös von knapp 168.000,00 € (775.000,00 € – 607.070,50 €). Bei zusätzlichem Ansatz der gemäß Schreiben der Bausparkasse vom 13. Juli 2023 auf die Darlehen Y1 und Y2 zu leistenden Vorfälligkeitsentschädigungen (635,43 €) sowie von Notarkosten (circa 7.000,00 €), Maklergebühren (775.000,00 € x 3,57% = 27.667,50 €) und Umzugskosten (10.000,00 €) ergäbe sich ein zu erwartender Verwertungserlös im Bereich von 122.000,00 € (167.929,50 € – 45.302,93 €). Dieser Wert übersteigt die von der Antragstellerseite prognostizierten Prozesskosten beinahe um 100.000,00 €, sodass selbst auf der Basis des Zahlenwerks des Antragstellers nicht die Rede davon sein kann, die Grundstückveräußerung erweise sich insgesamt als unwirtschaftlich.
22
4. Die aus Anlass der Beschwerde des Antragstellers vorgenommene Abänderung des Stundungsausspruchs erfolgt nicht etwa deshalb, weil die Fristsetzung des Landgerichts unangemessen kurz gewesen wäre. Es muss jedoch auch vom Beschwerdegericht berücksichtigt werden, dass sich der Antragsteller nach nunmehr abgeschlossener gerichtlicher Klärung der Verwertungsfragen bezüglich des Hausgrundstücks auf eine eventuelle Veräußerung einstellen können muss. Da die Verwertung eines selbstgenutzten Einfamilienhauses einschließlich des damit einhergehenden Familienumzugs erfahrungsgemäß eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt (die ursprünglich gewährte Stundung endet bereits in fünfeinhalb Monaten), war der Stundungsausspruch nach § 120 Abs. 1 ZPO im tenorierten Umfang auf ein aus heutiger Sicht angemessenes Maß zu erweitern.
III.
23
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
24
2. Der Festsetzung eines Wertes des Beschwerdeverfahrens bedurfte es nicht, da für das vorliegende Beschwerdeverfahren nach Nr. 1812 KV GKG eine Festgebühr von 66,00 € anfällt (vgl. Wache, a. a. O., ZPO § 127 Rn. 38; Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, KV GKG Nr. 1812 Rn. 6). Eine Gebührenermäßigung oder -nichterhebung war mit Blick auf die Ausweitung des Stundungsausspruchs nicht angezeigt.
25
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor. Die Sache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.