Titel:
Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, unangemessene Benachteiligung, Geschäftsbeziehung, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Rechtsmißbrauch, Kündigungsrecht, Genossenschaftsrecht, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Unwirksamkeit der Kündigung, Kontrahierungszwang, Abänderung des angefochtenen Urteils, Kosten des Berufungsverfahrens, Berufungsbeklagter, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Qualifizierte elektronische Signatur, Formlose Mitteilung, Abweichende Rechtsauffassung
Schlagworte:
Kündigung, Geschäftsbeziehung, Unwirksamkeit, Genossenschaftsrechte, Gleichbehandlungsgebot, Treu und Glauben, Rechtsmissbrauch
Vorinstanz:
AG Eggenfelden vom 13.04.2022 – 3 C 311/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 15.10.2024 – XI ZR 50/23
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 53304
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Eggenfelden vom 13.04.2022, Az. 3 C 311/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.000,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestehens seiner Geschäftsbeziehung zu der Beklagten.
2
Der Kläger war als Genosse Mitglied der Beklagten und unterhielt bei der Beklagten ein Girokonto mit der Nummer 2416174, ein Kreditkartenkonto mit der Nummer 832416174 und ein Depot mit der Nummer 72416174. Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 15.02.2021 die Kündigung der einzelnen Verträge mit Wirkung zum 30.04.2021.
3
Der Kläger beruft sich auf die Unwirksamkeit der Kündigung der Geschäftsbeziehung. Die Regelung § 19 (1) AGB sei gem. §§ 305 ff BGB unwirksam. Sie sei überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB und verstoße gegen § 307 BGB, weil sie mit § 1 GenG und § 11 GenG nicht vereinbar sei. Die Kündigung berücksichtige ferner die Genossenschaftsrechte des Klägers nicht und führe zu einem rechtswidrigen Beschneiden seiner Mitgliederrechte. Durch Kündigung der Geschäftsbeziehung habe die Beklagte den Kläger faktisch aus der Genossenschaft ausgeschlossen. Die Vorgehensweise verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. Art. 3 GG und stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben dar.
4
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags, der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz sowie der Anträge der Parteien in erster Instanz wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
5
Das Amtsgericht wies die Klage ab.
6
Der Kläger und Berufungskläger beantragt unter Abänderung des angefochtenen Urteils:
7
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien die Geschäftsbeziehung bestehend aus einem Girokonto mit der Nummer 2416174, einem Depot mit der Nummer 72416174 sowie einem Kreditkartenkonto mit der Nummer 832416174, MasterCard Classic mit Kartennummer … weiterhin fortbesteht.
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Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Mit Beschluss vom 26.08.2022 wies die Kammer nach vorläufiger Würdigung darauf hin, dass die Beklagte die Geschäftsbeziehung zu dem Kläger durch Kündigung vom 15.02.2021 wirksam zum 30.04.2021 beendet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Hinweis auf Bl. 202/209 d.A. Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 15.02.2023 nahm der Kläger und Berufungskläger ergänzend Stellung und wiederholte im Wesentlichen seine abweichende Rechtsauffassung.
11
Die Kammer entscheidet gemäß Beschluss vom 31.01.2023 mit Zustimmung der Parteien schriftlich gemäß § 128 Abs. 2 ZPO.
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Die Beklagte hat die Geschäftsbeziehung zu dem Kläger durch Kündigung vom 15.02.2021 zum 30.04.2021 beendet.
13
Der Beklagten stand gemäß Nr. 19 (1) der AGB der Beklagten ein jederzeitiges Kündigungsrecht zu. Das formularvertragliche Kündigungsrecht verstößt nicht gegen §§ 305 ff BGB, insbesondere kommt der Vorschrift keine unangemessen benachteiligende Wirkung i. S. d § 307 II Nr. 1 BGB zu (BGH, Urt. v. 15. 1. 2013 – XI ZR 22/12).
14
Das Recht zur Kündigung steht auch der Beklagten als …-Bank gegenüber ihren Mitgliedern zu, denn auch für die …-Bank gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit (BGH, Urteil vom 10. 11. 1977 – III ZR 39/76; so auch OLG Nürnberg, WM 1960, 890 ff, LG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2022, Az. 34 O 98/21 KfH).
15
Auch die Bestimmungen der Satzung der Beklagten führen nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Entscheidend ist insoweit, dass die Satzung der Beklagten keinen Anspruch des einzelnen Genossen auf Abschluss von Giro-/Kredit- oder Depotkonten vorsieht. Ein Kontrahierungszwang lässt sich weder unmittelbar noch mittelbar aus §§ 2 Abs. 1, Abs. 2, 11 S.1 der Satzung ableiten.
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Angesichts der zerrütteten Geschäftsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten beruhte die Kündigung auch nicht auf Willkür, sodass für ein Überschreiten der Grenze zum Rechtsmissbrauch nichts ersichtlich ist.
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Auf die Ausführungen der Kammer durch Hinweisbeschluss vom 26.08.2022 wird zur weiteren Begründung Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
19
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
20
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gem. § 47 GKG festgesetzt.
21
Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.