Titel:
Bohrung zur Vorbereitung einer Eisenbahnstrecke (Brenner-Nordzulauf)
Normenketten:
BayWG Art. 15
WHG § 6, § 12 Abs. 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1, § 47 Abs. 1
AEG § 17, § 18
Leitsätze:
1. Einwände gegen ein planfestzustellendes Vorhaben können nur Gegenstand eines gegen den auf das Vorhaben bezogenen Planfeststellungsbeschluss gerichteten Rechtsschutzverfahrens sein und nicht einer wasserrechtlichen Genehmigung einer Probebohrung. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit neben der wasserrechtlichen Zulassung eine gesonderte straßenrechtliche Zuständigkeit vorgesehen ist, darf die Wasserbehörde ihre Entscheidung nicht auf außerhalb der Wasserwirtschaft liegende Gründe stützen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bohrungen zur Vorbereitung des Neu- bzw. Ausbaus einer Eisenbahnstrecke (sog. Brenner-Nordzulauf), Vorbeugender vorläufiger Rechtschutz einer Gemeinde gegen eine beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG u.a. zur Grundwasserbenutzung durch Niederbringung einer Bohrung, Wasserrechtliches Gebot der Rücksichtnahme, Qualifizierte Betroffenheit der Gemeinde in ihrem Recht als kommunaler Träger der öffentlichen Wasserversorgung, Verschlechterungsverbot, Beschränkte Sachentscheidungskompetenz der Wasserbehörde, Keine allgemeine Befugnis der Gemeinde als Sachwalter allgemeiner öffentlicher Belange
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.07.2023 – 8 CS 23.517
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5320
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin ist eine kreisangehörige Gemeinde und wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zur Niederbringung einer Bohrung.
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Die Beigeladene ist Vorhabenträgerin des Neu- bzw. Ausbaus einer Eisenbahnstrecke (sog. Brenner-Nordzulauf). Sie hat den Antrag auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens noch nicht gestellt, bereitet derzeit aber die Planungen vor und hat in diesem Zusammenhang den Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis hinsichtlich einer Untergrund- und Grundwassererkundung gestellt.
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Mit Bescheid vom 27. Januar 2023 erteilte ihr der Antragsgegner auf Antrag vom 8. Dezember 2022 hin nach §§ 8, 10 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG die widerrufliche beschränkte Erlaubnis zur Niederbringung einer Bohrung mit Ausbau zu einer 5-Zoll-Grundwassermessstelle (DN …) auf dem Grundstück FINr. 2…4 der Gemarkung und Gemeinde S… (vgl. Nr. I des Bescheidstenors). Die erlaubte Benutzung diene der Untergrund- und Grundwassererkundung für die Korridoranalyse zum Neubau einer Eisenbahnstrecke (Brenner-Nordzulauf) und ergänze die Bohrkampagne von 2021 für den Planungsraum östlich von R. im Gemeindegebiet S… Bei dem Vorhaben handele es sich um Gewässerbenutzungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 WHG, die geeignet seien, dauernd oder in einem nicht unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der Beschaffenheit des Grundwassers herbeizuführen. Die Bohrung werde voraussichtlich bindige Moränenabschnitte und tertiäre Beschichtungen durchörtern und gegebenenfalls tiefere Grundwasserleiter mit unterschiedlichen Druckpotentialen und verschiedenem Chemismus erschließen, für die nach § 8 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG eine behördliche Gestattung erforderlich sei. Die Erlaubnis habe erteilt werden können, da Versagungsgründe nach § 12 WHG nicht vorlägen.
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Der Antragsgegner verfügte außerdem verschiedene Inhalts- und Nebenbestimmungen und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit der mit dem streitgegenständlichen Bescheid erteilten Gestattung an (vgl. Nr. II, III des Bescheidstenors).
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Die Antragstellerin erhob gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 17. Februar 2023 Klage, die bei Gericht unter M 31 K 23.756 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist. Sie beantragte zugleich,
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die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den gegenüber der Beigeladenen erlassenen Bescheid vom 27. Januar 2023 wiederherzustellen.
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Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, das Vorhaben Brenner-Nordzulauf beeinträchtige insbesondere in der Trassenführung „pink“ massiv die schützenswerten Interessen der Antragstellerin und ihrer Bürger. Wie bereits in den anderen vor dem Verwaltungsgericht München und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren ausgeführt und unter Beweis gestellt, werde die beabsichtigte Baumaßnahme das äußerst schützenswerte Trinkwasservorkommen „Ö.“ zerstören, dessen Ausweisung zum Wasserschutzgebiet bevorstehe. Dies führe dazu, dass eine ausreichende Versorgung der Gemeindebürger und auch der Stadt R., die im Rahmen einer Notversorgung verbunden sei, nicht mehr gewährleistet werden könne. Hier gebe es inzwischen auch größte Bedenken von Seiten des zuständigen Wasserwirtschaftsamtes R.. Die hier streitgegenständliche Bohrung liege nicht mehr auf der gewählten Trassenführung, sodass von vornherein nicht ersichtlich sei, weshalb an dieser Bohrung noch Interesse bestehe. Mit der Bohrung sei eine massive Zerstörung und Beeinträchtigung der schützenswerten Landschaft verbunden, da das Grundstück FlNr. 2…4 der Gemarkung S… im unmittelbaren nördlichen Anschluss an das Landschaftsschutzgebiet „Schutz des Simssees und seiner Umgebung“ liege und an das Grundstück FlNr. 2…5 der Gemarkung S… angrenze, auf dem sich eine im Ökoflurkataster ausgewiesene Fläche befinde. Außerdem sei festzustellen, dass die Zufahrt zu dem Bohrgrundstück nur über den im Eigentum der Klägerin stehenden Bahnweg FlNr. 5…1 der Gemarkung S… möglich sei, der jedoch nur als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmet sei. Die Vornahme der Bohrung sei somit nur unter benutzungswidriger Inanspruchnahme gemeindlicher Flächen möglich. Auch stehe es außer Frage, dass durch ein Befahren mit schwerem Gerät der öffentliche Feld- und Waldweg massiv zu Schaden kommen werde. Ein öffentliches Interesse an einer baldigen Erkundung möglicher Trassen für den Brenner-Nordzulauf liege nicht vor, die Antragstellerin warte vielmehr seit geraumer Zeit auf eine entsprechende Stellungnahme. Die durch die Baumaßnahmen für den Brenner-Nordzulauf bedingte Zerstörung schützenswerter Landschaften und Gefährdung schützenswerter Trinkwasservorkommen liege keineswegs im öffentlichen Interesse.
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Antragsgegner und Beigeladene verteidigen den Bescheid und beantragen jeweils,
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Eil- und des Hauptsacheverfahrens sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist bereits unzulässig (I.), im Übrigen ist er auch unbegründet (II.).
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I. Der Antragstellerin fehlt die Antragsbefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO entsprechend anzuwenden ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2010 – 8 CS 10.1527 – juris Rn. 5).
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1. Die Antragstellerin sieht sich durch das Bauvorhaben des Brenner-Nordzulaufs insbesondere in der (künftigen) Erfüllung ihrer kommunalen Aufgabe der Trinkwasserversorgung beeinträchtigt. Sie sei deshalb bereits durch das streitgegenständliche Bohrvorhaben auf dem Grundstück FlNr. 2…4 der Gemarkung S… in ihren Rechten verletzt.
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Mit diesem Vortrag zeigt die Antragstellerin keine Umstände auf, aus der sich die auch nur mögliche Verletzung eigener Rechte durch den streitgegenständlichen Bescheid ergeben könnte.
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Die von der Antragstellerin maßgeblich postulierte Rechtmäßigkeitsverknüpfung zwischen dem vorliegenden streitgegenständlich-wasserrechtlichen Vorhaben für eine Bohrung zur Untergrund- und Grundwassererkundung für die Korridoranalyse zum Neubau des Brenner-Nordzulaufs und dem Neu- bzw. Ausbau des Brenner-Nordzulaufs als solchen besteht nicht und kann deshalb auch keine Antragsbefugnis gegen das Bohrvorhaben begründen. Die Existenz bzw. Rechtmäßigkeit eines Planfeststellungsbeschlusses nach § 18 Abs. 1 AEG ist, ebenso wie auch die anderer, gegebenenfalls erforderlicher fachgesetzlicher Erlaubnisse für planvorbereitende Vorarbeiten nach § 17 AEG (oder auch etwaige künftige vorbereitende Maßnahmen; vgl. § 18 Abs. 2 AEG), keine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit für die streitgegenständliche wasserrechtliche Erlaubnis. Einwände gegen das planfestzustellende Vorhaben selbst können nur Gegenstand eines gegen den auf das Vorhaben bezogenen Planfeststellungsbeschluss gerichteten Rechtsschutzverfahrens sein, weil andernfalls die Voraussetzungen für eine vorbeugende Unterlassungsklage bzw. einen vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz gegen ein sich noch im Stadium der Planung befindliches (planfeststellungsbedürftiges) Vorhaben unterlaufen würde (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2022 – 7 VR 3/22 – Rn. 10 in einem Verfahren der Antragstellerin; BVerwG, B.v. 21.3.2022 – 7 VR 1/22 – juris Rn. 10 in einem Verfahren im Gemeindegebiet der Antragstellerin).
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Vorbeugender Rechtsschutzes ist nur zulässig, wenn die Antragstellerin ein entsprechend qualifiziertes, nämlich auf die Inanspruchnahme gerade vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse aufweisen könnte (vgl. BVerwG, GB v. 9.7.2020 – 7 A 1/20 – juris Rn. 10). Dies ist nicht der Fall, weil nicht ersichtlich ist, dass die Antragstellerin zur Wahrung ihrer Rechte auf die Inanspruchnahme gerade vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen wäre und ihr deshalb die von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen – auch vorläufigen – Rechtsschutzformen nicht zumutbar wären. Vollendete Tatsachen, die der Gewährung effektiven Rechtsschutzes entgegenstehen, werden mit der hier angefochtenen Bohrmaßnahme der beigeladenen Vorhabenträgerin nicht geschaffen (vgl. zum gesamten Vorstehenden bereits VG München, B.v. 2.12.2022 – M 31 S 22.5826 – juris Rn. 14 f. zu einem weiteren Bohrvorhaben der Beigeladenen im Gemeindegebiet der Antragstellerin).
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Zudem ist nichts dafür ersichtlich, dass das Bohrvorhaben zur Erkundung und Untersuchung der Untergrund- und Grundwasserverhältnisse für die Trassenplanung des Brenner-Nordzulaufs im Planungsraum östlich von R. nicht mehr erforderlich wäre. Dem Vortrag der Antragstellerin, die streitgegenständliche Bohrung liege nicht mehr auf der gewählten Trassenführung, sodass nicht ersichtlich sei, weshalb an ihr noch Interesse bestünde, ist die Beigeladene ausdrücklich entgegengetreten. Danach ist eine Festlegung der Trasse in der Vorplanung bisher nicht erfolgt, vielmehr würden verschiedene Trassenalternativen und Varianten mit dem Ziel untersucht, in einem nächsten Schritt durch Abwägung eine Vorzugstrasse zu ermitteln. Ein Entfall des Sachbescheidungsinteresses steht somit nicht inmitten. Zudem könnte sich die Antragstellerin hierauf ohnehin nicht berufen, da ein entsprechender Verstoß, der gegebenenfalls im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens nach § 12 Abs. 2 WHG eine Rolle spielte, als solcher keinen Eingriff in eine geschützte Rechtsposition der Antragstellerin auslösen würde (vgl. z.B. Fellenberg/Schiller in GK-WHG, 2021, § 12 Rn. 76 m.w.N.). Individuelle Belange Dritter, die zum Kreis der rechtmäßigen Wasserbenutzer und derjenigen Personen zählen, deren Belange nach den Umständen des Einzelfalls von der Benutzung in qualifizierter und individualisierter Weise betroffen werden, sind auch im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens nur nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots geschützt (vgl. BVerwG, U.v. 12.4.2018 – 3 A 16.15 – juris Rn. 19; dazu sogleich nachfolgend unter 2.).
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2. Auch eine anderweitige eigenständige Rechtsverletzung der Antragstellerin durch das mit der angefochtenen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis zugelassene Bohrvorhaben ist nicht ersichtlich. Es fehlt an der Möglichkeit einer Verletzung sowohl des wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebots und des Verschlechterungsverbots (2.1) als auch sonstiger prüfungsgegenständlicher und drittschützender Rechtspositionen der Antragstellerin (2.2 und 2.3).
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2.1 Eine auch nur denkbare Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet vorliegend aus. Das in § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG verankerte wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot gebietet, im Rahmen der Ermessensbetätigung bei Erteilung einer beschränkten Erlaubnis nach §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Alt. 1 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG Belange Dritter einzubeziehen, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden können. Dieser Personenkreis hat einen Anspruch auf ermessensgerechte – d.h. insbesondere rücksichtnehmende – Beachtung und Würdigung seiner Belange (vgl. aktuell z.B. BayVGH, B.v. 11.2.2020 – 8 ZB 19.1481 – juris Rn. 12 m.w.N.).
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Zwar kann sich die Antragstellerin in individueller Hinsicht als kommunaler Träger der öffentlichen Wasserversorgung, dessen Aufgabe die örtliche Wasserversorgung ist (Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO i.V.m. § 50 Abs. 1 WHG), auf das in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG verankerte wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot stützen.
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Jedoch fehlt es von vornherein an einer auch nur möglichen qualifizierten Betroffenheit der Antragstellerin. Als Rechtsposition kommt insoweit nur das Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 11 Abs. 2 BV in Betracht, dessen Verletzung in Fällen wie diesen voraussetzt, dass die Wasserversorgung als gemeindliche Einrichtung erheblich gefährdet wäre, indem entweder in die bauliche Anlage der Einrichtung selbst eingegriffen würde oder diese in ihrer Funktionsfähigkeit entweder zerstört oder erheblich beeinträchtigt würde; dies kann auch durch Einwirken auf das Grundwasser in unmittelbarer Nähe der Brunnen geschehen (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 37). Unabhängig hiervon kann sie sich aber nicht zum Sachwalter von Belangen der Allgemeinheit machen.
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Diese Voraussetzungen nicht sind erfüllt. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, auf welche Weise die von der streitigen Erlaubnis umfassten Maßnahmen auf einem Grundstück, das nicht im Eigentum der Antragstellerin, sondern der Beigeladenen steht, die Antragstellerin verletzen können. Nach der gutachtlichen Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes R. vom 20. Januar 2023 ist die verfahrensgegenständliche Bohrung und Gewässerbenutzung zur Untergrund- und Grundwassererkundung unter Beachtung der im streitbefangenen Bescheid umgesetzten Inhalts- und Nebenbestimmungen wasserwirtschaftlich möglich. Dieser Beurteilung des zuständigen Wasserwirtschaftsamts als kraft Gesetzes eingerichteter Fachbehörde (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) kommt besondere Bedeutung zu (vgl. aktuell z.B. BayVGH, U.v. 16.8.2022 – 8 N 19.1138 – juris Rn. 61). Ihr ist die Antragstellerin nicht ansatzweise substantiiert entgegengetreten. Schädliche, auch durch Nebenbestimmungen nicht vermeidbare oder nicht ausgleichbar Gewässerveränderungen i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG sind vorhabenbedingt sonach nicht zu erwarten.
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Nichts anderes gilt für die Antragstellerin in ihrer Funktion als örtlicher Trinkwasserversorger auch mit Blick auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot aus § 47 Abs. 1 WHG. Dies insbesondere auch deswegen, weil sie nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beigeladenen in Ermangelung einer ihr hierzu erteilten wasserrechtlichen Gestattung schon nicht zur Grundwasserentnahme aus dem Brunnen Ö. berechtigt ist, wobei die südliche Grenze des hierfür geplanten Wasserschutzgebietes ohnehin ca. 1,3 km nördlich des hier streitigen Vorhabens zu liegen kommen soll.
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2.2 Soweit sich die Antragstellerin auf Belange des Natur- und Landschaftsschutzes beruft und dabei insbesondere eine Beeinträchtigung des Landschaftsschutzgebiets „Schutz des Simssees und seiner Umgebung “ als auch einer gelisteten Ökofläche auf dem benachbarten Grundstück FlNr. 2…5 der Gemarkung S… – das allerdings ebenso wie das verfahrensgegenständliche Grundstück FlNr. 2…4 im Eigentum der Beigeladenen steht – rügt, besteht ebenfalls keine Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten.
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Die Antragstellerin ist auch insoweit auf die Rüge von Vorschriften beschränkt, die ihrem Schutz dienen. Weder die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 11 Abs. 2 BV verbürgte Selbstverwaltungsgarantie und Planungshoheit noch das Eigentum am benachbarten Wegegrundstück FlNr. 5…1 der Gemarkung S… (Bahnweg) vermitteln ihr einen Anspruch auf vollumfängliche Überprüfung der angegriffenen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis (vgl. statt vieler aktuell z.B. BVerwG, U.v. 9.12.2021 – 4 A 2/20 – juris Rn. 16). Im Gegenteil ist eine Gemeinde im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes außerhalb des – hier nicht eröffneten – Anwendungsbereichs von § 36 BauGB (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 – juris Rn. 34; VG München, U.v. 5.6.2018 – M 2 K 17.1637 – juris Rn. 27) nicht befugt, als Sachwalterin Belange des Gemeinwohls – hier Belange des Schutzes von Natur und Landschaft – geltend zu machen.
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Auch in der Sache selbst ist der gerügte Verstoß gegen Belange des Natur- und Landschaftsschutzes nach Aktenlage nicht zu erkennen. Nach der naturschutzfachlichen Beurteilung der Beigeladenen (Anlage 4 zum Antrag der Beigeladenen vom 8.12.2022) ist keine vorhabenbedingte Beeinträchtigung der Schutzziele des benachbarten Landschaftsschutzgebietes „S.. und seine Umgebung“ und der Ökofläche 1… auf dem angrenzenden Grundstück FlNr. 2…5 der Gemarkung S… zu besorgen. Dem ist die Antragstellerin ebenfalls nicht substantiiert entgegengetreten.
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2.3 Ebenso wenig kann die Antragstellerin ihre Antragsbefugnis mit dem Vortrag begründen, die Vornahme der Bohrung sei nur unter rechtswidriger Inanspruchnahme eines gemeindlichen Wegegrundstücks möglich. Die Zufahrt sei nur über den im Eigentum der Antragstellerin stehenden Bweg auf dem Grundstück FlNr. 5…1 der Gemarkung S… möglich; dieser sei jedoch nur als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmet. Zudem stehe es außer Frage, dass dieser Weg durch ein Befahren mit schwerem Gerät massiv zu Schaden kommen werde. Auch hieraus ergibt sich keine für das vorliegende Verfahren erhebliche, auch nur mögliche Rechtsverletzung der Antragstellerin.
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2.3.1 Fragen des räumlichen und sachlichen Umfangs des Gemeingebrauchs am nach Angaben der Antragstellerin als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmeten Bahnweg auf dem Grundstück FlNr. 5…1 der Gemarkung S… und seiner Abgrenzung zur Sondernutzung sind vorliegend nicht entscheidungsmaßstäblich, da sie – auch mit Blick auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG – nicht vom Prüfprogramm der streitbefangenen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis erfasst sind.
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Nach Art. 53 Nr. 1, Art. 56 BayStrWG ist das Benutzungsregime an öffentlichen Feld- und Waldwegen einem gesonderten (Verwaltungs-) Verfahren überantwortet, sodass die Sachentscheidungskompetenz der Wasserbehörde mit Blick auf die Prüfung dieser spezifischen öffentlichen Belange begrenzt ist. Damit ist normativ zum Ausdruck gebracht, dass sich die Wasserbehörde einer entsprechenden Prüfung zu enthalten hat (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.1989 – 4 C 30/88 – juris Rn. 17). Der beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis nach §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Alt. 1 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG kommt bundesrechtlich keine Konzentrationswirkung zu; nichts anderes ergibt sich aus dem Landesrecht (vgl. Art. 69 Satz 2 BayWG; vgl. Fellenberg/Schiller in GK-WHG, 2021, § 12 Rn. 31; Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 12 Rn. 30). Soweit neben der wasserrechtlichen Zulassung eine gesonderte straßenrechtliche Zuständigkeit (vgl. hier Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG) mit einem einschlägigen straßenrechtlichen Verfahren (Art. 53 Nr. 1, Art. 56 BayStrWG) vorgesehen ist, darf die Wasserbehörde ihre Entscheidung nicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG auf etwaige außerhalb der Wasserwirtschaft liegenden Gründe stützen. Die Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung ist unabhängig vom vorliegenden wasserrechtlichen Verfahren isoliert straßenrechtlich klärungsfähig (vgl. zum Rechtsschutz von Nutzungsprätendenten gegenüber dem Straßenbaulastträger im Rahmen von Art. 53 Nr. 1 BayStrWG namentlich BayVGH, U.v. 27.2.2014 – 8 B 12.2268 – juris Rn. 32 ff.) und – unabhängig davon – gegebenenfalls auch einer Anordnung nach § 17 AEG zugänglich (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2022 – 7 VR 3.22 – juris Rn. 11 und 13).
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Lediglich ergänzend und ohne dass es mit Blick auf das Vorstehende vorliegend darauf ankommt, ist darauf hinzuweisen, dass öffentliche Feld- und Waldwege nach Art. 53 Nr. 1 BayStrWG der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken dienen. Die Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken ist jedoch nicht mit land- und forstwirtschaftlicher Benutzung gleichzusetzen. Wenn die öffentlichen Feld- und Waldwege auch ihrem überwiegenden Zweck nach der Bewirtschaftung gerade solcher (Außenbereichs-) Grundstücke dienen, so wird der Gemeingebrauch an ihnen doch nicht auf einen beschränkten Personenkreis begrenzt, insbesondere auch nicht auf die Personen, die den Weg zur Bewirtschaftung der Grundstücke nutzen (vgl. BayVGH aaO Rn. 39; Schmid in Zeitler, BayStrWG, Stand 31. EL September 2021, Art. 53 Rn. 10). Die Klassifizierung zum öffentlichen Feld- und Waldweg wird im Übrigen auch nicht dadurch gehindert, dass der Weg – untergeordnet neben einer land- und fortwirtschaftlichen Hauptnutzung – auch noch anderen Zwecken dient, beispielsweise der Verbindung einzelner Anwesen im Außenbereich mit dem übergeordneten Straßennetz (vgl. Schmid aaO). Dem Bahnweg kommt nach den im behördlichen Verfahren vorgelegten Lageplan sowie ausweislich im Internet frei zugänglicher Luftbilder und Karten offensichtlich auch eine Erschließungsfunktion für Gebäude im Außenbereich des Gemeindegebiets der Antragstellerin zu; eine solche Funktion dürfte ebenso für das Grundstück FlNr. 2…4 der Gemarkung S… gegeben sein und sich dabei auch auf die Zuwegung für das streitige Bohrvorhaben der Beigeladenen erstrecken.
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2.3.2 Zutreffend geht der angefochtene Bescheid in seinen Hinweisen (dort S. 12 unten unter Nr. 1) schließlich davon aus, dass die streitbefangene beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis nicht das Recht gewährt, Grundstücke, Gegenstände und Anlagen Dritter zu benutzen und die privatrechtliche Verfügungsbefugnis unabhängig vom streitbefangenen Bescheid begründet werden muss. Die entsprechenden Einwendungen, die auf dem zivilrechtlichen Eigentum der Antragstellerin am benachbarten Grundstück FlNr. 5…1 der Gemarkung S… fußen, sind vorliegend nicht prüfungsgegenständlich (vgl. auch Fellenberg/Schiller in GK-WHG, 2021, § 12 Rn. 79).
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II. Unabhängig von Vorstehenden ist der Antrag auch unbegründet.
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1. Der Antragsgegner hat die sofortigen Vollziehung der mit dem streitbefangenen Bescheid erteilten beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis und der dort verfügten Anordnung von Inhalts- und Nebenbestimmungen zugunsten der Beigeladenen in Nr. III des Tenors des streitbefangenen Bescheids gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet und unter Beachtung von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich unter Nr. 3.2.2 der Bescheidsbegründung dargelegt. Mit diesen Ausführungen genügt der Antragsgegner sowohl der mit § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verfolgten adressatenorientierten Informationsfunktion als auch der darin ebenfalls zum Ausdruck kommenden behördenorientierten Warnfunktion (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.2023 – 8 CS 22.2481 – juris Rn. 24). Es zeigt sich, dass der Antragsgegner nicht lediglich die von der Beigeladenen in ihrem Antrag vom 8. Dezember 2022 angeführte Begründung für die sofortige Vollziehung übernommen hat (vgl. dort S. 8), sondern sich vertieft und mit eigener Begründung mit der ausnahmsweisen Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung der Nr. I und II des streitbefangenen Bescheids sowohl im überwiegenden öffentlichen Interesse als auch im überwiegenden Interesse der Beigeladenen abwägend auseinandergesetzt hat.
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2. Im Rahmen der nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die angegriffene beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis als rechtmäßig (2.1), wobei auch ein besonderes Vollzugsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besteht (2.2).
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2.1 Wie vorstehend bereits ausgeführt, begegnen der streitbefangenen beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis mit Blick auf den Drittschutz der Antragstellerin keine Bedenken. Es ist nicht ersichtlich, auf welche Weise die zugelassene Gewässerbenutzung eine Verletzung drittschützender Rechte der Antragstellerin im Vollzug des konkreten wasserrechtlichen Erlaubnisverfahrens auslösen könnte. Weder die Existenz einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung noch das Vorliegen etwaiger sonstiger öffentlicher Erlaubnisse für die Realisierung des Brenner-Nordzulaufes noch das Durchlaufen vorgängiger Verfahrensschritte hierzu (vgl. insbesondere § 17 AEG) ist Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der hier streitigen wasserrechtlichen Erlaubnis. Der vorhabenbezogenen gutachtlichen Beurteilung des Wasserwirtschaftsamt R. als Fachbehörde ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten, sodass weder ein Verstoß gegen das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot noch gegen das Verschlechterungsverbot vorliegen. Auf Belange des Naturschutzrechts kann sich die Antragstellerin als Gemeinde im Rahmen der Drittanfechtung der streitbefangenen Erlaubnis mit nur beschränktem Regelungsgegenstand vorliegend ebenso wenig berufen wie auf den Schutz ihres zivilrechtlichen Eigentums am benachbarten Wegegrundstück durch vorhabenbezogenen Verkehr. Gleiches gilt mit Blick auf die Frage, ob dadurch gegebenenfalls die Grenze des Gemeingebrauchs nach Art. 53 Nr. 1 Bay-StrWG überschritten wird.
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2.2 Schließlich besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Zutreffend geht der Antragsgegner davon aus, dass sich dieses maßgeblich daraus ergibt, dass die streitgegenständliche wasserrechtliche Erlaubnis den von der Beigeladenen vorgesehenen Baugrunduntersuchungen zur Vorbereitung der Planung für den Brenner-Nordzulauf dient und dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt, da es sich bei der Erkundung möglicher Trassen um ein Vorhaben von überragender Bedeutung sowohl im regionalen, nationalen als auch internationalen Zusammenhang handelt. Damit rekurriert der Antragsgegner zutreffend maßgeblich auf die Indizwirkung für ein besonderes Vollzugsinteresse, die sich normativ für dieses eisenbahnrechtliche Vorhaben aus § 18e Abs. 2 Satz 1 AEG ergibt und auch hier wirkt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich somit auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 Alt. 1 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.