Inhalt

VG München, Urteil v. 14.03.2023 – M 5 K 20.30076
Titel:

erfolglose Asylklage mangels glaubhaften Vortrags

Normenketten:
Art. 16a Abs. 1
AsylG § 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Ein gänzlich unglaubhafter, in der mündlichen Verhandlung gegenüber den Angaben beim Bundesamt abweichender und gesteigerter Vortrag vermag nicht zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu führen. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Unglaubhaft, Unechtes „release on bond“, Nichtstaatliche Bedrohung (Ehemann), Polizei schutzbereit und –fähig, Anerkennung als Asylberechtigte, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, release on bond, häusliche Gewalt, unglaubhafter Vortrag
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5319

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die 1984 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige. Sie reiste am … Juni 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier am … Juni 2019 einen Asylantrag.
2
Bei ihrer Anhörung trug die Klägerin vor, ihr Mann habe sie ständig geschlagen, beleidigt und mit einem Messer verletzt. Sie habe ihn angezeigt, er sei zwar inhaftiert aber nach zwei Monaten wieder entlassen worden. Sie habe sich dann bei einer Freundin versteckt. Ihr Mann habe sie suchen lassen und sie nach zwei Wochen entdeckt. Ihre Freundin und sie seien daraufhin geschlagen worden. Die Klägerin habe sich darauf an einem anderen Ort versteckt und sei nur zur Arbeit gegangen, denn die Polizei habe ihr nicht helfen können. Ihr Mann habe im Juni 2018 angekündigt, sie überall zu suchen und umzubringen, ansonsten würde er Rache an den Kindern nehmen. Am … Oktober 2018 sei die Klägerin von der Polizei für zwei Tage festgenommen worden, da ihr Ehemann sie fälschlicherweise aufgrund eines angeblichen Diebstahls angezeigt habe. Im März 2019 habe sie ein Visum für Deutschland beantragt und sie sei am … Mai 2019 ausgereist.
3
Mit Bescheid vom … Januar 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Am 14. Januar 2020 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … Januar 2020 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen.
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3. Hilfsweise:
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Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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4. Weiter hilfsweise:
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Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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5. Weiter hilfsweise:
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Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG bestehen.
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Die Beklagte hat die Akte vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
14
Am 13. März 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 13. März 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Aner kennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes/GG) bzw. die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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a) Der von der Klägerin geschilderte Vortrag, ihr Ehemann habe sie mit dem Tod bedroht und bedrohe sie noch immer, ist unglaubhaft.
19
Soweit die Klägerin ein Formular „release on bond“ vom … Oktober 2018 zur Glaubhaftmachung ihrer Verfolgungsgeschichte beim Bundesamt vorgelegt hat, ist diesem Dokument jede Authentizität abzusprechen. Mit diesem Formular soll die Entlassung der Klägerin, die dort namentlich genannt ist, gegen Kaution aus der Polizeihaft dokumentiert werden. Der Tatvorwurf, der dort gegen die Klägerin genannt ist, lautet auf „domestic violence“ – übersetzt: häusliche Gewalt. Wie die Klägerin aber beim Bundesamt wie auch in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, habe ihr Mann sie bei der Polizei wegen eines angeblichen Diebstahls angezeigt. Damit steht dieser angebliche Tatvorwurf nicht in Einklang mit den Angaben der Klägerin. Soweit der Klägerbevollmächtigte meint, dass dieser Tatvorwurf aus dem Verfahren gegen ihren Ehemann übernommen worden sei, ist dieser Einwand völlig unplausibel. Denn es macht keinen Sinn, zwei Tatvorwürfe mit erheblichem zeitlichen Abstand zueinander und völlig anderem Tatvorwurf unter einem Aktenzeichen anzulegen. Zudem fehlt in dem Formular jeder Hinweis auf den Namen des Ehemanns. Schließlich ist auf Seite 135 der Bundesamtsakte eine Vorladung betreffend den Ehemann zur Polizei vom … März 2018 enthalten, die ein völlig anderes Aktenzeichen trägt …*). Daher bedingt auch das Argument, dass das Dokument in dem Verantwortungsbereich der Polizei zuzuschreiben sei, nichts Anderes. Um das in dem Dokument verlautbarte plausibel zu belegen, muss es nachvollziehbar und stimmig ausgefüllt sein. Das ist hier nicht der Fall. Zudem ist in den beiden Rubriken des Formulars, in denen die Summe der Sicherheitsleistung anzugeben ist, die verfällt, wenn die Betroffene nicht wieder bei der Polizei erscheint, nicht ausgefüllt. Das ist widersinnig. Es kann auch nicht so sein, dass auf die Stellung einer Kautionssumme verzichtet worden wäre. Denn dann wäre die Angabe von zwei Bürgen am Ende des Formulars für die Sicherheitsleistung unnötig.
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Die Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin wird auch dadurch unterstrichen, dass sie abweichend und steigernd in der mündlichen Verhandlung gegenüber ihrem Vortrag beim Bundesamt angegeben hat, dass ihr Mann angeblich bei einer Sicherheitsgruppe mit dem Namen „ISO“ tätig sei, die mit der Polizei und der Armee zusammenarbeite. Das gilt auch für den Vortrag in der mündlichen Verhandlung, dass ihr eine Polizistin im Rahmen ihrer Freilassung geraten haben soll, das Land zu verlassen.
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Schließlich war auch die Angabe der Klägerin über die angebliche Inhaftierung des Ehemanns der Klägerin in der mündlichen Verhandlung abweichend gegenüber ihren Angaben beim Bundesamt. Beim Bundesamt hat sie angegeben, dass ihr Mann im Juni 2018 aus der Haft entlassen worden sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie angegeben, dass er zwei bis drei Monate vor ihrer Inhaftierung freigelassen worden sei. Das wäre aber Juli/August 2018 und nicht Juni 2018. Diese voneinander abweichenden Angaben sind aber nicht in Einklang zu bringen und unterstreichen den Eindruck, dass die Klägerin kein tatsächlich erlebtes Geschehen, sondern eine frei erfundene Geschichte vorgetragen hat.
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Die Angaben der Klägerin für die Steigerungen bzw. Widersprüche, dass die Anhörerin beim Bundesamt krank gewesen sei und die Anhörung deshalb immer wieder habe unterbrochen werden müssen, wie auch, dass die Dolmetscherin nicht sehr gut gewesen sei, verfängt nicht. Denn die Klägerin hat sowohl im Anhörungsprotokoll (Bl. 122 der Bundesamtsakte) ausdrücklich angegeben, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe, das Protokoll wurde ihr auch rückübersetzt. Zudem hat sie im Kontrollbogen (Bl. 123 der Bundesamtsakte) die Vollständigkeit und Richtigkeit der Niederschrift ein weiteres Mal bestätigt. Irgendwelche Unstimmigkeiten sind von der Klägerin nicht vorgetragen worden, auch nicht zeitnah nach der Anhörung. Zudem ist im Anhörungsprotokoll ausdrücklich eine Pause von 10 Minuten angegeben (Bl. 119 der Bundeamtsakte), aber keine weiteren Unterbrechungen.
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Da der Grundvortrag der Klägerin unglaubhaft ist, gilt das auch die vorgetragenen Tötungen der Schwester und des Vaters der Klägerin durch ihren Ehemann in der mündlichen Verhandlung ebenso wie die angebliche Droh-E-Mail des Mannes gegenüber der Klägerin.
24
b) Von der völligen Unglaubhaftigkeit des Vortrags abgesehen würden die von der Klägerin vorgetragenen Drohungen nicht an asylerhebliche Merkmale im Sinn des Art. 16a Abs. 1 GG anknüpfen (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Auflage 2020, Art. 16a Rn. 11 ff.). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes /AsylG ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. Eine Verfolgung i.S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (VG Augsburg, B.v. 6.4.2017 – 4 S 17.31616 – juris Rn. 17).
25
Die vorgetragenen Drohungen durch den Ehemann der Klägerin knüpfen nicht an asylerhebliche Merkmale an. Denn dieser hat aus privaten Motiven die Klägerin angeblich mit dem Tod bedroht. Eine irgendwie geartete politische Dimension dieser Tat oder der Drohungen wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Im Übrigen ist der ugandische Staat grundsätzlich schutzbereit und -fähig (Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017, S, 7 ff. -trotz Korruption). Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden.
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
27
Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG liegen nicht vor.
28
d) Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
29
Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom … Januar 2020 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
30
2. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
31
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.