Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 20.03.2023 – 11 W 3036/22
Titel:

Übernahme eines amerikanischen Zwischennamens in ein deutsches Geburtenbuch

Normenketten:
BGB § 1617a Abs. 1
PStV § 23 Abs. 2, Abs. 3
PStG § 47, § 48 Abs. 1 S. 1
EGBGB Art. 10 Abs. 1, Art. 48
Leitsätze:
1. Ein abgeschlossener Registereintrag darf, sofern kein Fall des § 47 PStG vorliegt, nach § 48 Abs. 1 S. 1 PStG nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen, welches von der Richtigkeit der beantragten Eintragung, an deren Nachweis strenge Anforderungen gestellt werden, überzeugt sein muss. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prüfung der Eintragung von Vor- und Familienname in das Geburtenbuch kommt es darauf an, ob die fremden Rechtserscheinungen das deutsche Tatbestandsmerkmal ausfüllen, dh „substituieren“, wobei danach gefragt wird, ob sie den deutschen Tatbestandsmerkmalen „gleichwertig“ oder „funktionsäquivalent“ sind. (Rn. 16 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Standesamtaufsicht, doppelseitige Stellvertreterehe, Vaterschaftsanerkennung, Geburtenregister, Zwischenname, ausländische Namensführung
Vorinstanz:
AG Weiden, Beschluss vom 23.08.2022 – UR III 10/22
Fundstellen:
MDR 2023, 915
FamRZ 2023, 1625
StAZ 2023, 183
LSK 2023, 5300
BeckRS 2023, 5300

Tenor

I. Die Beschwerde der Standesamtsaufsicht gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. vom 23. August 2022 wird zurückgewiesen.
II. Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Standesamtsaufsicht gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Berichtigung eines Geburtenregistereintrags.
2
Das Kind … wurde am … in W. i.d. OPf. geboren. Mutter des Kindes ist die deutsche Staatsangehörige …. Die Geburt wurde beim Standesamt unter der Registernummer ... beurkundet. Nachdem im Zeitpunkt der Geburt noch keine Vaterschaftsanerkennung vorlag, wurde die Geburt des Kindes ohne Eintragung des Vaters beurkundet. Das Kind erhielt gemäß § 1617a Abs. 1 BGB den Familiennamen der Mutter als Geburtsnamen.
3
Am 30.07.2021 schlossen die Eltern im Wege einer doppelseitigen Stellvertreterehe beim Standesamt in K., Bundesstaat Montana, Vereinigte Staaten von Amerika, die Ehe.
4
Mit Urkunde vom 27.08.2021 (Urkundenregister Nr. …) erkannte der Vater vor dem Stadtjugendamt W. in der Oberpfalz die Vaterschaft für das Kind an. Die Mutter stimmte mit Urkunde vom selben Tag (Urkundenregister Nr. …) der Anerkennung der Vaterschaft zu.
5
Die Eintragung der Vaterschaftsanerkennung in das Geburtenregister erfolgte am 31.08.2021 mit folgenden Angaben zum Vater:
Familienname:
Vorname(n) A. J. (Vorname und Mittelname)
Geschlecht: männlich
6
Die Namensangaben beruhen auf der amerikanischen Geburtsurkunde des Vaters, ausgestellt durch das Department of Health, State of Washington, am 02.01.2019, in der die Namen des Vaters „A. J.“ als „first and m. n.(s)“ und der Name „…“ als „last name(s)“ geführt werden. Nachfolgend wurde noch der Familienname des Kindes nach amerikanischem Recht neu bestimmt.
7
Die Standesamtsaufsicht hat beantragt, das Geburtenregister ... dahingehend zu berichtigen, dass bei den Namen des Vaters „A. J.“ der Klammerzusatz „Vorname und Mittelname“ entfällt. Die Bezeichnung des Namens „J.“ in der amerikanischen Geburtsurkunde als „m. n.“ dokumentiere lediglich die Positionierung des Namens zwischen dem ersten Vornamen und dem Familiennamen.
8
Das Standesamt verweist auf die amerikanische Geburtsurkunde und auf die bisherige Praxis der Zuordnung der einzelnen Namensbestandteile, sofern sich diese ausdrücklich aus der amerikanischen Geburtsurkunde entnehmen lasse.
9
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.08.2022 den Antrag der Standesamtsaufsicht zurückgewiesen. Der Antrag sei zulässig, aber nicht begründet. Die auf § 23 Abs. 2 und 3 PStV beruhende Bezeichnung der Art der Namensform als „Vorname und Mittelname“ sei nach Auffassung des Gerichts zutreffend. Der Vater sei amerikanischer Staatsangehöriger. Gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB unterliege sein Name amerikanischem Recht. Die Führung von Zwischennamen sei in den Vereinigten Staaten von Amerika als „m. m.s“ verbreitet. Das Gericht gehe aufgrund der Angaben der amerikanischen Geburtsurkunde davon aus, dass es sich bei dem Namen „J.“ um einen solchen „m.“- bzw. Zwischennamen handele. Das deutsche Personenstandsrecht habe die materiellrechtlichen Vorgaben umzusetzen und sich den Erfordernissen des ausländischen Namensrechts unterzuordnen. Gemäß Art. 23 Abs. 2 und 3 PStV sollen Namensbestandteile, die keine Vor- und Familiennamen sind, unter Hinweis auf die jeweilige Art der ausländischen Namensführung in die Personenstandsregister eingetragen werden. Die vorgenommene Bezeichnung sei deshalb zutreffend.
10
Gegen diesen der Standesamtsaufsicht am 22.08.2022 zugestellten Beschluss wendet sie sich mit ihrer am 19.09.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Sie moniert, der Namensbestandteil „J.“ sei im vorliegenden Verfahren als Vorname zu qualifizieren, was auch das Ergebnis einer Stellungnahme des Fachausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e. V. sei. Maßgeblich sei im vorliegenden Verfahren das amerikanische Recht, das vom Grundsatz vollkommener Namensfreiheit geprägt sei. In der standesamtlichen Praxis, aber auch in Rechtsprechung und Schrifttum werde davon ausgegangen, dass amerikanische Staatsangehörige zumindest die Möglichkeit hätten, einen „m. n.“ zu führen. Welche Funktion die Kennzeichnung in der amerikanischen Geburtsurkunde habe, sei nach amerikanischem Heimatrecht des Namensträgers zu beurteilen, das jedoch keine Regeln zur Namensqualität enthalte. Einziges Indiz für einen eigenständigen Namensteil sei die Bezeichnung als „m. m.“. Bei der Einordnung als Namenstyp stehe aber die Bezeichnung nicht im Vordergrund. Ob der „m. m.“ für die Angabe in deutsche Personenstandsregister als eigenständiger Namensteil bewertet oder dem Vor- oder Familiennamen zugeordnet werde, sei eine Frage der Substitution. Hierbei werde geprüft, ob der ausländische Name dem deutschen Begriff gleichwertig sei und das maßgebliche Tatbestandsmerkmal ausfüllen könne. In dem hier zu beurteilenden Fall sei der zweite Namensteil ein frei gewählter weiterer Vorname und nicht der Familienname des anderen Elternteils. Der zusätzliche Name „J.“ erfülle völlig eindeutig alle Tatbestandsmerkmale eines Vornamens im deutschen Recht und sei daher als solcher ohne eine besondere Kennzeichnung in deutsche Personenstandsregister einzutragen. Eine andere Sichtweise möge angezeigt sein, falls nach amerikanischer Traditionen ein Familienname als Mittelname gewählt werde, um die Familie der Mutter oder der Großmutter zu ehren. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor. In der Gesamtschau könne die Bezeichnung nach § 23 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 PStV damit keinen Bestand haben. Die erstinstanzliche Entscheidung sei aufzuheben.
11
Wie bereits im ersten Rechtszug haben sich die Eltern auch im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
12
Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, §§ 51, 53 Abs. 2 PStG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. vom 23. August 2022 hat in der Sache keinen Erfolg.
13
Ein abgeschlossener Registereintrag darf in den Fällen des § 47 PStG von dem Standesamt berichtigt werden. Im Übrigen darf die Berichtigung nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen, § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 2017, 1337; Senat StAZ 2015, 84; KG FamRZ 2021, 357). Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO hat der Senat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann.
14
Eine Überzeugung von der Unrichtigkeit des Registereintrags konnte der Senat nicht gewinnen.
15
In seiner rechtlichen Beurteilung folgt der Senat dabei weitgehend der Stellungnahme des Fachausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, kommt aber zu einer anderen Schlussfolgerung.
16
Zwischennamen können in ein Geburtenbuch eingetragen werden (so schon hinsichtlich des Kindes BGH MDR 1971, 996). Sie könnten sogar nach Art. 48 EGBGB gewählt werden (BGH FamRZ 2017, 1179 m. Anm. Dutta). Gemäß § 21 Abs. 2 und 3 PStV ist bei Personen, die neben Vor- und Familiennamen weitere Namensbestandteile führen, der sich aus Urkunden ergebende Name mit allen Namensbestandteilen in die Personenstandsregister einzutragen. Derartige Namen und Namensbestandteile sollen in den Personenstandsregistern unter Hinweis auf die jeweilige Art der ausländischen Namensform bezeichnet werden. In der Stellungnahme des Fachausschusses wird bereits darauf hingewiesen, dass sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass amerikanische Staatsangehörige zumindest die Möglichkeit haben, einen Mittelnamen zu führen (hierzu etwa Hausmann, in: Staudinger, BGB, Bearb, 2019, Art. 10 EGBGB Rn. 24a). Das OLG Karlsruhe (StAZ 2014, 51 juris Rn. 17) führt hierzu aus, es sei bekannt, dass in den Vereinigten Staaten häufig Familiennamen als sogenannte „m. m.s“ gewählt werden, um traditionelle Familiennamen zu ehren oder der verbreiteten Praxis zu folgen, die Familie der Mutter oder der Großmutter zu ehren, indem deren Familienname als „m. m.“ gewählt werde (zu dieser Funktion auch Lugani, in: Staudinger, BGB, Bearb. 2020, § 1616 BGB Rn. 94).
17
Vorliegend stellt sich nicht die Frage eines Statutenwechsels, weil sich die Namensführung des Vaters gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB allein nach dem Personalstatut und damit dem Recht der Vereinigten Staaten richtet. Das Namensstatut beherrscht alle privatrechtlichen Erwerbs- und Änderungstatbestände (vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 4. Aufl., Rn. II-180; Thorn, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 1). Das deutsche Personenstandsrecht hat dabei allein dienende Funktion. Es handelt sich bei der „Übernahme“ des in der amerikanischen Geburtsurkunde genannten Namens in das deutsche Geburtenbuch nicht um ein Problem der materiellen Angleichung, sondern nur um ein Problem der Darstellung der ausländischen Namensführung im Geburtenbuch (Hepting StAZ 2001, 257, 258 f.). Die materieiie Rechtslage soll nicht geregelt, sondern nur dargestellt werden (Hepting a.a.O. S. 259). Bei der Prüfung der Eintragung von Vor- und Familienname in das Geburtenbuch kommt es darauf an, ob die fremden Rechtserscheinungen das deutsche Tatbestandsmerkmal ausfüllen, d.h. „substituieren“, wobei danach gefragt wird, ob sie den deutschen Tatbestandsmerkmalen „gleichwertig“ oder „funktionsäquivalent“ sind (Hepting a.a.O. S. 260). Dabei hat ein zweiter Vorname aus Sicht des deutschen Rechts keine über die weitere Indivdualisierung des Namensträgers hinausgehende Funktion, obwohl er – zumindest tradtionell – auch in Deutschland von familiären Bräuchen geprägt sein kann, was sich etwa am Patennamen zeigt (hierzu Majewska, abrufbar unter http://www.gencat.cat/llengua/BTPL/ICOS2011/087.pdf).
18
Die Standesamtsaufsicht geht davon aus, dass es sich bei dem Namen „J.“ im vorliegenden Verfahren nicht um einen nach familiären Brauch erteilten Namen handelt. Aus Sicht des Senats handelt es sich dabei aber lediglich um eine Vermutung. Zwar führen laut der amerikanischen Geburtsurkunde die beiden Eltern des Vaters nicht den Namen J., gleichwohl kann dieser zum Beispiel auf die Großeltern oder einen andere nach dem Brauchtum besonders zu ehrende Person zurückgehen. Das einzige auch aus Sicht des Senats schwache Indiz für eine besondere Funktion dieses Namensteils ist seine Bezeichnung in der Geburtsurkunde. Der Umstand, dass es sich um ein überaus schwaches Indiz handelt, beweist aber nicht das Gegenteil. Nähere Angaben liegen dem Senat nicht vor. Die Eltern haben sich auch nicht geäußert. Ihre Äußerung kann auch nicht erzwungen werden. Zudem wäre allein die Angabe einer Person zu den Gründen für die Wahl des eigenen Vornamens bei der Geburt – die Person, die den Namen trägt, ist hier nur Zeuge vom Hörensagen – kaum eine taugliche Grundlage für die Eintragung in ein Personenstandsregister. Damit fehlt es dem Senat an der notwendigen Überzeugung von der Unrichtigkeit des Registereintrags. Die Berichtigung ist dementsprechend zurückzuweisen.
III.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs. 1 PStG, § 81 Abs. 1 FamFG.
20
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) liegen nicht vor, da keine Rechtsfrage ersichtlich ist, die höchstrichterlicher Klärung bedarf.