Inhalt

VG München, Urteil v. 28.02.2023 – M 1 K 19.6101
Titel:

Festsetzung einer ausschließlich erdgeschossigen Bauweise

Normenketten:
BauGB § 10, § 30 Abs. 1
BayGO Art. 26
BauNVO 1962 § 16 Abs. 2
BayBO 1962 Art. 107 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 2 Abs. 7
Leitsätze:
1. Eine Ausfertigung kann zulässigerweise auch oberhalb der Verfahrensvermerke und unterhalb der Festsetzungen des Bebauungsplans erfolgen. Unschädlich ist ferner, wenn im Ausfertigungsvermerk das Datum des Satzungsbeschlusses nicht genannt wird. (Rn. 28 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Begriff der erdgeschossigen Bauweise ist kein planungsrechtlicher Fachbegriff und in den Grenzen der Normklarheit der Auslegung zugänglich. Nach dem natürlichen Begriffsverständnis ist davon auszugehen, dass der Normgeber damit (max.) ein Vollgeschoss festsetzt. Das für zulässig erachtete Erdgeschoss soll gleichzeitig das einzige Vollgeschoss sein. Die Festsetzung soll damit die Errichtung weiterer Geschosse ausschließen. (Rn. 44 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der gestalterischen Möglichkeiten durch eine örtliche Bauvorschrift kann die Firstrichtung und die Gebäudehöhe vorgegeben werden, ferner können Kniestöcke untersagt oder in ihrer Höhe festgelegt werden; es kann auch bestimmt werden, dass das oberste Vollgeschoss als Dachgeschoss ausgeführt werden muss; eine solche Regelung kann auch mit der (bauplanungsrechtlichen) Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse kombiniert werden. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Anforderungen an das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit sind streng. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung überhaupt noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Baugenehmigung für Einfamilienhaus und Anbau mit drei Vollgeschossen, Formelle Wirksamkeit des Bebauungsplans, fehlendes Datum bei der Ausfertigung, Berücksichtigung der Gesamtumstände zur Annahme der Ausfertigung vor Bekanntmachung, Auslegung der Festsetzung einer ausschließlich erdgeschossigen Bauweise, örtliche Bauvorschrift, Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans, Bungalowcharakter
Fundstelle:
BeckRS 2023, 5298

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwen-den, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Baugenehmigung für die Dachanhebung eines bestehenden Wohnhauses und einen Anbau zu erteilen.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 18../9 Gem. … …, das mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „Östlich der ….straße“. Dieser sieht als Art der baulichen Nutzung ein reines Wohngebiet vor. Ferner werden Baugrenzen sowie durch ein Planzeichen „E“ eine „erdgeschoßige Bauweise mit bindender Firstrichtung“ als ausschließlich zulässig festgesetzt. Die zulässige Dachneigung beträgt bis 15°.
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Der Bebauungsplan liegt in der Fassung vom 18. November 1964 vor. Ausweislich eines vom damaligen 2. Bürgermeister am 17. März 1965 beglaubigten Auszugs aus der Niederschrift einer Stadtratssitzung wurde der Plan am 15. März 1965 als Satzung beschlossen. Auf dem Plan befindet sich eine nicht datierte Unterschrift des 2. Bürgermeisters. Mit Bescheid vom 17. Mai 1965 erteilte die Regierung von Oberbayern die Genehmigung. Einem Bekanntmachungsvermerk des 1. Bürgermeisters vom 24. Juni 1965 zufolge lag der Bebauungsplan vom 15. bis 29. Juli 1965 in der Stadtverwaltung aus; auf dem Bebauungsplan unterschrieb der 1. Bürgermeister den Bekanntmachungsvermerk am 13. August 1965.
4
Mit Bescheid vom 11. April 2017 (Az. Behörde: …) wurde dem Kläger eine Baugenehmigung für den Anbau an das bestehende Wohnhaus unter Abbruch einer Garage erteilt; von der Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenzen und der Höhe wurde befreit. Die Geltungsdauer dieses Bescheids wurde dem Kläger auf seinen Antrag bis zum 11. April 2023 verlängert.
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Unter dem 16. August 2018 beantragte der Kläger die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheids für den Abbruch des Einfamilienhauses und Ersatzneubau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung und sechs Stellplätzen. Es ist die Errichtung eines Kniestocks von 0,81 m geplant. Die Verpflichtungsklage (M 1 K 19.2599) auf Erteilung des Vorbescheids hat die Kammer mit Urteil vom 28. Februar 2023 abgewiesen.
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Ebenfalls unter dem 16. August 2018 und hier streitgegenständlich beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für die Dachanhebung des bestehenden Gebäudes und einen Anbau an das bestehende Einfamilienhaus. Der First, der im Bestand eine Höhe von 498,52 m aufweist, soll auf 500,41 m angehoben werden, und es soll ein Kniestock von 1 m errichtet werden. Auf der Ostseite des Bestandsgebäudes soll ein Anbau mit den Maßen 6,25 m auf 15,99 m entstehen. Die Dachneigung soll jeweils 24 Grad betragen.
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Die Beigeladene erteilte dem Bauvorhaben das gemeindliche Einvernehmen nicht.
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Das Landratsamt forderte mit Schreiben vom 13. November 2018 Unterlagen beim Kläger nach, namentlich Anträge auf Befreiung bezüglich eines zusätzlichen Dachgeschosses, der Dachneigung, der Firstrichtung und der Überschreitung der Baugrenze, seiner die Darstellung des vorhandenen und geplanten Geländes in den Ansichten und ein Abstandsflächennachweis.
9
Hierauf legte der Kläger ergänzte Pläne vor. Auf Hinweis des Landratsamtes, dass der Bauantrag ohne Befreiungsanträge unvollständig sei, Frist bis zum 22. April 2019 gesetzt werde, ansonsten der Bauantrag als zurückgenommen gelte, teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mit, dass keine Befreiungsanträge gestellt würden und angesichts der Nichtverbescheidung durch das Landratsamt nunmehr Klage geboten sei.
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Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, hat am ... Dezember 2019 Klage erhoben und beantragt,
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Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die mit Schreiben seiner Architekten … aus … … vom 16. August 2018 beantragte Baugenehmigung gemäß den Eingabeplänen vom 16. Dezember 2018 zu erteilen.
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Das Vorhaben liege nicht im Geltungsbereich eines wirksamen Bebauungsplans. Es bestünden bereits Bedenken gegen die formelle Wirksamkeit. Es sei unklar, ob der Stadtrat den Bebauungsplan mit der einen Tekturklappe überhaupt als Satzung beschlossen habe, weil eine Ausfertigung hierzu fehle. Die Unterschrift des 2. Bürgermeisters auf dem Bebauungsplan trage kein Datum. Es sei nicht sichergestellt, dass der Satz vor der Bekanntmachung erfolgt sei. Es sei keine Rede davon, dass die Festsetzungen mit dem Willen des Satzungsgebers übereinstimmten, wann der Satzungsgeber diesen Willen gebildet habe und Übereinstimmung vorliege. Der Plan vom 18. November 1964 sei geändert worden, unter anderem sei eine Tekturklappe aufgeklebt worden. Dies decke sich mit der Auflage im Genehmigungsbescheid, allerdings sei dort von einer Mehrzahl von Tekturklappen die Rede, auf dem Urplan scheine nur eine Klappe auf. Ausweislich einer Sitzungsniederschrift des Stadtrates vom 15. März 1965 sei ein Satzungsbeschluss gefasst worden unter Bezugnahme auf einen Bebauungsplanentwurf vom 18. November 1964; von einer Änderung dieses Entwurfes sei keine Rede. Es sei unklar, ob die Version mit Tekturklappe überhaupt, und wenn ja wann, vom Stadtrat als Satzung beschlossen worden sein. Der Auszug aus der Niederschrift der Sitzung könne keine Ausfertigung sein. Die Erklärung des 2. Bürgermeisters ohne Datum stelle auch keine Unterschrift, sondern allenfalls eine Überschrift dar. Dies genüge nicht. Vor den eigentlichen Festsetzungen findet sich eine Unterschrift des 1. Bürgermeisters mit Datum vom 13. August 1965 unter einer Textpassage, aus der sich ergebe, dass der Bebauungsplan ab 15. Juli 1965 bekannt gemacht worden sei. Diese Unterschrift führe jedenfalls deshalb nicht zu einer ordnungsgemäßen Ausfertigung, weil sie nach der Bekanntmachung erfolgt sei. Außerdem bestünden Bedenken gegen die inhaltliche Wirksamkeit und Bestimmtheit des Bebauungsplans. Es sei sehr fraglich, ob damit die Zahl der Vollgeschosse festgesetzt worden sei und ein Mindestmaß an Festsetzung erfolgt sei. Verneine man dies mit der Folge, dass keine Maßfestsetzungen bestünden, fehle es an den Mindestfestsetzungen. Einen einfachen Bebauungsplan habe die Stadt nicht gewollt. Das Vorhaben füge sich in die Umgebungsbebauung ein. Der maßgebliche Bereich für das Maß der baulichen Nutzung sei auf die Grundstücke südlich der I.-G.-Straße zu beschränken. Das Bauvorhaben überschreite insbesondere die Höhen der Gebäude auf den Grundstücken FlNrn. 1812/13 und 1812 nicht. Auf dem klägerischen Grundstück sei von einem Vollgeschoss auszugehen; dies gelte für den Altbestand ebenso wie für die Dachanhebung, weil das Dachgeschoss kein Vollgeschoss sei. Im geplanten Anbau befänden sich drei Vollgeschosse. Auf den Grundstücken FlNrn. 1812/12 und 1812/13 befänden sich jeweils zwei Vollgeschosse. Damit überschreite der Anbau den vorhandenen Rahmen; gleichwohl führe dies nicht zur Unzulässigkeit, weil es ausgeschlossen sei, dass das Vorhaben bodenrechtlich beachtliche Spannungen erzeuge oder erhöhe. Denn das Grundstück falle Richtung Osten stark ab und besitze damit eine besondere topographische Situation. Dadurch entstehe im Untergeschoss ein Vollgeschoss, ohne dass die Firsthöhe des Neu- und Anbaus die Firsthöhen der Nachbargebäude überragen würde. Diese Situation sei bei den Nachbargebäuden nicht gegeben und könne auch in Zukunft nicht entstehen.
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Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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An der Wirksamkeit des Bebauungsplanes bestünden jedenfalls für den Bereich des klägerischen Grundstücks keine Zweifel. Der Bebauungsplan stehe dem Vorhaben entgegen. Diese Festsetzungen verstünden sich aus sich heraus. Der Kläger beantrage jedoch zum Erdgeschoss ein Dachgeschoss mit Kniestock und gehe damit erkennbar über den festgesetzten Haustyp hinaus. Außerdem werde die zulässige Dachneigung überschritten. Der Anbau befinde sich teilweise außerhalb der festgesetzten Baugrenze. Ohne entsprechende Befreiungsantrag fehle der Verpflichtungsklage das Rechtsschutzbedürfnis.
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Die Beigeladene stellt
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keinen eigenen Antrag.
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Es sei eindeutig, dass der Bebauungsplan dem Willen des Stadtrats entsprochen habe. Auf die Planfassung vom 18. November 1964 sei in der Stadtratssitzung verwiesen worden. Zwar sei bei der Ausfertigung das Datum nicht aufgeführt. Die auf dem Plan befindliche Unterschrift des 2. Bürgermeisters müsse zeitnah im Zusammenhang mit der Ausfertigung der Beschlussbuchauszüge während der Vertretung des 1. Bürgermeisters erfolgt sein, ansonsten sich die Unterschrift des 1. Bürgermeisters auf der Ausfertigung befunden hätte. Das Fehlen der Datumsangabe berühre die Wirksamkeit der Ausfertigung nicht. Sie sei auch ohne Datumsangabe des unterzeichneten Bürgermeisters und nur durch die Unterschrift unter dem Bestätigungsvermerk bzw. durch Unterzeichnung des Sitzungsprotokolls gegeben. Zwar werde für den Umstand, dass die Ausfertigung vor der Bekanntmachung erfolgt sei, die Datumsangabe bei der Unterschrift verlangt; es reichten aber auch andere Indizien zum Nachweis. Hier seien die Verfahrensschritte in ihrer zeitlichen Abfolge schlüssig. Nach Erstellung des Stadtratsprotokolls sei ein beglaubigter Auszug aus der Sitzungsniederschrift am 17. März 1965 durch Unterschriftsleistung von 2. Bürgermeister … gefertigt worden. Es sei davon auszugehen, dass an diesem Tag auch der Bebauungsplan mit derselben Unterschrift in selber Tintenfarbe und selber Schriftgröße wie auf dem Beschlussbuchauszug unterschrieben und damit ausgefertigt worden sei. Der abschließende Verfahrensvermerk nach Inkrafttreten des Bebauungsplans sei am 13. August 1965 vom 1. Bürgermeister durch dessen Unterschrift bestätigt worden. Der verwendete Plural bezüglich der Tekturklappe im Genehmigungsbescheid ergebe sich daraus, dass es mehrere Ausfertigungen gegeben habe, somit auch mehrere Klappen. Die Festsetzung sage klar aus, dass die Gebäude kein weiteres Vollgeschoss aufweisen dürften. Es sei eindeutig, dass die Zahl der Vollgeschosse, nämlich nur ein Erdgeschoss, festgesetzt worden sei. Städtebaulich sei dort eine Bungalowsiedlung gewünscht gewesen.
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In der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2022, in der der Kläger zahlreiche Lichtbilder der Bebauung des Vorhabengrundstücks und seiner Umgebung vorlegte, haben sich die Beteiligten mit dem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.
20
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte, auch im Verfahren M 1 K 19.2599, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Entscheidung konnte im Einverständnis mit den Beteiligten auf Grundlage vom § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen.
22
II. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
23
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, weil das Vorhaben gegen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Vorschriften verstößt. Es ist bauplanungsrechtlich unzulässig, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO i.V.m. § 30 Abs. 1 BauGB.
24
Die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens richtet sich gemäß § 30 Abs. 1 BauGB nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. … „Östlich der …straße“. Der Bebauungsplan ist formell wirksam (vgl. unter 1.). Seine Festsetzungen stehen dem Vorhaben entgegen (unter 2.).
25
1. Der Bebauungsplan ist nicht aus formellen Gründen unwirksam, insbesondere liegt kein Ausfertigungsmangel vor, der zur Unwirksamkeit führen würde.
26
Bebauungspläne sind Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB); als solche sind sie auszufertigen, bevor sie gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB in Kraft gesetzt werden. Dies folgt aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 BV verfassungsrechtlich verankerten Rechtsstaatsprinzip. Die Ausfertigung hat dem Bekanntmachungsakt vorauszugehen. Dies ist für Bebauungspläne von jeher geboten und in Bayern seit dem 1. September 1992 durch Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO gesetzlich vorgeschrieben Mit der Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt und beglaubigt, dass die Satzung, so wie sie vorliegt, vom Gemeinderat beschlossen worden ist (BayVGH, U.v. 1.4.2003 – 1 N 01.2240 – juris Rn. 17).
27
Die Unterschrift des zweiten Bürgermeisters auf dem Bebauungsplan stellt eine wirksame Ausfertigung dar.
28
a) Der hier gewählte Ort der Unterschrift des zweiten Bürgermeisters neben dem Wort „Satzung“ auf dem Original des Bebauungsplans ist nicht zu beanstanden. Eine Ausfertigung kann zulässigerweise auch oberhalb der Verfahrensvermerke und unterhalb der Festsetzungen des Bebauungsplans erfolgen (BayVGH, B.v. 25.2.2014 – 1 ZB 12.353 – juris). Hier besteht aber ohnehin eine unmittelbare räumliche Nähe der Unterschrift zu dem Ausfertigungsvermerk mit dem Passus „Die Stadt … … erläßt […] diesen Bebauungsplan als Satzung“ vor, die keinen Zweifel daran lässt, dass der Beschluss dieser Satzung beglaubigt werden soll.
29
b) Unschädlich ist ferner, dass in dem Ausfertigungsvermerk das Datum des Satzungsbeschlusses nicht genannt wird. Eine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ausfertigung stellt dies nicht dar. Im Übrigen ergibt sich das Beschlussdatum des 15. März 1965 aus dem vom zweiten Bürgermeister beglaubigten Auszug aus der Niederschrift über die entsprechende Stadtratssitzung. In dem Beschluss ist der Bebauungsplan mit dem Datum der Fassung („datierend vom 18. November 1964“) genannt, und dieser wurde auch unterzeichnet.
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c) Es bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel an der gebotenen Abfolge von Ausfertigung und Bekanntmachung.
31
Zunächst berührt der Umstand, dass der Unterschrift des zweiten Bürgermeisters keine Datumsangabe beigefügt ist, als solcher die Wirksamkeit der Ausfertigung nicht (OVG NW, U.v. 22.3.2011 – 2 A 371/09 – juris Rn. 37; VG München, U.v. 8.11.2017 – M 9 K 16.4678 – juris Rn. 25 m.w.N.). Für die Feststellung der zwingenden Reihenfolge zwischen Ausfertigung und Bekanntmachung wird zwar grundsätzlich die Datumsangabe verlangt, es reichen aber auch andere Indizien (vgl. BayVGH, B.v. 24.6.1993 – 23 B 91.2897 – BeckRS 1993, 11516; VG München, U.v. 8.11.2017 – M 9 K 16.4678 – juris Rn. 25). Generell dürfen die Anforderungen an eine Ausfertigung nicht überspannt werden; es ist vielmehr als ausreichend anzusehen, wenn den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen genügt wird, um den mit der Ausfertigung verfolgten Zweck zu erreichen (BayVGH, U.v. 10.10.2000 – 20 N 98.3701 – juris Rn. 13).
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Zwingend lassen die gegebenen Umstände zwar nicht auf die Einhaltung der Reihenfolge von Ausfertigung und Bekanntmachung schließen. Vor dem Hintergrund, dass hieran keine überspannten Anforderungen zu stellen sind, sind sie jedoch hinreichend tragfähig für die Annahme, dass die gebotene Reihenfolge eingehalten worden ist und damit der mit der Ausfertigung verfolgten Zweck erreicht wurde. Dafür spricht maßgeblich, dass sowohl der in Rede stehende Ausfertigungsvermerk auf der Urkunde, als auch der beglaubigte Auszug aus der Sitzungsniederschrift nicht vom ersten Bürgermeister, sondern vom zweiten Bürgermeister unterzeichnet worden ist; wohl aufgrund eines Vertretungsfalls. Hingegen erfolgten die späteren Verfahrensschritte, nämlich die Unterzeichnung des Bekanntmachungsvermerks (S. 4 der gemeindlichen Behördenakte) also auch die abschließende Unterschrift mit dem Inkrafttretensvermerk auf der Originalurkunde durch den 1. Bürgermeister, als es offenbar keiner Vertretung mehr bedurfte. Damit lassen die Umstände darauf schließen, dass die Ausfertigung (zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt) vor der Bekanntmachung und dem Inkrafttretensvermerk erfolgte. Denn wäre der Ausfertigungsvermerk mit dem Unterschriftsfeld „1. Bürgermeister“ zum Zeitpunkt der Unterschrift des Bekanntmachungs-/Inkrafttretensvermerks nicht schon unterschrieben gewesen, hätte es nahegelegen, dass der 1. Bürgermeister dies zusammen mit der Unterschrift zur Ausfertigung pauschal nachgeholt hätte. Tatsächlich wurde aber der Stempel der Amtsbezeichnung bei dem Ausfertigungsvermerk gerade korrigiert in „2. Bürgermeister“ und von diesem unterschrieben. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, dass der 2. Bürgermeister seine Unterschrift nach dem Bekanntmachungsvermerk des 1. Bürgermeisters geleistet hat; dies ist aber als fernliegender Verfahrensablauf einzustufen.
33
Aus den Umständen liegt es außerdem nahe zu schließen, dass die Unterschrift des 2. Bürgermeisters auf der Originalurkunde im zeitlichen Zusammenhang mit dem Satzungsbeschluss (15. März 1965) bzw. der Unterzeichnung des beglaubigten Auszugs aus der Niederschrift des Stadtrats (17. März 1965) erfolgte. Dies wäre auch ein zweckmäßiges Vorgehen (zu Zweckmäßigkeitserwägungen BayVGH, B.v. 7.10.2002 – 20 CS 02.2308 – juris Rn. 20), indes kommt auf eine genaue zeitliche Fixierung nicht an.
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Dieses Ergebnis gilt erst recht bei Berücksichtigung der Rechtsprechung, die für eine Ausfertigung die Unterzeichnung an anderer Stelle als auf der Originalurkunde in den Planaufstellungsakten genügen lässt, z.B. durch Unterzeichnung eines Auszugs der Sitzungsniederschrift über den Satzungsbeschluss oder mit der Unterschrift auf dem Bekanntmachungsvermerk (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 2.5.2007 – 25 N 04.777 – juris Rn. 16 m.w.N.). Wenn hiernach als Ausfertigung schon die Unterschrift an anderer Stelle als auf der Originalurkunde genügt, bietet die Unterschrift des zweiten Bürgermeisters vom 17. März 1965 unter dem Beglaubigungsvermerk des Auszugs aus der Niederschrift über die Stadtratssitzung am 15. März 1965 jedenfalls ein hinreichendes Indiz dafür, dass im zeitlichen Zusammenhang mit dem darin genannten Satzungsbeschluss auch die Originalurkunde unterschrieben und damit ausgefertigt worden ist, zumal durch die Bezugnahme auf den Entwurf mit dem Datum 18. November 1964 über die Identität kein Zweifel besteht.
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d) Dass die Genehmigung des Bebauungsplans durch die Regierung erst danach, nämlich mit Bescheid vom 17. Mai 1965 erfolgte, berührt die Wirksamkeit der Ausfertigung nicht. Dies wäre nur dann der Fall, wenn dies das Landesrecht vorgäbe, namentlich unter der Vorgabe, dass die Ausfertigung neben der Identitätsfunktion auch eine Legalitätsfunktion aufweist. Dies ist weder bundesrechtlich (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1993 – 4 C 22/92 – juris Rn. 18) noch landesrechtlich geboten.
36
e) Soweit der Klägervertreter rügt, dass unklar sei, ob und gegebenenfalls wann der Stadtrat den mit einer Tekturklappe geänderten Bebauungsplan überhaupt so beschlossen hat, greifen diese Bedenken ebensowenig durch. Der zweite Bürgermeister trägt durch seine Unterschrift gerade Gewähr dafür, dass der von ihm gezeichnete Bebauungsplan so vom Stadtrat beschlossen worden ist. Freilich ist es denkbar, dass hernach Änderungen, etwa mittels Tekturklappen, herbeigeführt worden sind. Nachträgliche Veränderungen von Urkunden können jedoch nie ausgeschlossen werden. Im Übrigen erklärte die Stadt den Umstand, dass im Genehmigungsbescheid der Regierung von „Tekturklappen“ die Rede sei (vgl. schriftsätzliche Äußerung im Verfahren M 1 K 20.6101, S. 28), in plausibler Weise auf. Sie verwies darauf, dass der Regierung vier Exemplare des Plans übergeben worden sei-en, die jeweils eine einzuarbeitende oder aufzuklebende Tekturklappe gehabt hätten, sodass sich damit die Verwendung des Begriffs in der Mehrzahl erkläre.
37
2. Der Bebauungsplan ist auch materiell wirksam.
38
a) Das Vorhaben verstößt mit der vorgesehenen Geschoßigkeit gegen die Festsetzung im Bebauungsplan, wonach nur erdgeschossige Bauweise zulässig ist.
39
Die Festsetzung der „erdgeschossigen Bauweise“ als ausschließlich zulässig ist wirksam.
40
aa) Zunächst ist die textliche und zeichnerische Festsetzung von ihrer Form nicht zu beanstanden.
41
Der Bebauungsplan wurde vor dem Inkrafttreten der ersten Planzeichenverordnung vom 19. Januar 1965 (BGBl. I S. 21) erlassen. Dass im Bebauungsplan nicht die heute üblichen Zeichen verwendet werden, ist daher nicht weiter erklärungsbedürftig und auch unschädlich. Im Übrigen zwingt auch die jetzt geltende Rechtslage nicht zum Verwenden der in Nr. 2 der Anlage zu der PlanZV aufgeführten Zeichen, vielmehr „sollen“ diese gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PlanZV verwendet werden. Ein Verstoß gegen das Verwendungsgebot bleibt jedenfalls dann folgenlos, wenn hinreichend deutlich zu erkennen ist, welche Regelung gewollt ist, § 2 Abs. 5 PlanZV.
42
bb) Die Festsetzung ist zunächst als planungsrechtliche Festsetzung eines zulässigen Vollgeschosses zu verstehen.
43
(1) Nach § 9 Abs. 1 Abs. 1 Buchst. a BBauG 1960 und § 16 Abs. 2 Satz 2 der hier maßgeblichen Fassung der Baunutzungsverordnung 1962 wird das bauliche Maß in einem qualifizierten Bebauungsplan durch Festsetzung der Geschossflächenzahl oder der Baumassenzahl (Nr. 1), der Grundflächenzahl oder der Grundflächen der baulichen Anlagen (Nr. 2) und der Zahl der Vollgeschosse (Nr. 3) bestimmt. Von einzelnen dieser Festsetzungen kann abgesehen werden, wenn die getroffenen Festsetzungen zur Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung im Rahmen des § 17 BauNVO 1962 ausreichen. Auf die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse darf nicht verzichtet werden, wenn dadurch die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes beeinträchtigt werden kann (§ 16 Abs. 3 Satz 2 BauNVO 1962). § 17 Abs. 4 BauNVO 1962 sieht für die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse vor, dass diese entweder als zwingend oder als Höchstgrenze festzusetzen ist. Dabei gelten als Vollgeschosse solche Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden (§ 18 BauNVO 1962).
44
(2) Eine ausdrückliche Festsetzung zu der Anzahl der Vollgeschosse findet sich zwar im Bebauungsplan nicht. Der Begriff der erdgeschossigen Bauweise ist kein planungsrechtlicher Fachbegriff und in den Grenzen der Normklarheit der Auslegung zugänglich. Nach dem natürlichen Begriffsverständnis ist davon auszugehen, dass der Normgeber damit (maximal) ein Vollgeschoss festsetzte. Das für zulässig erachtete Erdgeschoss soll gleichzeitig das einzige Vollgeschoss sein. Damit ergibt auch die weitere textliche Festsetzung unter C.2 des Bebauungsplans Sinn, wonach sich das zulässige Maß der baulichen Nutzung aus § 17 BauNVO 1962 ergibt. Denn Grundlage für die nach § 17 Abs. 1 BauNVO 1962 als maximal zulässig erachtete Grundflächen- und Geschoßflächenzahl ist die Anzahl der Vollgeschosse. So verstanden setzt der Bebauungsplan ein Vollgeschoss fest sowie eine GRZ von 0,4 und eine GFZ von 0,4. Damit liegen hinreichende Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung vor. Verstünde man den Begriff der erdgeschossigen Bauweise nicht als ein Vollgeschoss, hätte dies die Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans zur Folge, weil sich dann keinerlei Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung fänden.
45
(3) Die Festsetzung soll damit die Errichtung weiterer Geschosse ausschließen. Soweit dieser Ausschluss ein weiteres Vollgeschoss betrifft, entspricht dies den Festsetzungsmöglichkeiten der BauNVO 1962. Der Ausschluss weiterer Nicht-Vollgeschosse, etwa in Form eines Dachgeschosses, vermag indes nicht auf der Grundlage der BauNVO 1962 erfolgen, die nur Festsetzungen bezüglich Vollgeschossen erfasst. Der planenden Gemeinde steht kein darüberhinausgehendes Festsetzungserfindungsrecht zu (vgl. jedoch OVG Lüneburg, U.v. 27.6.1984 – 6 A 68/82 – BRS 42 Nr. 122 und nachfolgend BVerwG, B.v. 20.9.1984 – 4 B 202.84 – BRS 42 Nr. 123 zu der Festsetzungsmöglichkeit „eingeschossig“ gemäß § 17 Abs. 2 BauNVO 1962, die nicht als „ein Vollgeschoss“ zu verstehen sei).
46
Mit dieser Festsetzung ist der geplante Anbau mit drei Vollgeschossen nicht vereinbar.
47
cc) Die Festsetzung ist auch eine bauordnungsrechtliche Gestaltungsvorschrift und schließt als solche die Errichtung des vom Kläger beabsichtigten Dachgeschosses im Bestandsgebäude aus.
48
(1) Auf Grundlage von Art. 107 Abs. 1 Nr. 1 BayBO 1962 können die Gemeinden mit örtlichen Bauvorschriften besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen stellen, soweit das zur Durchführung bestimmter städtebaulicher Absichten erforderlich ist. Dies geht auch im Rahmen eines Bebauungsplans, Art. 107 Abs. 4 BayBO 1962, § 9 Abs. 2 BBauG 1960. Zu den Gestaltungsabsichten wird von Seiten der Stadt nachvollziehbar geäußert (vgl. S. 28 der Gerichtsakte im Verfahren M 1 K 19.6101), dass städtebaulich dort eine Bungalow-Siedlung gewünscht war. Baugestaltend lässt sich dieses Ziel verwirklichen, indem weitere Geschosse, die keine Vollgeschosse sind, ausgeschlossen werden. Im Rahmen der gestalterischen Möglichkeiten durch eine örtliche Bauvorschrift kann etwa die Firstrichtung und die Gebäudehöhe vorgegeben werden, ferner können Kniestöcke untersagt oder in ih-rer Höhe festgelegt werden; es kann auch bestimmt werden, dass das oberste Vollgeschoß als Dachgeschoß ausgeführt werden muss, eine solche Regelung kann auch mit der (bauplanungsrechtlichen) Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse kombiniert werden (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 81 Rn. 114). Der hier vorgesehene Ausschluss weiterer Nicht-Vollgeschosse ist daher als ortsgestalterische Maßnahme möglich. Dass die Stadt heutzutage davon ausgeht, dass damit (nur) die Festsetzung eines Vollgeschosses erfolgt sei (vgl. S. 28 der Gerichtsakte im Verfahren M 1 K 19.6101), ist angesichts des objektiven Geltungsanspruchs der Norm unerheblich.
49
(2) Inhalt der (auch) bauordnungsrechtlichen Regelung ist damit der Ausschluss weiterer oberirdischer Geschosse und somit auch eines Dachgeschosses in der vom Kläger beabsichtigten Form. Zum Verständnis des Geschossbegriffs kann auf Art. 2 Abs. 7 BayBO in seiner aktuellen Fassung zurückgegriffen werden. Hiernach sind Geschosse oberirdische Geschosse, wenn ihre Deckenoberkanten im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragen; im Übrigen sind sie Kellergeschosse. Hohlräume zwischen der obersten Decke und der Bedachung, in denen Aufenthaltsräume nicht möglich sind, sind keine Geschosse. Im Gegenschluss stellt das Vorhaben des Klägers ein (Dach-)Geschoss dar, weil wegen der Schaffung eines Kniestocks Aufenthaltsräume möglich sind.
50
Die Errichtung von Kellergeschossen steht nicht im Widerspruch zu der Festsetzung. Dies ergibt sich daraus, dass Kellergeschosse im Sinne der genannten Regelung städtebaulich und gestalterisch nicht maßgeblich in Erscheinung treten, wohl aber dann, wenn sie Geschoßcharakter aufweisen. Auch die im Bebauungsplan vorgesehene Dachform des Satteldachs mit einer Dachneigung von maximal 15 Grad steht im Einklang mit dem Verständnis des Ausschlusses weiterer Geschosse. Ein weiteres Geschoss wird dadurch nicht errichtet, weil bei Einhaltung dieser Vorgabe ein Hohlraum im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Satz 2 BayBO errichtet wird, in dem Aufenthaltsräume mangels hinreichend lichter Höhe nicht möglich sind.
51
dd) Die so als bauplanungs- und bauordnungsrechtlich verstandene Festsetzung ist auch angesichts der Geländebeschaffenheit wirksam. Es trifft zwar zu, dass das südlich der I.-G.-Straße gelegene Gebiet, in dem sich auch das Vorhabengrundstück befindet, eine Hängigkeit aufweist. Inwieweit dies (auch) auf spätere Abgrabungen im Bereich der Baufenster zurückzuführen ist, kann auch anhand der vom Beklagten vorgelegten Baugenehmigungen nicht klar festgestellt werden,
52
Gleichwohl war die Festsetzung eines weiteren Bezugspunkts für die Definition des Vollgeschosses/Erdgeschosses nicht erforderlich. Ein Geschoss ist ein Erdgeschoss auch dann, wenn der Untergrund nicht vollends plan ist. Selbst bei Unterstellung, dass das Gelände bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans so beschaffen war wie es heute auf den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern ersichtlich ist, bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, welche Ebenen der bestehenden Häuser Erdgeschosse sind und welche (wenngleich großzügig) ausgebaute Kellergeschosse.
53
ee) Die Festsetzung der nur erdgeschossigen Bauweise ist auch nicht obsolet. Anhand der vorgelegten Lichtbilder und der Baugenehmigungen für die umliegenden Gebäude einschließlich der Eingabepläne ist (noch) nicht von einer Funktionslosigkeit der Festsetzung zu der Geschoßigkeit auszugehen.
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Festsetzungen eines Bebauungsplans werden funktionslos und damit unwirksam, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich beziehen, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließt und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Dabei sind die Anforderungen an das Außerkrafttreten eines Bebauungsplans wegen Funktionslosigkeit streng, und es ist große Zurückhaltung geboten. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Entscheidend ist dabei, ob die jeweilige Festsetzung überhaupt noch geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen sinnvollen Beitrag zu leisten (BayVGH, U.v. 27. Mai 2020 – 1 B 19.544 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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Gemessen an diesen Maßstäben erweist sich die Festsetzung zur ausschließlich erdgeschossigen Bauweise nicht als funktionslos. Nach den vorgefundenen tatsächlichen Verhältnissen kommt ihr nach wie vor eine städtebauliche Steuerungsfunktion
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Anhand der genehmigten Eingabepläne ist ersichtlich, dass die vorhandenen Gebäude keine Dachgeschosse aufweisen. Trotz der teils vorhandenen kleineren Kniestöcke auf den Grundstücken FlNrn. 1812/13 und 1812/6 sind angesichts der Raumhöhen keine Aufenthaltsräume im Bereich der Dächer möglich. Zwar gewinnt man von den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern teilweise den Eindruck einer Bebauung von II+D, weil dort das ausgebaute Kellergeschoss deutlich sichtbar wird, etwa bei Ansicht von Süden auf den Grundstücken FlNrn. 1812/13 und 1812/12. Letztlich muss aber der Frage, ob auf diesen Grundstücken die Erdgeschoss-Festsetzung eingehalten ist und im Sinne von Art. 2 Abs. 7 Satz 1 BayBO ein Kellergeschoss oder aber ein Geschoss errichtet wurde, nicht weiter nachgegangen werden. Denn auf den anderen Grundstücken im maßgeblichen Bereich der Erdgeschoss-Festsetzung ist der Bungalowcharakter weiterhin sichtbar und die Erdgeschoss-Festsetzung eingehalten. Anhand der Lichtbilder lässt sich das für das Grundstück des Klägers sagen und ebenso bezüglich der Grundstücke FlNr. 1812/7 und 1812/6. Ausweislich der Eingabepläne zum Vorhaben auf dem Grundstück FlNr. 1816/3 ist auch hier der nur erdgeschossigen Bauweise Genüge getan. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass stellenweise das Kellergeschoss sichtbar wird.
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b) Ohne dass es nach dem Vorstehenden noch darauf ankäme, ist das Vorhaben auch deswegen planungsrechtlich unzulässig, weil es außerhalb der im Bebauungsplan nach § 23 Abs. 1, Abs. 3 BauNVO festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen liegt. Ferner verstößt das Vorhaben mit einer Dachneigung von 24 Grad gegen die im Bebauungsplan festgesetzte Dachneigung von maximal 15 Grad.
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3. Selbst wenn man den Bebauungsplan für unwirksam hielte, wäre das Vorhaben planungsrechtlich nicht zulässig. Ein Einfügen nach § 34 Abs. 1 BauGB wäre jedenfalls hinsichtlich der Geschoßigkeit nicht gegeben. Für das Einfügen im Hinblick auf die Anzahl der Vollgeschosse gilt, dass es auf die außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung und nicht auf das Ergebnis komplizierter Berechnungen ankommt (BVerwG, B.v. 21.6.1996 – 4 B 84/96 – juris Rn. 5). Die Anzahl von drei Vollgeschossen hat auch nach dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten kein Vorbild in der näheren Umgebung. Es trifft zwar zu, dass sich das Vorhaben mit seiner Firsthöhe auf 500,41 m ü.NN im gegebenen Rahmen hält. Die Anzahl der Geschosse stellt indes einen im Rahmen der Beurteilung des Maßes der baulichen Nutzung einen einzeln zu betrachtenden Bestimmungsfaktor dar. Die Auffassung, dass die Überschreitung des vorhandenen Rahmens hier hingenommen werden kann, weil das Vorhaben keine bodenrechtlichen Spannungen erzeugt oder erhöht, teilt die Kammer nicht.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist auch im Falle der Rahmenüberschreitung zu prüfen, ob sich das Vorhaben in die maßgebende Umgebung harmonisch integrieren lässt und weder selbst noch wegen seiner etwaigen Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder zu erhöhen, weil es bei der „Einfügung“ weniger um „Einheitlichkeit“ als um „Harmonie“ geht. (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369-388, juris Rn. 47). Dies bildet ein Korrektiv dafür, dass die ausschließliche Anknüpfung der planersetzenden gesetzlichen Regelung an der tatsächlichen Bebauung in der näheren Umgebung nur einen groben Beurteilungsmaßstab zur Verfügung stellt und den konkreten Umständen vor Ort nicht immer ausreichend gerecht wird. Die dadurch bewirkte Feinkorrektur trägt dem hohen Stellenwert der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentumsrechts Rechnung (Spannowsky in BeckOK, BauGB, 57. Ed. 1.5.2022, § 34 Rn. 42).
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Das Vorhaben begründet im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen, weil es die vorgefundene Situation belastet und Unruhe stiftet. Offenbar wird dies aus dem Eingabeplan „Schnitte, Ansichten mit Einfügenachweis“, wonach der Anbau mit den drei Vollgeschossen zu allen Seiten deutlich wahrnehmbar, insbesondere aber von Norden und von Osten in seiner Massivität als Fremdkörper wahrgenommen wird. Dies wird verstärkt durch die Wand- und Firsthöhe. Als Referenzobjekt wird auf dem „Einfügensnachweis“ der Baukörper in der I.-G.-Straße 13.
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mit einer Firsthöhe von 6,62 m genannt. Dagegen sticht das Vorhaben mit einer Firsthöhe von 8,03 m an der straßenseitigen Nordostecke des Gebäudes heraus; an der Südostseite sind es gar 9,04 m (vgl. genannten Eingabeplan). Die drei Vollgeschosse sind damit sehr markant und wirken städtebaulich geradezu erdrückend, wenn auch die Abstandsflächen gewahrt sein mögen. Der Umstand, dass das klägerische Grundstück nach Osten abfällt, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der städtebaulichen Harmonie entspräche es eher, den Geländeverlauf jedenfalls näherungsweise aufzunehmen und sich bei stärker abfallendem Grundstück nicht mehr an der Firsthöhe der Nachbargebäude über N.N. zu orientieren.
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III. Der Kostenausspruch beruht infolge des Unterliegens des Klägers auf § 154 Abs. 1 VwGO. Mangels Antragstellung der Beigeladenen bestand kein Anlass, dem Kläger auch deren außergerichtliche Kosten aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.