Titel:
Anforderungen an den Inhalt der Änderungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Normenketten:
VVG § 174
BUZ § 7
Leitsätze:
1. Die Änderungsmitteilung soll dem obliegenheitstreuen Versicherten, der zuvor dem Versicherer für die Nachprüfung sachdienliche Auskünfte erteilt hat, die Informationen geben, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können. Nachvollziehbarkeit der Entscheidung setzt daher voraus, dass der Gesundheitszustand, den der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem späteren Gesundheitszustand verglichen wird (Anschluss an BGH BeckRS 1999, 30057032). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht notwendig ist insoweit, dass der Versicherer oder der Sachverständige darlegt, welche konkreten Tätigkeiten der Versicherte zunächst nicht mehr und nun wieder doch ausführen kann (Anschluss an OLG Koblenz BeckRS 2008, 21327; entgegen OLG Karlsruhe BeckRS 2008, 13412). (Rn. 22 und 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsunfähigkeitsversicherung, Anerkenntnis, Nachprüfungsverfahren, Leistungseinstellung, Einstellungsmitteilung, Gutachten, Prozessrisiko
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.10.2024 – 8 U 2323/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52929
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 34.654,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.07.2020 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.591,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 18.07.2020 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.07.2020 für die Dauer der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 31.03.2027 eine monatliche Rente in Höhe von € 1.506,70 zzgl. Überschussbeteiligung (so genannte Bonusrente) zu bezahlen und den Kläger längstens bis zum 31.03.2027 von der Beitragspflicht zu befreien.
4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert wird auf 105.258,40 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Rentenversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
2
Zwischen den Parteien besteht unter der Nummer 6.0 517 993.01 ein Rentenversicherungsvertrag mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Vertragsbeginn war der 09.04.2001, Vertragsende ist der 31.03.2027. In den Vertrag einbezogen wurden die „Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung“. Die vereinbarte monatliche Rente im Fall der Berufsunfähigkeit belief sich auf 1.506,70 Euro, die Beitragsfreiheit auf monatlich 112,66 Euro. Wegen der Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein samt Versicherungsbedingungen (Anlage B 1) umfassend Bezug genommen.
3
Der Kläger ist gelernter und ausgebildeter Kfz-Schlosser, Maschinenbautechniker und technischer Betriebswirt. Er war bei der Firma R. GmbH, Mineralöle als Disponent/Verkäufer in Vollzeit tätig. Aufgrund eingetretener Depressionen und Angstzustände stellte der Kläger bei der Beklagten einen Leistungsantrag (Anlage K2). Mit Schreiben vom 18.10.2016 erkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht an und zahlte ab dem 01.05.2016 eine monatliche Rente inklusive einer Bonusrente in Höhe von 1.506,70 €.
4
Mit Schreiben vom 08.11.2017 begehrte die Beklagte die Überprüfung ihrer Leistungspflicht. Der Kläger ließ sich deshalb vom Gutachter Dr. H. untersuchen. Unter Bezugnahme auf das Gutachten (Anlage K6) erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 05.06.2018 (Anlage K5) es bestehe für sie keine weitere Leistungspflicht. Sie stellte ihre Leistungen zum 01.08.2018 ein.
5
Der Kläger behauptet, er sei aufgrund seiner gesundheitlichen Situation nicht in der Lage, die hektische, stressige und mit ständigem Zeitdruck verbundene Tätigkeit eines Disponenten auszuführen. Es handle sich um eine belastende Tätigkeit, bei der durchgehend Zeitdruck und Stress herrsche und bei der ständig eine hohe Konzentration erforderlich sei.
6
Er ist der Meinung, die Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 05.06.2018 sei sowohl aus formellen als auch aus materiellen Gründen unwirksam. In den Einstellungsschreiben sei die Klägerin nicht nachvollziehbar darauf hingewiesen worden, inwieweit aus Sicht der Beklagten eine gesundheitliche Verbesserung seit ihrem Anerkenntnis eingetreten sei und wie sich diese gesundheitliche Verbesserung auf die berufliche Tätigkeit der Klägerin ausgewirkt haben solle.
7
Ebenso sei nicht erkennbar, von welcher beruflichen Tätigkeit die Beklagte zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses ausgegangen sei. Es fehle insgesamt an der von der Rechtsprechung geforderten notwendigen vergleichenden Betrachtung.
8
Daneben habe sich der Gesundheitszustand des Klägers jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang gebessert.
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Die Beklagte hat in der Klageerwiderung (Bl. 33 d.A) vom 20.09.2020 hilfsweise eine neue Einstellungsmitteilung zum 31.10.2022 erklärt.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 34.654,10 nebst 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.591,18 nebst Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.07.2020 für die Dauer der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum 31.03.2027 eine monatliche Rente in Höhe von € 1.506,70 zzgl. Überschussbeteiligung (so genannte Bonusrente) zu bezahlen und den Kläger längstens bis zum 31.03.2027 von der Beitragspflicht zu befreien.
11
Die Beklagte beantragt,
12
Die Beklagte behauptet im Wesentlichen, dass der Kläger spätestens seit dem 01.08.2018 zu mindestens 50 Prozent in der Lage gewesen sei, seine Berufstätigkeit als Disposent wieder vollschichtig nachzugehen. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass die formellen Voraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens erfüllt worden seien.
13
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S. sowie die Erstattung eines mündlichen Gutachtens desselben Sachverständigen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Gutachten vom 01.03.2022, das Ergänzungsgutachten vom 09.07.2022 sowie die Sitzungsniederschrift vom 23.06.2023.
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Mit Zustimmung der Parteien wurde ohne weitere mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 2 ZPO entschieden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von monatlichen Versicherungsleistung aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung seit Mai 2016 und Anspruch auf Beitragsfreistellung im gleichen Zeitraum. Die Beklagte hat zwar die formellen Voraussetzungen für das Entfallen der Leistungspflicht nach dem von ihr abgegebenen Anerkenntnis erfüllt, jedoch liegen die materiellen Voraussetzungen nicht vor.
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1. Im Schreiben vom 18.10.2016 (Anlage K 3) erkannte die Beklagte ihre Leistungspflicht auf Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente ab dem 01.05.2016 ausdrücklich an.
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2. Die formellen Voraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens wurden von der Beklagten im Einstellungsschreiben vom 05.06.2018 erfüllt.
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a) Grundsätzlich gilt, dass der Versicherer befugt ist, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit, ihres Grades und der Pflegestufe von sich aus nachzuprüfen und die Leistung einzustellen, wenn die bedingungsgemäßen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Er kann im Wege des Nachprüfungsverfahrens von der durch sein Anerkenntnis geschaffenen Selbstbindung abrücken und eine bereits anerkannte Leistungspflicht wieder beseitigen, womit der gedehnte Versicherungsfall endet. Der Versicherer darf seine Leistungen nur dann einstellen oder einschränken, wenn die Nachprüfung ergibt, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten gebessert hat. Das Nachprüfungsverfahren ermöglicht es dem Versicherer hingegen nicht, ohne derartige Änderungen die Frage der Berufsunfähigkeit, also etwa der Heilungsaussichten, den Einfluss der Gesundheitsbeeinträchtigung auf die Fähigkeit der Berufsausübung neu zu beurteilen. Die Nachprüfung hat ihre Berechtigung letztlich, weil bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit kein Zustand von erwiesener endgültiger, sondern nur von voraussichtlicher Dauer ist. Der Versicherer bleibt grundsätzlich an sein Anerkenntnis gebunden und kann von ihm nur dann wieder abrücken, wenn er in dem vorgesehenen Nachprüfungsverfahren nachweisen kann, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten derart gebessert hat, dass dies zu bedingungsgemäß relevanten Auswirkungen auf berufliche Betätigungsmöglichkeiten des Versicherten führt. Das Nachprüfungsverfahren ist gesetzlich nur unvollständig geregelt. Erwähnt ist insofern lediglich die grundsätzliche Berechtigung des Versicherers, die Form und die Rechtsfolge (Leistungsfreiheit). Allerdings findet sich in den §§ 10 ff. AVB entsprechende vertragliche Vereinbarungen der Parteien (vgl. zum Vorstehenden nur Neuhaus, a.a.O., Kap. 14, b) Den von der Rechtsprechung an die Einstellungsmitteilung geknüpften strengen formellen Anforderungen wurde die Beklagte bereits im Schreiben vom 05.06.2018 (Anlage K5) gerecht. Deshalb kommt es auf hilfsweise erfolgte Einstellungsmitteilung im Schriftsatz vom 20.09.2020 nicht mehr an.
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aa) Nach § 10 AVB kann die Beklagte nach Anerkennung oder Feststellung ihrer Leistungspflicht das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit nachprüfen. Dabei kann sie erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 2 ausübt bzw. im Sinne von § 1 Abs. 5 AVB ausüben kann. An den Inhalt der Änderungsmitteilung sind strenge Voraussetzungen zu stellen: Die Mitteilung soll dem obliegenheitstreuen Versicherten, der zuvor dem Versicherer für die Nachprüfung sachdienliche Auskünfte erteilt hat, die Informationen geben, die er benötigt, um sein Prozessrisiko abschätzen zu können. Nachvollziehbarkeit der Entscheidung setzt daher voraus, dass der Gesundheitszustand, den der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem späteren Gesundheitszustand verglichen wird (BGH, Urteil vom 28.04.1999, Az.: IV ZR 123-98, veröffentlicht in NJW-RR 1999, 1111, 1112; Lücke in: Prölss/Martin, 31. Aufl. 2021, VVG, § 9 AVBBU, Rn. 20). Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Versicherers setzt demnach voraus, dass eine Vergleichsbetrachtung angestellt wird. Der gesundheitliche Zustand des Versicherten zum Zeitpunkt der die Nachprüfung beschließenden Entscheidung muss jenem gegenübergestellt werden, den der Versicherer seinem gebotenen Anerkenntnis zugrunde gelegt hat. Außerdem müssen die aus dieser Vergleichsbetrachtung abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden.
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bb) Diesen dargestellten formellen Anforderungen wird die Einstellungsmitteilung vom 05.06.2018 gerecht.
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(1) Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, wie der Versicherer die früher nicht mehr möglichen und jetzt wieder möglichen Tätigkeiten konkret darstellen muss existiert nicht. Nach Auffassung der Kammer gehen die vom OLG Karlsruhe aufgestellten Anforderungen deutlich zu weit. Danach gehören zu den aus der Vergleichsbetrachtung abgeleiteten Forderungen auch die aus den medizinischen Erkenntnissen gezogenen berufsbezogenen Schlussfolgerungen, die deshalb ebenfalls vergleichend darzulegen sind (OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.07.2008 – 12 U 22/08, BeckRS 2008, 13412). Dagegen ist nach Ansicht des OLG Koblenz für eine wirksame Einstellungsmitteilung nicht notwendig, dass der Versicherer oder der Sachverständige darlegt welche konkreten Tätigkeiten zunächst nicht mehr und nun wieder doch ausführen kann (OLG Koblenz, Urteil vom 11. 7. 2008 – 10 U 842/07).
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(2) Die zuletzt genannten Anforderungen sind völlig ausreichend, damit der VN sein Prozessrisiko einschätzen kann. Die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe schraubt hingegen die Pflichten des Versicherers in fast nicht mehr erreichbare Höhen. Die Anforderungen an die Einstellungsmitteilung werden dort formell überspannt, da die Mitteilung nicht an einen Fremden, sondern an den über seinen Beruf und seinen Gesundheitszustand (am besten) informierten VN gerichtet ist. Sie führen zu einer formalen Stolperfalle. Die Nachprüfungsentscheidung soll aber keinen Dritten, sondern den VN informieren und ihm die Einschätzung des Prozessrisikos ermöglichen. Maßgeblich ist daher allein sein Empfängerhorizont, und er wird i. d. R. in der Lage sein, auch eine nicht jede Einzelheit aufführende und gegenüberstellende Darlegung zu verstehen und abzuschätzen, ob sich ein Streit lohnt oder nicht (ggf. nach sachverständiger Beratung, was aber zumutbar ist). Auch wenn in der Mitteilung keine exakte prozentuale Gegenüberstellung der Teiltätigkeiten erfolgt, so weiß der VN bei einer ihm zumutbaren Anspannung seines Intellekts wenigstens grob, ob die Einschätzung des Versicherers korrekt ist oder nicht. Dabei dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden, denn wer, wenn nicht der VN selbst, könnte besser beurteilen, ob aufgrund seiner Gesundheitsverbesserung nunmehr die Wiederaufnahme seiner zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit ganz oder teilweise wieder möglich ist. Die Anforderungen an die vergleichende Gegenüberstellung bewegen sich daher im unteren Bereich, da die Mitteilung nicht an einen Fremden, sondern als empfangsbedürftige Willenserklärung an den über seinen Beruf und seinen Gesundheitszustand informierten VN gerichtet ist. Maßgeblich ist daher nicht der Empfängerhorizont eines durchschnittlichen VN, sondern allein der des konkreten VN, und dieser wird i. d. R. in der Lage sein, auch nicht jede Einzelheit aufführende Darlegungen zu verstehen und abzuschätzen (ggf. nach sachverständiger Beratung), ob sich ein Streit lohnt oder nicht (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung Kapitel 14 Rn. 129 ff.)
24
(3) Die Beklagte übermittelte dem Kläger das Einstellungsschreiben gemeinsam mit dem Gutachten des Gutachters Dr. H. (Anlage K6). Der Versicherer darf sich zur Begründung seiner Einstellungsmitteilung auch auf ein erstelltes Gutachten beziehen, sofern er dieses der Mitteilung beifügt oder es dem VN bereits vorher vorlag. Der frühere und der aktuelle Gesundheitszustand müssen vergleichend gegenübergestellt werden. Das kann schwerpunktmäßig in dem Gutachten erfolgen, sodass die eigentliche Einstellungsmitteilung knapp ausfallen darf (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung Kapitel 14 Rn. 153).
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α) Eine vergleichende Gegenüberstellung ist im Gutachten des Dr. H. erfolgt. Die Einstellungsmitteilung nimmt in knapper Form Bezug auf die Diagnose, die dem Anerkenntnis zugrunde liegt (“aufgehobenes berufliches Leistungsvermögen“) und die neu aufgestellte Diagnose (“geringer dysthymer Stimmungszustand“). Im beigefügten Gutachten findet sich gleich auf der Seite 2 die Diagnose des Arztes Dr. H.. Dieser stellte die Diagnose eines schweren depressiven Syndroms. Für den Kläger war daher auch ohne Übermittlung des Arztberichts (Anlage B3) nachvollziehbar, auf welche Erkrankung das Anerkenntnis gestützt wurde. Der Gutachter Dr. H. befasst sich auf Seite 12 mit der damals gestellten Diagnose und ordnet diese als nachvollziehbar ein. Sodann statuiert er, dass diesbezüglich eine deutliche Besserung des psychischen Zustandes eingetreten ist. Er folgt eine nähere Erörterung des jetzigen Gesundheitszustandes Klägers im Zeitpunkt der Begutachtung.
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β) Der Einwand des Klägers, er habe nicht gewusst, welche berufliche Tätigkeit der Erstprüfung und der Nachprüfung zugrunde lag, überzeugt nicht. Der Gutachter setzt sich ausreichend mit der konkreten Tätigkeit des Klägers auseinander. Auf Seite 3 des Gutachtens erfolgt eine ausführliche Beschreibung der Tätigkeiten des Klägers in seinem zuletzt ausgeübten Beruf. So ist auch berücksichtigt worden, dass der Kläger diverse Zusatztätigkeiten übernommen hat (“habe er zunehmend Tätigkeiten zugeordnet bekommen und übernommen“). Der Sachverständige ist von der zutreffenden Tätigkeit als Disponent und nicht als Verkäufer ausgegangen (“In den letzten 17 Jahren sei er Diponent für Heizöl- und Dieselverteilerfahrer gewesen“). Der Kläger hat gegenüber dem Gutachter selbst seine Tätigkeit und die ihm obliegenden Aufgaben geschildert, die wiederum dem Gutachten zugrunde gelegt wurden. Er hatte demnach genaue Kenntnis davon, was er dem Gutachter zu seiner Tätigkeit vorgegeben hat. Aus dem Gutachten geht nicht hervor, dass der Gutachter von anderen Tätigkeitsbeschreibungen ausgeht. Die in der Replik vom 07.01.2021 (Bl. 47 d.A) auf Seite 2 unten genannten Tätigkeiten finden sich alle in der Beschreibung des Gutachters wieder.
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γ) Darüber hinaus hatte der Kläger auch Kenntnis von den weiteren der Beklagten vorliegenden Unterlagen zur Tätigkeitsbeschreibung. Der Kläger selbst füllte eine Selbstauskunft zur konkreten Ausgestaltung seiner Berufsfähigkeit aus (Anlage B2). Daneben liegt noch eine Arbeitgeberauskunft (Anlage B3) vor, die der Kläger der Beklagten selbst übermittelte. Von deren Inhalt hatte er folglich auch Kenntnis. Der Gutachter Dr. H. nannte im Gutachten seine Beurteilungsgrundlage. Unter I. Aktenlage nannte er die bei der Erststellung des Gutachtens herangezogenen Unterlagen. Die Arbeitgeberauskunft wird an keiner Stelle erwähnt, sodass diese offenkundig außer Betracht gelassen wurde. Aus dem Gutachten geht hervor, dass zur Tätigkeitsbeschreibung allein die vom Kläger selbst geschilderten Tätigkeiten herangezogen wurden. Es besteht daher kein Grund zur Annahme, der Gutachte hätte seiner Einschätzung einen falschen Beruf zugrunde gelegt.
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3. Allerdings wurden die materiellen Anforderungen des Nachprüfverfahrens nicht erfüllt. Materielle Voraussetzung eines wirksamen Nachprüfungsverfahrens ist eine Änderung der tatsächlichen, für die Beurteilung der Leistungspflicht maßgebenden Umstände. Die Beklagte hat sich auf eine Änderung des Gesundheitszustandes des Klägers gestützt. Eine solche Änderung steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nach der Überzeugung des Gerichts nicht fest.
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Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AVB liegen beim Kläger weiterhin unverändert vor.
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a) Zu vergleichen sind der Gesundheitszustand sind der gesundheitliche Zustand, der dem Anerkenntnis des Versicherers zugrunde gelegt worden ist, mit dem Gesundheitszustand, zu dem nach Auffassung des Versicherers die Berufsunfähigkeit weggefallen ist (BGH VersR 2010, 1023; KG VersR 2019, 150). Die tatsächlichen Umstände müssen sich deshalb zu Gunsten des Versicherers so geändert haben, dass eine bestehende Berufsunfähigkeit dadurch weggefallen ist, die in § 1 Abs. 1 AVB vereinbarte Schwelle zur Berufsfähigkeit also gerade durch den verbesserten Gesundheitszustand überschritten worden ist (vgl. Prölls/Martin VVG, BU § 9 Rn. b) Beim Kläger ist keine gesundheitliche Verbesserung eingetreten. Das Gericht stützt sich hierbei auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S.. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass in der Gesamtschau eine Berufsunfähigkeit von etwas über 50% vorliegt (vgl. Sitzungsniederschrift vom 23.06.2023 S.4 / Bl. 269 d.A).
31
(1) Der Sachverständige hat in einem ersten Teil eine Gesamtquerschnittsanalyse der ihm vorliegenden Unterlagen vorgenommen, im zweiten Teil seine eigene Begutachtung des Klägers einschließlich der erfolgten testpsychologischen Zusatzbegutachtung und schließlich in einem dritten Teil eine Synthese aus den beiden anderen Teilen durchgeführt. In dieser Synthese hat er folgendes festgestellt: Ab 02/2016 lag beim Kläger eine erstmalige Anpassungsstörung vor, die ab 09/2016 in eine Double Depression mit rezidivierend mittelgradig somatisiert depressiven Episoden überging. Ebenso liegt eine despendent asthenisch/zwanghafte Persönlichkeit als Vorvulnerabnilität sowie eine mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeit vor. Aus diesen Diagnosen resultieren funktionelle Beeinträchtigungen für die Bereiche Ausdauer, Konzentration und Entscheidungsfähigkeit. Unter Zugrundlegung des dem Sachverständigen vorgegebenen Tätigkeitsprofils (Anlage B5) hat dieser eine Berufsunfähigkeit von mehr als 50% ab dem Zeitpunkt 02/2016 ermittelt. Er hat ausdrücklich keine Response oder Remission feststellen können (Bl. 161 d.A).
32
(2) Zweifel an den Feststellungen des Gutachtens bestehen nicht. Der Sachverständige hat in seine Beurteilung sämtliche vorhandenen Unterlagen einbezogen und diese gewürdigt. Seine Diagnosen stützen sich auf eine nach DSM 5 Kriterien gewichtete Analyse, deren Anwendung an sich auch nicht angegriffen wurde. Zunächst hat der Sachverständige die richtigen Vergleichsgrundlagen herangezogen. Grundlage für das abgegebene Anerkenntnis der Beklagten war das vom Dr. H. festgestellte schwere depressive Syndrom. Diese Diagnose stellt auch die Ausgangsbasis für den gerichtlich beauftragten Sachverständigen dar. Diese hat auf dieser retrospektiven Ausgangsbasis die Begutachtung durchgeführt (Bl. 217 d.A). Das negative Leistungsbild, das aus den festgestellten funktionellen Beeinträchtigungen in den Bereichen Ausdauer, Konzentration und Entscheidungsfähigkeit beruht, bestand ausdrücklich im Zeitpunkt der Leistungseinstellung (vgl Bl. 222 d.A). Diese Vorgehensweise ist richtig, da ein Vergleich des Zustandes im Zeitpunkt des Anerkenntnisses mit dem bei Abschluss des Nachprüfunfsverfahrens vorzunehmen ist.
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Des Weiteren hat der Sachverstände, insbesondere im Rahmen des Ergänzungsgutachtens vom 09.07.2022 schlüssig erklärt, wieso er zu einem anderen Ergebnis als der Privatgutachter gekommen ist. So hat Prof. Dr. S. einen Abgleich aus Eigen- und Fremdanamnese hergestellt. Er hat, anders als der Gutachter Dr. H., seine Begutachtung nicht allein auf die persönliche Begutachtung gestützt, da dies nur eine Momentaufnahme darstellt. Zusätzlich hat dieser auch den Befund der behandelnden Psychotherapeuthin völlig außer Acht gelassen, obwohl eine Heranziehung aus Sicht von Prof. Dr. S. dringend geboten war. Aggravative, aus der subjektiven Fremdwahrnehmung heraus resultierende, krankheitsimmanente Elemente wurden bei der Bemessung des BU-Grades berücksichtigt.
34
c) Die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 Abs. 1 ZPO war aus Sicht des Gerichts nicht erforderlich. Das Gutachten ist nicht ungenügend. Ein Gutachten ist insbesondere „ungenügend“, wenn es unvollständig, widersprüchlich oder nicht überzeugend ist, wenn es von unzutreffenden Tatsachen ausgeht oder sich diese durch neuen (zu berücksichtigenden) Vortrag geändert haben, wenn der Sachverständigen nicht die erforderliche Sachkunde hat oder es neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt (Musielak/Voit/Huber ZPO § 412 Rn. 1). Der Beklagtenvertreter hat seinen Antrag auf Einholung eines neuen Gutachtens daraus gestützt, dass die gutachterlichen Feststellungen unrichtig und einige Fragen unbeantwortet geblieben seien (Bl. 274 d.A).
35
α) Eine nur oberflächliche Befragung des Klägers ist nicht zu erkennen. Der Sachverständige hat den Kläger zu seiner Biografie, Familie, Beschwerden körperliche und psychischer Art, seinem gewöhnlichen Tagesablauf, seinem Arbeitsablauf und seine Freizeitgestaltung befragt (Bl. 147 d.A). Der Leser kann bei der Lektüre des Gutachtens einen Eindruck von der Person des Klägers gewinnen und nachvollziehen, wieso der Sachverständige diese Angaben entsprechend gewertet hat. Der Kläger hat geschildert, dass er sehr gewissenhaft ist und zum Perfektionismus tendiere.
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Diese Eigenschaft habe sein Arbeitgeber entsprechend ausgenutzt und ihm stetig mehr Zusatzaufgaben und Verantwortung übertragen. Dies ging so lange gut bis der Kläger, auch bedingt durch den Tod seines Vaters, schließlich zusammengebrochen ist. Das Gericht hat ein gutes Gefühl dafür bekommen, wie sich der Kläger fühlte und was die Gründe hierfür sind. Die vom Sachverständigen gestellten Diagnosen können mit diesen Erzählungen, unter Einbeziehung der Auswertung der ärztlichen Unterlagen, in Einklang gebracht werden.
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β) Allein die Tatsache, dass zwischen dem außergerichtlich eingeholten Gutachten und dem gerichtlichen Gutachten Widersprüche bestehen, führt nicht zur Unrichtigkeit des Gutachtens. Die Feststellungen des Erstgutachtens können nicht einfach als zutreffend unterstellt werden. Dies würde dann nämlich auch bedeuten, dass ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten überflüssig wäre. Prof. Dr. S. hat an mehreren Stellen erklärt, wieso er von den Feststellungen im Gutachtens des Dr. H. abweicht (insbesondere ab Bl. 269 d.A).
38
Der Sachverständige Prof. Dr. S. stimmt dem Gutachter Dr. H. in zwei Punkten überein. Das ist zum einen die Anpassungsstörung und zum anderen die Übereinstimmung im Bereich der Dysthymie. Der Sachverständige hat nachvollziehbar und überzeugend erklärt, wieso nach seiner Einschätzung nicht nur eine Dysthymie, sondern auch eine Double Depression vorliegt (Bl. 270 d.A). Es bestehen auch keine Bedenken bezüglich der Heranziehung des Befunds von Dr. H.. Auch an dieser Stellt hat er Sachverständige in der mündlichen Verhandlung genau erläutert, wieso er diesem Befund eine hohe Bedeutung zumisst. Der Sachverständige hat erläutert, dass eine Begutachtung stets nur eine Momentaufnahme darstellt, weshalb auch unterschiedliche Eindrücke der Begutachter denklogisch sind. Einem Menschen geht es nicht jeden Tag gleich gut, es gibt zahlreiche Faktoren, die auf die momentane Stimmung und Situation negative und positive Einflüsse haben. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass der Kläger nicht bei jeder Begutachtung genau gleich wahrgenommen wurde. Gerade deshalb hat der Sachverständige auch den Befund der behandelnden Psychologin entsprechend bewertet. Der Befund von Dr. H. steht in engem zeitlichen Abstand zu der Begutachtung des Dr. H.. Dieser hat also auch gerade das Leistungsvermögen des Klägers im Zeitraum des Nachprüfungsverfahrens zur Grundlage.
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γ) Der Sachverständige hat sich entgegen der Behauptung der Beklagten mit dem Leistungsvermögen des Klägers gerade zum Zeitpunkt des Abschlusses des Nachprüfungsverfahrens auseinandergesetzt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass seit dem erstmaligen Eintritt der Berufsunfähigkeit bis zum Zeitpunkt seiner Begutachtung keine Respone oder Remission erfolgt ist. Das beinhaltet die Feststellung, dass eine solche auch im Zeitpunkt des Abschlusses des Nachprüfungsverfahrens nicht eingetreten ist. Ausdrücklich hat er dies auf Seite 14 des Ergänzungsgutachtens statuiert (Bl. 222 d.A).
40
δ) Die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. zu den erheblichen kognitiven Beschwerden des Klägers beruhen auf einer validen Grundlage. Die testpsychologische Begutachtung durch die Sachverständige Dr. S. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass beim Kläger Einschränkungen im Bereich der konzentrierten Aufmerksamkeitsleistung, bedingt durch eine deutlich unterdurchschnittliche Informationsverarbeitunsgeschwindigkeit vorliegen. Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen bestehen seitens des Gerichts nicht und wurden auch insoweit nicht vorgetragen. In der kognitiven Beschwerdevalidierung waren keine Hinweise auf eine suboptimale Leistungsbereitschaft nachweisbar. Im Rahmen der psych.-emotionalen Beschwerdevalidierung konnte eine negative Antwortverzerrung nicht ausgeschlossen werden (Bl. 127 d.A). Daraus lässt sich nicht der zwingende Schluss ziehen, dass das festgestellte Aufmerksamkeitsdefizit allein auf eine suboptimale Leistungsbereitschaft des Klägers zurückzuführen ist. Der Sachverständige hat für das Gericht nachvollziehbar erklärt, wieso der Gutachter Dr. H. solche Defizite nicht feststellen konnte. Dieser habe eine Dissumulation nicht ausreichend berücksichtigt, die aber Teil der Gesamtpersönlichkeit des Klägers ist (Bl. 270 d.A). Die Beklagte widerspricht dieser Argumentation und verweist auf das Ergebnis des Klägers im Testverfahren Beck-Depressions-Inventar, bei dem dieser eine Gesamtsummenpunktzahl von 39 erzielte. Diese Punktzahl entspricht einer schweren Depression im Rahmen der Selbstbeschreibung. Dieser Aspekt betrifft aber die Depression des Klägers und nicht dessen kognitive Fähigkeiten. Letztere wurden mittels des Im Dem Tect A Verfahrens überprüft (Anlage K6 S. 11). Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat erläutert, dass es im Bereich der Aggravation zwei Bereiche, die Selbstbeurteilung in Form der äußeren Darstellung und den innerlichen Leistungsdruck, gibt. Für die beiden Bereiche sind wiederum verschiedene Anknüpfungstatsachen relevant.
41
ε) Schließlich stellt sich das Gutachten nicht als ungenügend dar, weil der Sachverständige eine grobe Schätzung des Grades der Berufsunfähigkeit abgegeben hat. Es ist zutreffend, dass der Sachverständige keinen festen Grad der Berufsfähigkeit ermittelt hat. Das ist hier aber unschädlich. Der Sachverständige hatte ausweislich Ziffer 3 des Beweisbeschlusses vom 19.10.2021 lediglich die Frage zu beantworten, ob der Kläger mindestens 50% berufsunfähig im Sinne der Definition in den Versicherungsbedingen ist. Diese Frage hat er bejaht. Für die Überprüfung, ob die Voraussetzungen des § 10 AVB vorliegen, muss kein konkreter Grad ermittelt werden. Es ist allein entscheidend, ob durch eine gesundheitliche Verbesserung der Schwellenwert von 50% wieder unterschritten ist. Im Übrigen hat der Sachverständige auf Seite 25 seines schriftlichen Gutachtens (Bl. 161 d.A) die Tätigkeiten des Klägers nach Umfang aufgeschlüsselt und für all diese Tätigkeiten jeweils eine Berufsunfähigkeit von 50% attestiert. Eine Berufsunfähigkeit mit einem Grad von genau 50% ist nach § 1 Abs. 1 AVB (“mindestens 50%“) ausreichend.
42
4. Die Beklagte war daher antragsgemäß zu verurteilen.
43
Der Kläger legt ihrer Klage eine monatliche Rentenzahlungspflicht von 1.506,70 € zugrunde. Mit Klageziffer 1 wurden im Wege der Leistungsklage Rentenzahlungen im Zeitraum August 2018 bis Juni 2020 geltend gemacht. Es handelt sich um 23 Monate, mithin um einen Betrag in Höhe von 34.654,10 €. Mit Klageziffer 2 macht der Kläger Rückzahlung der monatlichen Versicherungsbeiträge in diesem Zeitraum in Höhe von (23 x 112,66 € =) 2.591,18 € geltend. Mit Ziffer 3 macht der Kläger die monatliche Rentenzahlung ab Juli 2020 bis einschließlich 31.03.2027 sowie die Befreiung von der Beitragspflicht in diesem Zeitraum geltend. Die Pflicht zur Befreiung von der Beitragspflicht und der Zahlung der monatlichen Rente ergibt sich aus § 3 Abs. 1 AVB.
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5. Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
46
Die Rückübertragung des Rechtsstreits auf die Kammer nach § 348a Abs. 2 ZPO war aus Sicht der Einzelrichterin nicht angezeigt. Ein übereinstimmender Antrag der Parteien nach § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO lag nicht vor. Ein solcher Antrag ist allenfalls nur von der Beklagten gestellt worden (Bl. 295 d.A). Ebenso liegen die Voraussetzungen des § 348a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht vor. Entgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters erweist sich die Würdigung des Gutachtens des Prof. Dr. S. nicht als besonders schwierig. Die Einzelrichterin ist mit dem Gutachtenstil des Sachverständigen vertraut, da dieser in zahlreichen anderen Verfahren bereits Gutachten erteilt hat. Hinzu kommt, dass das Sitzungsprotokoll sehr ausführlich ist und der Inhalt der mündlichen Erläuterung daher problemlos nachvollzogen werden kann. Bei der Bewertung des Gutachtens kommt es vordringlich auf dessen Überzeugungskraft an, die Glaubwürdigkeit des Sachverständigen spielt hierbei eine zu vernachlässigende Rolle. Der Sachverständige verfügt über eine langjährige Erfahrung in seinem Gebiet und hat schon zahlreiche Gutachten für die Kammer erstattet. An dessen Sachkunde bestehen keinerlei Zweifel. Die im hiesigen Verfahren getroffenen Feststellungen des Sachverständigen sind allesamt nachvollziehbar und überzeugend. Im Übrigen waren die anderen Kammermitglieder beim Termin auch nicht anwesend, sodass diese zur Glaubwürdigkeit auch nichts beitragen könnten.
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Das Argument, die Prozesslage habe sich wesentlich geändert, weil das Gutachten ungenügend im Sinne des § 412 Abs. 1 ZPO sei, überzeugt nicht. Es handelt sich hierbei allein um eine Einschätzung der Beklagten, die das Gericht aus den dargestellten Gründen nicht teilt. Daraus ergibt sich keine Änderung der Prozesslage.