Inhalt

OLG München, Beschluss v. 05.06.2023 – 21 U 5683/22
Titel:

Kein Anspruch auf Minderung in Diesel-Fall (hier: Wohnmobil)

Normenketten:
BGB § 249, § 323 Abs. 1, § 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 S. 1
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2, Nr. 3, § 522 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. auch zu "Diesel-Wohnmobilen" mit unterschiedlichen Ergebnissen: OLG Brandenburg BeckRS 2024, 9875; OLG Celle BeckRS 2022, 43622; BeckRS 2022, 14792; BeckRS 2022, 30920; BeckRS 2023, 30810; OLG Dresden BeckRS 2023, 26614; BeckRS 2023, 33285; BeckRS 2022, 26251; LG Hildesheim BeckRS 2022, 14793; LG Meiningen BeckRS 2022, 7390; LG Köln BeckRS 2022, 22798; LG Passau BeckRS 2022, 27776; LG Ravensburg BeckRS 2022, 4599; LG Saarbrücken BeckRS 2022, 7472. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verkäuferin eines Fahrzeugs ist weder für die Angaben in der EG-Typgenehmigung noch für die Angaben in der Übereinstimmungsbescheinigung verantwortlich. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bezüglich behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen bedarf es keiner Entscheidung, wenn der geltend gemachte Anspruch auf Minderung an einer unstreitig fehlenden Fristsetzung zur Nachbesserung scheitert und eine solche Nachfristsetzung nicht entbehrlich ist. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Kann der Käufer sein Fahrzeug uneingeschränkt nutzen, ist es für ihn nicht unzumutbar, auf ein Software-Update zu warten, bis ein solches erforderlich ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Berufungsbegründung genügt nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und 3 ZPO, wenn sie sich nicht mit der vom Erstgericht zur Begründung für die Klageabweisung angeführten, selbständig tragenden Erwägung des fehlenden Schadens auseinandersetzt. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Wohnmobil, unzulässige Abschalteinrichtungen, EG-Typgenehmigung, Minderung, merkantiler Minderwert, Rückabwicklung des Kaufvertrags, Nachfristsetzung, Nutzungsentschädigung, Rückruf
Vorinstanz:
LG München I vom 02.08.2022 – 41 O 11884/21
Rechtsmittelinstanzen:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 15.10.2024 – VIa ZB 31/23
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 13.08.2024 – VIII ZR 139/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52919

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 02.08.2022, Aktenzeichen 41 O 11884/21, wird in Bezug auf die Beklagte zu 1) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen und in Bezug auf die Beklagte zu 2) gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag des Klägers vom 22.05.2023, das Verfahren bis zu der Verkündung des Urteils des BGH in den Verfahren VIa ZR 335/21 und VIa ZR 1031/22 auszusetzen, wird abgelehnt.
3. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich die der Streithelferin zu 2) entstandenen Kosten, zu tragen.
4. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweiligen Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 65.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Streitgegenständlich sind Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Wohnmobils, von dem der Kläger behauptet, es verfüge über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen. Von der Beklagten zu 1) als Verkäuferin verlangt der Kläger den Ausgleich eines merkantilen Minderwerts und von der Beklagten zu 2) begehrt er die Rückabwicklung des Kaufvertrags unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die bislang gefahrenen Kilometer.
2
Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um ein Wohnmobil … des Herstellers …, das der Kläger laut Rechnung vom 19.08.2019, Anlage K 25, als Neufahrzeug zum Preis von 44.000 € erworben hat. Das Fahrzeug wurde am 03.09.2019 erstmalig zugelassen. Als Basisfahrzeug dient ein von der Beklagten zu 2) hergestellter … der Schadstoffklasse Euro 6, das über einen 2,3 Liter Dieselmotor mit 96 kW (Motorcode …) verfügt. Sowohl das Basisfahrzeug als auch der Aufbau durch die Streithelferin zu 2) verfügen über eine entsprechende EG-Typgenehmigung. Für das streitgegenständliche Fahrzeug besteht weder durch das KBA noch durch … Behörden ein Rückruf oder andere Maßnahmen/ Auflagen im Hinblick auf das Emissionsverhalten.
3
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 02.08.2022 Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
4
Das Landgericht München I hat die Klage mit Urteil vom 02.08.2022 vollumfänglich abgewiesen.
5
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Hinsichtlich des Berufungsvorbringens im Einzelnen wird auf die Zusammenfassung im Hinweisbeschluss des Senats vom 30.03.2023 sowie das Vorbringen in der Berufungsbegründung, Schriftsatz vom 30.11.2022, Bl. 601 ff. d.A., Bezug genommen.
6
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
1. Das Urteil des Landgerichts München I – Az. 41 O 11884/21 – vom 02.08.2022 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht München I zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
2. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs des Modells … des Herstellers … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) …, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens € 11.000,00 betragen muss, zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerpartei weiteren Schadensersatz, der über den Minderungsbetrag hinausgeht, zu bezahlen, für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs des Modells … des Herstellers … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) … durch die Beklagtenpartei zu 2) resultieren.
4. Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche(n) Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 2.613,24 freizustellen.
5. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerpartei € 51.263,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs des Modells … des Herstellers … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) … Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des vorgenannten Fahrzeuges.
6. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei darüber hinaus Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die der Klagepartei dadurch entstanden sind oder entstehen werden, dass in das in Klageantrag Ziffer 2 genannte Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut wurde.
7. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) sich mit der Annahme des in Klageantrag Ziffer 2 genannten Fahrzeugs im Verzug befindet.
7
Beide Beklagte beantragen,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Beklagten haben zu dem Berufungsvorbringen der Klagepartei Stellung genommen, die Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 09.01.2023, Bl. 659 ff. d.A., die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 16.02.2023, Bl. 730 ff. d.A. Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten wird auf die Zusammenfassung im Hinweisbeschluss des Senats sowie auf die genannten Schriftsätze verwiesen.
9
Der Senat hat mit Beschluss vom 30.03.2023 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gegen die Beklagte zu 1) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und die Berufung gegen die Beklagte zu 2) gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
10
Zu diesem Hinweis hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.05.2023 sowie die Streithelferin zu 1) mit Schriftsatz vom 02.05.2023 Stellung genommen. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Berufung gegen die Beklagten zulässig und begründet sei. Die Zurückweisung der Berufung in dem Verfahren nach § 522 ZPO sei rechtsfehlerhaft, weil die Revision zuzulassen sei. Im Übrigen wird eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Verkündung des Urteils des BGH in der Rechtssache VIa ZR 335/21 und VIa ZR 1031/22 beantragt. In Bezug auf die Beklagte zu 1) sei eine Nachfristsetzung schon deshalb entbehrlich, weil eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung vorliege. Weiter sei die Unmöglichkeit der Nacherfüllung anzunehmen und schließlich sei die Nachbesserung auch unzumutbar. Die Berufung gegen die Beklagte zu 2) sei zulässig. Die Berufungsbegründung habe sich mit dem Argument des fehlenden Schadens auseinandergesetzt. Insofern verweist der Kläger auf die Seiten 30 ff., insbesondere 35 ff. der Berufungsbegründung sowie Seite 46, auf der von einem „entstandenen Schaden“ gesprochen werde. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers wird auf den genannten Schriftsatz Bezug genommen.
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Die Streithelferin zu 2) verteidigt im Wesentlichen die Hinweise des Senats, verweist aber darauf, dass der Einbau eines Thermofensters streitig sei.
II.
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1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 02.08.2022, Aktenzeichen 41 O 11884/21, ist in Bezug auf die Beklagte zu 1) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
13
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats Bezug genommen.
14
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung des Klägers geben zu einer Änderung keinen Anlass. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Minderung des Kaufpreises bzw. Herausgabe des zuviel gezahlten Mehrbetrages gemäß § 441 Abs. 4 Satz 1, Abs. 1, Abs. 3, § 437 Nr. 2 Alt. 2 BGB, weil er es versäumt hat, vor der Ausübung des Gestaltungsrechts der Beklagten zu 1) eine angemessene Frist zur Nacherfüllung zu setzen, § 441 Abs. 1, Satz 1, § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 323 Abs. 1 BGB. Eine solche Fristsetzung ist unstreitig nicht erfolgt.
15
a) Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Verkündung des Urteils des BGH in den Verfahren VIa ZR 335/21 und VIa ZR 1031/22 am 26.06.2023 ist nicht veranlasst, weil es vorliegend allein um vertragliche Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 1) geht, die unstreitig nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist. Als Verkäuferin ist sie aber weder für die Angaben in der EG-Typgenehmigung noch für die Angaben in der Übereinstimmungsbescheinigung verantwortlich. Auf die Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss auf Seiten 12 ff. wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Mit diesen Ausführungen setzt sich die Klagepartei in ihrer Gegenerklärung nicht auseinander.
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b) Der Senat ist auch nicht an einer Entscheidung im Rahmen von § 522 ZPO gehindert, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der BGH hat in verschiedenen Entscheidungen bereits zur Erforderlichkeit der Nachfristsetzung Stellung genommen, die zum Teil vom Senat auf Seite 10 des Hinweisbeschlusses auch angeführt worden sind, vgl. auch BGH, Beschluss vom 11.01.2022 – VIII ZR 33/20; Beschluss vom 14.12.2021 – VIII ZR 386/20; BGH, Urteil vom 26.01.2022 – VIII ZR 140/20 und BGH, Beschluss vom 13.12.2022 – VIII ZR 298/21. Diese Entscheidungen betreffen allerdings sämtlich andere Fallgestaltungen. Die dort allgemein aufgestellten Grundsätze sind aber auf den vorliegenden Einzelfall zu übertragen und erfordern keine erneute Befassung des BGH.
17
c) Der Vortrag zu den nach Meinung des Klägers vorliegenden unzulässigen Abschalteinrichtungen wurde nicht übergangen oder unberücksichtigt gelassen, vielmehr wurde zu Gunsten der Klagepartei unterstellt, dass die behaupteten Mängel vorliegen, vgl. Seite 8 und 9 des Hinweisbeschlusses. Der Senat hat explizit ausgeführt, dass es diesbezüglich keiner Entscheidung bedarf, weil der geltend gemachte Anspruch auf Minderung an der unstreitig fehlenden Fristsetzung zur Nachbesserung scheitert und eine solche Nachfristsetzung nicht entbehrlich ist. Für das Eingreifen des Ausnahmetatbestandes und damit für das Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen ist der Käufer, der sekundäre Gewährleistungsrechte geltend macht, nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet (z.B. BGH, Urteil vom 29.09.2021 – VIII ZR 110/20). Insoweit wurde vom Senat auch Bezug genommen auf die in der Berufungserwiderung der Beklagten zu 1), Bl. 702 ff. d.A, aufgezeigte Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt. Auch das neu von der Streithelferin zu 2) vorgelegte Urteil des OLG Naumburg, Anlage STV 1, steht im Einklang mit der hier vertretenen Rechtsauffassung. Weiter ist der Senat davon überzeugt, dass eine Nachbesserung der unterstellten Mängel nicht unmöglich ist.
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Eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten zu 1) im Sinne des §§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB, die z.B. dann anzunehmen wäre, wenn die Beklagte zu 1) auch bei Vorliegen der Mängel unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringen würde, unter keinen Umständen zu einer Nachbesserung bereit zu sein, ist vorliegend nicht anzunehmen. Die Beklagte zu 1) bestreitet lediglich das Vorliegen der behaupteten Mängel, was aber nicht mit einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung gleichzusetzen ist, an die die Rechtsprechung strenge Anforderungen stellt, vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2015 – VIII ZR 226/14. Eine derartige Weigerung in Bezug auf die Durchführung einer Nachbesserung lässt sich den Schriftsätzen der Beklagten zu 1) nicht entnehmen.
19
Eine Unmöglichkeit der Beseitigung der behaupteten Mängel ist weder ausreichend dargelegt noch ersichtlich. Dem pauschalen Beweisangebot der Klagepartei zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, dass weder Software- noch Hardware-Lösungen in Betracht kämen, muss nicht nachgegangen werden. Soweit die Klagepartei diesbezüglich auf einen Schriftsatz vom 25.07.2023 verweist, so liegt dieses Datum in der Zukunft. Soweit es sich um eine falsche Jahreszahl handeln sollte, so findet sich aber auch ein Schriftsatz mit Datum 25.07.2022 der Klagepartei nicht in den Akten. Im Schriftsatz vom 01.08.2022, Seite 10, 11, werden zu dem Klageantrag Ziffer 5 (Feststellungsantrag) Ausführungen dahingehend unter Sachverständigenbeweis gestellt, dass unklar sei, was bei dem Fahrzeug künftig angeordnet werde und die Fragen gestellt „Ist überhaupt ein Software Update möglich? Muss an (ein) Umbau des Fahrzeugs erfolgen? Ist ein solcher Umbau überhaupt möglich? Welche Nachteile haben der Umbau oder ein Update?“ Weiter wird vermutet, dass Veränderungen wohl zu einem höheren Spritverbrauch führen würden und die Dauerhaltbarkeit des Fahrzeugs nicht mehr gegeben sei. Der Kläger würde ein völlig neues Fahrzeug erhalten, was nicht dem entspreche, was ihm zugesagt worden sei. Auf Seite 11 des Schriftsatzes wird weiter unter Sachverständigenbeweis gestellt, dass sehr wahrscheinlich von der neuen Bundesregierung keine Softwareupdates mehr akzeptiert würden, wenn es Hardwarelösungen gebe. Die Problematik bei Wohnmobilen liege im Gewicht des Fahrzeugs, so dass möglicherweise eine neue Zulassung und ein Lkw-Führerschein erforderlich sei. Abgesehen von der Frage, ob die oben wiedergegebenen Behauptungen überhaupt dem Sachverständigenbeweis zugänglich sind, wird an keiner Stelle von der Klagepartei konkret behauptet und unter Beweis gestellt, dass es zu den vorliegend behaupteten Mängeln keine Nachbesserungsmöglichkeiten gebe. Nur ein derartiger konkreter Tatsachenvortrag wäre aber ggf. durch ein Gutachten zu klären. Im Übrigen lässt sich den vom Kläger selbst aufgeworfenen Fragen, ob ein Software-Update oder ein Umbau möglich sei und ggf. mit welchen Folgen, entnehmen, dass er selbst solche Maßnahmen zur Nachbesserung für möglich erachtet. Anders als der Kläger meint, trifft die Beklagte keine sekundäre Darlegungslast, wodurch im Einzelnen die von ihr bestrittenen Mängel beseitigt werden könnten (so auch OLG Naumburg, Urteil vom 17.04.2023 – 12 U 162/22, Seite 13, Anlage STV 1).
20
Der Senat hat bereits ausgeführt, dass es im Hinblick auf die heute zur Verfügung stehende Technik und die Vorgänge beim Motor EA 189 des VW-Konzerns fernliegend ist, dass es keine Nachbesserungsmöglichkeiten geben soll (vgl. erneut BGH, Urteil vom 29.09.2021 – VIII ZR 111/20, Rn. 42 zu in Betracht zu ziehenden Hardwarelösungen). In Bezug auf das Thermofenster nennt die Beklagte zu 1) u.a. nachvollziehbar den Einbau eines SCR-Systems. Soweit der Kläger meint, dass ein Software-Update keinesfalls geeignet sein müsse, die Manipulation zu beseitigen, weil das Update selbst ein unzulässiges Thermofenster enthalte, so verfängt dieses Argument nicht. Zum einen hat das KBA in Bezug auf den Motor EA 189 die Beseitigung der ursprünglich vorhandenen unzulässigen Umschaltlogik durch ein Software-Update geprüft und gebilligt, zum anderen ist nicht zwingend, dass ein hier mögliches Software-Update ebenfalls ein – nach Meinung des Klägers – unzulässiges Thermofenster enthalten muss. All dies sind reine Spekulationen der Klagepartei. Was die Wirksamkeit eines Updates betrifft, so ist auch bei dem Hersteller … davon auszugehen, dass ein solches von der zuständigen Behörde umfassend geprüft und genehmigt werden wird, was die Annahme rechtfertigt, dass ein etwaiges Update wirksam und abzuwarten wäre.
21
An keiner Stelle des Hinweisbeschlusses befindet sich die vom Kläger angeführte Feststellung, dass die hiesigen Abschalteinrichtungen nicht zwischen einer Prüfsituation und dem Realbetrieb unterscheiden würden. Ausgeführt wurde lediglich, dass es deshalb keiner Beweiserhebung bezüglich eines behaupteten merkantilen Minderwerts bedarf, weil vorliegend unstreitig kein Rückruf durch das KBA oder … Behörden erfolgt ist und daher ein dadurch bedingter „Makel“ hier nicht vorliegt. Insoweit ist der Senat der Überzeugung, dass die zugunsten des Klägers unterstellten unzulässigen Abschalteinrichtungen sich grundsätzlich nicht von sonstigen Mängeln eines Fahrzeugs bei Gefahrübergang unterscheiden und bei Beseitigung solcher Mängel der Verkehrswert der Kaufsache nicht mehr gemindert ist, vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 26.01.2022 – 6 U 128/20, Rn. 138 ff., juris, Rn. 138 ff. Im Übrigen setzt sich die Berufungsbegründung auch nicht mit dem Argument des Einzelrichters am Landgericht auseinander, dem aus Parallelverfahren bekannt ist, dass ein dortiger Kläger sein angeblich mit Abschalteinrichtungen versehenes 7 Jahre altes Gebrauchtfahrzeug mit einem Verlust von lediglich 3.800 € im Vergleich zum gezahlten Neupreis verkaufen konnte, so dass von einem Minderwert durch das Vorhandensein von angeblichen unzulässigen Abschalteinrichtungen keine Rede sein kann.
22
Auch eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung verneint der Senat anders als die Klagepartei. Es ist zwar zutreffend, dass zwischen der … und der hiesigen Beklagten zu 2) insoweit ein Unterschied besteht, als die … in Bezug auf den Motor EA 189 letztlich eine Manipulation eingeräumt hat, während die Beklagte zu 2) abstreitet, unzulässige Abschalteinrichtungen in dem Fahrzeug verbaut und manipuliert zu haben. Eine Nachbesserung wird aber auch nur dann erforderlich sein, wenn Mängel festgestellt sind und die zuständigen Behörden der Beklagten zu 2) entsprechende Auflagen erteilen. Mängel, die bereits jetzt die Nutzbarkeit des Fahrzeugs beeinträchtigen und einen Werkstattbesuch erforderlich machen, liegen unstreitig nicht vor. Die Frage der Unzumutbarkeit kann nicht deshalb einfach bejaht werden, weil die Beklagte zu 2) derzeit keine Veranlassung sieht, ein Software-Update zu entwickeln. Die Frage der Unzumutbarkeit ist vielmehr durch Abwägung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, was der Senat in seinem Hinweisbeschluss getan hat. Da der Kläger sein Fahrzeug unstreitig uneingeschränkt nutzen kann, ist es für ihn auch derzeit nicht unzumutbar, auf ein Software-Update zu warten, bis ein solches erforderlich ist. Eine Störung der Vertrauensgrundlage zwischen Käufer und Verkäufer, die im Ergebnis einer Abwägung der Interessen der Parteien eine Frist zur Nachbesserung für den Käufer unzumutbar machen könnte, ist weder konkret vorgetragen, noch ersichtlich. Die Befürchtungen des Klägers, dass das Fahrzeug trotz einer Nacherfüllung weiterhin mangelhaft sein und die Nachbesserung zu lange dauern könnte, sind Befürchtungen, die vor jedem normalen Nachbesserungsverlangen bestehen können. Solange aber – wie vorliegend – keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen werden, dass sich jene Befürchtungen realisieren werden, rechtfertigen sie auch keine Unzumutbarkeit der Nachbesserung (so auch OLG Naumburg, Urteil vom 17.04.2023, 12 U 162/22, Seite 10, Anlage STV 1).
23
d) Die Klagepartei wurde im Übrigen bereits vom Landgericht im erstinstanzlichen Urteil darauf hingewiesen, dass die Klageanträge in sich widersprüchlich sind und auch eine Klageabweisung als unschlüssig in Betracht kommt. Im Verhältnis zur Beklagten zu 1) wird nämlich ein Anspruch aus Gewährleistung geltend gemacht und damit deutlich, dass der Kläger am Vertrag festhalten will. Hingegen richtet sich die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage auf Rückabwicklung, mit der der Kläger so gestellt werden möchte, als hätte er den Vertrag nie geschlossen. Der Kläger entscheidet sich insofern nicht, ob er sein Fahrzeug behalten oder den Vertrag rückabwickeln möchte. Der geltend gemachte Minderungsanspruch ist unschlüssig, wenn er, wie hier, mit einem Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung verbunden wird.
24
2. Die Berufung des Klägers gegen die Beklagte zu 2) ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufungsbegründung insoweit nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und 3 ZPO genügt.
25
Die Berufungsbegründung setzt sich nicht mit der vom Landgericht zur Begründung für die Klageabweisung angeführten, selbständig tragenden Erwägung des fehlenden Schadens auseinander, was aber erforderlich wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 21.06.2022 – VI ZB 87/21.
26
Es ist zwar zutreffend, dass der Kläger in der Berufungsbegründung auf Seite 30 ff. Ausführungen zur fehlenden Tatbestandswirkung der Typgenehmigung gemacht hat. Diese Ausführungen beziehen sich aber nicht auf den Schaden, sondern werden vielmehr im Rahmen der Sittenwidrigkeit gemacht und zu der Frage, ob deshalb vorhandene Abschalteinrichtungen zwingend zulässig sein müssten, was verneint wird. Auf Seite 46 oben der Berufungsbegründung verweist der Kläger darauf, dass ihm nach § 249 BGB ein Schaden entstanden sei, aufgrund mindestens fahrlässiger Missachtung der Vorgaben des Unionsrechts. Auch insoweit erfolgt aber keine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des landgerichtlichen Urteils zu einem fehlenden Schaden. Allein die Worte „entstandener Schaden“ reichen insoweit nicht aus. Die Berufungsbegründung hätte sich mit dem Argument des Landgerichts auseinandersetzen müssen, dass es „derzeit de facto ausgeschlossen ist, dass die … Kraftfahrzeugbehörde entsprechende Rückrufe anordnen wird“ und dass „das KBA seine Prüfungen abgeschlossen haben dürfte und etwaige Maßnahmen nicht zu befürchten sind“, wobei auch das Antwortschreiben des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 08.05.2020, Anlage SN 1, berücksichtigt worden ist. Das Landgericht hat weiter ausgeführt, dass nicht jede Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit als Schaden angesehen werden könne, sondern hier auch die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen sei, ob der Vertragsschluss als unvernünftig und den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig angesehen werden könne. Letzteres sei vorliegend nicht der Fall. Mit diesen Argumenten setzt sich die Berufungsbegründung an keiner Stelle auseinander. Das Zitat des Klägers aus BGH, Beschluss vom 28.04.2020 – VI ZR 347/19 verfängt nicht, weil dort die Zulässigkeit der Berufung vorgesetzt wird, welche hier gerade nicht gegeben ist. Die Ausführungen des Klägers in erster Instanz, Schriftsatz vom 25.07.2022, finden keinen Niederschlag in der Berufungsbegründung. Die weiteren Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 22.05.2023 verhelfen der Berufung nicht mehr zur Zulässigkeit, da die Berufungsbegründungsfrist längst abgelaufen ist.
27
3. Die Ausführungen ab Seite 13 des Schriftsatzes vom 22.05.2023 sind für die vorliegende Entscheidung nicht relevant. Insoweit erübrigen sich weitere Ausführungen.
III.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
29
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
30
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.