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VG Regensburg, Urteil v. 13.09.2023 – RO 11 K 21.2431
Titel:

Erfolgreiche Klage gegen einen Erschließungsbeitragsbescheid für ein im Außenbereich gelegenes Grundstück

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 3 , § 35, § 131 Abs. 1 S. 1, § 133 Abs. 1
Leitsätze:
1. Voraussetzung für die Heranziehung nach § 133 Abs. 1 BauGB ist im Grundsatz, dass das betreffende Grundstück gerade mit Blick auf die abzurechnende Anbaustraße – im Fall der Zweiterschließung unter Hinwegdenken der Ersterschließung – bebaubar wird, insbesondere also die für seine Nutzung erforderliche verkehrsmäßige Erschließung erhält. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Hinblick auf die Abgrenzung von Baulücken innerhalb eines Innenbereichs und einer Fläche des Außenbereichs ist maßgeblich, ob nach einer Bewertung des Gesamteindrucks der Umgebung der "Eindruck der Geschlossenheit" noch vorhanden ist, das Grundstück also noch durch die Umgebung geprägt ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB setzt voraus, dass die von der Satzung erfassten Grundstücke an sich dem baurechtlichen Außenbereich zuzuordnen wären und nur durch die Einbeziehungssatzung konstitutiv zu Innenbereich werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erschließungsbeitrag, Zweiterschließung, Abgrenzung Innen-/Außenbereich, Baulücke, Bebauungszusammenhang, Eindruck der Geschlossenheit, Einbeziehungssatzung, Außenbereichsgrundstück, Rückzahlung eines rechtswidriger Weise erhobenen Beitrages
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 11.09.2024 – 6 ZB 23.1832
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52790

Tenor

I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird der Bescheid der Beklagten vom 9.2.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes N. i.d.Opf. vom 8.11.2021 aufgehoben.
III. Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich zuletzt gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.
2
Der Kläger ist Eigentümer des 3.977 m² großen landwirtschaftlich genutzten Grundstücks FlNr. …1 der Gemarkung … in der Gemeinde M … Dieses Grundstück grenzt auf einer Länge von etwa 65 m² an den „O … Weg“ an. 2017 baute die Gemeinde den O … Weg auf einer Teillänge von etwa 130 m aus, beginnend kurz nach der Einmündung des K …wegs bis zum Ortsende auf Höhe der südlichen Grundstücksgrenze der FlNr. …2. Die abgerechnete Anlage liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Die Grundstücke FlNrn. …3, …2, …4 und …5, südlich des klägerischen Grundstücks gelegen, liegen im Geltungsbereich der Einbeziehungssatzung vom 17.10.2011, welche am 8.1.2013 in Kraft getreten ist.
3
Mit Bescheid vom 9.2.2018 setzte die Beklagte einen Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage „Abschnitt O … Weg, von K …weg bis Ende Ortschaft“ in Höhe von 25.528,00 € für das klägerische Grundstück fest. Ausgehend von einer Tiefenbegrenzung von 50 m, legte die Beklagte als beitragspflichtige Fläche 3.083 m² zugrunde. Am 1.3.2018 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen.
4
Am 20.9.2021 fasste der Gemeinderat der Beklagten einen Abwägungsbeschluss nach § 125 Abs. 2 BauGB.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 8.11.2021, zugestellt am 12.11.2021, wurde der Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten dahingehend geändert, dass der Beitrag auf 24.345,57 € festgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Änderung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass nach der Stellungnahme der Baugenehmigungsbehörde am Landratsamt N. i.d.Opf. vom 15.2.2021 lediglich 2.697 m² der FlNr. …1 dem baurechtlichen Innenbereich zuzuordnen seien. Die Tiefenbegrenzungsregelung der Änderungsatzung vom 18.11.2018 käme insoweit nämlich nicht zur Anwendung. Zudem hätten sich die beitragspflichtigen Flächen auch unter Berücksichtigung der sog. Eckgrundstücksvergünstigung geändert.
6
Der Kläger ließ am 13.12.2021 durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass das Grundstück des Klägers nicht durch die abgerechnete Erschließungsanlage erschlossen sei. Das klägerische Grundstück grenze auf einer Länge von 65 m an den „O … Weg“ an. Das Grundstück insgesamt sei 3.977 m² groß. Die laut Beklagte zunächst angenommene beitragspflichtige Fläche solle 3.083 m² betragen. Im Widerspruchsbescheid sei dann die beitragspflichtige Fläche auf 2.697 m² reduziert worden. Mit diesem unterschiedlichen Grundstücksflächenansatz werde belegt, dass das Grundstück im Außenbereich liege. Der Kläger sei hier der Auffassung, dass es insgesamt im Außenbereich liege, die Beklagte, dass es nur teilweise im Außenbereich liege. Für solche Fälle habe üblicherweise eine Satzung eine Tiefenbegrenzung vorgesehen. Eine solche wäre auch in der hier streitgegenständlichen Satzung vorhanden, allerdings sei eine Maßzahl, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück im Innenbereich als erschlossen gelte, nicht angegeben. Der Bescheid sei daher schon unbestimmt. Nach Auffassung der Widerspruchsbehörde solle die beitragspflichtig erschlossene Grundstücksfläche 2.697 m² betragen, nach Auffassung der Ausgangsbehörde, also der Beklagten, 3.083 m². Nach welchen Kriterien diese Flächen berechnet worden seien, erschließe sich für den Unterfertigten nicht. Das Landratsamt versuche mit einer beigefügten Skizze die Fläche zu konkretisieren. Es gebe jedoch nicht an, weshalb das Grundstück in L-Form erschlossen sein solle. Die Abgrenzung vom Innen zum Außenbereich könne weder vom Landratsamt noch von der Gemeinde metergenau vorgenommen werden. Für die vorgenommene Abgrenzung im Ausgangsbescheid und auch die im Widerspruchsbescheid gebe es keine Rechtsgrundlage und keine Anhaltspunkte. Üblicherweise nehme man hier die Außenkante der umliegenden Wohnhäuser, sodass das Grundstück mit einer Tiefe von 15 bis 20 Meter allenfalls erschlossen wäre, wenn es nicht im Außenbereich läge. Unterstellt, was nicht der Fall sei, das Grundstück liege teilweise im Innenbereich, so würde sich dieser maximal bis auf eine Tiefe von 15 bis 22 Metern erstrecken. Es liegen nämlich am O. … Weg nördlich und südlich des streitgegenständlichen Grundstückes zwei Wohnhäuser an. Dies sei das Wohnhaus auf Flur Nr. …6 Hausnummer 1, dessen vom O. … Weg abgewandte Hausseite liege ca. 15 Meter vom O. … Weg entfernt. Das südlich des streitgegenständlichen Grundstücks gelegene Haus am O. … Weg sei mit der vom O. … Weg abgewandten Hausseite ca. 22 Meter vom O. … Weg entfernt. Bei damit einer durchschnittlichen Breite von 18,50 Meter und einer Länge am O. … Weg mit 65 Meter ergäbe sich eine erschlossene Grundstücksfläche von 1.200 m². Also einen Erschließungsbeitrag von etwas weniger als 10.000,00 €. Aber selbst dieser Beitrag sei nicht gerechtfertigt, da das Grundstück insgesamt im Außenbereich liege. Das Grundstück habe eine Gesamtfläche von 4.000 m², sodass schon daher nicht von einer Baulücke gesprochen werden könne. Im Übrigen liege das Grundstück zwischen zwei Wohnhäusern, die selbst in einem Abstand von fast 100 Metern auseinander liegen. Die nach § 34 Abs. 1 BauGB vorausgesetzte Baulücke sei damit 100 Meter breit. Selbst in einer dörflich strukturierten Gegend könne hier nicht mehr von einer Baulücke gesprochen werden. Schließlich müsste eine solche Baulücke auch innerhalb der geschlossenen Ortsbebauung liegen, was zudem nicht der Fall sei. Das eine Grundstück, Hausnummer 3 am O. … Weg, welches südlich des streitgegenständlichen Grundstücks liege, sei selbst nur Teil einer Splittersiedlung bzw. eines Siedlungssplitters. Dieses Haus nehme am bebauten Zusammenhang des Ortsteils nicht mehr teil. Das Grundstück des Klägers liege insgesamt im Außenbereich. Es sei damit nicht bebaubar, Erschließungsbeiträge seien hierfür nicht fällig. Zudem sei die Erschließungsbeitragssatzung nichtig, die Widmung nicht ordnungsgemäß erfolgt und es werde eine bereits vorhandene Erschließungsanlage abgerechnet, da das Grundstück bereits seit den 1990er Jahren an einer ausreichend ausgebauten Straße anliege. Zudem rechne die Beklagte nur eine Teilstrecke der Erschließungsanlage ab, Baubeginn und Bauende seien willkürlich gewählt. Zudem befinde sich die Straße überwiegend im Außenbereich, da die Einbeziehungssatzung vom 17.10.2011 nicht rechtmäßig sei.
7
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.
Der Bescheid der Beklagten vom 9.2.2018, Az. E/713-2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes N. in der Oberpfalz vom 8.11.2021, Az. 51-6341-17/2018 wird aufgehoben.
2.
Die Vertretung des Klägers durch Unterfertigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und des Vorverfahrens.
8
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
9
Die Beitragspflicht sei gegeben, da das klägerische Grundstück nicht im Außenbereich liege. Auf beiden Seiten des Grundstücks, ebenso gegenüber befinden sich Häuser. Man verweise auf die zahlreich vorliegenden Pläne, sowie auf die Aussage des Bauamtes – Landratsamt N., hier seien 2.697 m² als Innenbereich eingestuft worden. Hinsichtlich der Tiefenbegrenzung, die die Klagepartei rüge, sei darauf hinzuweisen, dass eine ordnungsgemäße Abwägung des Gemeinderats stattgefunden habe. Man verweise insoweit auf die Unterlagen aus der Gemeinderatssitzung vom 20.9.2021 (auf Blatt 141 ff. der Widerspruchsakte), sowie auf die zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsschuld gültige Satzung, welche eine entsprechende Tiefenbegrenzung beinhaltete. Es sei auch klar und eindeutig aufgrund der Zeichnungen ersichtlich, wie sich die streitgegenständliche Fläche zusammensetze. Auf beiden Seiten sei man jeweils von der vorhandenen Bebauung ausgegangen und zwar jeweils bis zur Mitte des streitgegenständlichen Grundstücks. Es gehe auch nicht um eine „L-Form“. Es seien exakt die Außenkanten der umliegenden Grundstücke jeweils verlängert worden. Auch die Widmungen seien ordnungsgemäß erfolgt. Bei der abgerechneten Anlage fehlten zuvor Beleuchtung, Randsteine, eine Straßenentwässerung, etc. Unrichtig sei die Behauptung der Gegenseite Baubeginn und Bauende der Erschließungsstraße seien willkürlich gewählt worden. Keineswegs befinde sich der abgerechnete Straßenbereich überwiegend im Außenbereich, da beiderseits Bebauung vorherrsche. Die Grundstücke FlNrn. …3, …2, …4 (…7) und …5 liegen im Geltungsbereich einer Einbeziehungssatzung. Diese Grundstücke seien bebaut (auf dem Grundstück FlNr. …4 / …7 stehe derzeit ein Rohbau). Diese Einbeziehungssatzung sei seit Januar 2013 wirksam und damit liege auch das klägerische Grundstück im veranlagten Umfang im unbeplanten Innenbereich. Die streitgegenständliche Straße sei erst Jahre nach Erlass dieser Einbezieungssatzung gebaut worden. Es werde darüber hinaus darauf hingewiesen, dass das klägerische Grundstück im überwiegenden Teil als allgemeines Wohngebiet im Flächennutzungsplan der Gemeinde M. … dargestellt sei. Im südwestlichen Bereich des Grundstücks sei nochmals eine Bauparzelle als sogenannte Splitterbebauung vorgesehen. Dies habe der Planer des Flächennutzungsplans 2003 vermutlich deshalb so dargestellt, da südlich der bestehenden Bebauungen (FlNrn …8 bzw. …9) kein Gebäude mehr gestanden habe. Das Grundstück FlNr. …3 sei erst zu einem späteren Zeitpunkt bebaut worden. Das klägerische Grundstück befinde sich zwar außerhalb des Geltungsbereichs der Einbeziehungssatzung, müsse jedoch aufgrund der umliegenden Bebauung als klassische Baulücke gesehen werden.
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Mit Schriftsatz vom 20.6.2023 beantragte der Kläger darüber hinaus, die Beklagte zu verpflichten, über den abgabenrechtlichen Erstattungsanspruch (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a KAG i.V.m. § 218 Abs. 2 AO) einen Bescheid zu erlassen, der die Rückzahlung des Erschließungsbeitrages in Höhe von 24.345,57 € an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.3.2018 (Einlegung des Widerspruchs) zum Inhalt hat. Insoweit erklärten die Beteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.
11
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
12
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit im Rahmen der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt haben (Verpflichtungsklage auf Erstattung des bereits entrichteten Beitrags), war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.
II.
13
Die im Übrigen zulässige Klage ist begründet. Der Erschließungsbeitragsbescheid der Gemeinde M. … vom 9.2.2018 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes N. i.d.Opf. vom 8.11.2021 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
14
1. Der streitgegenständliche Erschließungsbeitragsbescheid beruht auf Art. 5a Abs. 1 Bayerisches Kommunalabgabengesetz (KAG) i.V.m. §§ 127 ff. Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde M … (Erschließungsbeitragssatzung – EBS) vom 1.7.1991, in der Fassung der Änderungssatzung vom 18.11.2018.
15
a) Nach diesen Vorschriften erhebt die Beklagte zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag. Erschließungsanlagen in diesem Sinne sind u.a. die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bzw. Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 KAG). Der Erschließungsaufwand umfasst dabei u.a. die Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage einschließlich der Einrichtungen für ihre Entwässerung und Beleuchtung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Beiträge können gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen (beitragsfähiger Erschließungsaufwand). Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand ist nach Abzug eines Gemeindeanteils (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB i.V.m. § 4 EBS) auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Beitragspflicht entsteht unbeschadet weiterer Voraussetzungen mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB).
16
b) Für die streitgegenständlichen Straßenbaumaßnahmen konnte für das klägerische Grundstück ein Erschließungsbeitrag nicht rechtmäßig festgesetzt werden. Das Grundstück des Klägers hätte, da es im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten nicht i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB durch die abgerechnete Anlage “O. … Weg“ erschlossen war und somit keinen beitragsrechtlich relevanten Vorteil erfahren hat, nicht bei der Aufwandsverteilung berücksichtigt werden dürfen. Voraussetzung für die Heranziehung nach § 133 Abs. 1 BauGB ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 29.4.2016 – 6 CS 16.58 – juris Rn. 8 ff. m.w.N.) im Grundsatz, dass das betreffende Grundstück gerade mit Blick auf die abzurechnende Anbaustraße – im Fall der Zweiterschließung unter Hinwegdenken der Ersterschließung – bebaubar wird, insbesondere also die für seine Nutzung erforderliche verkehrsmäßige Erschließung erhält.
17
c) Diese Voraussetzungen waren bei dem Grundstück FlNr. …1 des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt nicht erfüllt. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Pläne, Fotos sowie nach Betrachtung von Luftaufnahmen (über RISBy) des streitgegenständlichen Grundstücks sowie seiner Umgebung ist das erkennende Gericht zur Überzeugung gelangt, dass das Grundstück des Klägers nicht teilweise dem baurechtlichen Innenbereich i.S.d. § 34 BauGB zuzurechnen ist, sondern vielmehr komplett im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegt und daher nicht beitragspflichtig ist.
18
Als dem Außenbereich zugehörig gelten diejenigen Gebiete, die weder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans i.S.d. § 30 Abs. 1 oder 2 BauGB, noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile (§ 34 BauGB) liegen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB § 35 Rn. 2). Der Umstand, dass der einschlägige Flächennutzungsplan hier ein allgemeines Wohngebiet vorsieht, ist irrelevant, da der Flächennutzungsplan keinen qualifizierten Bebauungsplan darstellt. Weiterhin liegt das Grundstück FlNr. …1 nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Ein Bebauungszusammenhang setzt eine tatsächlich aufeinander folgende, zusammenhängende Bebauung voraus (BVerwG, U.v. 6. 11.1968 – 4 C 31/66 – juris), wobei der Zusammenhang in der Regel am letzten Baukörper endet (BVerwG, B.v. 12.3.1999 – 4 B 112/98 – juris). Etwas Anderes kann im Einzelfall nur dann gelten, wenn besondere topographische Gegebenheiten (z.B. Damm, Böschung, Fluss oder Waldrand) den Bebauungszusammenhang verschieben. Im Hinblick auf die Abgrenzung von Baulücken innerhalb eines Innenbereichs und einer Fläche des Außenbereichs ist maßgeblich, ob nach einer Bewertung des Gesamteindrucks der Umgebung der „Eindruck der Geschlossenheit“ noch vorhanden ist, das Grundstück also noch durch die Umgebung geprägt ist (BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238/96 – juris Rn. 4 = NVwZ-RR 1998,157). Maßgeblich ist mithin eine gewisse „Verklammerung“ der baulichen Anlagen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass gerade der optischen Wahrnehmbarkeit der Umgebung eine entscheidende Rolle zukommt, denn für die Realisierung eines Vorhabens im Innenbereich gibt diese Umgebung den planersetzenden Maßstab im Sinne eines „Einfügens“ bzw. einer Prägung vor (vgl. VG Ansbach Urt. v. 25.11.2021 – 3 K 20.965, BeckRS 2021, 43749 Rn. 26, beck-online).
19
Diesen Maßstab zugrunde gelegt ist das Grundstück FlNr. …1 dem Außenbereich zuzuordnen. Hinsichtlich der Bebauung westlich des O … Wegs bewirkt die abgerechnete Erschließungsanlage eine Trennung. Die Bebauung nördlich und südlich des streitgegenständlichen Grundstücks kann keine Verklammerung angesichts der Größe der FlNr. …1 bewirken, hieran ändert auch der Umstand nichts, dass östlich des streitgegenständlichen Grundstücks auch wieder ein Haus steht, was wohl selbst auch wiederum dem Außenbereich zuzuordnen ist. Die FlNr. …1 stellt mithin nicht nur eine Baulücke dar. Für die Einordnung des Grundstücks insgesamt als Außenbereichsgrundstück spricht aus Sicht des Gerichts ebenfalls der Umstand, dass für die Grundstücke FlNrn. …3, …2, …4 und …5 eine Einbeziehungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB erlassen worden ist. Dies setzt gerade voraus, dass diese Grundstücke eigentlich an sich dem baurechtlichen Außenbereich zuzuordnen wären und nur durch die Einbeziehungssatzung konstitutiv zu Innenbereich werden. Dies führt jedoch gerade nicht dazu, dass die FlNr. …1 ebenfalls dem Innenbereich zuzuordnen ist. Vielmehr verleiht dieser Umstand der rechtlichen Einordnung des klägerischen Grundstücks zum Außenbereich zusätzliches Gewicht. Irrelevant ist hierbei der Einwand der Beklagten, dass die Einbeziehungssatzung bereits vor den streitgegenständlichen Baumaßnahmen wirksam geworden sei, da dieser Umstand auf die baurechtliche Einordnung des klägerischen Grundstücks keinen Einfluss hat.
20
Da der Bescheid aufgrund der aufgezeigten Gründe aufzuheben war, war auf weitere aufgeworfene Probleme nicht mehr einzugehen.
III.
21
Hinsichtlich des erledigten Teils des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens insoweit dem Kläger aufzuerlegen, da für eine Klage gerichtet auf die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung des bereits entrichteten Beitrags kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine sich rechtstreu verhaltene Behörde den gezahlten Beitrag von sich aus erstattet. Die Beklagte hat insofern in der mündlichen Verhandlung auch bekräftigt, dass es selbstverständlich sei im Falle eines rechtskräftigen aufhebenden Urteils den Beitrag entsprechend der gesetzlichen Regelungen zurückzuzahlen. Es bestand daher kein Bedürfnis für eine gerichtliche Hilfe zur Durchsetzung des geltend gemachten materiellen Anspruchs. Hinsichtlich der Anfechtungsklage waren hingegen der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, da sich der Beitragsbescheid als rechtswidrig erwiesen hat. Letztlich waren daher die Verfahrenskosten hälftig zu teilen, da Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag insoweit als gleichwertig zu betrachten waren.
22
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war angesichts der schwierigen Sach- und Rechtslage für notwendig zu erklären (vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Vom Kläger konnte nicht erwartet werden, das Widerspruchsverfahren ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu führen.
23
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf
24
§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
IV.
25
Es liegt kein Grund für die Zulassung der Berufung gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche, über den konkreten Fall hinausgehende Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Sie wirft keine bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete und ungeklärte Frage auf, die entscheidungserheblich ist und einer rechtseinheitlichen Klärung bedürfte. Die Abgrenzung zwischen baurechtlichem Innen- und Außenbereich ist höchstrichterlich geklärt. Zudem geht es vorliegend um die Beurteilung eines konkreten Einzelfalls, was per se schon eine grundsätzliche Bedeutung ausschließt.