Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 21.07.2023 – M 7 K 21.3084
Titel:

Streit um Erledigung des Rechtsstreits

Normenketten:
SprengG § 7, § 8a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Leitsätze:
1. Sofern durch die Erteilung der beantragten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis dem Klagebegehren entsprochen wurde, ist ein weiteres Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht mehr ersichtlich. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von den in der Aussetzungsregelung in § 8a Abs. 4 SprenG genannten "Verfahren wegen einer Straftat" sind unzweifelhaft auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren umfasst. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Untätigkeitsklage, Erledigung durch Erlaubniserteilung, Entfallenes Rechtsschutzbedürfnis, Erledigung der Hauptsache, Erledigungsfeststellungsrechtsstreit, Rechtsschutzbedürfnis, Erlaubniserteilung, Verfahrensaussetzung, Verfahren, Straftat, staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.09.2024 – 24 ZB 23.1606
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52789

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleis- tung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten sich nach Erhebung einer Untätigkeitsklage und nachfolgender Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis um die Erledigung des Rechtsstreits.
2
Nachdem die Regierung von ... (im Folgenden: Regierung) die der Klägerin erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis mit (noch nicht bestandskräftigem) Bescheid vom 27. Oktober 2020 widerrufen hatte, beantragte die Klägerin bei dieser am 5. November 2020 die (erneute) Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis. Es sei eine zweite Person (Herr K.) in den Vorstand der Klägerin berufen worden, die als verantwortliche Person im Umgang mit dem Sprengstoff angegeben worden sei.
3
Die Klägerin erhob am … Juni 2021 Untätigkeitsklage. Sie habe einen Anspruch auf Erteilung, Hinderungsgründe seien nicht bekannt.
4
Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die am 5. November 2020 beantragte sprengstoffrechtliche Erlaubnis nach § 7 SprengG zu erteilen.
5
Die Regierung nahm hierzu mit Schriftsatz vom 27. Juli 2021 Stellung und machte geltend, dass die Klägerin zum derzeitigen Zeitpunkt keinen Anspruch auf Erlass der beantragten Erlaubnis habe, da ein zureichender Grund dafür vorliege, über den Antrag der Klägerin noch nicht zu entscheiden. Im Hinblick auf mehrere noch nicht abgeschlossene staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren gegen Herrn K. sei die Entscheidung in Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens ausgesetzt worden, was weiter ausgeführt wurde.
6
Die Bevollmächtigten der Klägerin traten dem mit Schriftsatz vom ... September 2021 entgegen. Es könnten in Bezug auf eine Aussetzung des Verfahrens nur Strafverfahren gemeint sein, nicht aber staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren. Der Vorwurf der Veruntreuung von Geldern der Klägerin durch Herrn K. habe sich nicht bestätigt.
7
Die Regierung teilte im Folgenden mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 mit, dass der Klägerin zwischenzeitlich die streitgegenständliche sprengstoffrechtliche Erlaubnis mit Bescheid vom 17. Dezember 2021 erteilt worden sei. Die Erteilung sei möglich gewesen, weil die Klägerin nicht mehr Herrn K. als mit der Gesamtleitung des Sprengbereichs beauftragten Vorstand benannt habe, sondern Herrn B. nach erfolgreicher Überprüfung seiner sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit durch die Regierung mit dieser Aufgabe betraut und zum Vorstand bestellt hätte. Der zu erwartenden Erledigterklärung durch die Klägerin werde bereits vorab zugestimmt.
8
Die Klägerin erwiderte mit Schriftsatz vom … April 2022. Die Klage habe sich nicht erledigt. Herr K. sei nach wie vor Vorstand der Gesellschaft. Herr B. sei nur zum Vorstand der Gesellschaft bestellt worden, weil die Regierung rechtswidrig dem Antrag von Herrn K. nicht stattgegeben habe. In dem Verfahren der Staatsanwaltschaft … sei zwischenzeitlich ein Strafbefehl ergangen, gegen den Herr K. Einspruch eingelegt habe. Durch Urteil vom … Dezember 2021 (Az.: ...) sei Herr K. freigesprochen worden. Es könne nicht angehen, dass sich die Regierung auf rechtswidrige Maßnahmen von Staatsanwaltschaften berufe, was hinterher dazu führe, dass entsprechend in diesem Verfahren freigesprochen werde, aber keine sprengstoffrechtliche Erlaubnis erteilt werde. Es sei im höchsten Maße geschäftsschädigend für Herrn K., nicht als Vorstand tätig werden zu können in sprengstoffrechtlichen Bereichen.
9
Mit Schreiben des Gerichts vom 28. April 2022 wurden die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.
10
Die Regierung teilte mit Schriftsatz vom 9. Mai 2022 mit, dass mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid Einverständnis bestehe. Die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage werde nach Erteilung der Erlaubnis als unzulässig gesehen.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12
Die Klage bleibt ohne Erfolg, da sie bereits unzulässig ist.
13
Da mit der Erteilung der beantragten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis an die Klägerin mit Bescheid der Regierung vom 17. Dezember 2021 dem Klagebegehren entsprochen wurde, ist ein weiteres Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nicht mehr ersichtlich.
14
Der Klägerin wurde die begehrte sprengstoffrechtliche Erlaubnis bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. Dezember 2021 erteilt. Dem war ausweislich des Bescheids auch ein entsprechender Antrag der Klägerin vom … September 2021 vorausgegangen. Weiter ist in der Bescheidsbegründung ausgeführt, dass mit der Erteilung dieser Erlaubnis nach § 7 SprengG auch die beiden weiteren Erlaubnisantragsverfahren (Herr K. sowie Herr E. als zur Vertretung berufene und mit der Gesamtleitung des Umgangs und des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragte Personen) abgegolten seien. Die Klägerin hat somit die Erledigung durch die erneute bzw. geänderte Antragstellung selbst herbeigeführt (vgl. zum Erledigungseintritt bei Verpflichtungsklagen auch Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 131). Sofern nun abermals eine Bestellung des Herrn K. als zur Vertretung berufene und mit der Gesamtleitung des Umgangs und des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragte Person der Klägerin erfolgt sein bzw. erfolgen sollte, wäre zunächst erst wieder ein entsprechender Antrag bei der Regierung zu stellen und in Folge davon wäre dann dort dessen sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit nach dem aktuellen Stand zu prüfen.
15
Unabhängig davon, dass eine Klageänderung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) nach Erledigung (auch der Verfahrensaussetzung) durch Erlaubniserteilung von Seiten der Klägerin nicht erfolgt ist, wäre eine solche ebenfalls unzulässig. Denn hinreichende Anhaltpunkte für ein anerkennenswertes (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse wären nicht ersichtlich, insbesondere keine konkrete Wiederholungsgefahr. Insofern kann nicht davon ausgegangen werden, dass die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Zeitpunkt der Erledigung auch in Zukunft im Wesentlichen unverändert geblieben wären, zumal seinerzeit die Verfahrensaussetzung wegen noch nicht abgeschlossener staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren im Raum stand. Dies bestätigen auch die Angaben im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom … April 2022, wonach bereits zu diesem Zeitpunkt Sachverhaltsänderungen eingetreten waren (Ergehen eines Strafbefehls und eines Urteils).
16
Im Übrigen dürften auch die von Klägerseite erhobenen Einwendungen gegen die Verfahrensaussetzung in der Sache nicht durchgreifen. Die Aussetzungsregelung in § 8a Abs. 4 SprengG bezieht sich ausweislich des Wortlauts nicht lediglich auf Straftaten im Sinne von § 8a Abs. 1 Nr. 1 SprengG (rechtskräftige Verurteilungen wegen Verbrechen oder sonstiger vorsätzlicher Straftaten mit einer Verurteilung zu einer Freiheitstrafe von mindestens einem Jahr), sondern auch auf Straftaten im Sinne von § 8a Abs. 2 Nr. 1 (Buchst. a) SprengG (u.a. Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe). Zudem sind von den dort genannten „Verfahren wegen einer Straftat“ unzweifelhaft auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren umfasst (vgl. z. B. OVG Hamburg, U.v. 21.8.2018 – 5 Bf 25/17 – juris Rn. 115; nachgehend BVerwG, B.v. 14.1.2019 – 3 B 48/18 – juris).
17
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
18
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.