Titel:
Widerruf einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis
Normenketten:
SprengG § 7 Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3, § 8a Abs. 1 Nr. 1 lit. b, § 34 Abs. 2 S. 1
SprengVwV Nr. 8.2 S. 3
AktG § 78 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Hat die juristische Person mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen oder mit deren Beförderung ein Mitglied des Vertretungsorgans beauftragt, ist gem. § 8 Abs. 3 SprengG nur die Zuverlässigkeit der beauftragten Person maßgeblich (vgl. auch Nr. 8.2 S. 3 SprengVwV). Die Versagung der Erlaubnis kann in diesem Fall nicht auf die Unzuverlässigkeit eines anderen Mitglieds des Vertretungsorgans gestützt werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Darauf, dass die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der juristischen Person berufenen Personen auch tatsächlich den Umgang und den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen leiten, kommt es im Rahmen des § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SprengG nicht an. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Unter den Voraussetzungen des § 8a Abs. 1 Nr. 1 lit. b SprengG wird sprengstoffrechtlich – wie auch waffenrechtlich – die absolute Unzuverlässigkeit für die Dauer von zehn Jahren ab Rechtskraft des Urteils unwiderlegbar vermutet, wobei maßgebend allein das entsprechende Strafmaß, nicht die Art des Delikts ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 8a Abs. 1 Nr. 1 lit. b SprengG bestehen keine Bedenken. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis, Zuverlässigkeitsprüfung bei juristischer Person, Absolute sprengstoffrechtliche (Un-)Zuverlässigkeit, Rechtskräftige Verurteilung zu Freiheitsstrafe über einem Jahr, sprengstoffrechtliche Erlaubnis, Widerruf, Zuverlässigkeit, juristische Person, Vertreter, Unzuverlässigkeit, Umgang, rechtskräftige Verurteilung, Freiheitsstrafe, Verfassungsmäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.09.2024 – 24 ZB 23.1608
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52788
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis und die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid der Regierung von Oberbayern – Gewerbeaufsichtsamt – (im Folgenden: Regierung) vom 27. Oktober 2020.
2
Mit Urteil des Landgerichts … – Große Wirtschaftsstrafkammer – vom … Mai 2013, rechtskräftig seit 27. Februar 2014, wurde der Vorstand der Klägerin, Herr R., wegen unrichtiger Darstellung, falscher Angaben in sieben Fällen und verbotener Marktmanipulation in 22 Fällen gemäß § 331 Nr. 1 HGB, § 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, §§ 399 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 4, 408 AktG, §§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 2 WpHG i.V.m. § 3 Abs. 2 MaKonV, §§ 14 Abs. 1, 25 Abs. 2, 53, 56 StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Laut Urteil habe Herr R. bis spätestens 14. Juli 2005 als Alleinvorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft in einem sogenannten Listingverfahren zunächst gegenüber einer Wertpapierhandelsbank – im Rahmen der Einbeziehung von Optionsscheinen in den Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse – einen von ihm am … Juni 2005 unterschriebenen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2004 vorgelegt, in dem insbesondere die Aktivposition „ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital“ nicht angegeben gewesen sei. Zudem sei das Jahresergebnis fehlerhaft ausgewiesen gewesen. Dadurch seien in dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2004 – wie Herr R. gewusst und gewollt habe – Umstände, welche für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft relevant gewesen seien, falsch dargestellt worden (Tat Ziff. 1). Weiter habe Herr R. im März 2006 und August 2006 beim zuständigen Registergericht mehrere Gesellschaften bzw. auch Kapitalerhöhungen angemeldet, obwohl er zu dem Zeitpunkt gewusst habe, dass die jeweilige Einlage alsbald wieder an die Einzahlende bzw. Gesellschafterin zurückfließen sollte. Dabei habe er in Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen bewusst wahrheitswidrig versichert, dass die Einlage bewirkt sei und der Gegenstand der Leistung endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung bzw. des Vorstands bereitstünde. Entsprechend seiner vorgefassten Absicht sei es zu den Rückzahlungen gekommen. In einem Fall habe er als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft gehandelt (Taten Ziff. 2 bis 8). Zwischen Dezember 2005 und März 2007 habe der mit den Gepflogenheiten des Wertpapierhandels vertraute Herr R. jeweils aufgrund neugefassten Willensentschlusses für Aktien von fünf börsennotierten Gesellschaften aufeinander abgestimmte Kauf- und Verkaufsorders an Börsenhandelsplätzen eingestellt, welche in der Folge auch ausgeführt worden seien. Teilweise habe er in Ausführung eines gemeinsam mit zwei anderweitig Verfolgten gefassten Tatplans und im Rahmen der vereinbarten Arbeitsteilung gehandelt. Dabei seien die gegeneinander korrespondierenden Kauf- und Verkaufsaufträge so aufeinander abgestimmt worden, dass dabei die Handelsnominale (Stückzahl), die Orderlimitierung und der Einstellungszeitpunkt zumindest im Wesentlichen übereingestimmt hätten und die Aufträge an dem Börsenplatz direkt und unmittelbar gegeneinander ausgeführt hätten werden können. Hierbei sei Herrn R. und seinen Tatgenossen bewusst gewesen, dass die Orders bei dritten Handelsteilnehmern den – nicht der tatsächlichen Situation entsprechenden – Eindruck weckten, für die jeweiligen Aktien bestehe ein liquider Markt mit voneinander unabhängigem Angebot und Nachfrage (Taten Ziff. 9 bis 30).
3
Mit Schreiben der Regierung vom 23. Juni 2020 wurde die Klägerin zum beabsichtigten Widerruf ihrer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis angehört. Es sei – wie bereits schon mit Schreiben vom 20. Februar 2020 mitgeteilt – im Rahmen der obligatorischen Zuverlässigkeitsprüfung festgestellt worden, dass Herr R. gemäß § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG aufgrund der o.g. Verurteilung durch das Landgericht … nicht zuverlässig sei. Aufgrund der Unzuverlässigkeit des Herrn R. sei die Erlaubnis der Klägerin von Gesetzes wegen zu widerrufen. Zugleich wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, eine andere zuverlässige Person des Vorstands mit der Gesamtleitung des Umgangs und Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen zu beauftragen und dadurch die Erlaubnis für die Klägerin aufrecht zu erhalten, § 8 Abs. 3 SprengG.
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Mit Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin vom … August 2020 wurde beantragt, anstelle des Vorstands, Herrn R., den Betriebsleiter der Gesellschaft, Herrn H., in die Erlaubnisurkunde einzutragen. Darüber hinaus sei die Klägerin auch bereit, einen Prokuristen zu bestellen, der als Vertretungsberechtigter in die Erlaubnisurkunde eingetragen werden könne. Hierauf erwiderte die Regierung mit E-Mail vom 25. August 2020, dass weder Betriebsleiter noch Prokuristen alleine vertretungsberechtigt i.S.d. Sprengstoffgesetzes seien.
5
Mit Schreiben vom 18. September 2020 wurde von Herrn R. – nach seiner früheren Mitteilung vom 3. April 2020 habe der Aufsichtsrat in seiner Sitzung vom 12. März 2020 beschlossen, Herrn K. zum weiteren Vorstand ab 15. März 2020 zu bestellen – mitgeteilt, dass nunmehr in der nächsten Aufsichtsratssitzung ggf. ein neuer Vorstand bestellt würde, um die Sprengerlaubnis zu erhalten. Darüber hinaus wurde gebeten, eine Liste mit Sprengmeistern zu übersenden, die als Dienstleistung das Sprengen von Lawinen für Dritte vornehmen würden. Möglicherweise sei es haftungsrechtlich sogar interessanter zukünftig Sprengungen extern zu vergeben.
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Mit E-Mail vom 12. Oktober 2020 teilte die Regierung mit, man beabsichtige weiter, den Antrag abzulehnen und die sprengstoffrechtliche Erlaubnis der Klägerin zu widerrufen. Dabei werde zugrunde gelegt, dass ein neuer Vorstand auch bis Ende Oktober 2020 nicht bestellt sein werde. Ein erneuter Terminaufschub sei aus Sicht der Behörde nicht tragbar.
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Mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 – zugestellt am 3. November 2020 – widerrief die Regierung die der Klägerin erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis Nr. … vom 17. Januar 2013 (Nr. 1). Die Klägerin wurde verpflichtet, die unter Nr. 1 genannte Erlaubnis mit allen drei Ausfertigungen bis spätestens zum 30. November 2020 der Regierung zurückzugeben (Nr. 2). Zudem wurde die Klägerin verpflichtet, der Regierung bis spätestens zum 30. November 2020 nachzuweisen, dass die noch im Besitz der Klägerin befindlichen explosionsgefährlichen Stoffe fachgerecht dauerhaft unbrauchbar gemacht oder einem Berechtigten überlassen wurden (Nr. 3) sowie die Verzeichnisse nach § 16 SprengG ebenfalls bis spätestens zum 30. November 2020 der Regierung zu übergeben (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2 bis 4 wurde angeordnet (Nr. 5). Der Klägerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, wobei für den Bescheid eine Gebühr von 454,50 EUR festgesetzt wurde (Nr. 6).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage für den Widerruf der Erlaubnis sei § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG. Danach sei eine Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Vorliegend sei anstatt dem bisherigen Vertretungsberechtigten Herrn S. nun Herr R. als Vorstand der Erlaubnisinhaberin bestellt worden. Die Behörde habe Herrn R. als Vorstand und Vertretungsberechtigten der Klägerin auf dessen Zuverlässigkeit geprüft. Dabei sei die Verurteilung durch das Landgericht … festgestellt worden sowie, dass seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils zehn Jahre noch nicht verstrichen seien. Herr R. besitze somit gemäß § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Die fehlende sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit des Herrn R. als Vorstand und nach § 78 AktG vertretungsberechtigte Person hätte zur Versagung geführt und deshalb sei die Erlaubnis der Klägerin zu widerrufen. Die von der Klägerin während des Anhörungsverfahrens ersatzweise vorgeschlagenen Personen (Betriebsleiter bzw. noch zu bestellender Prokurist) seien keine nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung einer Aktiengesellschaft berufene Personen im Sinne von § 8 Abs. 3 SprengG, die mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragt werden könnten. Die Anordnung in Nr. 2 beruhe auf § 35 Abs. 2 SprengG i.V.m. Nr. 35.1 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Sprengstoffgesetz (SprengVwV) und Art. 52 Satz 1 BayVwVfG, die Anordnung in Nr. 3 auf § 32 Abs. 5 Satz 1 SprengG. Die Anordnung in Nr. 4 stütze sich auf § 16 Abs. 1 Satz 4 SprengG. Die Anordnungen nach Nrn. 2 bis 4, die aufgrund der durch den Widerruf der Erlaubnis entstandenen Situation erfolgten, seien in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen worden. Das öffentliche Interesse an der Herstellung gesetzesmäßiger Zustände und der Vermeidung von potentiellen Gefahren, die von zwar widerrufenen, aber noch nicht zurückgegebenen Erlaubnisurkunden bzw. von explosionsgefährlichen Stoffen in Händen von unberechtigten Personen ausgingen, hätte Vorrang gegenüber möglichen Nachteilen für die Klägerin. Mit der zum 30. November 2020 gesetzten Frist werde der Klägerin zudem ausreichend Zeit eingeräumt, ihre mit der widerrufenen Erlaubnis verbundenen Geschäftstätigkeiten ordentlich abzuschließen und die Anordnungen unter Nrn. 2 bis 4 vollumfänglich zu erfüllen. Die Anordnungen nach Nrn. 2, 3 und 4 würden gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nach pflichtgemäßem Ermessen im öffentlichen Interesse für sofort vollziehbar erklärt. Ein Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids hätte zur Folge, dass eine Gefahrensituation – mit dem Verbleib vorhandener explosionsgefährliche Stoffe und der Erlaubnisurkunde hätte die Klägerin trotz widerrufener Erlaubnis weiterhin explosionsgefährliche Stoffe im Besitz bzw. wäre es ihr möglich, explosionsgefährliche Stoffe zu erwerben, mit diesen umzugehen und Verkehr zu betreiben – über einen längeren Zeitraum bestehen würde. Das öffentliche Interesse, einem Unberechtigten den Zugang zu explosionsgefährlichen Stoffen zu verwehren sowie der Behörde eine Kontrolle zu ermöglichen und somit die Gefahrensituation unverzüglich zu beseitigen, überwiege daher das Interesse der Klägerin an der aufschiebenden Wirkung einer Klage.
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Mit am 2. November 2020 per Fax versendetem Schreiben der Klägerin vom … Oktober 2020 wurde von Herrn R. mitgeteilt, dass am 2. November 2020 eine Aufsichtsratssitzung zur Bestellung eines weiteren Vorstands stattfinden solle. Mit E-Mail vom 4. November 2020 teilte die Regierung mit, dass die Erlaubnis inzwischen widerrufen und der entsprechende Bescheid den Bevollmächtigten postalisch zugestellt worden sei.
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Mit E-Mail vom 4. November 2020 wurde der Regierung mitgeteilt, dass am 2. November 2020 Herr K. in der Aufsichtsratssitzung zum weiteren Vorstand der Gesellschaft bestellt worden sei. Im Folgenden wurde der Vorstandsbeschluss vom 18. November 2020 übersandt, wonach Herr K. durch den Vorstand mit der Gesamtleitung des Umgangs und Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragt wurde, sowie ein Nachweis, dass die Bestellung des Herrn K. zum weiteren Vorstand am 20. November 2020 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurde.
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Die Bevollmächtigten der Klägerin haben am ... Dezember 2020 Klage gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2020 erhoben und zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (M 7 S 20.6281).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG sei nicht geregelt, dass bei einer Aktiengesellschaft grundsätzlich nur der Vorstand in die Erlaubnisurkunde eingetragen werden könne. Es werde nicht einmal eine Vertretungsberechtigung vorausgesetzt. Dies bedeute, dass im vorliegenden Fall auch eine andere Person, die nicht Vorstand der Gesellschaft sei, in die Erlaubnisurkunde eingetragen werden könne, sofern sie mit der Leitung des Betriebs, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle beauftragt sei. Die Beauftragung erfolge im Falle einer Aktiengesellschaft durch den Vorstand. Daraus ergebe sich aber zwangsläufig, dass der Beauftragte gerade nicht Vorstand der Gesellschaft sein müsse, da dies andernfalls im Gesetz ausdrücklich so bestimmt worden wäre. Das Gesetz würde nicht vom Vertreter sprechen, sondern vom Beauftragten. Dementsprechend sei mit Schreiben an die Regierung vom 20. August 2020 beantragt worden, anstelle des Vorstands, Herrn R., den Betriebsleiter der Gesellschaft, Herrn H., in die Erlaubnisurkunde einzutragen. Herr H. sei innerhalb der Gesellschaft auch für eventuelle Sprengungen zuständig. Ferner sei hilfsweise angeboten worden, einen Prokuristen zu bestellen, der dann in jedem Fall auch vertretungsberechtigt gewesen wäre und in die Erlaubnisurkunde eingetragen hätte werden können. Selbst wenn man Nr. 19.2.1 SprengVwV zu Grunde legen würde, sei Erlaubnisinhaber nach § 7 oder § 27 SprengG die Klägerin und nicht der Vorstand. Selbst wenn jedoch die Person des Vorstands maßgeblich wäre, könne eine mangelnde Zuverlässigkeit im Sinne des § 8a SprengG nicht festgestellt werden. Dies auch nicht unter Berücksichtigung der Verurteilung des Herrn R. Soweit in der genannten Vorschrift ein Zehnjahreszeitraum seit dem Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung genannt sei, sei diese Vorschrift verfassungswidrig. Die Berufsausübung des Vorstands, Herrn R., wäre dadurch über einen Zeitraum von zehn Jahren massiv eingeschränkt. Der Vorstand der Klägerin, die auf die Sprengstofferlaubnis angewiesen sei, könnte seine Tätigkeit aufgrund dieser Vorschrift nicht uneingeschränkt ausüben. Dies würde dazu führen, dass ein anderer oder weiterer Vorstand berufen werden müsste. Dies käme quasi einem Berufsverbot gleich, was gegen das Grundgesetz verstoße. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beklagte auch die Eintragung des Betriebsleiters oder eines Prokuristen in die Erlaubnisurkunde ablehne. Davon unabhängig sei der Regierung angekündigt worden, dass tatsächlich ein weiterer Vorstand für die Klägerin berufen werde. Es handele sich um Herrn K. Dieser sei mit Beschluss des Aufsichtsrats der Klägerin vom 2. November 2020 bereits zum weiteren Vorstand der Klägerin bestellt worden. Es sei somit ohne weiteres möglich, Herrn K. in die Erlaubnisurkunde einzutragen, sodass es eines Widerrufs der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis nicht bedurft hätte. Dies vor allem auch unter Berücksichtigung dessen, dass bereits am 10. September 2019 beantragt worden sei, den Vorstand, Herrn R., in die Erlaubnisurkunde einzutragen. Im weiteren Verlauf sei dann angeboten worden, anstatt des Vorstands den Betriebsleiter, einen Prokuristen oder einen weiteren Vorstand in die Erlaubnisurkunde einzutragen. Dies hätte von der Regierung abgewartet werden müssen, anstatt die Sprengstofferlaubnis zu widerrufen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage sei anzuordnen, da es für den Widerruf der Erlaubnis keinen Grund gebe, da bereits ein weiterer Vorstand der Klägerin bestellt worden sei, der in jedem Fall die erforderliche Zuverlässigkeit besitze, wodurch dem Widerruf der Erlaubnis in jedem Fall die Grundlage fehle. Hinzu käme, dass gerade jetzt im Winter eventuelle Sprengungen anstünden, die wegen des Widerrufs der Erlaubnis und der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht erfolgen könnten. Dies könne einen Betrieb der … jetzt im Winter blockieren, was zu einem Umsatzausfall führen könnte, der den Bestand der … bzw. der Klägerin überhaupt gefährde.
13
Die Klägerin beantragt,
Der Bescheid des Beklagten vom 27. Oktober 2020 (Geschäftszeichen …) wird aufgehoben.
14
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
15
Zur Begründung wird in Ergänzung zu den Gründen des Bescheids im Wesentlichen vorgetragen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG als Voraussetzung für die Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis sowohl die Zuverlässigkeit des Antragstellers als auch kumulativ die Zuverlässigkeit eines mit der Leitung des Betriebs Beauftragten fordere. Dagegen sage die Vorschrift nichts darüber aus, wer bei juristischen Personen als Antragsteller gelte und somit die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen müsse. Dies seien regelmäßig die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Vertreter der juristischen Person, bei der Klägerin als Aktiengesellschaft der nach § 78 AktG vertretungsberechtigte Vorstand. Bestehe dieser aus mehreren Personen müsse grundsätzlich jede dieser Personen zuverlässig sein. Eine Sonderregelung enthalte § 8 Abs. 3 SprengG. Danach dürfe, wenn bei juristischen Personen eine nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berufene Person mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragt sei, die Erlaubnis aus Gründen des Abs. 1 Nr. 1 in Bezug auf den Antragsteller nur wegen mangelnder Zuverlässigkeit dieser Person versagt werden. Aus dem eindeutigen Wortlaut – anders als in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG sei der mit der Leitung des Betriebs Beauftragte gerade nicht genannt – gehe bereits hervor, dass entgegen der Ansicht der Klägerin ein Betriebsleiter oder Prokurist nicht von der Regelung in § 8 Abs. 3 SprengG erfasst werden könne. Von dieser Möglichkeit hätte die Klägerin trotz früherer Hinweise bis zum Erlass des Widerrufsbescheides keinen Gebrauch gemacht. Die Bestellung eines weiteren Vorstands und dessen Beauftragung mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen sei verbunden mit einem Antrag auf erneute Ausstellung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis für die Klägerin erst nach Erlass des Widerrufs im November erfolgt. Soweit die Klägerin eine Verfassungswidrigkeit des § 8a SprengG aufgrund des dort vorgesehenen Zehnjahreszeitraums sehe, sei dieser Ansicht nicht zu folgen. Eine Verletzung der in Art. 12 GG geregelten Berufsausübungsfreiheit sei nicht ersichtlich. Hingewiesen werde in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Klägerin in ihrer Berufsausübung durch die Regelung in § 8a Abs. 1 SprengG nicht wesentlich eingeschränkt werde. Zum einen bestehe die Berufsausübung der Klägerin im Wesentlichen aus dem …betrieb, der unabhängig von § 8a SprengG weiter möglich sei. Andererseits bestehe die Möglichkeit nach § 8 Abs. 3 SprengG zu verfahren. Soweit die Klägerin auf im Winter anstehende Sprengungen abstelle und einen möglichen Umsatzausfall bzw. eine denkbare Gefährdung des Bestands der … anspreche, habe sie diese Situation vor allem durch eigenes Verhalten ausgelöst. So habe sie es versäumt, rechtzeitig einen weiteren Vorstand zu bestellen und diesen nach § 8 Abs. 3 SprengG zu beauftragen. So habe die Klägerin bereits am 13. März 2020 mitgeteilt, dass der Aufsichtsrat beschlossen habe, Herrn K. zum 15. März 2020 zum weiteren Vorstand zu bestellen. Der Beschluss sei jedoch aus der Regierung unbekannten Gründen nicht umgesetzt worden. Zum anderen bestehe, wie auch Überlegungen der Klägerin in diese Richtung belegten, die Möglichkeit, die Sprengarbeiten extern zu vergeben. Von einer existenziellen Gefährdung der Klägerin durch den Widerruf der Erlaubnis könne daher nicht gesprochen werden.
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Hierauf erwiderten die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom … Januar 2021 und trugen ergänzend vor, dass der Hinweis der Regierung mit Schreiben vom 20. Februar 2020 auf die Sonderregelung des § 8 Abs. 3 SprengG unklar und missverständlich gewesen sei. Zudem sei der Regierung mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 mitgeteilt worden, dass in der anstehenden Aufsichtsratssitzung am 2. November 2020 – wie bereits im Schreiben vom 18. September 2020 angekündigt – Herr K. als weiterer Vorstand bestellt werden würde. Ein entsprechendes Schreiben des Herrn R. - ohne Übermittlungsnachweis – war dem Schriftsatz beigefügt. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass im Rahmen von § 8a SprengG jede vorsätzliche Straftat relevant sei, auch wenn sie – wie im Fall von Herrn R. – keinerlei Bezug zum Umgang mit Sprengstoffen habe. Auch aus diesem Grund sei § 8a SprengG als verfassungswidrig einzustufen. Die jetzige Situation habe die Klägerin nicht durch eigenes Verhalten ausgelöst. Sie habe alles dafür getan, dass die Voraussetzungen für die sprengstoffrechtliche Erlaubnis geschaffen würden. Es sei der Regierung auch möglich und zuzumuten gewesen, bis dahin abzuwarten. Daneben war dem Schreiben eine mit Bescheid vom 16. Dezember 2020 von der Regierung erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 21 Abs. 3 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz für den Betriebsleiter der Klägerin beigefügt.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Januar 2021 wurde das Vorbringen dahin ergänzt, dass vorliegend nicht der Vorstand der Gesellschaft mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragt sei, sondern der Betriebsleiter. Bei dem Betriebsleiter handele es sich auch um die verantwortliche Person nach § 19 SprengG, wie auch die diesem erteilte Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 21 SprengG belege. Da eine solche nur für verantwortliche Personen i.S.d. § 19 und § 21 SprengG erteilt werde, sei der Betriebsleiter auch die verantwortliche Person im Rahmen des § 8 SprengG. In Bezug auf die nach dem Gesetz geforderte Zuverlässigkeit komme es nach § 8 Abs. 3 SprengG auch nur auf dessen Person an und eine eventuelle Unzuverlässigkeit des Herrn R. als Vorstand würde keine Rolle mehr spielen.
18
Mit Beschluss vom 19. Februar 2021 (M 7 S 20.6281) wurde der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die hiergegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 11. Mai 2021 (24 CS 21.880) zurück.
19
Mit Schreiben des Gerichts vom 4. August 2021 wurden die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.
20
Die Regierung teilte mit Schriftsatz vom 6. August 2021 mit, dass gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid keine Einwände erhoben würden.
21
Die Bevollmächtigten der Klägerin teilten mit Schriftsatz vom ... September 2021 zunächst mit, dass mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung kein Einverständnis bestehe. Es werde noch eine Stellungnahme zum Schriftsatz der Beklagten vom 27. Juli 2021 (betreffend ein nachfolgendes Verfahren der Beteiligten – M 7 K 21.3084) erfolgen, woraus sich die Begründung dafür ergebe. Eine weitere Stellungnahme erfolgte allerdings in diesem Verfahren nicht.
22
Mit Schreiben des Gerichts vom 28. April 2022 wurden die Beteiligten erneut zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört. Die Regierung äußerte sich wie zuvor entsprechend mit Schriftsatz vom 9. Mai 2022. Die Bevollmächtigten der Klägerin teilten mit Schriftsatz vom … Mai 2022 mit, dass beantragt werde, die Frist zur Stellungnahme bis zum 20. Juni 2022 zu verlängern, was im Folgenden antragsgemäß bewilligt wurde.
23
Eine weitere Stellungnahme von Seiten der Klägerin erfolgte jedoch nicht mehr.
24
Mit weiterem Schreiben des Gerichts vom 13. Juni 2023 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass weiter beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und mit einer Zustellung einer Entscheidung ab dem 5. Juli 2023 zu rechnen sei. Eine Äußerung von Seiten der Beteiligten ist hierauf nicht erfolgt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 7 S 20.6281 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann nach vorheriger Anhörung der Parteien durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid der Regierung vom 27. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
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Der Widerruf der Erlaubnis nach § 7 SprengG (Nr. 1 des Bescheids) ist gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG vorliegend zurecht erfolgt.
30
Nach § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG ist eine Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebs, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle beauftragten Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit des Antragsstellers kommt es in Fällen, in denen der Antragsteller eine juristische Person ist, auf die Zuverlässigkeit der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berufenen Personen an (vgl. auch Nr. 8.2 Satz 2 SprengVwV). Hat die juristische Person mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen oder mit deren Beförderung ein Mitglied des Vertretungsorgans beauftragt, ist gemäß § 8 Abs. 3 SprengG nur die Zuverlässigkeit der beauftragten Person maßgeblich (vgl. auch Nr. 8.2 Satz 3 SprengVwV). Die Versagung der Erlaubnis kann in diesem Fall nicht auf die Unzuverlässigkeit eines anderen Mitglieds des Vertretungsorgans gestützt werden. § 8 Abs. 3 SprengG dient gerade dem Zweck, die Erlaubnis einer juristischen Person nicht zu gefährden, wenn gegen eine der zur Vertretung berufenen Personen wegen mangelnder Zuverlässigkeit Bedenken bestehen (vgl. Adolph in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand März 2023, § 8 SprengG Rn. 13). Darauf, dass die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung des Antragstellers berufenen Personen auch tatsächlich den Umgang und den Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen leiten, kommt es im Rahmen des § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG nicht an (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 2 SprengG im Umkehrschluss).
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Hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Klägerin durfte die Regierung demnach zurecht allein auf die Person des Herrn R. abstellen (vgl. auch BayVGH, B.v. 11.5.2021 – 24 CS 21.880 – juris Rn. 13). Die Klägerin ist als Aktiengesellschaft i.S.d. § 1 AktG eine juristische Person, die nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG durch den Vorstand vertreten wird. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses war einzig Herr R. zum Vorstand der Gesellschaft bestellt und damit alleiniger gesetzlicher Vertreter. Die Bestellung des weiteren Vorstands und seine Beauftragung i.S.d. § 8 Abs. 3 SprengG erfolgte zeitlich erst nach Bescheidserlass. Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten der Klägerin kam es hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Klägerin weder auf die Person des Betriebsleiters – dessen Zuverlässigkeit nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG neben der Zuverlässigkeit des Antragstellers selbständige Voraussetzung für die Erlaubniserteilung ist (vgl. auch Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand September 2020, § 35 Rn. 67 zur gewerberechtlichen Zuverlässigkeit nach § 35 Gewerbeordnung) – noch auf einen (im Übrigen nicht bestellten) Prokuristen an, da diese nicht zu den kraft Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Klägerin berufenen Personen zählen. Sowohl die Übertragung der Leitung des Betriebs als auch die Erteilung einer Prokura i.S.d. § 48 Abs. 1 HGB erfolgt im Gegensatz zu einer nach Gesetz oder Verfassung der juristischen Person bestehenden organschaftlichen Vertretungsmacht im Wege einfacher rechtsgeschäftlicher Vollmachtserteilung nach §§ 167 ff. BGB (vgl. Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl. 2021, § 48 Rn. 3; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand September 2020, § 35 Rn. 67).
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Entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Klägerin kommt es selbst dann nicht ausschließlich auf die Zuverlässigkeit eines im maßgeblichen Zeitpunkt etwa bereits bestellten Betriebsleiters der Gesellschaft an, wenn dieser mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragt war. Schließlich hat auch eine nach § 21 SprengG dem Betriebsleiter ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung keine Auswirkungen auf die Frage der Zuverlässigkeit der Klägerin, da sich diese Frage alleine nach §§ 8 ff. SprengG und nicht aus den im Abschnitt IV des SprengG (§§ 19 ff. SprengG) aufgeführten Vorschriften über verantwortliche Personen und ihre Pflichten ergibt (vgl. auch BayVGH, B.v. 11.5.2021 – 24 CS 21.880 – juris Rn. 13).
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Soweit die Klägerin ein rechtsmissbräuchliches und gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten darin sieht, dass der streitgegenständliche Widerrufsbescheid wenige Tage vor der Bestellung des weiteren Vorstands Herrn K. erging, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG enthält eine unbedingte Verpflichtung der zuständigen Behörde zum Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Von solchen Tatsachen hatte die Behörde ab Februar 2020 Kenntnis. Angesichts des auch aus § 34 Abs. 2 Satz 1 und § 34 Abs. 5 SprengG zu entnehmenden besonderen Interesses der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen und des notwendigen Schutzes überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung bestand damit im Zeitpunkt des Bescheidserlasses kein Anlass für ein weiteres Zuwarten der Behörde, zumal die Klägerin mit Schreiben vom 23. Juni 2020 zum beabsichtigten Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis angehört und ihr mit Schreiben vom 12. Oktober 2020 mitgeteilt wurde, dass ein erneuter Terminaufschub nicht tragbar sei. Soweit die Klägerin einwendet, sie habe dem Beklagten mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 mitgeteilt, dass geplant sei, am 2. November 2020 einen weiteren Vorstand zu bestellen, fehlt es – nach wie vor – bereits an der Glaubhaftmachung der Übermittlung dieses Schreibens an die Behörde. Auch dem Schreiben der Klägerin vom 18. September 2020 lässt sich nicht entnehmen, dass und wann ein neuer Vorstand bestellt werden soll, da in diesem noch ausgeführt wird, dass es möglicherweise haftungsrechtlich interessanter sei, zukünftige Sprengungen extern zu vergeben. Im Übrigen hat der Beklagte mit Schreiben vom 16. April 2021 ausgeführt, dass wegen mehrerer laufender strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gegen das im November 2020 bestellte weitere Vorstandsmitglied Herr K., die im Falle einer Verurteilung eine Unzuverlässigkeit nach § 8a Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 SprengG begründen könnten, das Erlaubnisverfahren nach § 8a Abs. 4 SprengG ausgesetzt worden sei. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Behörde ist hierbei nicht zu erkennen (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2021 – 24 CS 21.880 – juris Rn. 14; vgl. auch ausführlich Beschluss der Kammer vom 19.2.2021 – M 7 S 20.6281 – Rn. 29 ff.).
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Die demnach für die Zuverlässigkeit der Klägerin im Zeitpunkt des Bescheidserlasses allein maßgebliche natürliche Person, der Vorstand, Herr R., war sprengstoffrechtlich unzuverlässig i.S.d. § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG (vgl. auch BayVGH, B.v. 11.5.2021 – 24 CS 21.880 – juris Rn. 13).
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Nach § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat, die kein Verbrechen ist, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurden, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Unter diesen Voraussetzungen wird sprengstoffrechtlich – wie auch waffenrechtlich – die absolute Unzuverlässigkeit für die Dauer von zehn Jahren ab Rechtskraft des Urteils unwiderlegbar vermutet, wobei maßgebend allein das entsprechende Strafmaß, nicht die Art des Delikts ist (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2014 – 21 CS 14.2024 – juris Rn. 10 m.w.N.). Bezüglich der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis gilt dabei ein gleich strenger Zuverlässigkeitsmaßstab wie im Waffenrecht (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.1991 – 21 B 90.3491 – juris Leitsatz). Da die Gefahren, die von dem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen ausgehen, ebenso schwerwiegend sind wie Gefahren im Umgang mit Waffen, die Allgemeinheit also in gleichem Maß gefährdet und schutzwürdig ist, wie sich aus der gesetzlichen Wertung durch die Gleichstellung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG ergibt, können auch die Anforderungen an die Zuverlässigkeit im sprengstoffrechtlichen Sinne nicht geringer sein als an die Zuverlässigkeit im Waffenrecht. Im Hinblick auf die waffen- bzw. sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass die Begehung von Straftaten allein schon wegen der darin liegenden Missachtung der Rechtsordnung Schlüsse darauf zulässt, dass dem Betroffenen die Charakterfestigkeit fehlt, die beim Umgang mit Schusswaffen bzw. Sprengstoff ständig zu fordern ist und somit Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass gerade im Hinblick auf die durch das Zuverlässigkeitserfordernis geschützten Zwecke in der Person des Betroffenen Defizite vorliegen. Die zuständige Behörde kann deshalb schon allein aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung von der Unzuverlässigkeit ausgehen (vgl. VG Bayreuth, U.v. 27.9.2007 – B 1 K 07.464 – juris Rn. 21 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 16.10.1995 – 1 C 32/94 – juris Rn. 12). In diesem Zusammenhang kann die Behörde grundsätzlich von der Richtigkeit der rechtskräftigen Verurteilung, insbesondere der sie tragenden tatsächlichen Feststellungen ausgehen, soweit nicht ausnahmsweise für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2007 – 19 CS 06.2210 – juris Rn. 25; B.v. 6.11.2000 – 21 B 98.11 – juris Rn. 23, 24). Im Fall der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer schwerwiegenden Straftat ist dabei die zu Tage getretene und rechtskräftig abgeurteilte Verletzung der Rechtsordnung von einem solchen Gewicht, dass das Vertrauen in die Zuverlässigkeit im Umgang mit Waffen für die Dauer der Zehnjahresfrist als nicht wieder herstellbar anzusehen ist (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54 zur waffenrechtlichen Parallelvorschrift § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG). Dabei wird der Zeitablauf für erforderlich gehalten, um dem massiven Rechtsbruch die Stärke zu nehmen, die zur Unwiderlegbarkeit der Unzuverlässigkeitsvermutung geführt hatte (vgl. Heinrich in Steindorf, WaffG, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 7). Liegen somit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG in der Person des Inhabers einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis vor, so folgt daraus zwingend, dass diese Person die für eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 21 ZB 15.1908 – juris Rn. 11 zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG).
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Nach diesen Maßstäben besaß der Vorstand der Klägerin, Herr R., nach § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG die erforderliche Zuverlässigkeit nicht. Gegen den Vorstand der Klägerin, Herrn R., wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts … – Große Wirtschaftsstrafkammer – vom … Mai 2013 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt. Anhaltspunkte dafür, dass die Verurteilung des Vorstands, Herrn R., auf einem Irrtum beruhen könnte oder dass die Waffenbehörde ausnahmsweise in der Lage wäre, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, dass der ausgeurteilten Freiheitsstrafe eine Gesamtstrafenbildung zugrundeliegt. Denn es ist jedenfalls dann als ausreichend anzusehen, dass sich das Strafmaß aus einer Gesamtstrafe ergibt, wenn – wie hier – mindestens eine der in die Gesamtstrafenbildung einbezogenen Straftaten das Strafmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe erreicht. Hinsichtlich der abgeurteilten 30 Straftaten hat das Landgericht … als Einzelstrafen allesamt Freiheitsstrafen im Bereich zwischen sechs Monaten und einem Jahr für tat- und schuldangemessen erachtet. Da somit die Einsatzstrafe für die Gesamtstrafenbildung (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) bereits bei einem Jahr Freiheitsstrafe liegt und somit ungeachtet einer nachfolgenden Gesamtstrafenbildung allein schon den Tatbestand des § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG erfüllen würde, bestehen vorliegend keine Bedenken dagegen, dass die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten geeignet ist, eine absolute sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen. Es kann vorliegend mithin offen bleiben, ob auch eine Verurteilung wegen mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten, die zwar zu Einzelstrafen von jeweils unter einem Jahr, insgesamt aber zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geführt haben, ausreichend wäre (so jedenfalls VG Bayreuth, U.v. 27.9.2007 – B 1 K 07.464 – juris Rn. 18; VG Saarlouis, U.v. 15.12.2009 – 1 K 50/09 – juris Rn. 57 m.w.N.).
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Schließlich können die Bevollmächtigten der Klägerin auch mit den gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG geäußerten Bedenken vorliegend nicht durchdringen. Eine Verfassungswidrigkeit lässt sich weder aus dem Umstand ableiten, dass die der Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten keinen Bezug zum Sprengstoffrecht aufweisen, noch daraus, dass der Gesetzgeber bei schwerwiegenden Straftaten das Vertrauen in die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit für einen Zeitraum von zehn Jahren ab Rechtskraft der letzten Verurteilung für unwiderleglich erschüttert hält. Sowohl der unerhebliche sachliche Bezug der Straftat zum Sprengstoffrecht als auch die ohne Härtefallregelung vorgegebene Zehnjahresfrist werden von der Rechtsprechung als verfassungskonform angesehen (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2014 – 21 CS 14.2024 – juris Rn. 10 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24/06; BayVGH, U.v. 20.9.2007 – 21 BV 07.2029; VG Hamburg, U.v. 24.6.2010 – 4 K 152/09 – alle juris). Insbesondere vermag das Gericht die vorgetragene massive Einschränkung der Berufsausübung des Vorstands, Herrn R., nicht zu erkennen. Die Tatsache, dass ein weiterer Vorstand für die Klägerin berufen wird – wie mit Herrn K. tatsächlich nachträglich auch geschehen – kommt mitnichten einem Berufsverbot für Herrn R. gleich. Dessen Vorstandstätigkeit bleibt vielmehr mit Ausnahme der Möglichkeit einer Übernahme der Gesamtverantwortung i.S.d. § 8 Abs. 3 SprengG vom Bestehen einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis der Klägerin gänzlich unberührt.
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Auch gegen die mit dem Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis verbundenen notwendigen Anordnungen in Nr. 2 (Verpflichtung zur Rückgabe des Erlaubnisdokuments nebst Ausfertigungen), Nr. 3 (Verpflichtung zur Unbrauchbarmachung bzw. Überlassung der explosionsgefährlichen Stoffe) und Nr. 4 (Übergabe der Verzeichnisse nach § 16 SprengG) des Bescheids vom 27. Oktober 2020 bestehen keine rechtlichen Bedenken. Die Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunden sowie die Entziehung der tatsächlichen Verfügungsmacht über explosionsgefährliche Stoffe sicher. Soweit dem Beklagten dabei Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Insbesondere erweist sich die jeweils eingeräumte Frist bis zum Ende des Folgemonats des Bescheidserlasses nicht als unangemessen.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.