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LG Traunstein, Urteil v. 16.11.2023 – 3 NBs 310 Js 28256/21
Titel:

Strafzumessung bei Kinderpornographie

Normenkette:
StGB § 46 Abs. 1
Leitsatz:
Liegen mehrere Bilder strafbarer Kinderpornographie vor, auf denen zT sehr junge Kinder abgebildet sind, und ist der Angeklagte bereits wegen einer gleichartigen Tat verurteilt worden, kann es nicht bei der Mindeststrafe verbleiben. (Rn. 10) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Strafzumessung, Voreintragung, Kinderpornographische Schriften, Kinderpornographie
Vorinstanz:
AG Mühldorf, Urteil vom 26.01.2023 – 5 Ls 310 Js 28256/21
Rechtsmittelinstanzen:
BayObLG, Beschluss vom 14.03.2024 – 206 StRR 87/24
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 10.09.2024 – 2 BvR 618/24
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 21.02.2025 – 2 BvR 618/24
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 03.07.2025 – 2 BvR 618/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52502

Tenor

1. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Mühldorf a. Inn vom 26.01.2023 wird kostenpflichtig verworfen.
2. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wird der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 7 Monaten verurteilt.
3. Der Angeklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Entscheidungsgründe

I.
1
Durch Urteil des Amtsgerichts M. vom 26.1.2023 wurde der Angeklagte wegen des Besitzes kinderpornographischer Inhalte zu einer Freiheitsstrafe vom 1 Jahr verurteilt. Während die Berufung des Angeklagten hiergegen erfolglos blieb, führte die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung der Staatsanwaltschaft zu einer Straferhöhung.
II.
(pers. Verh…)
2
Das Bundeszentralregister enthält für den Angeklagten eine Eintragung.
3
Der Angeklagte wurde durch Strafbefehl des AG M. vom 17.10.2016 im Verfahren … wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Verschaffen von kinderpornographischen Schriften in fünf tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung für 3 Jahre verurteilt. Die Entscheidung ist rechtskräftig seit 3.11.2016.
III.
4
Die Strafkammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
5
Am 28.10.2021 morgens wurden die Wohnräume des Angeklagten in der B.str. in M.durchsucht. Bei der Durchsuchung wurden unter anderem das Mobiltelefon des Angeklagten I-Phone 11 Max Pro und ein in seinem Eigentum stehender USB-Stick sichergestellt. Auf diesen befanden sich, wie der Angeklagte wusste, insgesamt 6 Bilddateien mit kinderpornographischem Inhalt, hiervon zwei auf dem I-Phone, die weiteren auf dem USB Stick. Wie der Angeklagte aufgrund der Physiognomie der abgebildeten Kinder erkannt hatte oder mindestens davon ausging, hatten die in den Bilddateien abgebildeten Kinder noch nicht das 14. Lebensjahr erreicht.
6
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Bilddateien:
1) I-Phone 11, letzter Zugriff auf Dateien 2.5.2021
– Extraktionsbericht Bild Nr. 21: Beschreibung: etwa 5-jähriges Mädchen nur mit Unterhose bekleidet, seitlich auf einem Bett liegend und die Beine aufgespreizt
- Extraktionsbericht Bild Nr. 28. Beschreibung: etwa 5-jähriges Mädchen, nur mit Unterhose bekleidet, auf Bett sitzend, Beine angewinkelt und weit gespreizt
2) USB-Stick
- Dateipfad: imgsrc.ru_58848109UwW: Beschreibung: etwa 10-jähriges Mädchen, nur mit Bikinihose bekleidet, auf Handtuch liegend, Beine aufgespreizt, Fokus auf Genitale gerichtet
- Dateipfad: imgsrc.ru_58843809aAw: Beschreibung: etwa 7-jähriges Mädchen in Gymnastikanzug, Beine stark aufgespreizt
- Dateipfad: imgsrc.ru_58908652qJd: Beschreibung: etwa 10-jähriges Mädchen im Balletkleid, stehend, Rock nach oben angehoben
- Dateipfad: imgsrc.ru_58951190uMb: Beschreibung: etwa 10-jähriges Mädchen, in roter Unterwäsche und Absatzschuhen, auf Boden sitzend mit gespreizten Beinen, Fokus auf Genitale
IV.
7
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen eigenen Angaben. Die Voreintragung im Bundeszentralregister wurde vom Angeklagten als zutreffend anerkannt. Der Sachverhalt steht zur Überzeugung der Strafkammer fest aufgrund der eigenen Einlassung des Angeklagten, in welcher er den Besitz der verfahrensgegenständlichen Bilddateien einräumte. Er hat weiter angegeben, die therapeutischen Maßnahmen nach der früheren Tat wären letztlich nicht nachhaltig gewesen. Die Dateien wurden in der Berufungshauptverhandlung im Rahmen der Beweisaufnahme in Augenschein genommen, wie auch -auszugsweisedas Bildmaterial der beigezogenen Vorakte betreffend die im Bundeszentralregister enthaltenen Vorverurteilung. Ferner hat die Zeugin KHK S. den Gang des Verfahrens dargelegt, insbes. den Umstand, dass die Bilddateien im Rahmen einer Durchsuchung bei dem Angeklagten anlässlich des Verdachts wegen sexuellen Missbrauchs durch den Angeklagten aufgefunden worden sind. Aufgefunden wurden nach Angaben der Zeugin auch weitere Dateien, etwa mit computeranimiertem und tierpornographischem Inhalt.
V.
8
Der Angeklagte hat sich daher schuldig gemacht des Besitzes kinderpornographischer Inhalte. Nach Auffassung der Strafkammer erfüllen die Abbildungen die Voraussetzungen der Legaldefinition des § 184b Abs. 1 Nr.1, 2.Hs., Buchst. b) StGB.
VI.
9
Die Strafe war dem Strafrahmen des § 184 b Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. III StGB zu entnehmen, welcher eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 5 Jahren vorsieht.
10
Bei der Strafzumessung im engeren Sinne war zugunsten des Angeklagten dessen Geständnis zu berücksichtigen, ferner, dass die Bilder sich im „Posing“-Bereich, mithin im unteren Bereich der Strafbarkeit befinden. Andererseits liegen aber mehrere (6) Bilder vor, auch werden z.T. sehr junge Kinder abgebildet. Ferner fiel ins Gewicht, dass der Angeklagte bereits wegen einer gleichartigen Tat verurteilt worden ist. Bei dieser Sachlage konnte es aus Sicht der Strafkammer nicht bei der vom Amtsgericht verhängten Mindeststrafe verbleiben. Tat- und schuldangemessen erschien unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vielmehr eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr 7 Monate. Die derzeitige Diskussion über das Erfordernis einer Anpassung des Strafrahmens des § 184 b StGB für besondere Fallkonstellationen (vgl. hierzu: Bundesministerium der Justiz: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte, Stand 17.11.2023) führt vorliegend nicht zu einer anderen Bewertung.
VII.
11
Die Strafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
12
Gem. § 56 Abs. 1 StGB setzt das Gericht eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als einem Jahr die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.
13
Bei Verurteilungen von über einem Jahr und bis zu zwei Jahren kann das Gericht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen des Abs. 1 nach Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen.
14
Die Strafkammer kann bereits eine günstige Legal- und Sozialprognose iSd § 56 Abs. 1 StGB nicht erkennen.
15
Dies ergibt sich wesentlich daraus, dass der Angeklagte bereits wegen einer gleichartigen Tat zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist. Wenn auch diese Verurteilung bereits Jahre zurückliegt und die Strafe erlassen wurde, zeigt doch das gegenständliche Verfahren, dass der Angeklagte durch die Warnfunktion der damaligen Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe nicht nachhaltig beeindruckt werden konnte. Insbesondere hat sich der Angeklagte von der neuerlichen Tat auch nicht durch mögliche negative Auswirkungen auf seine familiäre und berufliche Situation abhalten lassen. Angesichts der klaren Formulierungen des Strafausspruchs im Vorverfahren erscheinen die Ausführungen des Angeklagten als bloße Schutzbehauptung, dass er die Tragweite des Vorverfahrens nicht erkannt habe. Zu einer anderen Einschätzung der Strafkammer kann auch nicht der als wahr unterstellte Beweisantrag der Verteidigung führen, dass sich nunmehr aus den engmaschigen Kontrollen der Ehefrau der elektronischen Medien keinerlei Fehlverhalten des Angeklagten mehr ergeben habe und dass sich der Angeklagte nach Wahrnehmung seiner Frau seinem Fehlverhalten intensiv auseinandergesetzt und hiervon distanziert habe. Aus den Bewährungsauflagen bzw. -weisungen des Vorverfahrens hat die Kammer entnommen, dass ihm eine Bearbeitung seines Fehlverhaltens auferlegt worden war. Wenn der Angeklagte nunmehr ausführt, dies sei nicht nachhaltig gewesen, ist festzustellen, dass der Angeklagte keine Anstrengungen unternommen hat, seine Neigungen noch intensiver, etwa durch eine selbst initiierte Therapie zu bekämpfen. Auch hat es der Angeklagte geschafft, seinen „Rückfall“ lange Zeit vor der Familie zu verheimlichen. Seine Beteuerungen gegenüber der Ehefrau sind somit kein Indiz für seine tatsächliche Haltung.
16
Erst recht kann das Gericht keine besonderen Umstände iSd § 56 Abs. 2 StGB erkennen. Insbesondere sind Auswirkungen auf Beruf und Familie jeder Verurteilung zu einer Vollzugsstrafe immanent, dass der Angeklagte in besonderer Weise betroffen wäre, ist nicht erkennbar.
VIII.
17
Die Kostenfolge beruht auf § 473 StPO.