Inhalt

LG Weiden, Endurteil v. 05.12.2023 – 23 O 296/23
Titel:

Angabe einer Telefonnummer in Widerrufsbelehrung nicht erforderlich

Normenketten:
BGB § 312g, § 355, § 356, § 357
EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 2
Verbraucherrechte-RL Art. 6 Abs. 1 lit. c
Leitsätze:
1. Die Angabe einer Telefonnummer in einer Widerrufsbelehrung ist für den Beginn der Widerrufsfrist nicht notwendig. (Rn. 21 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine für den Fristbeginn allein maßgebliche vollständige Informationserteilung erfordert bei Fernabsatzverträgen somit nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (lediglich) eine ausreichende Information des Verbrauchers über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 (und nicht über die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 6 Abs. 1 lit. c Verbraucherrechte-RL erfordert nicht die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung. (Rn. 30 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerrufsbelehrung, Widerrufsfrist, Pflichtangaben, Telefonnummer, Fristbeginn, Verbraucherrichtlinie, Muster-Widerrufsbelehrung, Informationspflichten, RL 2011/83/EU
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52436

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 60.520,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Rückzahlung des Kaufpreises nach Widerruf des Kaufvertrags.
2
Der Kläger erwarb am 09.06.2022 einen Tesla Model Y, Version: über die Internetseite der Beklagte zu einem Kaufpreis von 60.520,00 Euro. Die Beklagte übermittelte dem Kläger bei Vertragsschluss am 09.06.2022 eine Widerrufsbelehrung in Textform.
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In der Widerrufsbelehrung heißt es wörtlich:
„Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht
Wenn Sie ein Verbraucher sind und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.) geschlossen haben, haben Sie das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag nach den nachstehenden Regelungen zu widerrufen.
Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat.
Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (…) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.
Folgen des Widerrufs
Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.
Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an .... oder an Ihr örtliches ... zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden.
Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.
Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschafen und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.“
4
Das Musterwiderrufsformular gestaltete die Beklagte wie folgt:
„Muster-Widerrufsformular
(Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus und senden Sie es zurück.)
- An …
- Hiermit widerrufe(n) ich/wir (… ) den von mir/uns (… ) abgeschlossenen Vertrag über den Kauf der folgenden Waren (… ) /die Erbringung der folgenden Dienstleistung (… )
- Bestellt am (… ) /erhalten am (… )
- Name des/der Verbraucher(s)
- Anschrift des/der Verbraucher(s)
- Unterschrift des/der Verbraucher(s) (nur bei Mitteilung auf Papier)“
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Eine Telefonnummer der Beklagten war der Widerrufsbelehrung und dem Musterwiderrufsformular nicht zu entnehmen. Die Beklagte gab ihre Telefonnummer … zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses an mehreren Stellen auf der Internetseite an. So auch im Impressum unter dem Link … .
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Das Fahrzeug wurde dem Kläger am … übergeben. Der Kläger erklärte am … den Widerruf des Kaufvertrags.
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Der Kläger meint, die 14-tägige Widerrufsfrist sei aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht in Gang gesetzt, sodass der Widerruf gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB auch noch zwölf Monate und 14 Tage nach Übergabe des Pkw noch möglich gewesen sei. Konkret verstoße die Widerrufsbelehrung der Beklagten gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1 EGBGB, da die Beklagte an der dafür vorgesehenen Stelle des Informationsformulars keine Telefonnummer eingefügt habe, obwohl sie einen geschäftlich genutzten Telefonanschluss unterhält.
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Der Kläger beantragt
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60.520,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2023 nach Herausgabe des Fahrzeugs Model Y,, Fahrgestellnummer …, zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte spätestens seit dem mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.085,82 EUR freizustellen.
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Mit Schriftsatz vom 21.09.2023 stellte der Kläger zudem seinen Klageantrag in Ziffer 1) hilfsweise wie folgt um Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 60.520,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2023 nach Rückübereignung des Fahrzeugs Model Y,, Fahrgestellnummer …, zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
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Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 24.10.2023 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
I.
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von 60.520,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2023 nach Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
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Ein Anspruch aus §§ 357 Abs. 1 iVm 355 Abs. 3 BGB scheitert bereits am nicht fristgerecht erklärten Widerruf.
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a) Gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB beträgt die Widerrufsfrist grundsätzlich 14 Tage und beginnt gem. §§ 355 Abs. 2 S. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB sobald der Verbraucher die Ware erhalten hat.
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Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde dem Kläger am 27.12.2022 übergeben, sodass die Widerrufsfrist gem. § 187 Abs. 1 BGB am 28.12.2022 begann und gem. § 188 Abs. 1 BGB am 10.01.2023 um 24:00 Uhr endete. Der Kläger erklärte den Widerruf jedoch erst am 05.05.2023 erklärt und damit nicht fristgerecht.
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b) Entgegen der Ansicht des Klägers greift nicht deshalb die verlängerte Widerrufsfrist gem. §§ 356 Abs. 3 S. 2, 355 Abs. 2 S. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB von 12 Monate und 12 Tage, weil die übermittelte Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer der Beklagten enthalten hat.
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Gem. § 356 Abs. 3 S.1 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Artikels 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Artikels 246b § 2 Absatz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche unterrichtet hat. Nach S. 2 erlischt das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt.
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Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 EGBGB ist der Unternehmer, wenn dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusteht, verpflichtet, den Verbraucher zu informieren über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage.
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Nach S. 2 kann der Unternehmer diese Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er das in der Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt.
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Die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist folglich nach dem Wortlaut der einschlägigen Normen für den Beginn der Widerrufsfrist bereits nicht notwendig.
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§ 356 Abs. 3 BGB stellt für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB) auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ab. Ein Verweis auf Art. 246a § 1 Abs. 1 insbesondere auf Nr. 2 der alten Fassung und Nr. 3 der neuen Fassung, wonach der Unternehmer dem Verbraucher die Telefonnummer zur Verfügung stellen muss, erfolgt gerade nicht. Jedenfalls für die Frage des Fristbeginns nach § 356 Abs. 3 BGB sind in der Widerrufsbelehrung daher nur die Angaben erforderlich, die in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden, und gerade nicht die Angaben aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB.
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Eine für den Fristbeginn allein maßgebliche vollständige Informationserteilung erfordert bei Fernabsatzverträgen somit nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (lediglich) eine ausreichende Information des Verbrauchers über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 (und nicht über die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1). Die Verletzung weiterer, auf den Vertragsgegenstand bezogener Informationspflichten, die nicht in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden, haben bei Fernabsatzverträgen dahingegen keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 356 Rn. 7).
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Für diese Sichtweise spricht neben dem Wortlaut auch die Systematik des § 356 Abs. 3 BGB. Denn für Finanzdienstleistungen wird ausdrücklich auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB verwiesen, der durch einen Verweis auf § 1 (des Art. 246b) auch die Informationspflichten einbezieht, was Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB a. F. gerade nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat für den Fernabsatzvertrag bewusst die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB und damit insbesondere die Angabe einer Telefonnummer aus dem Verweis in § 356 Abs. 3 BGB herausgenommen und fordert folglich die Erteilung der Informationspflichten nicht für den Beginn der Widerrufsfrist. Bei Fernabsatzverträgen genügt im Gegensatz zu Verträgen über Finanzdienstleistungen die Information nach § 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (LG Münster, Urteil vom 14. September 2023 – 02 O 101/23 –, juris; Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl., § 356, Rn. 7).
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Auch folgt allein aus der Verpflichtung der Information über „das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts“ nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB nicht das zwingende Erfordernis der Angabe der Telefonnummer. Über die Form des Widerrufs ist nach der Norm gerade nicht aufzuklären, sodass auch nicht über einen telefonischen Widerruf mitsamt Telefonnummer zu informieren ist. Durch die Nichtangabe der Telefonnummer entsteht im Übrigen auch nicht der Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre, da im Weiteren nur beispielhaft verschiedene Kommunikationsformen dargestellt werden und ohnehin für den Widerruf kein Formzwang besteht.
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Auch aus dem Verweis auf das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB folgt, dass der Unternehmer seinen Namen und seine Anschrift angeben muss, die Angabe der Telefonnummer aber gerade nicht zwingend ist: („[hier ist der Name, die Anschrift und die E-Mail-Adresse des Unternehmers durch den Unternehmer einzufügen]“).
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Darüber hinaus übermittelte die Beklagte dem Kläger bei Vertragsschluss am 09.06.2022 eine individuelle Widerrufsbelehrung in Textform und verwendete nicht die in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB abgedruckte Muster-Widerrufsbelehrung, die unter der Gestaltungshinweise vorsieht „Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift, Ihre Telefonnummer und Ihre E-Mail-Adresse ein.“
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In dieser individuellen Widerrufsbelehrung hat die Beklagte den Kläger entsprechend ihrer Verpflichtung aus Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (nicht identisch mit der Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB) informiert.
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Die Benutzung des Belehrungsmuster in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 EGBGB ist nicht obligatorisch wie sich bereits aus dem Wortlaut („kann“) des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB ergibt, sodass es der Beklagten freistand, eine eigene Widerrufsbelehrung zu formulieren. Auch sei darauf hingewiesen, dass die Muster-Widerrufsbelehrung keinen Mindeststandard regelt, der an alle individuellen Widerrufsbelehrungen anzulegen ist. Die Bedeutung der Mus-terWiderrufsbelehrung liegt vielmehr in der Privilegierung des Unternehmers durch die Gesetzlichkeitsfiktion, vgl. Art. 6 Abs. 4 S. 2 der Verbraucherrechterichtlinie. Der Muster-Widerrufsbelehrung kommt keine eigene normative Wirkung zu und sie verändert nicht die Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie an die Widerrufsbelehrung (Art. 6 Abs. 1 lit. h Verbraucherrechterichtlinie). Einzige Auswirkung ist, dass der Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung nicht verwendet, gerade nicht in den Genuss der genannten Fiktion kommt, auf die sich die Beklagte vorliegend auch gar nicht beruft.
30
Auch die Anforderungen der Verbraucherrechterichtlinie sind erfüllt.
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Entgegen der Ansicht des Klägers verlangt Art. 6 Abs. 1 lit. c) der sog. „Verbraucherrechterichtlinie“ (Richtlinie (EU) 2011/83 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der RL 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der RL 85/577/EWG des Rates und der RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) gerade nicht die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung. Die Verbraucherrechterichtlinie gibt auf europäischer Ebene in Art. 6 Abs. 1 lit. c) lediglich vor, dass dem Verbraucher vorvertraglich die Kontaktdaten des Unternehmers und gegebenenfalls eine Telefonnummer mitzuteilen sind. Diese Informationspflicht steht jedoch nicht im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie, der die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung regelt. Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer den Verbraucher – wie im nationalen Recht auch – im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts lediglich über „die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B“ zu informieren. Eine Information über die Form des Widerrufs und somit eine Verpflichtung zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist auch in Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie nicht vorgesehen. Auch aus Art. 11 Abs. 1 S. 2 b) der Richtlinie ergibt sich nichts anderes. Darin ist lediglich geregelt, dass der Verbraucher zum Zweck der Information des Unternehmers über seien Entschluss, den Vertrag zu widerrufen, entweder das Muster-Widerrufsformular des Anhangs I Teil B verwenden oder eine entsprechende Erklärung in beliebiger anderer Form abgeben kann, aus der sein Entschluss zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht.
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Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch aus der sog. EIS-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 14.05.2020, C-266/19, GRUR 2020, 753) und des BGH (Urteil vom 24.09.2020, I ZR 169/17, GRUR 2021, 84) nicht, dass die Angabe einer Telefonnummer für den Beginn der Widerrufsfrist im vorliegenden Fall notwendig ist.
33
Bereits aus der Vorlageentscheidung und demzufolge auch bereits aus dem Tenor der Entscheidung des EuGH ergibt sich, dass die Beklagte im dort behandelten Fall auf die Muster-Widerrufsbelehrung in Anhang I Teil A der RL 2011/83 zurückgegriffen hat. Auch die Vorlagefragen beziehen sich explizit auf die Verfügbarkeit der „Telefonnummer im Sinne des Gestaltungshinweises zur Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Anhang I Teil A der RL 2011/83“.
34
Der EuGH hat lediglich dazu ausgeführt, wann ein Unternehmer zur Angabe einer Telefonnummer verpflichtet ist, wenn er die gesetzlich geregelte Muster-Widerrufsbelehrung verwendet. Die Entscheidung bezieht sich nur auf die Frage, welche Vorgaben die Gestaltungshinweise für die Muster-Widerrufsbelehrung aus Anlage 1 zu Artikel 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB – welche die Beklagte gerade nicht verwendet hat – machen. Der EuGH (und auch der BGH) hat aber keine Aussage dazu getroffen, ob die Information über die Telefonnummer auch eine widerrufsbezogene Informationspflicht ist, die Inhalt einer individuellen Widerrufsbelehrung sein muss. Die EIS-Entscheidung hat insbesondere an der fehlenden Relevanz der Muster-Widerrufsbelehrung für die Bestimmung der erforderlichen Belehrungsinhalte außerhalb der Musterverwendung nichts geändert.
35
Die EIS-Urteile ergingen in einem Rechtsstreit zwischen zwei Wettbewerbern und behandeln vor allem wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der allgemeinen Informationspflicht und dem Musterschutz bei der Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung. Eine Aussage darüber, welche zivilrechtliche Rechtsfolgen die Nichtangabe einer Telefonnummer in einer individuellen Widerrufsbelehrung hat, insbesondere ob hiervon der Beginn der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 BGB abhängig ist, haben der EuGH und BGH gerade nicht getroffen.
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Ob das Vorgehen des Klägers rechtsmissbräuchlich ist und inwieweit er zu Wertersatz verpflichtet ist, kann folglich dahinstehen.
37
Da bereits kein wirksamer Widerruf des Kaufvertrages vorliegt, führt auch der Hilfsantrag nicht zum Erfolg.
38
2. Mangels begründeten Anspruchs in der Hauptsache scheidet auch ein Anspruch des Klägers auf Feststellung des Annahmeverzugs sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus.
II.
39
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 709 S. 1, S. 2 ZPO.
40
2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 48 Abs. 1 S. 1 GKG iVm § 3 ZPO, wobei insbesondere dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs neben dem Antrag auf Zugum-Zug-Leistung ein selbstständiger Wert nicht zukommt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3.7.2008 – I-24 W 46/08).