Inhalt

OLG München, Beschluss v. 27.07.2023 – 23 W 678/23e
Titel:

Hinreichende Erfolgsaussicht, Klageantrag, Gesellschaftervereinbarung, Sofortige Beschwerde, Geschäftsanteil Abtretung, Gesellschafter-Geschäftsführer, PKH-Verfahren, Deklaratorisches Schuldanerkenntnis, Gesellschafterbeschluss, notarielle Urkunden, Insolvenzschuldner, Feststellungsklage, Parteivorbringen, Stufenklage, Vorschaltverfahren, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Leistungsklage, Prozeßbevollmächtigter, Steuerforderung, Abtretungsklausel

Leitsätze:
1. Zu den Voraussetzungen einer rückwirkenden Heilung von Formmängeln gem. § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO.
2. Voraussetzungen und Wirksamkeit einer Vesting-Regelung mit Good-Leaver- und Bad-Leaver-Klausel können bislang ober- und höchstgerichtlich noch nicht als geklärt erachtet werden. Es bestehen zwar gewisse Berührungspunkte zu der vom BGH mehrfach behandelten Fallgruppe des Manager-Modells (vgl. BGH NJW 2005, 3641). Die dortigen Erkenntnisse sind jedoch nicht ohne Weiteres übertragbar.
3. Es ist nicht Aufgabe des PKH-Verfahrens, solche komplexen Rechts- und Tatfragen in einem Vorschaltverfahren vor dem eigentlichen Klageverfahren zu entscheiden.
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Feststellungsklage, Nichtigkeit von GmbH-Geschäftsanteilen, Rückabwicklung, Stufenklage, Abfindungsregelung, Leistungsklage
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 11.05.2023 – 13 HK O 2180/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52409

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 11.05.2023, Az.: 13 HK O 2180/23, aufgehoben, soweit mit diesem Beschluss der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers hinsichtlich der Klageanträge II. und III. abgelehnt worden ist.
2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.
3. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
4. Die Gebühr nach Nr. 1812 KV-GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Sachverhalt:
1
Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz und die Beiordnung seiner Kanzlei als Prozessbevollmächtigte für eine Feststellungsklage über die Nichtigkeit einer Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, hilfsweise über die Pflicht zur Rückabwicklung und hilfsweise für eine Stufenklage betreffend eine angemessene Abfindungsregelung sowie eine Leistungsklage auf Freistellung von Steuerforderungen im Nachgang zu einer Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen.
2
Mit Urkunde vom 02.09.2014 gründete die K. UG gemeinsam mit zwei weiteren UGs die Beklagte, eine GmbH, deren Gegenstand die Entwicklung, der Betrieb und der Vertrieb von Werbemittelsystemen ist. Der Gesellschafter-Geschäftsführer der K. UG und D. wurden zu Geschäftsführern der Beklagten bestellt. Nach mehrfachen Kapitalerhöhungen und Beitritt weiterer Investoren schlossen die inzwischen zahlreicheren Gesellschafter der Beklagten mit notarieller Urkunde vom 06.09.2018 einen neuen Gesellschaftsvertrag der Beklagten. Ebenfalls mit notarieller Urkunde vom 06.09.2018 schlossen sie einen „Beteiligungsvertrag und Gesellschaftervereinbarung“. Ziffer II. 11 dieses Vertrages enthält Regelungen zu einem sog. negativen Vesting. Für den Fall, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der K. UG die Geschäftsführung und die Tätigkeit für die Beklagte vorzeitig beenden sollte (sog. Leaver-Fall), konnte die Beklagte danach eine Übertragung sämtlicher sog. Vesting-Geschäftsanteile der U. KG an der Beklagten, die mit der Zeit immer weniger werden würden, an die Beklagte gegen Zahlung des Nennbetrags verlangen (sog. Bad-Leaver-Klausel). Nur bei Vorliegen besonderer mitigierender Umstände (sog. Good-Leaver-Fall) sollten günstigere Konditionen Platz greifen.
3
Mit Schreiben vom 17.09.2018 legte der Gesellschafter-Geschäftsführer der U. KG krankheitsbedingt sein Amt als Geschäftsführer der Beklagten mit sofortiger Wirkung nieder.
4
Mit notariell beurkundetem Geschäftsanteilsabtretungsvertrag vom 20.02.2019 veräußerte die U. KG ihre Geschäftsanteile an der Beklagten an diese für einen Kaufpreis in Höhe des Nennwerts der Anteile von 1 € pro Stück.
5
Der Kläger hält zum einen die Bad-Leaver-Klausel für nichtig und begehrt die Feststellung, dass der Geschäftsanteilsabtretungsvertrag nichtig bzw. unwirksam ist (Klageantrag I). Hilfsweise begehrt er die Rückübertragung der Geschäftsanteile (Klageantrag II). Wiederum hilfsweise macht er eine angemessene Abfindung geltend und erhebt hierzu Stufenklage (Klageantrag III). Ein letzter Klageantrag bezieht sich auf die Freistellung einer Steuerforderung (Klageantrag IV).
6
Das Landgericht hat dem PKH-Antrag nur in Bezugg auf Klageantrag IV stattgegeben und im Übrigen den Antrag wegen nicht hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Die sofortige Beschwerde war teilweise erfolgreich.

Gründe

I.
7
Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die erste Instanz und die Beiordnung seiner Kanzlei als Prozessbevollmächtigte für eine Feststellungsklage über die Nichtigkeit einer Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen, hilfsweise über die Pflicht zur Rückabwicklung und hilfsweise für eine Stufenklage betreffend eine angemessene Abfindungsregelung sowie eine Leistungsklage auf Freistellung von Steuerforderungen im Nachgang zu einer Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen.
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Das Landgericht München I hat dem Antrag mit Beschluss vom 11.05.2023 (Bl. 58/64 d. A.; Bl. 3/9 des PKH-Hefts), auf den für die Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, nur in Bezug auf die Leistungsklage stattgegeben und im Übrigen den Antrag wegen nicht hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt.
9
Der Antragsteller verfolgt sein Begehren im Umfang der Ablehnung mit der am 01.06.2023 erhobenen sofortigen Beschwerde weiter.
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Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 06.06.2023 (Bl. 73 d. A.) nicht abgeholfen.
II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
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1. Die statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie nicht wegen eines Formverstoßes unzulässig. Die Frage, ob die zunächst erfolgte Übermittlung des Beschwerdeschriftsatzes im Word-Format formunwirksam war, kann dahinstehen, weil der Antragsteller diesen (vermeintlichen/tatsächlichen) Formmangel jedenfalls den Vorgaben des § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO entsprechend rückwirkend geheilt hat. Mit Schriftsatz vom 06.07.2023 hat die Prozessvertreterin des Antragstellers unaufgefordert den Beschwerdeschriftsatz im pdf-Format nachgereicht und durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht im Sinne des § 294 ZPO, dass die nachgereichte Anlage mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt. Die Nachreichung war unverzüglich, zumal der nach § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO vorgesehene gerichtliche Hinweis noch nicht erteilt war. Auf den hilfsweise (“höchst vorsorglich“) gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt es folglich nicht an.
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2. Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
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2.1. Allerdings hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass hinsichtlich des Klageantrags I keine hinreichende Erfolgsaussicht besteht. Ein Nichtigkeitsgrund der dinglichen Anteilsübertragung gem. Nr. III der „Geschäftsanteilsabtretung“ vom 20.02.2019 (Anlage K 10) ist unabhängig davon, ob die Regelungen zur Anteilsübertragung im Leaver-Fall in Nr. 11.2 und 11.3 der Gesellschaftervereinbarung vom 06.09.2018 unwirksam sind oder nicht, nicht ersichtlich.
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2.1.1. Eine Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Verpflichtung im Vertrag vom 06.09.2018 nach §§ 134, 138 BGB erfasst nicht gleichermaßen das Verfügungsgeschäft. Denn dieses ist wertungsmäßig neutral. Die Anteilsübertragung wird für sich genommen unter keinem Gesichtspunkt von der Rechtsordnung missbilligt.
16
2.1.2. Es handelt sich bei der Gesellschaftervereinbarung vom 06.09.2018 und dem Verfügungsgeschäft am 20.02.2019 auch ersichtlich nicht um Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Sinne des § 139 BGB. Hiergegen spricht maßgeblich bereits der zeitliche Abstand von mehr als fünf Monaten.
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2.2. Nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien bietet die beabsichtigte Prozessführung indes auch mit Blick auf die Klageanträge II und III hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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2.2.1. In Abweichung zum Landgericht kommt es mit Blick auf den Klageantrag II darauf an, ob die in der notariellen Urkunde über den „Beteiligungsvertrag und Gesellschaftervereinbarung […]“ vom 06.09.2018 (Anlage K 5) unter Nr. 11.2 und 11.3 enthaltenen Regelungen (im Folgenden „Abtretungsregelung für Leaver“) wirksam vereinbart wurden oder nicht. Mit der Begründung des Landgerichts kann die hinreichende Erfolgsaussicht im PKH-Verfahren nicht verneint werden.
19
2.2.1.1. Nach dem bisherigen Parteivorbringen ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien der Vereinbarung vom 20.02.2019 eine (vermeintlich/tatsächlich) bereits bestehende Abtretungsverpflichtung lediglich in Randbereichen modifiziert haben. Damit ist weder eine Novation noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis verbunden, die es der Insolvenzschuldnerin fortan nicht mehr erlauben würden, eine Unwirksamkeit der Leaver-Regelung geltend zu machen.
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2.2.1.1.1. In der Gesellschaftervereinbarung vom 06.09.2018 wurde unter Nr. 11.3 (a) (ii) Satz 1 geregelt, dass im Bad Leaver-Fall die Gesellschaft die Abtretung sämtlicher Vesting-Geschäftsanteile der Insolvenzschuldnerin an die Gesellschaft gegen Zahlung des Nennbetrags verlangen kann. Zum Vollzug wird in Satz 2 auf die entsprechende Anwendung der Regelungen im Abschnitt (i) „zu dem Angebot an die Gesellschaft, dessen Annahme und für den Fall des Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften“ verwiesen. In Ermangelung abweichenden Parteivortrags zu außerhalb der Urkunde liegenden Umständen, die zu einem anderen Auslegungsergebnis führen würden, werden damit erkennbar (i) (2) und (3) in Bezug genommen, mit der Folge, dass bereits im Vertrag vom 06.09.2018 das Angebot der Insolvenzschuldnerin zu Kauf und Abtretung an die Gesellschaft enthalten ist, das die Gesellschaft in Gestalt der Ausübung der Kaufoption annehmen kann, und zwar durch Gesellschafterbeschluss mit einfacher Mehrheit unter Ausschluss des betroffenen Gesellschafters (Nr. 11.3 a. A.). Die Annahme durch Gesellschafterbeschluss ist, anders als das Landgericht meint, vom Antragsteller vorgetragen worden (Entwurf der Klageschrift, S. 23 Abs. 1: „Die Entscheidung über die Ausübung der Kaufoption, das Abtretungsverlangen und die Wahl des Abtretungsempfängers konnte von den Gesellschaftern mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen unter Ausschluss des Betroffenen gefasst werden (Ziffer I. 11.3), wie es dann noch im September 2018 auch erfolgte.“) und soweit ersichtlich unstreitig.
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2.2.1.1.2. In der vertraglichen Vereinbarung vom 20.02.2019 regelten die Insolvenzschuldnerin und die Antragsgegnerin nicht nur (in Ziff. III) das Verfügungsgeschäft, sondern auch (insbesondere in den Nrn. II., IV. und V.) das Verpflichtungsgeschäft (erneut) vollständig. Dabei haben sich die Vertragsparteien inhaltlich weitgehend an die bereits am 06.09.2018 getroffene Vereinbarung gehalten; insbesondere entsprechen sich die Hauptleistungspflichten (Anteilsübertragung gegen Nennwert). Nur am Rande sind die Vertragsparteien von den bereits bestehenden Vorgaben der Abtretungsregelung für Leaver abgewichen; so wurde eine andere Kostenverteilung gewählt: Die Kosten der Urkunde vom 20.02.2019 liegen gem. Nr. VII in Abweichung zu Nr. 11.4 letzter Satz der Gesellschaftervereinbarung vom 06.09.2018 beim Erwerber, also der Antragsgegnerin.
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2.2.1.1.3. Die Parteien trafen die Vereinbarung vom 20.02.2019 ausweislich der ausdrücklichen Bezugnahme in Nr. III im Bewusstsein der bereits bestehenden Abtretungsverpflichtung für Leaver. Vor diesem Hintergrund kann es sich bei der schuldrechtlichen Regelung in der Vereinbarung vom 20.02.2019 letztlich nur um eine (bestätigende) Abänderung der vertraglichen Regelung vom 06.09.2018 oder um eine Schuldersetzung (Novation) handeln. Ob eine Novation oder lediglich eine Vertragsänderung vorliegt, ist Auslegungsfrage (BGH NZM 2013, 545). Bei dieser Auslegung ist die anerkannte Auslegungsregel zu beachten, dass bei der Feststellung des Willens der Parteien, das alte Schuldverhältnis aufzuheben und durch ein neu begründetes Rechtsverhältnis zu ersetzen, im Hinblick auf die damit verbundenen einschneidenden Folgen große Vorsicht geboten ist und von einer Schuldumschaffung nur ausnahmsweise ausgegangen werden darf, sofern die Parteien einen solchen Willen unzweifelhaft zum Ausdruck bringen; im Zweifel ist daher nur von einer Vertragsänderung auszugehen (BGH NJW 1986, 1490; NJW 2003, 59; BeckRS 2010, 19644 Rn. 12; NJW 2011, 532 Rdnr. 21; NJW-RR 2011, 403 [405]; BeckRS 2013, 00692 Rn. 20; NZM 2013, 545).
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Hinreichende Anhaltspunkte für eine Novation liegen derzeit nicht vor. Im Gegenteil weist der Wortlaut von Nr. III der Vereinbarung vom 20.02.2019, wonach die Abtretung „in Erfüllung der gem. Ziff. 11.2 des Gesellschaftervertrags vom 06.09.2018 vereinbarten sog. Kaufoption des Erwerbers (wegen des Kaufpreises: bad leaver-Option gem. Ziffer 11.3 (a) (ii)“ erfolge, in die entgegengesetzte Richtung. Soweit die Parteien der Vereinbarung vom 20.02.2019 inhaltliche Änderungen gegenüber der Ausgangsregelung getroffen haben, betreffen diese nicht den Kern der bereits bestehenden Regelung; insbesondere bleiben die Hauptleistungspflichten (Anteilsübertragung gegen Nennwert) gleich. Schließlich wäre eine Novation interessenwidrig. Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, wieso die Parteien im Februar 2020, mithin ca. fünf Monate nach der Niederlegung der Geschäftsführung durch Herrn K2. , eine von der ursprünglichen vertraglichen Bestimmung abstrakte Rechtsgrundlage hätten schaffen sollen. Schon dass zwischen den Parteien Streit oder Unsicherheit über die Wirksamkeit der Regelung vom 06.09.2018 bestanden hätte, wurde von keiner Seite vorgetragen. Überdies ist nicht nachvollziehbar gemacht, wieso die Insolvenzschuldnerin im Februar 2019 (und damit losgelöst von der Akquirierung neuer Investoren) eine deutlich nachteilige Vereinbarung hätte abschließen sollen.
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2.2.1.1.4. Aus demselben Grund kann der Regelung am 20.02.2019 in Ermangelung weitergehenden Parteivortrags zu außerhalb der Urkunde liegenden Auslegungsumständen auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis entnommen werden, das der Insolvenzschuldnerin fortan die Berufung auf die Unwirksamkeit der Abtretungsregelung für Leaver verwehren würde.
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2.2.1.1.5. Vielmehr führt eine Unwirksamkeit der Abtretungsregelung für Leaver zum Fehlen des Rechtsgrundes für die Anteilsübertragung und damit potenziell zur Leistungskondiktion.
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2.2.1.1.6. Damit kommt es für die Erfolgsaussichten hinsichtlich Klageantrag II auf die Wirksamkeit der Regelungen aus der Vereinbarung vom 06.09.2018 an. Insoweit können der Klage hinreichende Erfolgsaussichten nicht von vornherein abgesprochen werden.
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Nach der Rechtsprechung des BGH sind gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit in einer GmbH das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dasselbe gilt für neben dem Gesellschaftsvertrag getroffene schuldrechtliche Regelungen (BGH NJW 2005, 3641).
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Eine solche klassische Hinausdrängungsklausel ist allerdings nicht streitgegenständlich. Denn durch die Definition des Good Leaver- und des Bad Leaver-Falls in Nr. 11.3 der Gesellschaftervereinbarung vom 06.09.2018 wurde ein sehr detaillierter Regelungsansatz zur Abgrenzung des sachlichen Grundes gewählt. Das Interesse der Investoren daran, dass die Gründungsgesellschafter auch weiterhin ihre Arbeitskraft und ihr Know how einbringen, ist grundsätzlich anzuerkennen. Soweit die Falldefinitionen für Good Leaver und Bad Leaver als Sachgründe anzuerkennen sind, wäre die Abtretungsregelung wohl nicht wegen der Abwertung seiner Gesellschafterposition sittenwidrig oder wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder als unzulässige Kündigungsbeschränkung (bezogen auf den Anstellungsvertrag von Herrn K2. ) gem. §§ 134, 622 Abs. 4 BGB nichtig. Auf die Höhe der Abfindung kommt es für die Wirksamkeit der Abtretungsklausel gerade nicht an – eine zu geringe Vereinbarung zur Abfindung wird lediglich durch eine angemessene Abfindung auf Basis des Verkehrswertes ersetzt (BGH NJW 2005, 3641 [3643]).
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Gleichwohl ist zu sehen, dass die vorliegende Fallkonstellation einer Vesting-Regelung ober- und höchstgerichtlich noch nicht als geklärt erachtet werden kann. Es bestehen zwar gewisse Berührungspunkte zu der vom BGH mehrfach behandelten Fallgruppe des Manager-Modells (vgl. BGH NJW 2005, 3641). Die dortigen Erkenntnisse sind jedoch nicht ohne Weiteres übertragbar. Gegen die Auffassung des Antragstellers, die zur Unwirksamkeit der beanstandeten Regelung in der Gesellschaftervereinbarung vom 06.09.2018 kommt, mag es demnach gewichtige Gegenargumente geben, sie ist aber nicht unvertretbar. Die klägerische Auffassung ist daher für Zwecke des PKH-Verfahrens als hinreichend aussichtsreich zu behandeln, da es nicht Aufgabe des PKH-Verfahrens ist, solche komplexen Rechts- und Tatfragen in einem Vorschaltverfahren vor dem eigentlichen Klageverfahren zu entscheiden.
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2.2.2. Gleichermaßen besteht hinsichtlich des Hilfsantrags III hinreichende Erfolgsaussicht. Auch insoweit kann der Vereinbarung vom 20.02.2019 nicht eine Novation oder ein Einwendungsausschluss entnommen werden.
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Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, hat er grundsätzlich einen Anspruch auf Abfindung in Höhe des Verkehrswerts seines Geschäftsanteils (BGH NJW 1953, 780; NJW 1955, 667; NJW 1992, 892; NZG 2002, 176). Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. So kann der Abfindungsanspruch beschränkt werden, soweit dadurch nicht von vornherein ein grobes Missverhältnis zu dem wahren Wert der Gesellschaftsbeteiligung entsteht (BGH NJW 1992, 892; NJW 1989, 2685). Dabei sind das Interesse der verbleibenden Gesellschafter an dem Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens und das Interesse des ausscheidenden Gesellschafters an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seiner Beteiligung gegeneinander abzuwägen.
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Mit der Begründung des Landgerichts kann die Erfolgsaussicht nicht verneint werden, da die Vertragsparteien soweit erkennbar eben nicht am 20.02.2019 die Gegenleistung neu ausgehandelt haben, sondern die bereits bestehende vertragliche Regelung unverändert ließen. Nach dem bisherigen Parteivorbringen sind hinreichende Erfolgsaussichten zu bejahen, zumal sich dem Senat das bisherige Parteivorbringen so darstellt, dass der Insolvenzschuldnerin bei einer Nennwertabfindung unabhängig von eingetretenen Verlusten ihr Einstandsaufwand nicht zurückgewährt wird. Immerhin hatte die Insolvenzschuldnerin neben der Bareinlage auch ihre Anteile an der A. GbR eingebracht.
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3. Die Ausgangsentscheidung war somit aufzuheben, soweit Erfolgsaussichten hinsichtlich der Klageanträge II und III verneint wurden. Das Verfahren wird gem. § 572 Abs. 3 ZPO zur Entscheidung des Landgerichts über die weiteren PKH-Voraussetzungen (keine Mutwilligkeit, Bedürftigkeit insoweit) zurückverwiesen.
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4. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Die Kostentragung der Gerichtsgebühren folgt aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1 Satz 1 GKG. Eine Kostenerstattung findet gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.
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5. Die für eine erfolglose Beschwerde anfallende Gebühr hat der Senat gemäß der Anmerkung zu Nr. 1812 KV-GKG mit Blick auf die lediglich teilweise Zurückweisung des Rechtsmittels gemindert.
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6. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 574 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht vorliegen (§ 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche über den hiesigen Streitfall hinausgehende Bedeutung, noch verlangt die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Rechtsbeschwerdegericht im PKH-Verfahren.