Titel:
Überraschende Klausel, unangemessene Benachteiligung, Rechtsmißbrauch, Streitwertfestsetzung, Vergütungsbestandteile, Rückforderungsansprüche, Erhöhungsverlangen, Hilfsaufrechnung, Vergütungsvereinbarung, Einigungsgebühr, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Entwurfsgebühr, Klageerweiterung, Auslagenpauschale, Klage und Widerklage, Telekommunikationsdienstleistungen, Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren, Gutachten der Rechtsanwaltskammer, Gegenstandswert
Schlagworte:
Vergütungsvereinbarung, Inhaltskontrolle, Unangemessene Benachteiligung, Streitklausel, Abrechnung, Hilfsaufrechnung, Streitwert
Vorinstanz:
LG Amberg vom 04.10.2022 – 13 O 1421/19
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Nürnberg, Berichtigungsbeschluss vom 08.03.2023 – 11 U 3141/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 12.09.2024 – IX ZR 65/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52383
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Amberg vom 04.10.2022, Az. 13 O 1421/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger insgesamt 39.496,40 € zuzüglich Jahreszinsen von 5% über dem Basiszinssatz aus 776,97 € seit 14.09.2017, aus 4.669,26 € seit 24.11.2017, aus 1.087,36 € seit 14.09.2017 und aus 32.962,81 € seit 27.07.2017 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages, so lange nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten im Wege der Klage und Widerklage um die Anwaltsvergütung für verschiedene Mandate des Klägers, wobei im Vordergrund eine erb- und familienrechtliche Auseinandersetzung stand.
2
Der Kläger war im Rahmen der mit der Beklagten geschlossenen anwaltlichen Geschäftsbesorgungsverträge mit der anwaltlichen Beratung, außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeit, insbesondere mit der Geltendmachung diverser Zahlungsansprüche beauftragt.
3
In allen verfahrensgegenständlichen Angelegenheiten schloss der Kläger mit der Beklagten eine im wesentlichen gleichlautende Vergütungsvereinbarung. Diese unterscheiden sich nur hinsichtlich der teilweise nicht geltend gemachten Grundgebühr und der Stundenvergütung, die allerdings lediglich für den letzten Auftrag statt 245 € für die Tätigkeit des Klägers 255 € beträgt.
4
Beispielhaft für das Mandat zum Mietverhältnis lautet die Vereinbarung wie folgt:
„Auftrag und Vergütungsvereinbarung Zwischen S… L… (nachfolgend „Auftraggeber“ genannt) und Rechtsanwalt H… N… (nachfolgend „Rechtsanwalt“ genannt) wird in der Angelegenheit
„L… S.. ./. .Dr. L… E… O.. und Dr. L… S… D… wegen Mietverhältnis F… 23, … folgende Vereinbarung geschlossen:
Schadensersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt können vor ihrer endgültigen Feststellung ohne dessen ausdrückliche Genehmigung weder abgetreten noch verpfändet werden.
Zur Sicherung der Gebührenu. Auslagenersatzansprüche des Rechtsanwalts werden vom Auftraggeber an den Rechtsanwalt materielle u. prozessuale Erstattungsansprüche wegen Erstattung von Kosten gegen Dritte abgetreten. Der Rechtsanwalt nimmt die Abtretung hiermit an. Die Höhe der Abtretung ist begrenzt auf den jeweiligen Stand der Gebührenu. Auslagenersatzansprüche des Rechtsanwalts. Soweit ein Sicherungsbedürfnis nicht mehr besteht, verpflichtet sich der Rechtsanwalt zur Freigabe dieser Ansprüche gegenüber dem Auftraggeber. Der Auftraggeber bleibt zur Geltendmachung aller Ansprüche im eigenen Namen ermächtigt. Eine Verwertung der abgetretenen Ansprüche darf durch den Rechtsanwalt erfolgen, wenn der Auftraggeber in Zahlungsverzug hinsichtlich der Ansprüche des Rechtsanwalts geraten ist.
Mit dem gleichen Sicherungszweck u. mit den gleichen Einschränkungen u. Bedingungen wie im Absatz vorher wird der Hauptsacheanspruch an den Rechtsanwalt abgetreten. Der Rechtsanwalt nimmt die Abtretung hiermit an.
Ist der Auftraggeber keine natürliche Person, dienen die Sicherungsabtretungen auch zur Absicherung von Kostenerstattungsansprüchen des Rechtsanwalts in anderen laufenden Sachen. Als andere laufende Sache, gelten solche, die bis zum Abschluss dieser Angelegenheit beauftragt werden.
Zwischen Auftraggeber und Rechtsanwalt wird nun außerdem folgende Vergütungsvereinbarung getroffen:
Abweichend von den gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erhält oben genannte Rechtsanwaltskanzlei für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts eine Grundgebühr von 150,- € [handschrifltich einzutragen und eingetragen] u. eine Vergütung von 190 €/h, für die Tätigkeit von Rechtsanwalt H… N… von 245 € [im Folgenden als „Stundenhonorar“ bezeichnet]. zzgl. Auslagenpauschale u. gesetzt. MWSt. Für Streitwerte über 250.000 erhöht sich der Stundensatz um 10 € je angefangene weiterer 50.000 € [im Folgenden als „Erhöhungshonorar“ bezeichnet]. Wird der Rechtsanwalt als Zeuge vernommen, gilt dies auch als eine Tätigkeit. Zu vergüten ist jeder Zeitaufwand, beispielsweise auch Fahrtzeiten oder die Verfassung von Aktenvermerken usw. Durch die Gebühr ist auch der allgemeine Geschäftsaufwand (Schreibarbeiten, Büro) mit abgegolten. Die Auslagenpauschale beträgt 5% der Nettogebühren, mindestens 20,00 €. Die Notwendigkeit der Fertigung von Kopien steht im pflichtgemäßen Ermessen des Anwalts. Je kopierter Seite oder Scan fallen 0.50 EUR an. Für gerichtliche Verfahren gelten mindestens die gesetzlichen Gebühren (zwingend vorgeschrieben in § 49b BRAO). Kommt die gesetzliche Vergütung zum Tragen, richten sich diese Gebühren nach dem Gegenstandswert. Eine Anrechnung der bis dahin angefallenen Zeitgebühren findet nicht statt [im Folgenden als „Nicht-Anrechnungsklausel“ bezeichnet]. Stichtag für den Beginn des gerichtlichen Verfahrens ist der Tag des Diktates des ersten Schriftsatzes zu Gericht.
Falls der Auftraggeber gegen einen Dritten ganz oder teilweise einen Kostenerstattungsanspruch hat, stehen dem Rechtsanwalt immer mindestens die gesetzlichen Gebühren zu, auch wenn die vereinbarte Vergütung niedriger wäre. Endet eine Angelegenheit durch eine Einigung, steht dem Rechtsanwalt die Einigungsgebühr (Nr. 1000 RVG) neben der Stunden- und Grundgebühr zu. Wird ein Strafverfahren ein Betreuungsverfahren oder ein sonstiges nachteiliges gerichtliches Verfahren nach Auftragserteilung eingestellt oder erfolgt ein Freispruch, erhält der Rechtsanwalt als Erfolgsgebühr einen zusätzlichen Betrag von 750,00 €.
Für die Mitwirkung bei der Fertigung von Urkunden. Verträgen, Testamenten, Schreiben im Namen Dritter oder Ähnliches fällt eine zusätzliche Pauschalgebühr von 750 € (Entwurfsgebühr) je Entwurf an, wegen des hierbei entstehenden erhöhten Haftungsrisikos.
Entsteht Streit über die angefallene Arbeitszeit, kann der Rechtsanwalt anstelle des Zeithonorars oder hilfsweise nach seiner Wahl das Doppelte der gesetzlichen Vergütung mindestens jedoch eine 2,5 Geschäftsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer verlangen [im Folgenden als „Streitklausel“ bezeichnet]. Kommt die gesetzliche Vergütung zum Tragen, richten sich die Anwaltsgebühren nach dem Gegenstandswert.
Die Mindestvergütung beträgt 250,- € [handschriftlich einzutragen und eingetragen] Zu allen Gebührenbeträgen tritt die gesetzliche Umsatzsteuer von 19% hinzu.
Die vom Rechtsanwalt abgerechneten Zeiten gelten als anerkannt, wenn der Auftraggeber nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Wochen nach Zugang des Abrechnungsschreibens substanziiert widerspricht [im Folgenden als „Erklärungsfiktion“ bezeichnet]. Hierauf wird der Rechtsanwalt hinweisen. Vereinbart wird, dass nach Beendigung der Angelegenheiten die Vergütung des Rechtsanwalts gestundet bleibt bis dieser eine Abrechnung erteilt hat.
Der Auftraggeber nimmt den Hinweis des Rechtsanwalts zur Kenntnis, dass die Vergütungsvereinbarung bei umfangreicher Tätigkeit von den gesetzlichen Gebühren nach oben abweichen kann. Weiterhin, dass für den Fall, dass dem Auftraggeber Erstattungsansprüche gegen die Staatskasse oder sonstige Dritte zustehen, er die Gebühren nur im Umfang der gesetzlichen Gebühren von dritter Seite erstattet verlangen kann. Unberührt bleibt das Recht des Rechtsanwalts einen Kostenvorschuss zu fordern (§ 9 RVG).“
5
Gegenstand der Mandatierung des Klägers waren zunächst Ansprüche der Beklagten nach dem Tod ihres Ehemannes am 22.01.2015. Aus dessen vorangegangener Ehe sind vier Kinder und aus der Ehe mit der Beklagten zwei Kinder hervorgegangen, von denen eines, S…, am … vorverstorben war. Die Beklagte, geb. …, hatte mit ihrem Ehemann 1985 einen Ehevertrag und 1989 einen Nachtrag zu diesem Ehevertrag abgeschlossen. Zu beiden Zeitpunkten war sie schwanger. Nach dem Ehevertrag sollten auf die Beklagte (wohl anstelle eines Erbes bzw. des Pflichtteils) Lebensversicherungen für den Fall des Todes über 430.000 DM abgeschlossen werden. Zudem sollten ihr Anteile einer Fa. E… GmbH in W… übertragen werden. Erben des Ehemannes waren seine Kinder und zwar sein Sohn aus der Ehe mit der Beklagten, A…, zu ½ und die vier Kinder aus vorangegangener Ehe zu je 1/8. Hinsichtlich des gemeinsamen Sohnes S… war die Beklagte als Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Die Beklagte hatte in dem Ehevertrag (wohl) auch einen Pflichtteilsverzicht vereinbart, weshalb sie einen Pflichtteilsanspruch nur geltend machen konnte, soweit der Ehevertrag unwirksam war. Der Kläger wollte den sogenannten kleinen Pflichtteil (1/8 des Nachlasses von ca. 10 Millionen, berechnet werden 1.056.562,50 €) und daneben den Zugewinnausgleich (2.822.500 € – Berechnung K80, allerdings später korrigiert auf 2.000.000 €) geltend machen. Die Beklagte schloss unter Beratung des Klägers mit ihren Kindern und Stiefkindern vor dem Notar Wiedemann einen umfassenden auch die Übertragung der Grundstücke regelnden Vergleich.
6
S… L…, dem vorverstorbenen Sohn, waren Grundstücke im mitgeteilten Wert von 454.000 € übertragen worden, für die eine durch Vormerkung gesicherte Rückauflassungsverpflichtung im Fall seines Todes bestand, die auch die Beklagte berechtigte. Auf diesen Rückforderungsanspruch hatte die Beklagte aber verzichtet, wobei sie die Wirksamkeit ihres Verzichts anzweifelte. Auch hierzu hatte die Beklagte den Kläger mandatiert. Über diese Fragen entschied das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 22.09.2016 (15 W 509/16, Anlage K64). Bei der vorangegangenen Entscheidung des Amtsgerichts hatte die Gegenseite die Kosten zu tragen.
7
Der Sohn S… hatte zudem ein Kind, H… S…, die er als Alleinerbin eingesetzt hatte, wobei er aber noch zu Lebzeiten seine Vaterschaft angefochten hatte. Er starb vor Abschluss des Anfechtungsverfahrens. Der Kläger, mandatiert durch die Beklagte, ließ in beiden Instanzen und vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen, ob die fehlende Möglichkeit der Anfechtung durch die Erben verfassungsgemäß ist. Wegen des Kindes wurden gegen S… und dann auch gegen die Beklagte durch Rechtsanwalt G… Unterhaltsforderungen mit einem Streitwert von 9420,27 € geltend gemacht. In diesem Streit wurde die Beklagte zunächst durch RAin B… vertreten, später ebenfalls durch den Kläger.
8
Weitere Mandate betrafen zwei Ansprüche auf Steuerrückerstattungen für die Veranlagungszeiträume 2012 und 2013 (Streitwert 2159,38 €), Gebührenansprüche des gegnerischen Rechtsanwaltes, Herrn Rechtsanwalt G…, für die Vertretung des Kindes in einer anderen Angelegenheit gemäß dessen Rechnung vom 02.02.2016 über 6391,97 € sowie das Mietverhältnis der Beklagten zwischen ihr und zwei Gesellschaften aus der Unternehmensgruppe ihres verstorbenen Ehemannes.
9
Mit der Klageerweiterung vom 31.12.2020 wurden weiterhin Angelegenheiten wegen Testamentsberatung, Testamentsentwurf und vorweggenommener Erbfolge anhängig gemacht. Zudem bezieht sich die Klageerweiterung auf ergänzende Vergütungsansprüche aus den oben genannten Mandaten.
10
Die Beklagte hat die Honorarnoten des Klägers teilweise bezahlt.
11
Die mit der Klage und der Klageerweiterung geltend gemachten offenen Ansprüche des Klägers ergeben sich aus der nachfolgenden Übersicht (die grau hinterlegten Angaben dienen nur der Erläuterung):
Rechnungsdatum
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Anlage
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Auftrag
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Rechnungs-Nr.
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Rechnungsbetrag
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14.08.2017
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K3
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Unterhalt H… S…
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17-119
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867,37 €
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24.10.2017
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K5
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Rückforderung 6 Grdst.
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17-156
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4.743,86 €
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14.08.2017
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K7
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Mietverhältnis m. 2 Gesells.
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17-121
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1.187,47 €
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27.06.2017
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K17
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Wirksamkeit Ehevertrag
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17-089
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96.436,41 €
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15.04.2016
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B18
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Wirksamkeit Ehevertrag
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16-063
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6.162,27 €
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27.12.2019
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K20
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Wirksamkeit Ehevertrag – Zusammenfassung von K17 und B18
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19-061
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96.537,59 €
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Klageeerweiterung
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Antrag 3b
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Mieterhöhung (vgl. K7), jetzt 2 Geschäftsgebühren, hierdurch
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4.776,81 €
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Testamentsberatung – hier
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09.09.2016
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B24
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Darlehen …
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16-141
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6.045,20 €
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Antrag 6
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Bl 142
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Erhöhungsverlangen zu B24
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832,97 €
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|
Testamentsberatung – hier
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16.03.2017
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K172
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Darlehen …
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17-048
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Antrag 7
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Erhöhungsverlangen zu K 172
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94,21 €
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15.04.2016
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B18
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Wirksamkeit Ehevertrag
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Antrag 8
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Bl 143
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Erhöhungsverlangen zu B18
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19.979,51 €
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18.05.2016
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B19
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Rückforderung 6 Grdst.
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16-082
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Antrag 9
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Erhöhungsverlangen zu B19 und K5
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3.153,50 €
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Summe (soweit
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nicht grau hinterlegt)
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132.072,11 €
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12
Die Rechnung K 20, die der Kläger erst mit seiner Klage übersandte, hat die Neuabrechnung der bereits mit den Rechnungen Anlage K17 (52 h 40 Min.) und B18 (19 h 30 Min.) geltend gemachten Stunden betroffen (72 h 10 Min.), nunmehr allerdings mit von 4.333.062,50 € auf 3.454.000,00 € reduziertem Gesamtgegenstandswert, aber unter Berechnung des Erhöhungshonorars für die zusammengefassten 72 h 10 Min. und unter Berücksichtigung des für B18 bereits gezahlten Betrages. Mit seiner Klage hat der Kläger aber nicht den Rechnungsbetrag aus der Rechnung K20 geltend gemacht, sondern hat diesen auf den nur geringfügig niedrigeren Betrag aus der Rechnung K17 reduziert. Auf Seite 8 und 9 der Klageschrift wird insoweit Bezug genommen. Der Antrag 3b der Klageerweiterung bezieht sich auf die Streitklausel der Vergütungsvereinbarung. Mit dem Antrag 8 der Klageerweiterung wird das Erhöhungshonorar für die Rechnung B18 [ausgehend von einem Gegenstandswert von 4.333.062,40 €] geltend gemacht.
13
Der Kläger trägt vor, der Zeitaufwand sei angesichts der Bedeutung des jeweiligen Mandats angemessen. Er habe den Zeitaufwand jeweils auf volle 5 Minuten abgerundet. Weil jeder Zeitaufwand von ihm abgerechnet werden könne, habe er auch die Rechnungsstellung im Zeitaufwand mit erfasst. Die gesetzlichen Gebühren bei der mit Rechnung K20 abgerechneten Angelegenheit würden im Übrigen 51.995,41 € (ohne Anrechnung des auf B18 bezahlten Honorars) und diejenigen für die mit Rechnung B19 abgerechneten Angelegenheit 9.225,48 € betragen.
14
Der Kläger hat im 1. Rechtszug beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn
- 1.
-
867,37 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 14.09.2017,
- 2.
-
4.743,86 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 24.11.2017,
- 3.
-
a) 1.187,47 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 14.09.2017,
b) 4.776,81 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klageerweiterung,
- 4.
-
96.436,41 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 27.07.2017,
- 5.
-
832,79 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klageerweiterung,
- 6.
-
94,21 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klageerweiterung,
- 7.
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19.979,51 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klageerweiterung und
- 8.
-
3.152,50 € zuzüglich Jahreszinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klageerweiterung zu bezahlen.
15
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt sowie widerklagend den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, an sie 5.455,91 € nebst Zinsen hieraus seit dem 16.08.2017 zu zahlen sowie weitere 297,62 € nebst Zinsen hieraus seit dem 16.08.2017 aus vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
16
Für den Fall, dass die Klage antragsgemäß ganz oder teilweise abgewiesen werde, hat sie weiter beantragt, den Widerbeklagten zu verurteilen, an sie 52.062,94 € nebst Zinsen hieraus zu zahlen.
17
Der Widerbeklagte hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
18
Die Beklagte hat vorgetragen, der abgerechnete Zeitaufwand sei zu hoch. Die Gebührenvereinbarung sei unwirksam, weil überraschend. Es könne nicht nachvollzogen werden, welche konkreten Arbeiten der Kläger zu welcher Zeit vorgenommen haben will, die Zeitauflistungen seien fehlerhaft. Auch gegen die Tätigkeit an sich werden Einwendungen erhoben.
19
Sie habe den Kläger in den Jahren 2014 bis 2017 in einer Vielzahl von Verfahren beauftragt, in welcher der Kläger und Widerbeklagte ihr sämtlich die mit der Klageverteidigung angegriffenen Vergütungsvereinbarungen zur Unterzeichnung vorgelegt und sodann auf deren Basis abgerechnet habe.
20
Mit dem unbedingten Widerklageantrag hat sie die Zahlung der vom Kläger vereinnahmten von der Gegenseite im Verfahren vor dem Oberlandesgericht erstatteten gesetzlichen Gebühren gefordert.
21
Im Wege der Widerklage hat die Beklagte deshalb die Rückforderung folgender Rechnungen geltend gemacht:
Rechnungsdatum
|
Anlage
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Auftrag
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Rechnungs-Nr.
|
Rechnungsbetrag
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04.10.2017
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B4
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Abrechnung nach Ggstandswert (Verf. OLG)
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17-120
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5.455,91 €
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Bedingte Widerklage und Hilfsaufrechnung:
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15.01.2016
|
B15
|
Verf 2 C 307/16 AG SAN
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16-006
|
2.864,85 €
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25.01.2016
|
B16
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Verteidigung (Betrugsvers.)
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16-013
|
2.881,22 €
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15.04.2016
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B17
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Anfechtung Vaterschaft
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16-065
|
4.438,85 €
|
15.04.2016
|
B18
|
Wirksamkeit Ehevertrag
|
16-063
|
6.162,27 €
|
18.05.2016
|
B19
|
Rückforderung 6 Grdst.
|
16-082
|
15.229,39 €
|
21.06.2016
|
B20
|
Testamentsvollstreckung
|
16-102
|
2.091,79 €
|
22.06.2016
|
B21
|
Testamentsvollstreckung
|
16-103
|
3.035,76 €
|
04.07.2016
|
B22
|
Anfechtung Vaterschaft
|
16-113
|
4.438,85 €
|
01.02.0216
|
B23
|
Umgangsrecht (?)
|
16-014
|
351,87 €
|
09.09.2016
|
B24
|
Vorsorgevollmacht, Darlehensvertrag
|
16-141
|
6.045,20 €
|
10.05.2017
|
B25
|
Rückforderung 6 Grdst.
|
17-058
|
4.522,89 €
|
|
|
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Summe:
|
52.062,94 €
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22
Hilfsweise und höchst vorsorglich für den Fall der Begründetheit der Klage hat die Beklagte die Aufrechnung mit den per Widerklage geltend gemachten Forderungen erklärt.
23
Der Kläger und Widerbeklagte hat hierauf repliziert, das Gerichtsverfahren habe er nicht nach Stunden abgerechnet. Die Vereinnahmung der von der Gegenseite erstatteten Kosten entspreche der Vereinbarung. Die vorgerichtlich von ihm gesondert in Rechnung gestellten Kosten seien nicht anzurechnen. Hinsichtlich der bedingten Widerklage erhebe er den Einwand der Verjährung. Bis auf die Rechnung B25 lägen die Zahlungen der Widerklägerin mehr als 3 Jahre zurück. Zudem verstoße das Verhalten der Beklagten gegen Treu und Glauben, sie sei mit seiner Arbeit überaus zufrieden gewesen. Es müsse der Einwand der Verwirkung erhoben werden.
24
Er hat zudem hilfsweise mit weiteren Forderungen über 5.031,80 €, 43.934,80 €, 312,38 €, 892,50 € und 561,23 € gegen die Widerklageforderungen aufgerechnet.
25
Das Erstgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen A… L…, den Sohn der Beklagten, und V… L…, den Stiefsohn der Beklagten. Weiterhin hat das Ausgangsgericht ein schriftliches Gutachten der Rechtsanwaltskammer Nürnberg erholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2022 und auf das schriftliche Gutachten der Rechtsanwaltskammer Nürnberg vom 16.06.2021 Bezug genommen.
26
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 04.10.2022 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die zulässige Klage sei begründet. Die Vergütungsvereinbarung sei nicht wegen Sittenwidrigkeit oder Wucher nach § 138 BGB unwirksam. Dies sei nur der Fall, wenn in objektiver Hinsicht das Honorar in auffälligem Missverhältnis zur anwaltlichen Dienstleistung stehe. Vorliegend sei der Stundensatz an sich nicht zu beanstanden. Die Honorarvereinbarung sei allgemeine Geschäftsbedingung und als solche Vertragsbestandteil des Anwaltsvertrags geworden. Die Vergütungsvereinbarung erscheine nicht als unangemessen. Sie sei nicht intransparent oder ungewöhnlich bzw. überraschend, sondern verständlich formuliert. Das Äquivalenzprinzip sei ebenfalls noch ausreichend gewahrt. Die Parteien hätten privatautonom Leistung und Gegenleistung bestimmt. Die berechtigten Interessen beider Parteien (Kompensation von Einarbeitungsaufwand durch Unterbrechungen einerseits, Zahlungspflicht nur für tatsächlich erbrachten Zeitaufwand andererseits) werde in angemessenen Ausgleich gebracht. Der Kläger habe zur Überzeugung des Gerichts den Arbeitsanfall dargelegt. Ferner sei ihm die Berufung auf die getroffene Vergütungsvereinbarung auch nicht nach Treu und Glauben oder wegen der Verursachung unnötigen Arbeitsaufwandes zu verwehren. Die einvernommenen Zeugen seien glaubwürdig. Eine Unangemessenheit der jeweils abgerechneten Vergütung ergebe sich aus ihrer Einvernahme jedoch nicht. Das Gericht schließe sich den nachvollziehbaren und überzeugenden sowie widerspruchsfreien Ausführungen der Rechtsanwaltskammer Nürnberg im schriftlichen Gutachten vom 16.06.2021 (dort insbesondere unter II, Ziffern 7 und 8, III) aus eigener Überzeugung vollumfänglich an. Insbesondere stelle sich auch der vereinbarte Stundensatz nicht als unangemessen dar. Dies gelte ebenso für die Erhöhung des Stundensatzes bei Streitwerten über 250.000 € um 10 € je angefangene weitere 50.000 € und die Auslagenpauschale von 5% der Nettogebühren. Die zulässige Widerklage sei unbegründet. Der Beklagten stehe kein Anspruch auf Rückzahlung zu, da die Vergütungsvereinbarung wirksam gewesen sei und die berechneten Gebühren auch angemessen und damit geschuldet gewesen seien.
27
Gegen dieses ihrer Bevollmächtigten am 06.10.2022 zugestellte Endurteil wendet sich die Beklagte und Widerklägerin mit ihrer am 04.11.2022 beim Oberlandesgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 06.12.2022 begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und nimmt hierauf Bezug.
28
Bei dem vom Kläger verwendeten Formular „Auftrag und Vergütungsvereinbarung“ handle es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB. Die verwandten Klauseln seien sowohl überraschend als auch intransparent und damit unwirksam. Die klägerische Vergütungsvereinbarung habe Potenzierungen des Stundensatzes vorgesehen, die diesen Stundensatz um ein Vielfaches erhöht hätten, ohne dass ihr dies erkennbar gewesen sei. Eine solche Vergütungsvereinbarung sei überraschend und deshalb unwirksam. Die Vergütungsvereinbarung des Klägers sei zudem unangemessen und damit unwirksam. Mit ihr werde der grundsätzlich positive Aspekt einer Abrechnung nach Zeit ausgehöhlt. In dem Formular fehle ein Hinweis darauf, nach welchem Takt abgerechnet werden solle. Fehle eine solche Vereinbarung, sei Minutentakt abzurechnen, im Gegensatz dazu habe der Kläger allerdings im 5-Minutentakt abgerechnet. Im vorletzten Absatz der vom Kläger verwendeten Vereinbarung finde sich sodann eine Klausel, nach welcher die abgerechneten Zeiten als anerkannt gelten würden, wenn der Auftraggeber nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Wochen nach Zugang substantiiert widerspreche. Nach einer Entscheidung des Landgerichts Köln stelle dies eine unangemessene Benachteiligung dar. Wenn darüber hinaus noch eine Einigungsgebühr abgerechnet werden dürfe, dort wo diese günstiger sei, im Falle einer Einigung also wiederum nicht der Zeitaufwand, sondern nach Gegenstandswert abgerechnet werden könne, so werde offensichtlich, dass sich der Verwender stets die für ihn bestmögliche Abrechnungsmortalität aussuchen könne. Eine Kombination der Abrechnung nach Zeitaufwand mit gegenstandswertorientierter Abrechnung werde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht toleriert. Offensichtlich unwirksam sei die Vereinbarung in dem Punkt, wo sich der Kläger vorbehalte, anstatt des Zeithonorars das Doppelte der gesetzlichen Vergütung zu verlangen, wenn Streit über die angefangene Arbeitszeit entstehe. Diesen Streit könne der Kläger unschwer selbst herbeiführen. Die Auffassung der Kammer, dass eine Auslagenpauschale von 5% nicht von vornherein offensichtlich unangemessen erscheine, könne nicht geteilt werden. Völlig übersehen habe das Gericht, dass der Kläger Zeiten abgerechnet habe, die gar nicht der Bearbeitung der Mandate gedient hätten. So habe er die Zeiten für die Erstellung der Rechnung und die hierzu erforderliche Zeitdokumentation verwandt. Höchst vorsorglich werde auch bestritten, dass es sich bei den Kostenrechnungen K 2 und K 5 sowie der mit den Kostenrechnungen K 17 und K 20 abgerechneten Angelegenheiten tatsächlich jeweils um unterschiedliche Angelegenheiten im gebührenpflichtigen Sinn gehandelt hätte.
29
Die Beklagte und Widerklägerin hat zunächst beantragt, unter Aufhebung und Abänderung des Urteils des Landgerichts Amberg vom 04.10.2022 wie folgt zu entscheiden: I. Die Klage wird abgewiesen.
30
Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt,
- 1.
-
an die Beklagte und Widerklägerin weitere 5.455,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2017 zu zahlen;
- 2.
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an die Beklagte und Widerklägerin weitere 297,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2017 aus vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen;
- 3.
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im Falle der Klageabweisung an die Beklagte und Widerklägerin 52.062,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
31
In der mündlichen Verhandlung hat sie ihren Aufrechnungseinwand und ihren Widerklageantrag umgestellt.
32
Auf den Hinweis des Senats, dass die Bedingung der Widerklage nicht eindeutig formuliert und zudem unklar sei, ob die erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung aufrechterhalten bleibe, hat die Beklagtenvertreterin erklärt, die erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung werde aufrechterhalten. Es solle zunächst über die Aufrechnung entschieden werden. Die Aufrechnung werde unter der Bedingung erklärt, dass die Klage ganz oder teilweise begründet sei.
33
Die Widerklage werde nur insoweit geltend gemacht, wie die Forderung nicht bereits durch die Aufrechnung erloschen sei und werde unter der weiteren Bedingung erhoben, dass die Klage ganz oder teilweise aufgrund teilweiser oder vollständiger Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung zurückgewiesen werde.
34
Auf den weiteren Hinweis des Senats, dass in diesem Fall die Reihenfolge der Aufrechnungsforderungen geklärt werden müsse, anderenfalls die Aufrechnung unzulässig wäre, hat die Beklagtenvertreterin erklärt, die Aufrechnung werde zunächst mit der ältesten Rechnung und sodann in zeitlicher Abfolge erklärt; bei Rechnungen vom selben Tag solle zunächst die niedrigere Forderung und dann die höhere Forderung aufgerechnet werden.
35
Der Klägervertreter hat erklärt, der nunmehr angekündigte Antrag stelle eine Klageänderung dar, gegen die er sich ausspreche. Die Aufrechnung könne aus seiner Sicht nicht unter einer Bedingung erklärt werden.
36
Die Beklagte stellt den genannten Antrag mit der Maßgabe der obigen Änderung der Anträge und der beantragten Hilfsaufrechnung.
die Berufung zurückzuweisen.
38
Er sehe die Ausführungen des Landgerichts als zutreffend an. Die Beklagte unterscheide nicht zwischen Potenzierung und Addition. In der streitwertabhängigen Steigerung des Gebührensatzes liege eine Addition und keine Potenzierung. Die Zeitabrechnung sei die fairste Methode für Mandant und Anwalt. Auch das RVG staffele die Gebühren nach Streitwert. Streitwerte seien ein objektiver Maßstab. Im Streitwert manifestiere sich das Risiko eines Anwalts in Haftung genommen zu werden, wenn ihm oder seiner Kanzlei ein Fehler passiere. Der Anfall einer Einigungsgebühr habe mit dem Zeitaufwand nichts zu tun. Der gesetzgeberische Gedanke, der dahinter stecke, sei die erhöhte Verantwortung, welche ein Anwalt trage, wenn er zu einer Einigung rate. Ein Minutentakt sei bewusst nicht vereinbart worden. Er habe lediglich zur Vereinfachung der Abrechnung die Zeiten jeweils abgerundet. Keineswegs könne der Anwalt nach der Vereinbarung die Abrechnungsmethode nach Gutdünken umstellen. Ob Streit vorliege oder nicht, sei für das Gericht nachprüfbar. In den Kostenrechnungen sei jeweils transparent dargestellt, welcher Aufwand für das Diktat der Kostenrechnung angefallen sei. Es sei ausdrücklich vereinbart, dass dieser Zeitaufwand anrechenbar sei. Im Übrigen werde auf die Ausführungen in der 1. Instanz Bezug genommen.
39
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.02.2023 hat der Kläger noch vorgetragen, die gesetzlichen Gebühren würden bei der mit Anlage K3 abgerechneten Angelegenheit 1.019,83 €, bei der mit Anlage B24 abgerechneten Angelegenheit 9.988,62 €, bei der mit Anlage K17 abgerechneten Angelegenheit 70.295,68 €, bei der mit Anlage B19 abgerechneten Angelegenheit 9.225,48 € (vgl. oben) und bei der mit Anlage B4 (und B7) abgerechneten Angelegenheit 5.455,91 € betragen. Er könne das Doppelte der gesetzlichen Gebühr abrechnen. Die Summe des Doppelten der genannten Gebühren übersteige die Klageforderung. Die Auslagenpauschale betreffe nicht nur Auslagen für Telekommunikation, sondern auch Reisekosten, eventuelle Übernachtungskosten, eventuelle Recherchekosten in gebührenpflichtigen Portalen usw.
Entscheidungsgründe
40
Die Berufung der Beklagten und Widerklägerin ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Die Berufung ist aber nur teilweise begründet.
41
Klage und Widerklage sind zulässig.
42
Eine Eventualwiderklage ist wie bei Klageanträgen nach § 260 ZPO aus Gründen der Waffengleichheit statthaft, wenn sie unter einer innerprozessualen Bedingung steht (BGH NJW 2009, 148; Anders, in: Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl., § 253 Rn. 27). Erstinstanzlich wurde die Widerklage – mit Ausnahme der Rechnung Anlage B4 – unter der Bedingung erhoben, dass die Klage antragsgemäß ganz oder teilweise abgewiesen werde. Diese Bedingung ist nicht eingetreten, weil das Landgericht dem Klageantrag im vollen Umfang stattgegeben hat. Gleichwohl hat das Landgericht auch über die Widerklage entschieden und diese abgewiesen. Über die hilfsweise unter der erstinstanzllich eingetretenen Bedingung der Begründetheit der Klage erklärte Hilfsaufrechnung hat das Landgericht demgegenüber nicht entschieden. Diese Umstände werden in der Berufungsbegründung nicht gerügt. Vielmehr hat die Beklagte mit der Berufungsbegründung zunächst erneut beantragt, den Kläger zur verurteilen an sie „im Falle der Klageabweisung“ 52.062,94 € zu bezahlen. Die hilfsweise erklärte Aufrechnung hat die Beklagte in der Berufungsbegründung zunächst nur insoweit erwähnt, als sie am Ende ihrer Berufungsbegründung auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen Bezug genommen und dies zum Gegenstand der Berufungsbegründung gemacht hat.
43
Die erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung konnte zweitinstanzlich unter neuer Bedingung und in veränderter Reihenfolge erklärt werden (zur Rücknahme: BGH NJW-RR 1991, 156, 157; zur Änderung der Tilgungsreihenfolge: BGH NJW 2009, 1071; zum Ganzen: Leichsenring NJW 2013, 2155 ff.; Staudinger/Gursky, BGB, Bearb. 2022, vor §§ 387 ff. BGB Rn. 48). Da die der Aufrechnung zugrundeliegenden Forderungen bereits durch die Eventualwiderklage in der Berufungsbegründung erörtert wurden und damit der Streitstoff nicht erweitert wird, kann diese Änderung auch noch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erklärt werden.
44
Die – erstinstanzlich abgewiesene – Eventualwiderklage wurde mit der Berufungsbegründung allerdings auch in zweiter Instanz zunächst unter der identischen Bedingung weiterverfolgt. Sie steht nunmehr aber unter der weiteren Bedingung, dass die entsprechende Forderung nicht bereits durch die Aufrechnung erloschen ist und wird unter der weiteren Bedingung erhoben, dass die Klage ganz „oder teilweise“ aufgrund teilweiser oder vollständiger Unwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung zurückgewiesen wird. Diese Beschränkung der Widerklage ist auch ohne Einwilligung des Klägers wirksam. Nach dem Verfügungsgrundsatz ist die ganze oder teilweise Rücknahme einer (Wider-)Klage grundsätzlich dem bzw. der (Wider-)Kläger(in) überlassen. Eine zusätzliche Bedingung der Eventualwiderklage wird eher als qualitative denn als quantitative Widerklagebeschränkung anzusehen sein, die gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig ist und keiner Einwilligung nach § 269 Abs. 1 ZPO bedarf (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.08.2001, Az. 11 U 32/96 juris Rn. 61 ff.).
45
Hinzuweisen bleibt darauf, dass die Widerklage erhoben bleibt, soweit die Klage teilweise unbegründet ist und die Forderung nicht durch die Hilfsaufrechnung erloschen ist. Der Senat hat also nach dem nunmehr gestellten Antrag die Forderung insoweit doppelt zu prüfen, nämlich zunächst bei der erklärten Hilfsaufrechnung und anschließend bei der bedingten Widerklage. Angesichts der wirtschaftlichen Identität beider Ansprüche führt dies jedoch aus Sicht des Senats nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts (vgl. unten), so dass hier kein weiterer Hinweis auf diese Folge der Neuantragstellung angezeigt ist.
46
Die Klage ist an sich in Höhe von 42.918,08 € begründet, die Forderung ist aber in Höhe von 3.421,68 € durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung erloschen, so dass noch 39.496,40 € verbleiben.
47
Der Kläger kann die von ihm auf der Grundlage seiner Vergütungsvereinbarung geltend gemachte Forderung nur teilweise durchsetzen, weil die Vergütungsvereinbarung in Teilen nicht wirksam ist.
48
1. Die Vergütungsvereinbarung entspricht allerdings den Formerfordernissen nach § 4b Satz 1, § 3a Abs. 1 Satz 1, 2 RVG, sie ist insbesondere von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt.
49
2. Die genannte Vergütungsvereinbarung unterliegt – auch hinsichtlich der Preisabrede – der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
50
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH NJW 2020, 1811 Rn. 11; NJW 2019, 2997 Rn. 19; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., § 3a Rn. 61; Teichmann, in: Beck-OGK, Stand 01.11.2022, § 675 BGB Rn. 1018), der der Senat folgt, gelten die genannten Vorschriften gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB für Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzenden Regelungen vereinbart werden. Preisabreden, welche unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung oder das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen, sind zwar grundsätzlich nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfrei. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Preise für eine zu erbringende Leistung durch eine gesetzliche Regelung vorgegeben werden. Das ist auch dann der Fall, wenn in den preisrechtlichen Bestimmungen keine starren Regelungen getroffen, sondern Gestaltungsmöglichkeiten geboten werden und für die Höhe des Entgelts ein Spielraum gewährt wird. In diesen Fällen hat der Gesetzgeber Leitlinien für die Preisgestaltung aufgestellt. Entgeltklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen können und müssen dann daraufhin überprüft werden, ob sie mit den Grundgedanken der Preisvorschriften übereinstimmen und sich in den von den Leitlinien gezogenen Grenzen halten, soll der vom Gesetzgeber mit dem Erlass der Preisvorschriften verfolgte Zweck nicht verfehlt werden. Soweit das RVG Preisrecht enthält, kommt diesen Vorschriften eine faktische Leitbildfunktion zu. Der in einer vertraglichen Vereinbarung zum Ausdruck gebrachte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lässt zwar im Grundsatz auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, der grundsätzlich zu respektieren ist und weder aus Gründen des Mandantenschutzes noch zur Wahrung des Vertrauens in die Integrität der Anwaltschaft der Abänderung bedarf. Bei einseitig gestellten Vertragsbedingungen findet ein derartiger Interessenausgleich aber nicht statt. Der Mandant hat in einem solchen Fall keinen Einfluss auf den Inhalt der Vergütungsvereinbarung, damit keine Möglichkeit, sein Interesse daran, nicht mit überhöhten Vergütungsansprüchen überzogen zu werden, einzubringen und zu wahren (BGH NJW 2020, 1811 Rn. 19). Der Mandant wird hier durch die AGBrechtliche Inhaltskontrolle der Vergütungsvereinbarung geschützt. Diese tritt neben die Kontrolle der Angemessenheit der vereinbarten Vergütung im Zeitpunkt der Abrechnung nach § 3a Abs. 2 RVG.
51
Bei der Inhaltskontrolle ist zu bedenken, dass zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts zwar das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung gehört. Für die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geregelten Anwaltsgebühren gilt dies wegen des Prinzips der Quersubventionierung – der Kostenaufwand und der Lebensunterhalt des Anwalts soll bei weniger lukrativen Mandaten durch gewinnbringende Mandate sichergestellt werden – allerdings nicht uneingeschränkt. Bei Sachen mit niedrigem oder mittlerem Streitwert kann auch ein Honorar, das die gesetzlichen Gebühren um ein Mehrfaches übersteigt, angemessen sein. Umgekehrt kann bei hohen Streitwerten unter Umständen schon aus der Überschreitung der gesetzlichen Gebühren auf ein auffälliges oder besonders grobes Missverhältnis geschlossen werden, wenn die Tätigkeit des Anwalts bereits durch die gesetzlichen Gebühren angemessen abgegolten wäre (BGH NJW 2020, 1811 Rn. 18).
52
3. Der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle halten zwar die Grundgebühr, das vereinbarte Stundenhonorar, die Nicht-Anrechnungsklausel und die zusätzliche Einigungsgebühr stand, nicht aber das Stunden-Erhöhungshonorar, die vereinbarte Auslagenpauschale, die Erklärungsfiktion und die Streitklausel.
53
a) Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegt eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel vor, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
54
Eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB kann sich auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender von allgemeinen Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar, einfach und durchschaubar darzustellen (BGH NJW 2016, 1575). Aus den Grundsätzen von Treu und Glauben ergibt sich nämlich, dass eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so klar erkennen lassen muss, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH NJW 2017, 2346 Rn. 15), ohne dass die Anforderungen überspannt werden (hierzu auch LG Köln AnwBl 2018, 170; Blattner AnwBl 2019, 534). Das Transparenzgebot will den Verwender nicht zwingen, jede AGB-Regelung gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen (BGH NJW 1990, 2383 Rn. 18). Das Transparenzgebot ist zugleich aber auch ein Verständlichkeitsgebot: Der Kunde muss bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Rechte und Pflichten er hat (Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 307 Rn. 24). Im Zusammenhang mit dem Transparenzgebot steht das Bestimmtheitsgebot. Zwar sind auch Vergütungsvereinbarungen nach §§ 133, 157 BGB auslegungsfähig. Hier sind der Auslegung zum Schutz des Mandanten jedoch enge Grenzen gesetzt. Er muss zum einen wissen, mit welchen Vergütungsansprüchen er zu rechnen hat und muss sie berechnen können (N. Schneider in: Schneider/Volpert, AnwK RVG, § 3a Rn. 14). Abzustellen ist bei der Bewertung der Transparenz einer Vertragsklausel auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (st. Rspr, etwa BGH NJW 2016, 1575 Rn. 31).
55
Der Senat sieht das Problem der Vergütungsvereinbarung vor allem in dem Wechselspiel dieser beiden genannten Anforderungen. Die gesetzliche Regelung selbst ist bei der außergerichtlichen Vertretung mit ihrer Kombination aus einer Abrechnung nach dem Gegenstandswert und einer Rahmengebühr für den Verbraucher nämlich wenig transparent. Schon der Gegenstandswert ist für den Mandanten nach den langjährigen Erfahrungen des Senats mit Anwaltshonoraransprüchen in familienrechtlichen Angelegenheiten schwer nachvollziehbar. So kommt es etwa bei dem Abschluss eines Ehevertrags mit der Vereinbarung von Gütertrennung nicht auf den möglichen, nunmehr ausgeschlossenen Zugewinnausgleichsausspruch, sondern auf das Vermögen der Eheleute an. Mit dem Gegenstandswert kann der Mandant auch nur mit Hilfe einer Gebührentabelle (oder der Formel des § 13 Abs. 1 RVG) die einfache Gebühr des Anwalts ermitteln. Zu zahlen ist aber letztlich eine Gebühr innerhalb des Rahmens von 0,5 bis 2,5 (Nr. 2300 VV-RVG, § 14 RVG), wobei nur der informierte Mandant die 1,3-Gebühr (Anm. Absatz 1 zu Nr. 2300 VV-RVG) kennen wird. Bei Anwendung der gesetzlichen Gebühren wird der Mandant also häufig nicht wissen, „was auf ihn zukommt.“ Der Anwalt muss über die Höhe der voraussichtlichen Gebühren, worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat, ohne Nachfrage in der Regel auch nicht aufklären. Eine gesetzliche Regelung zur Hinweispflicht des Rechtsanwalts findet sich nur in § 49b Abs. 5 BRAO. Danach hat der Rechtsanwalt – wie dies auch in der Vergütungsvereinbarung erfolgt – vor Übernahme des Auftrags darauf hinzuweisen, dass sich die Gebühr nach dem Gegenstandswert richtet. Ungefragt schuldet er einen darüber hinausgehenden Hinweis nur, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben ergibt (BGH NJW 1998, 3486 juris Rn. 28; OLG München JurBüro 2022, 301 juris Rn. 20; OLG Saarbrücken NJW-RR 2008, 509 juris Rn. 21; Kleine-Cosack, BRAO, 9. Aufl., § 49b Rn. 131).
56
Wenn nun von Seiten eines Rechtsanwalts formularmäßig eine Gebührenvereinbarung verwendet wird, stellt sich die Frage, ob er die Intransparenz der gesetzlichen Gebühren zu einer transparenten Regelung umgestalten muss (hiergegen Winkler/Kroiß in Mayer/Kroiß RVG, 8. Aufl., § 3a Rn. 84) oder ob er in Anklang an die gesetzliche Regelung diese allein modifizieren und die gesetzlichen Begriffe ohne nähere Erläuterung verwenden kann, also z. B. das Doppelte der gesetzlichen Gebühren verlangen kann (so gebilligt von OLG München NJW 2017, 2127 m. abl. Anm. Thiel: überraschende Klausel im Hinblick auf die konkrete AGB-Gestaltung).
57
Wendet man sich gegen die Modifikation, so wird dem Verwender auferlegt anzugeben, wie sich die wertabhängigen Gebühren errechnen, was einer Wiedergabe aller gebührenrechtlichen Bestimmungen gleichkäme und durch eine Überfrachtung der Vertragsbedingungen gerade deren Intransparenz bewirken würde (OLG München NJW 2017, 2127 juris Rn. 77). Andere vertreten aber die Ansicht, dass für die Verbindlichkeit einer Honorarvereinbarung die Parteien einen Berechnungsschlüssel schaffen müssen, „der ohne Schwierigkeit und Unsicherheit die ziffernmäßige Berechnung der Vergütung ermöglicht“ (N. Schneider a.a.O., der sich allerdings nicht gegen eine Modifizierung der gesetzlichen Gebühren wendet), was bei der gesetzlichen Regelung häufig nicht der Fall ist.
58
Die Lösung liegt aus Sicht des Senats jedenfalls nicht darin, dass jede Kombination von Gebühren nach dem Gegenstandswert und einem Stundenhonorar unzulässig wäre. Der Anwalt hat ein berechtigtes, auch im RVG niedergelegtes Interesse, dass neben seinem Zeitaufwand auch weitere Gesichtspunkte (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG), insbesondere sein Haftungsrisiko (§ 14 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 RVG), berücksichtigt werden. Das Verbot jeder Kombination gesetzlicher und vertraglich vereinbarter Gebühren hat der Bundesgerichtshof schon im Jahr 2005 abgelehnt und ausgeführt (NJW 2005, 2142), auch die Gesetzesbegründung (zum damaligen § 3 Abs. 5 BRAGO) biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Honorar entweder pauschal oder nach Zeitaufwand abzurechnen sei. Der Senat geht davon aus, dass deshalb auch eine Kombination von Stundenhonorar und gegenstandswertbasierter Vergütungsbestandteile möglich ist. Gleichwohl darf bei einer solchen Kombination der Vorteil der Zeitvergütung, nämlich die für den Mandanten damit verbundene Einschätzbarkeit des Honorars, nicht gänzlich verloren gehen.
59
a) Der Senat ist der Auffassung, dass die vom Kläger verlangte Grundgebühr die Voraussetzung einer transparenten und bestimmten Klausel jedenfalls erfüllt. Grundkosten sind dem Verbraucher vertraut und werden im Rechtsverkehr häufig verlangt, gleichgültig ob es sich um „Anfahrtspauschalen“, die „Baustelleneinrichtung“ oder ähnliches handelt. Selbstverständlich kann die Grundgebühr pro Auftrag nur einmal verlangt werden, worauf später bei den einzelnen Rechnungen noch einzugehen sein wird.
60
b) Der Kläger kann ein Zeithonorar in Höhe von 245 € bzw. für die letzte Mandatierung von 255 € je Stunde verlangen. Der Text der Vereinbarung stellt auch ausreichend klar, dass die Tätigkeit des Klägers in dieser Höhe zu vergüten ist.
61
c) Nicht mit dem Transparenzgebot in Einklang steht demgegenüber die Erhöhungsgebühr von 10 € je 50.000 € Gegenstandswert, der über 250.000 € hinausgeht. Eine solche Klausel verschleiert ihren enorm preistreibenden Effekt bei hohen – für den Mandanten nicht einfach einzuschätzenden – Gegenstandswerten und führt trotz des vermeintlich geringen Betrags von „10 Euro“ auch im vorliegenden Verfahren ohne Obergrenze zu einer Vervielfachung des vereinbarten, zunächst ins Auge stechenden Stundenhonorars, welches auch mit der Mandantin besprochen wurde (vgl. die Besprechungsnotiz vom 27.03.2014, Anlage K20, Seite 1 unten). Der mit dem Erhöhungshonorar verfolgte legitime Zweck der Abgeltung eines erhöhten Haftungsrisikos wird bei Gegenstandswerten im Millionenbereich auch bei weitem übererfüllt. Das im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Gesamthonorar ist dabei an sich nach Ansicht des Senats zwar nicht unangemessen hoch. Die Klausel kann aber aus den angegebenen Gründen keinen Bestand haben.
62
Es findet nach § 306 Abs. 1, 2 BGB auch keine geltungserhaltende Reduktion statt. Vielmehr bleibt der Vertrag im Übrigen grundsätzlich wirksam. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit ihre Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (blue-pencil-test). Ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (BGH NJW 2020, 1811 Rn. 26, st. Rspr.). Die Streichung der Klausel führt bei gewöhnlichen Mandaten zu keiner Änderung der Vergütung. Bei (für den hier tätigen Verwender seltenen) Mandaten mit sehr hohen Streitwerten steht der Vervielfachung des Honorars im Falle der Streichung der Klausel aber reziprok die Dezimierung des vereinbarten Honorars gegenüber. Es stellt sich deshalb die Frage nach der Bedeutung der Klausel für die Beteiligten. Die Bedeutung wird dabei ein wenig abgeschwächt durch die nach Ansicht des Senats mögliche (vgl. unten) zusätzliche Geltendmachung der Einigungsgebühr. Gleichwohl führt die Teilwirksamkeit letztlich bei hohen Streitwerten zu Honoraren, die hinter der gesetzlichen Gebühr zurückbleiben (vgl. im Folgenden zu Rechnung Anlage K20). Bei einer Gesamtnichtigkeit wäre dies nicht der Fall, weil bei ihr die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren verlangt werden könnte (BGH NJW 2014, 2653 Rn. 16). Gleichwohl kann auch bei Wegfall der Gebühr nicht von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden. Es bleibt deshalb bei der Teilwirksamkeit des vereinbarten Stundenhonorars.
63
d) Der AGB-Kontrolle hält die Klausel stand, wonach „jeder Zeitaufwand“ zu vergüten ist, beispielsweise auch Fahrtzeiten oder die Verfassung von Aktenvermerken usw.“. Der Senat teilt aber nicht die klägerische Auslegung dieser Klausel. Nach dem Wortlaut der Klausel könnte man zwar davon ausgehen, dass auch die Abrechnung – und selbst Streitigkeiten über die Abrechnung wie das vorliegende Verfahren – einen anzusetzenden Zeitaufwand verursachen. Das hält aber schon allgemeinen Auslegungsgrundsätzen nicht stand. Unabhängig von § 305c BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte dies erfordern (§ 157 BGB). Im allgemeinen Rechtsverkehr bei nach Stunden abgerechneten Dienst- und Werkverträgen ist aber die Abrechnung des Zeitaufwands der Rechnungsstellung ganz unüblich. Der nach Stunden zu zahlende Werkunternehmer rechnet die für das Werk geleisteten Stunden und möglicherweise auch Fahrzeiten ab, aber nicht den Zeitaufwand der Rechnungsstellung. Unklarheiten bei der Auslegung gehen zudem gemäß § 305c BGB zulasten des Verwenders. Wäre die Vergütung der Abrechnung ausdrücklich erwähnt, müsste man auch an eine überraschende Klausel denken (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2011, 760 juris Rn 57).
64
e) Unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die in die Vergütungsvereinbarung aufgenommene Auslagenpauschale. Die Pauschale beläuft sich auf 5% des Honorars, mindestens aber 20,00 €. Dies widerspricht dem gesetzlichen Leitbild in Nr. 7002 VV-RVG. Die alleinige Gemeinsamkeit besteht darin, dass sich auch die pauschale Berechnung von Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV-RVG in Relation (dort maximal 20%) zur Höhe der Gebühren bestimmt (vgl. LG Köln AnwBl 2017, 560). Der Hinweis in dem Gutachten der Rechtsanwaltskammer, wonach die Pauschale nicht als von vornherein unangemessen anzusehen sei, wenn darunter nicht nur „Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikationsdienstleistungen“ im Sinne der Nr. 7002 VV-RVG, sondern dem Rechtsanwalt im Einzelfall zur Ausführung des Auftrags entstandene Aufwendungen im Sinne des § 675 i.V.m § 670 BGB erfasst würden, kann dahingestellt bleiben, weil AGBrechtlich nicht auf die unangemessene Höhe abzustellen ist. Fakt ist, dass eine Prozentpauschale von 5% der Nettogebühren bei einem Stundenhonorar und zusätzlichen das Honorar erhöhenden Klauseln mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, die Abrechnung von Kleinbeträgen im Einzelfall zu vermeiden, nicht mehr zu vereinbaren ist und angesichts der auch hier geltend gemachten Höhe eher zu einer weiteren Einnahmequelle denn zu einer Pauschalierung des Aufwands beiträgt.
65
f) Wirksam vereinbart ist die Nichtanrechnung der bis dahin angefallenen Zeitgebühren bei einem gerichtlichen Verfahren. Auch der durchschnittliche Mandant kann zwischen einer gerichtlichen und einer außergerichtlichen Tätigkeit unterscheiden. Der Rechtsanwalt ist schon aufgrund der Regelung in § 49b BRAO gezwungen, das Stundenhonorar ohne ergänzende Regelungen nicht einfach auf das gerichtliche Verfahren zu erstrecken. Die hier vorgenommene Abgrenzung ist nachvollziehbar und leicht verständlich. Sie stellt auch keine überraschende Klausel dar.
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g) Die vereinbarte zusätzliche Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV-RVG) ist mit den Anforderungen an allgemeine Geschäftsbedingungen zu vereinbaren. Sie entspricht zunächst der gesetzlichen Regelung. Zielrichtung ihrer gesetzlichen Neugestaltung war es, die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts weiter zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken (BT-Drs. 16/6308 S. 341). Zwar wird bei der vorliegenden Vereinbarung der zeitliche Aufwand der Einigung bereits vergütet. Es ist mit dem gesetzlichen Zweck aber durchaus zu vereinbaren, wenn die Einigungsgebühr auch neben dem Stundenhonorar verlangt wird. Die Verpackung der wirtschaftlich erheblichen Gebühr in die Mitte eines Absatzes ohne drucktechnische Hervorhebung bringt die Klausel zwar in die Nähe einer überraschenden Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB. Es müsste sich aber um eine „ungewöhnliche“ Klausel handeln. Das könnte man angesichts der Übereinstimmung der Klausel mit dem dispositiven Recht allenfalls mit dem Widerspruch zu dem – im RVG aber nicht verankerten – Leitbild einer aufwandsbezogenen Stundenabrechnung rechtfertigen. Die gesamte Vereinbarung ist aber drucktechnisch schon durch die handschriftliche Grundvergütung erkennbar nicht allein eine Stundensatzvereinbarung. Das hier weitere Vergütungsbestandteile hinzukommen, wird dem Leser auch beim ersten Durchlesen deutlich. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Einigungsgebühr entgegen der Beschwerdebegründung durch den Rechtsanwalt nicht wahlweise zum Stundenhonorar, sondern zusätzlich verlangt wird.
67
h) Keine durchgreifenden AGBrechtlichen Einwendungen bestehen auch gegen die ergänzende strafverfahrensrechtliche Erfolgs- und die Entwurfsgebühr. Die hier vereinbarten 750 € stellen einen leicht nachvollziehbaren Betrag dar. Der Mandant wird zur Erläuterung der Entwurfsgebühr zudem auf das erhöhte Haftungsrisiko hingewiesen.
68
i) Die Klausel, wonach bei entstehendem Streit über die angefallene Arbeitszeit der Rechtsanwalt anstelle des Zeithonorars oder hilfsweise nach seiner Wahl das Doppelte der Geschäftsgebühr verlangen könne (Streitklausel), ist unwirksam. Die Klausel stellt die Höhe des Honorars im Streitfall in das Ermessen des Rechtsanwalts. Damit wäre, wenn die Einschränkung auf den Streitfall nicht beinhaltet wäre, nach § 4 Abs. 3 Satz 2 RVG die gesetzliche Vergütung geschuldet, worauf die Beklagte durch Vorlage des außergerichtlichen Gutachtens von Herrn Rechtsanwalt S. vom 27.07.2021 hinweist. Der Beklagten ist zuzugeben, dass der Rechtsanwalt durch eine erhöhte Abrechnung den Streitfall stets selbst herbeiführen könnte. In einem solchen Fall des Vorsatzes wäre die Berufung auf die Klausel aber schon rechtsmissbräuchlich. Mit der Einschränkung auf die Streitfälle wird man deshalb nicht generell von einer Vergütung nach dem Ermessen eines Vertragsteils sprechen können. Gleichwohl führt die Klausel im Ergebnis zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mandanten (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und ähnelt einem Vertragsstrafeversprechen nach § 309 Nr. 6 BGB, ohne dass es darauf ankäme, ob dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Mandant wird davon abgehalten, (auch) berechtigte Einwände gegen die anwaltliche Abrechnung zu erheben. Das stellt eine eindeutige unangemessene Benachteiligung dar und lässt sich auch durch die Beweisnot des Anwalts bei der Stundenabrechnung nicht rechtfertigen.
69
j) Die die Grundgebühr nur mäßig überschreitende Mindestvergütung ist nicht zu beanstanden. Es dürften auch nur wenige Fälle denkbar sein, bei denen sie zum Tragen kommt.
70
k) Zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mandanten gemäß § 307 Abs. 1 BGB führt auch die Klausel, wonach die abgerechneten Zeiten als anerkannt gelten, wenn er nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Wochen nach Zugang des Abrechnungsschreibens widerspricht. Schweigen kann schon nach § 308 Nr. 5 BGB nur unter ganz eingeschränkten, hier nicht erfüllten Bedingungen zu einer Erklärungsfiktion führen. Zwar kündigt der Kläger in der Vereinbarung an, hierauf hinzuweisen. Ein entsprechender Hinweis erfolgt dann aber lediglich in Kleinstschrift kurz vor Ende der jeweiligen Abrechnung. Dahingestellt kann bleiben, ob die Klausel gegen § 309 Nr. 12 BGB verstößt (offen gelassen von Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., § 3a Rn. 66; Winkler/Teubel in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 3a Rn. 89). Jedenfalls liegt nämlich in einer solchen Klausel, gerade wenn der Rechtsanwalt bei der Rechnungsstellung die einzelnen Arbeiten nur kursorisch und kaum beschreibt, insbesondere durch die Angabe „Bearbeitung und Diktat“, eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls in Zusammenhang mit der obigen Streitklausel vor. Der Mandant müsste bei einem berechtigten Widerspruch nämlich damit rechnen, dass er nunmehr die häufig höheren doppelten gesetzlichen Gebühren zu zahlen hätte (im Ergebnis ebenso LG Köln, DStR 2018, 640 juris Rn. 91).
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4. Legt man die so nur noch eingeschränkt mögliche Abrechnung der einzelnen Mandate zugrunde, so sind die Forderungen aus den Anträgen der Klageerweiterung Ziffer 3b, deren Grundlage allein die Streitklausel ist, und die Anträge 6 – 9, da sie auf der Erhöhungsgebühr basieren, als solche bereits unbegründet.
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Es kommt deshalb auch nicht mehr darauf an, dass der Kläger mit seiner Klage die mit den Rechnungen K17 und B18 geltend gemachten Arbeitszeiten in K20 zusammengefasst hat und die Erhöhungsgebühr aus den zusammengerechneten Zeiten abgerechnet hat, mit der Klageerweiterung Antrag 8 diese Erhöhungsgebühr für die mit B18 abgerechneten Stunden (mit dem selbst in K20 nicht mehr angesetzten Streitwert von 4.333.062,50 €) nunmehr aber nochmals verlangt. Es erschließt sich dem Senat nicht, wenn der Kläger im nachgelassenen Schriftsatz vom 23.02.2023, dort Seite 8, ausführt, dass ein Vergleich der Anlage B18 mit den Anlagen K17 und K20 zeige, dass die Abrechnung B18 andere Zeiträume bzw. andere Tage betroffen habe. Mit der Anlage K20 wird (auch) die Erhöhungsgebühr für die Summe der Zeiten aus K17 und B18 abgerechnet, mit Antrag 8 wird diese Erhöhungsgebühr nochmals verlangt.
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Hinsichtlich der weiteren Klage- und Widerklageanträge müssen, soweit eine Zeittaktabrechnung erfolgte (alle Rechnungen mit Ausnahme des abgerechneten OLG-Verfahrens) zunächst die jeweils abgerechneten Zeiten korrigiert werden. Zu den abgerechneten Zeiten im Einzelnen trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die berechnete Vergütung tatsächlich entstanden ist. Im Falle eines vereinbarten Zeithonorars muss die naheliegende Gefahr ins Auge gefasst werden, dass dem Mandanten der tatsächliche zeitliche Aufwand des Anwalts verborgen bleibt und ein unredlicher Anwalt deshalb ihm nicht zustehende Zahlungen beansprucht. Deshalb erfordert eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitraums getroffenen Maßnahmen konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden (BGH NJW 2020, 1811 Rn. 37). Dies hat der Kläger und Widerbeklagte im Rechtsstreit durch eine eingehende und nachvollziehbare Darstellung der aufgewandten Zeiten erfüllt. Der Senat hat folgende Zeiten angesetzt:
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Die Unterschiede bei den Zeiten ergeben sich fast ausschließlich aus dem Abzug der Zeiten für die Abrechnung. Lediglich bei der Abrechnung zu K17 wurde die Stundenzahl vom 10.05.2016 um 30 Minuten korrigiert (Bl. 60 d. A.), sie beruht auf einer fehlerhaften Übertragung: laut Bl. 60 d. A. sind vom 10.05. bis 11.05. „15'+40'+15'+40'+15'+ 2h = 4h 25'“, richtig addiert 4h 5' angefallen, abgerechnet werden aber 3h 25'+40'+30'= 4h 35'. Die Abrechnung zu K17 betrifft auch fehlerhaft 60 Minuten wegen „Miete“ am 08.01.2017. Weil der Senat aber die Erhöhungsgebühr nicht ansetzt, ist es letztlich gleichgültig, für welches Mandat der Zeitaufwand erbracht wurde. Der Senat hat diese 60 Minuten deshalb angesetzt.
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Für den Senat ist es auch nachvollziehbar, dass der Kläger tatsächlich jeweils auf volle 5 Minuten bei seinen Abrechnungen abgerundet hat. Die Abrechnungen enthalten minimal Zeiten von 10 Minuten und dies auch nur relativ selten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Kläger die ganz kurze Befassung mit dem einzelnen Mandat unberücksichtigt ließ. Es kommt somit nicht darauf an, dass eine Abrechnung nach einem Zeittakt von 15 Minuten unzulässig wäre.
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5. Im Übrigen hat der Senat bei den Abrechnungen jeweils berücksichtigt, dass die Pauschale von 20 € bei den einzelnen Mandaten ebenso wie die Grundgebühr nur einmal angesetzt werden kann, wobei für Letztere nur bei der Rechnung 17-058 Anlage B25 ein Abzug erfolgt. Für die Vergleichsgebühr aus K20 wurde der Gegenstandswert von 3.454.000,00 € zugrundegelegt. Für den Senat besteht kein Zweifel, dass der Kläger beauftragt war, auch gegen den Ehevertrag vorzugehen. Die Beklagte schreibt mit E-Mail vom 09.06.2016 (Anlage K11) an den Kläger: „… Bitte fechten Sie den Ehevertrag an. Mir ist es egal, wie die Sache ausgeht, aber ich glaube, die brauchen etwas Ärger. So werden wir erst mal einige Zeit streiten. …“ Auch die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hatte hierzu kein gegenteiliges Ergebnis. Geltend gemacht wurde in den Verhandlungen auf der Grundlage der Nichtigkeit des Ehevertrags ein Zugewinnausgleich von 2.822.500,00 € (Anlage K 80), wenngleich der Kläger der Beklagten eine weitere Berechnung „für S… L…“, die Beklagte, mit dem Ergebnis eines Ausgleichsanspruchs von 0 € zukommen ließ. Die Beklagte selbst hat mit 2 Millionen Euro gerechnet, diesen Wert hat der Kläger seiner korrigierten Abrechnung K20 zugrunde gelegt und den dann noch verbleibenden (kleinen) Pflichtteil von gerundet 1 Million Euro sowie den Wert der Grundstücke von 454.000 € addiert. Gegen diese Berechnung des Gegenstandswerts, der nunmehr nur noch für die Einigungsgebühr von Bedeutung ist, bestehen aus Sicht des Senats keine Einwände. Der Gegenstandswert ist Ausdruck des Interesses des Mandanten an der anwaltlichen Tätigkeit und bedarf keiner wissenschaftlich exakten Ermittlung (OLG München AGS 2018, 265 juris Rn. 33).
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Damit ergibt sich für die Klage vor Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung ein noch zu zahlender Betrag von 36.481,68 €, wie die folgende Übersicht zeigt:
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Die Summe dieser Forderungen beträgt 42.918,08 €.
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Die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen sind alle unbegründet.
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Unbegründet ist auch die unbedingte Widerklage.
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Für die aufzurechnenden Rückforderungen aus den Anlagen B15 bis B25 ergibt sich ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB von insgesamt 3.421,70 € €.
82
Die Reduktion von B18 wurde bereits durch die Stundenreduzierung der Klageforderung K20 berücksichtigt und kann nicht nochmals angerechnet werden.
83
Aufgrund der Hilfsaufrechnung ist die Forderung deshalb in der Summe um 3.421,68 € zu reduzieren.
84
Auf die Frage der Verjährung der mit der Hilfsaufrechnung geltend gemachten Forderungen kommt es nicht an, weil sich die Forderungen aus Klage und Hilfsaufrechnung einredefrei gegenüberstanden (§ 215 BGB). Die Forderungen sind auch nicht deswegen verwirkt, weil die Beklagte mit der Arbeit des Klägers zufrieden war. Die Beklagte leistete die mit der Hilfsaufrechnung zurückgeforderten Beträge auch nicht in Kenntnis ihrer (teilweisen) Nichtschuld (§ 814 BGB).
85
Nach Abzug der Hilfsaufrechnung verbleibt noch eine Forderung von 39.496,40 €.
86
Die hilfsweise erklärte Aufrechnung gegen die Widerklageforderung geht ins Leere, weil vorrangig über die erklärte Hilfsaufrechnung zu entscheiden ist.
87
Über die Widerklage ist ebenfalls zu entscheiden, obwohl über die zugrundeliegenden Forderungen schon im Rahmen der Hilfsaufrechnung zu entscheiden war. Die Widerklage ist insgesamt abzuweisen. Über die bereits durch die Hilfsaufrechnung berücksichtigte Forderungen sind keine weitergehenden Forderungen begründet.
88
Die Zinsforderung folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 3 BGB. Die Aufrechnung führt gemäß § 366 Abs. 2 BGB zum Teilerlöschen der Schuld aus der Rechnung Anlage K20.
89
Der für das Obsiegen und Unterliegen gemäß § 92 ZPO bestimmende Streitwert ergibt sich aus der Summe der Forderung von 132.072,11 € und der Widerklage bzw. Hilfsaufrechnung von insgesamt 57.518,84 €. Im Rahmen der Streitwertfestsetzung wirkt sich bei der Bemessung des Werts der Widerklage erhöhend nur der Anteil aus, der noch nicht Gegenstand der Entscheidung über die Hilfsaufrechnung war (OLG München NJW 2022, 2421 unter Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG). Der Wert der Hilfswiderklage ist deshalb mit 0 € anzusetzen. Innerhalb dieses Rahmens hat die Beklagte letztlich 39.496,39 € zu bezahlen. Sie obsiegt also mit knapp 93.000 € und unterliegt mit ca. 96.000 €, weshalb der Senat eine Kostenaufhebung in beiden Instanzen für angezeigt hält.
Vorläufige Vollstreckbarkeit
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
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Die Revision wird im Hinblick auf die höchstrichterlich bislang nicht entschiedene Frage zugelassen, ob in einer formularmäßigen Vergütungsvereinbarung eine Kombination von Stundenhonorar und gegenstandswertbasierter Vergütungsbestandteile mit dem Transparenzgebot zu vereinbaren ist.