Titel:
Methamphetamin, Einnahme von Tilidin und Wick, Medinait, keine Verstoffwechslung zu Methamphetamin
Normenketten:
StVG § 3
FeV Nr. 9.1 der Anlage 4 zur
FeV § 11 Abs. 7
Schlagworte:
Methamphetamin, Einnahme von Tilidin und Wick, Medinait, keine Verstoffwechslung zu Methamphetamin
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52365
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der am … geborene Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B und L.
2
Am 23. Oktober 2015 wurde beim Antragsteller im Rahmen einer Verkehrskontrolle (15:59 Uhr) eine Konzentration von 6,4 ng/ml THC und 92,3 ng/ml THC-COOH festgestellt. Ihm wurde deswegen eine Geldbuße auferlegt. Dem Antragsteller wurde mit Bescheid vom 20. März 2016 die Fahrerlaubnis entzogen und nach Vorlage einer positiven medizinisch-psychologischen Begutachtung unter Teilnahme an einem Kurs nach § 70 FeV im Jahre 2017 wieder erteilt.
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Am 19. Januar 2023 gegen 15:20 Uhr wurde der Antragsteller einer Verkehrskontrolle unterzogen. Bei der Kontrolle seien laut den Feststellungen im Polizeibericht drogentypische Auffälligkeiten wahrgenommen worden. Einen Drogenkonsum habe der Antragsteller auf Nachfrage verneint. Ein freiwilliger Urin-Test sei positiv auf Amphetamin und Methamphetamin verlaufen. Eine Blutprobe sei am 19. Januar 2023 um 16:37 Uhr durchgeführt worden.
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Das forensisch-toxikologische Gutachten des Labors K. vom 31. Januar 2023 wies in der Blutprobe des Antragstellers eine Konzentration von 6,8 μg/l Amphetamin, 47 μg/l Methamphetamin und 15 μg/l THC-Carbonsäure auf (die Einheit μg/l entspricht dabei ng/ml).
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Der Antragsteller wurde zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis mit Schreiben vom 13. Juni 2023 angehört. Seine Bevollmächtigten nahmen unter dem 28. Juni 2023 dahingehend Stellung, dass er noch nie Methamphetamin oder Amphetamin konsumiert habe, nur gelegentlich Cannabis. Der Antragsteller habe aufgrund einer Bandscheibenproblematik Tilidin 50 in Tablettenform eingenommen, außerdem wegen einer Erkältung die Produkte Wick Medinait und Wick DayMed, welche zu einem positiven Drogentest führen könnten.
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Der Antragsgegner erwiderte darauf hin, dass keine Erkenntnisse vorlägen, wonach die aufgeführten Medikamente zu einer derart hohen Betäubungsmittelkonzentration führen könnten. Im Hinblick auf die Einnahme von verschreibungsfreien Produkten wie Wick Medinait und Wick Daymed stehe zudem fest, dass diese keine fehlerhaften positiven Analysewerte im Hinblick auf Amphetamin verursachen könnten. Außerdem habe der Antragsteller bei der Verkehrskontrolle keinerlei Angaben zur Einnahme von Medikamenten gemacht, was er hätte können und tun müssen. Laut Mitteilung des Labors könne bei der vorliegenden Befundkonstellation ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme und somit auch zum Vorfallszeitpunkt unter dem Einfluss der nachgewiesenen berauschenden Mittel gestanden habe. Es ergäben sich keine Hinweise aus dem Blutgutachten, dass die Betäubungsmittelkonzentration in Bezug auf Methamphetamin und Amphetamin auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten zurückzuführen sei.
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Darauf entgegneten die Bevollmächtigten des Antragstellers, dass dieser bei der Verkehrskontrolle angegeben habe, Tilidin eingenommen zu haben. Für ihn sei es naheliegend gewesen, dass die falschen Testergebnisse hierdurch hervorgerufen worden seien. Er habe keinen Zusammenhang zu den für ihn harmlosen Medikamenten gegen die Erkältung hergestellt. Gegen den Drogenkonsum sprächen auch die vom Arzt notierten weiteren Angaben, wonach sich keine drogentypischen Auffälligkeiten ergeben hätten.
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Mit Bescheid vom 25. Juli 2023 wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A79, A179, AM, B und L entzogen (Ziff. 1). Er wurde aufgefordert, den Führerschein bis zum 3. August 2023 beim Landratsamt abzugeben (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der unter den Nrn. 1 und 2 getroffenen Regelungen wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgemäßen Abgabe wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR angedroht (Ziff. 4).
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Zur Begründung führt das Landratsamt aus, dass aufgrund der Blutuntersuchung durch das Labor K. eindeutig feststehe, dass der Antragsteller Amphetamin und Methamphetamin konsumiert habe. Damit liege beim Antragsteller ein Mangel im Sinne von § 46 Absatz 1 Satz 2 FeV i.V.m. Ziff. 9.1 der Anlage 4 zur FeV vor, der ihn ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen mache. Die Fahrerlaubnis sei daher ohne vorherige Einholung eines Fahreignungsgutachtens zu entziehen. Bereits der einmalige Konsum führe zur Ungeeignetheit. An die normative Wertung der Anlage 4 Ziff. 9.1 zur FeV sei die Fahrerlaubnisbehörde gebunden. Aufgrund der vorliegenden Befundkonstellation könne - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers – davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme unter dem Einfluss von Methamphetamin und Amphetamin gestanden habe. Es ergäben sich keine Hinweise aus dem Blutgutachten, dass die Betäubungsmittelkonzentrationen auf die Einnahme von verschiedenen Medikamenten zurückzuführen seien. Laut Beipackzettel sei in Wick Medinait Ephedrin enthalten, in Wick Daymed überhaupt kein Ephedrin. Der Antragsteller habe zudem nicht angegeben, über welchen Zeitraum und in welcher Dosierung er die Medikamente eingenommen habe, zumal Ephedrin im Blut normalerweise nur maximal 24 Stunden nach dem Konsum noch nachweisbar sei. Die Ablieferungspflicht des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG.
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Die Anordnung des Sofortvollzugs stütze sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse hinsichtlich eines umgehenden und effektiven Schutzes vor ungeeigneten Kraftfahrern einerseits sowie dem „Aufschubinteresse“ des Antragstellers andererseits ergebe ein Überwiegen der öffentlichen Interessen, weil nicht auszuschließen sei, dass der Antragsteller aufgrund von körperlichen und geistigen Einschränkungen infolge von vorangegangenem Drogenkonsum sich und andere Verkehrsteilnehmer erheblich gefährden könne. Es liege daher grundsätzlich im öffentlichen Interesse, ihm das Führen von Kraftfahrzeugen mit sofortiger Wirkung zu untersagen. Es gebe auch kein schützenswertes Interesse, trotz sofortiger Wirkung des Fahrerlaubnisentzug den Führerschein behalten zu dürfen. Um möglichen Missbrauch auszuschließen, sei auch für die Abgabe des Führerscheins der Sofortvollzug anzuordnen. Im Folgenden wurden die Zwangsgeldandrohung sowie die Kostenentscheidung begründet.
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Gegen diesen am 26. Juli 2023 bekannt gegebenen Bescheid ließ der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten am 25. August 2023 Klage erheben (B 1 K 23.677) und im Rahmen des Eilrechtsschutzes beantragen, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziff. 1 des Bescheids vom 25. Juli 2023 wiederherzustellen sowie dem Antragsgegner aufzugeben, den abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder an den Antragsteller zurückzugeben.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass beim Antragsteller bei der Blutentnahme – entgegen den von den Polizeibeamten angeblich festgestellten drogentypischen Auffälligkeiten bei der Polizeikontrolle – keine drogentypischen Auffälligkeiten festgestellt worden seien, was gegen eine kürzlich erfolgte Einnahme harter Drogen spreche. Der Antragsteller konsumiere lediglich gelegentlich Cannabis und könne sich die gemessenen Amphetamin- und Methamphetaminwerte nicht erklären. Er habe zum fraglichen Zeitpunkt Tilidin 50 eingenommen und dies auch gegenüber den Polizeibeamten geäußert. Da er vermutet habe, dass dies zunächst der Grund für den positiven Test gewesen sei, seien ihm weitere, aus seiner Sicht unbedeutende Medikamente, welche er eingenommen habe, in der unmittelbaren Situation nicht in den Sinn gekommen bzw. er habe diese nicht präsent gehabt. Der exakte Zeitpunkt der letzten Einnahme und die Einnahmemenge könnten nicht mehr angegeben werden, der Antragsteller habe jedoch in Erinnerung, dass er am Jahresanfang erkältungsbedingt die genannten Medikamente eingenommen habe, sodass vermutet werde, dass die Einnahme im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Anhaltung erfolgt sei. Die genannten Medikamente führten sowohl bei Drogenschnelltests als auch bei Blutuntersuchungen zu einer unerwünschten Kreuzreaktivität für Ephedrin auf Amphetamine und Methamphetamine.
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Mit Schriftsatz vom 4. September 2023 beantragte das Landratsamt, den Antrag abzulehnen.
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Auch wenn der ärztliche Bericht, anders als der polizeiliche Bericht, keine drogentypischen Auffälligkeiten ausgewiesen habe, könne daraus nicht automatisch geschlossen werden, dass keine Drogen genommen worden seien bzw. dass dies deutlich gegen eine kürzlich erfolgte Einnahme harter Drogen sprechen würde. Aus Sicht des Landratsamts hätten sich auch nach Prüfung der Angaben des Antragstellers keine Umstände ergeben, welche die regelmäßige Annahme der Ungeeignetheit aufgrund der vorliegenden Blutwerte erschüttern würden. Insbesondere bei dem im Blut festgestellten Wert an Methamphetamin handle es sich um eine nicht mehr als gering zu bezeichnende Menge, sodass die Hürde hinsichtlich besonderer Umstände des Einzelfalls deutlich höher liege und den Ermessens- und Beurteilungsspielraum vorliegend stark beschränke.
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Die Anordnung des Sofortvollzugs sei nach der gebotenen Abwägung des Einzelfalls erfolgt. Eine formelhafte Darstellung sei nicht erkennbar. Die beiderseitigen Interessen seien gegeneinander abgewogen und auf dieser Grundlage sei der Sofortvollzug angeordnet worden. Es komme auch nicht auf eine konkrete unmittelbar drohende Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs an, sondern auf eine Prognose für die Zukunft. Im Übrigen werde auf die rechtliche Würdigung im Bescheid verwiesen.
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Das Gericht hat am 18. September 2023 eine telefonische Auskunft des Dipl.-Chemikers und forensischen Toxikologen Dr. rer. nat. … des Arbeitsbereichs Forensische Toxikologie mit Blutalkohollabor vom Institut für Rechtsmedizin der … zur Frage eingeholt, ob die Einnahme von WickMedinait und insbesondere der Wirkstoff Ephedrin die vom Antragsteller gezeigten Methamphetamin- oder Amphetaminwerte erklären könne. Die Beteiligten erhielten anschließend Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Bevollmächtigten des Antragstellers trugen unter dem 21. bzw. 27. September 2023 erneut vor, dass es gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspreche, wonach bei der Einnahme von Ephedrin falsch positive Ergebnisse im Hinblick auf Methamphetamin in Urinschnelltests erzielt werden könnten. Den Angaben des Dr. … werde entgegengehalten, dass bislang nicht bekannt sei, welcher Schnelltest verwendet worden sei. Auf eine als Anlage beigefügte Veröffentlichung in der Zeitschrift Schweiz Med Forum 2013, S. 318 ff. werde verwiesen. Die gefundenen Werte seien für den Antragsteller nicht erklärlich. Er könne aufgrund des zeitlichen Abstandes auch nicht mehr detailliert auflisten, welche Medikamente und Nahrungsmittel er im relevanten Zeitraum in welchen Mengen eingenommen habe. Aufgrund der kurzen Nachweisbarkeit von Methamphetamin im Plasma/Serum (24 Stunden) wäre eine sehr kürzlich erfolgte Einnahme angezeigt gewesen, zusammen mit den damit verbundenen drogentypischen Wirkungen. Dem stünden aber die Ausführungen des Arztes entgegen, der die Blutentnahme durchgeführt habe.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die beigezogenen Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
20
1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen/anordnen bzw. die Vollziehung des Bescheids aussetzen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
21
In der Sache selbst folgt das Gericht zunächst der zutreffenden Begründung des angegriffenen Bescheids und sieht insoweit von einer gesonderten Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend hierzu sind zum Antragsvorbringen sowie zur Sache noch die folgenden Ausführungen veranlasst:
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a. Die Begründung der sofortigen Vollziehung im angefochtenen Bescheid genügt den formellen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat. Dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle betreffend die Ungeeignetheit von Kraftfahrern das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist und die fahrerlaubnisrechtliche Anordnung der sofortigen Vollziehung ähnlich begründet wird, ändert an deren Einzelfallbezogenheit nichts (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.11.2016 – 11 CS 16.1957 – juris). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung vorzunehmen, bei der in der Regel das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs schwerer zu gewichten ist als das private Interesse eines Antragstellers, vorerst weiter am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu dürfen, selbst bei privater oder beruflicher Betroffenheit (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 11 CS 09.373 – juris).
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b. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
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Die Fahrerlaubnisbehörde hat zutreffend auf den Konsum der harten Drogen Methamphetamin und Amphetamin abgestellt, der zur Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen führt. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV liegt bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) – mit Ausnahme von Cannabis – keine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vor. Hierzu zählen nach Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG auch die im Blut des Antragstellers gefundenen Substanzen Methamphetamin und Amphetamin, deren Konsum durch das rechtsmedizinische Gutachten des Labors K. vom 19. Januar 2023 nachgewiesen ist. Bereits der einmalige Konsum sogenannter harter Drogen schließt die Fahreignung aus. Dabei ist nicht einmal erforderlich, dass ein Kraftfahrzeug nach Drogeneinnahme im öffentlichen Straßenverkehr geführt wurde. Unerheblich ist daher auch, ob der Betroffene aufgrund der nachgewiesenen Konzentration der Droge bei der Verkehrsteilnahme unter der Wirkung des Betäubungsmittels stand. Die Fahrerlaubnisbehörde konnte daher aufgrund der durch das Ergebnis der Blutprobe nachgewiesenen Werte von Methamphetamin und Amphetamin – wobei Amphetamin in der Regel als Abbauprodukt von Methamphetamin nachgewiesen wird (vgl. Hettenbach/Kalus/Möller/Pießkalla/Uhle, Drogen und Straßenverkehr, 3. Aufl., 2016, S. 364) – vom Vorliegen eines Regelfalls im Sinne der Vorbemerkung 3 und der Ziffer 9.1 der Anlage 4 zu § 14 FeV ausgehen und dem Antragsteller die Fahrerlaubnis ohne vorherige Einholung eines Fahreignungsgutachtens sofort entziehen (st.Rspr., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.8.2016 – 11 ZB 16.966 – juris Rn. 11; B.v. 19.1.2016 – 11 CS 15.2403 – juris Rn. 11; B.v. 23.2.2016 – 11 CS 16.38 – juris Rn. 8; OVG NW, B.v. 23.7.2015 – 16 B 656/15 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.).
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Dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen § 29 BtmG nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist und nur wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Fehlen der Fahrerlaubnisklasse BE) ein Strafbefehl erging, hat für das vorliegende Verfahren keine Bewandtnis. Eine Verfahrenseinstellung nach dieser Vorschrift wäre nur dann zu beachten, wenn ohne jeden Zweifel festgestellt worden wäre, dass der Antragsteller kein Methamphetamin konsumiert hätte, was vorliegend nicht erfolgte. Die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Nichteignung des Betroffenen aufgrund Drogenkonsums ist hingegen eine präventive Maßnahme der Gefahrenabwehr und dient nicht der Sanktionierung eines strafbewehrten Verhaltens (vgl. VGH Mannheim, B.v. 12.9.2005 -10 S 1642/05 – juris Rn. 5 unter Verweis auf BVerfG, B. v. 18.11.1966 – 1 BvR 173/63 – BVerfGE 20, 365).
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Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar einen willentlichen Konsum voraus. In diesem Zusammenhang stellt die unbewusste Einnahme nach allgemeiner Lebenserfahrung aber eine seltene Ausnahme dar (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 CS 19.9 – juris Rn. 13 m.w.N.). Angesichts des hohen Ranges der mit dem Bescheid geschützten Rechtsgüter müssen an die Überzeugungsgewissheit hinsichtlich von Einlassungen zu atypischen Umständen grundsätzlich hohe Ansprüche gestellt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn letztlich nur eigene Erklärungen des Betroffenen vorliegen, da bei diesen die Möglichkeit einer erheblichen Zielgerichtetheit in Rechnung zu stellen ist (VG Ansbach, B.v. 23.3.2011 – AN 10 S 11.00473 – BeckRS 2011, 31021). Daher muss, wer sich auf eine ausnahmsweise unbewusste Aufnahme eines Betäubungsmittels beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 CS 19.9 – juris Rn. 13; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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Der Vortrag des Antragstellers, die in der Blutprobe nachgewiesenen Drogen Methamphetamin und Amphetamin seien durch die Einnahme von Arzneimitteln verursacht worden, entspricht nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen und kann daher nicht überzeugen. Der Antragsteller hat im Übrigen keinerlei überprüfbare Angaben gemacht, an welchen Tagen er die besagten Mittel in welchem Umfang eingenommen hat. Seine Einlassung, er habe Anfang Januar 2023 wegen einer Erkältung Wick Medinait eingenommen, ist in Bezug auf die in der konkreten Blutprobe vom 19. Januar 2023 festgestellten Werte und unter Berücksichtigung von Abbauzeiten der Substanzen völlig unsubstantiiert und kann daher nicht die von der Rechtsprechung geforderten strengen Kriterien erfüllen. Auch die unterschiedlichen Feststellungen in Bezug auf drogentypische Ausfallerscheinungen durch den kontrollierenden Polizeibeamten einerseits und den Mediziner, der die Blutabnahme durchgeführt hat, andererseits, sind nicht geeignet, einen Konsum zu widerlegen. Diese Wahrnehmungen können auch durch das bloße Nachlassen der Wirkung der Droge erklärbar sein oder zumindest teilweise darauf beruhen, dass sich der Antragsteller bei der Blutabnahme äußerst konzentriert zeigte.
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Die Behauptung des Antragstellers, das Schmerzmittel Tilidin genommen zu haben, das zu dem Nachweis von Methamphetamin und Amphetamin geführt habe, ist wissenschaftlich nicht tragfähig (vgl. die Ausführungen in VG Augsburg, B.v. 18.9.2020 – Au 7 S 20.1496 – juris Rn. 51) Bei Tilidin handelt es sich um einen Wirkstoff aus der Gruppe der Opioidanalgetika (Schmerzmittel), der zur Behandlung bei starken bis sehr starken Schmerzzuständen eingenommen wird. Nach Einnahme von Tilidin wird im Verlauf der Verstoffwechselung (Metabolismus) im Organismus kein Amphetamin gebildet. Abbauprodukte sind die Metaboliten Nortilidin und Bisnortilidin (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Tilidin#Pharmakologie). Die pharmazeutische Zubereitung (Tabletten/Tropfen) selbst enthält ebenfalls kein Amphetamin. Der Vortrag der Antragstellerseite zu der Wirkung von Tilidin ist damit nicht geeignet, einen abweichenden Kausalverlauf darzustellen, der die Möglichkeit der Verstoffwechselung von Tilidin zu Amphetamin betreffen könnte.
29
Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe wegen einer Erkältung Anfang Januar das Präparat Wick Medinait eingenommen, das Ephedrin enthalte, was wiederum zu Methamphetamin abgebaut würde, ist auch dieser Vortrag unschlüssig. Die durch das Gericht eingeholte telefonische Auskunft des Dipl.-Chemikers und forensischen Toxikologen Dr. rer. nat. … des Arbeitsbereichs Forensische Toxikologie mit Blutalkohollabor vom Institut für Rechtsmedizin der … widerlegt diese Annahme vollumfänglich. Dr. … erklärte, dass Ephedrin nicht zu Methamphetamin verstoffwechselt werde. Allenfalls bei bestimmten Untersuchungen, zu denen Urinschnelltests gehörten, könne es sein, dass falsch positive Ergebnisse erzielt würden. Dies gelte jedoch keinesfalls für forensisch akkreditierte beweissichere Methoden, wie vorliegend das chromatographische GC-MS/MS Verfahren in Serum/Plasma. Hier würden die Moleküle der jeweiligen Substanzen selbst nachgewiesen, Interferenzen seien nicht zu erwarten. Beim Labor K. handele es sich um ein Labor, das nach diesen Standards arbeite. Im Übrigen sei es laut Dr. … nicht darstellbar, dass die beim Antragsteller gemessenen Werte allein mit der Einnahme des zugelassenen Medikaments Wick Medinait erzielt werden könnten.
30
Der Hinweis der Bevollmächtigten des Antragstellers auf eine mögliche Kreuzreaktivität für Ephedrin mit Methamphetamin verfängt deshalb nicht, weil sich die vorgelegten Unterlagen allein auf Urinschnelltests beziehen und insoweit die vom Labor K. ermittelten Werte nach der GC-MS/MS-Methode nicht erschüttern können. Insofern ist es völlig unerheblich, welcher Urinschnelltest verwendet wurde, da es hierauf nicht ankommt. Die von Antragstellerseite im Schriftsatz vom 25. August 2023 angegebene Quelle der Produktinformation lfm-diagnostika Mehrfach-Drogentest bezieht sich ausdrücklich auf Drogenschnelltests, nicht jedoch auf das auch vom akkreditierten Labor K. entsprechend der gültigen Richtlinien für forensische Toxikologie angewandte Verfahren (GC-MS/MS im Serum/Plasma). Gleiches gilt für die Angaben in dem mit Schriftsatz vom 21. September 2023 vorgelegten Artikel aus der Zeitschrift Schweiz Med Forum 2013, S. 318 ff. Auch danach ist zwischen Urinschnelltests und einem standardisierten toxikologischen Untersuchungsverfahren wie dem GC-MS-Verfahren zu unterscheiden. Im vorliegenden Fall wurde eine Bestätigungsanalyse nach der GC-MS-Methode durchgeführt, was auch nach dem vorgelegten Artikel als beweissichere Methode angesehen wird. Nur dieses Untersuchungsverfahren war und ist Grundlage für den dem Antragsteller zur Last gelegten Drogenkonsum und die anschließende Fahrerlaubnisentziehung. Die angewandte Untersuchungsmethode kann unschwer dem forensisch-toxikologischen Gutachten des Labor K. entnommen werden. Ohne begründete Anhaltspunkte – die auch von Antragstellerseite nicht vorgebracht werden – kann jedoch der ordnungsgemäße Ablauf einer rechtsmedizinischen Untersuchung nicht in Frage gestellt werden (BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 11 CS 18.2613 – juris Rn. 14 m.w.N.).
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Im Übrigen ist es nur äußerst schwer vorstellbar, dass ein Medikament frei verkäuflich zugelassen wird, das bei bestimmungsgemäßem Gebrauch zu einer Konzentration von Methamphetamin bzw. Amphetamin, noch dazu mit derart hohen Werten, führen könnte. Im Beipackzettel zu diesem Präparat ist hierzu keinerlei Hinweis enthalten. Vielmehr wird unter anderem darauf hingewiesen, dass das Medikament auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen so weit verändern kann, dass z.B. die Fähigkeit zur aktiven Teilnahme am Straßenverkehr oder zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigt wird (https://www.roteliste.de/suche/praep/14228/WICK%20MediNait,%20Erk%C3%A4ltungssirup%20f%C3%BCr%20die%20Nacht). Der Vortrag des Antragstellers muss somit als Schutzbehauptung gewertet werden.
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Da vorliegend von einem willentlichen Konsum der harten Droge Methamphetamin ausgegangen werden muss, hatte die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen.
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Als rechtmäßig erweist sich damit auch die im Bescheid getroffene Regelung bezüglich der Abgabe des Führerscheins. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV.
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Damit ergibt auch die nach § 80 Abs. 5 VwGO eine eigenständige Interessenabwägung des Gerichts, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hat.
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2. Die Kostentragungspflicht des Antragstellers ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).