Inhalt

ArbG Nürnberg, Endurteil v. 23.08.2023 – 12 Ca 33/23
Titel:

Kündigung während der Probezeit

Normenketten:
BetrVG § 102 Abs. 1
EFZG § 8
KSchG § 1
Leitsätze:
1. Außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG obliegt es dem gekündigten Arbeitnehmer, Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung darzulegen und ggf nachzuweisen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Kündigung ist nicht allein deshalb unwirksam, weil sie aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausgesprochen worden ist. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kündigungsschutzklage, KSchG-Anwendung, Anlasskündigung, Probezeitkündigung, Betriebsratsanhörung, Benachteiligung
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 11.04.2024 – 4 Sa 259/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52325

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 44.622,50 Euro festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 14.12.2022 während der Probezeit zum 31.01.2023 und über Zahlungsansprüche der Klägerin.
2
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 20.06.2022 beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 14.04.2022 (Anlage 1 zur Klageschrift vom 03.01.2023, Bl. 5 ff d.A.) enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 2 Dauer des Arbeitsverhältnisses
1. (…)
2. Es wird eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart. In dieser Zeit gilt für beide Vertragsparteien eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende.
3. Nach Ablauf der Probezeit gelten die im Anhang 1 vereinbarten Kündigungsfristen für beide Vertragspartner (…).
4. Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Vergütung und der Gewährung von vertraglich vereinbarten Leistungen für den Zeitraum zwischen dem Datum der Kündigungserklärung und dem Datum des Ausscheidens jederzeit widerruflich oder unwiderruflich unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche sowie etwaiger Freizeitausgleichsansprüche freizustellen.
(…)
§ 3 Vergütung
1. Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragliche Tätigkeit ein monatliches Festgehalt in Höhe von 6.434,00 Euro brutto.
2. Darüber hinaus ist für den Arbeitnehmer eine variable Vergütung vorgesehen, die der Höhe nach bei 100% Auszahlung 10% des Festgehaltes (inkl. einer etwaig gezahlten Weihnachtsgratifikation oder eines etwaig gezahltes 13. Gehalts) beträgt. Festgehalt, Weihnachtsgratifikation oder 13. Gehalt, und variable Vergütung ergeben auf Jahresbasis das Jahreszielgehalt. Im Übrigen gelten die Bestimmungen der Konzernbetriebsvereinbarung „Bonus“ in der jeweils gültigen Fassung.“
3
Im September 2022 erlitt die Klägerin einen Fahrradunfall. Im vorliegenden Rechtsstreit legte sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) vom 09.11.2022 für den Zeitraum vom 09.11.2022 bis 16.11.2022 (Bl. 34 d.A.) sowie eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Erstbescheinigung) vom 18.11.2022 für den Zeitraum vom 18.11.2022 bis 02.12.2022 (Bl. 35 d.A.) vor. Die erstgenannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hatte sie bei der Beklagten nicht vorgelegt und ihre Arbeitsleistung in diesem Zeitraum erbracht.
4
Mit E-Mail vom 18.11.2022 (Anlage 8 zum Schriftsatz vom 24.01.2023, Bl. 32 d.A.) teilte die Klägerin ihrer Vorgesetzten, Frau D., u.a. folgendes mit:
„(…) wie bereits angekündigt war ich gestern nachdem meine Symptome am Morgen unerwartet schlechter wurden beim Arzt. Die Fachärztin rät mir dringend dazu, mich nun 2 Wochen zu schonen. Wie bereits letzte Woche diagnostiziert habe ich eine Innenohrerschütterung (stumpfes Innenohrtrauma) mit „amtlicher Hörminderung“ inkl Tinnitus als Folge des Fahrradunfalls erlitten. Insbesondere in den nächsten Wochen bis wenigen Monaten kann es noch zu einer Besserung der Hörminderung kommen. Leider ist es aber so, dass meine Belastungsgrenze durch den Hörverlust geringer ist (das Gehirn muss viel ausgleichen, Gleichgewicht etc.), und jeglicher Stress stark kontraproduktiv ist und zu einer Verschlimmerung der Symptome führt. Das heißt: Ich habe nun zwei Möglichkeiten: weitermachen wie bisher und damit das wahrscheinliche Risiko hinnehmen, dass ein dauerhafter Schaden in der Höhe zurück bleibt. Oder nun handeln und einsehen, dass ich mich schonen muss, solange es noch dieses Fenster gibt, in der Hoffnung, dass sich das Gehör erholen kann. Daher muss ich leider der Empfehlung meiner Ärztin nun dringend folgen.“
5
Hierauf reagierte Frau D. mit E-Mails vom 18.11.2022 (Anlage zum Schriftsatz vom 03.04.2023, Bl. 110 ff d.A.) u.a. wie folgt:
„(…) Danke für deine E-Mail. Das tut mir leid zu hören. Ich wünsche die eine gute Besserung und eine schnelle Erholung. Wie lange bist du denn krankgeschrieben? Bitte reiche deine Krankschreibung über WD ein (…).
Jetzt habe ich einen wichtigen Punkt vergessen. Kannst du mir bitte heute per E-Mail noch eine Übergabe deiner laufenden Projekte schicken? (…)“
6
Nach einer entsprechenden E-Mail der Klägerin schrieb ihr Frau D. mit E-Mail vom 18.11.2022 u.a. folgendes:
„(…) Danke für deine Übergabe! Wir werden uns darum kümmern. Du gehst bitte nicht weiter online, wenn du krankgeschrieben bist. Bitte melde dich doch nochmal wie lange du genau krankgeschrieben bist. Ich gehe aktuell von 2 Wochen aus. Danke und weiterhin eine gute Besserung (…)“.
7
Mit Schreiben vom 05.12.2022 (Anlage zum Schriftsatz vom 03.04.2023, Bl. 114 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung an. Auf den Inhalt des Schreibens wird verwiesen. Mit Schreiben vom 14.12.2022, der Klägerin zugegangen am 15.12.2022, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 31.01.2023.
8
Am 26.01.2023 teilte Frau E der Klägerin per E-Mail u.a. folgendes mit (Anlagenkonvolut 2 zum Schriftsatz vom 16.02.2023, Bl. 60 ff d.A.):
„(…) eben hat sich noch mal HR gemeldet bzgl. Deines Urlaubs. Sie hat sich auch mit der Legal Abteilung abgestimmt. Laut Vereinbarung, muss der Urlaub auf jeden Fall genommen werden, wenn wir als Firma C diesen Urlaub auch gewähren können. Und das tun wir ja. Es gibt keine betrieblichen Gründe, dass der Urlaub nicht genommen werden kann.
Damit wäre heute offiziell Dein letzter Arbeitstag. Du kannst gerne heute alles fertig machen und Dein Equipment an die Firma C. senden. Vielen Dank, dass Du Dich angeboten hast, noch zu unterstützen! Aber laut KBV muss der Resturlaub in der Probezeit auch offiziell genommen werden.“
9
Die Klägerin reagierte hierauf per E-Mail vom 27.01.2023 u.a. wie folgt:
„(…) wie besprochen, ich nehme meinen Urlaub gerade nicht, ich habe auch privat derzeit nicht die Möglichkeit. Außerdem habe noch was zu tun und möchte das gerne fertig machen für die Kollegin und noch ein paar weitere Dinge. Ich möchte auch noch betonen, dass ich der Eintragung und Beantragung meines Urlaubs nicht zugestimmt habe und bitte darum, das wieder rückgängig zu machen. Damit ist dieses Thema für mich beendet und ich würde euch bitten, bei weiteren Fragen zu diesem Thema meine Anwältin zu kontaktieren: (…)“
10
Für den Zeitraum vom 30.01.2023 bis 31.01.2023 legte die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung) vom 06.02.2023 vor (Bl. 58 d.A.).
11
Mit ihrer Klage vom 03.01.2023 wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung und macht Zahlungsansprüche geltend. Sie trägt vor, die Kündigung sei rechtsmissbräuchlich. Die Beklagte habe gekündigt, da die Klägerin aufgrund eines Fahrradsturzes zwei Wochen arbeitsunfähig gewesen sei. Vor der Krankheitszeit sei mit ihr ausführlich besprochen worden, wo sie im nächsten Jahr eingesetzt werden würde. Es sei auch schon ein Organisationschart erstellt worden, in dem ihr ein Team zugeordnet worden sei. In diesem Chart sei die geplante Struktur der Kundenbetreuung ab März/ April 2023 abgebildet. Die Besprechung der neuen Struktur habe am 15.11.2022 stattgefunden. Das Chart sei ihr nach der Besprechung per E-Mail geschickt worden. Die Klägerin werde darin unterschiedlichen Kundengruppen zugeordnet. In einem Gespräch mit Frau D. am 11.10.2022 sei ihr mitgeteilt worden, dass sie sehr zufrieden mit der Klägerin und ihrer Entwicklung und ihrem Einsatz sei, und es sei angekündigt worden, dass es im Team Veränderungen geben werde und sie bereits erste Ideen habe, wie sie, Frau D., die Arbeit ab März 2023 („im neuen Jahr“) im Team unter Berücksichtigung der Klägerin verteile.
12
Nach ihrem Fahrradunfall Anfang September 2022 habe sie sich aus Angst, da sie noch in der Probezeit gewesen sei, nicht krankschreiben lassen. Seit dem Fahrradsturz mit einer Gehirnerschütterung und einem Ohrtrauma habe sich ein Tinnitusleiden entwickelt. Anfang November sei dies immer stärker geworden. Daher habe sie ihre Ärztin krankgeschrieben. Aufgrund der Probezeit und der hohen Arbeitsauslastung des Teams habe sich die Klägerin allerdings nicht getraut, in den Krankenstand zu gehen. Sie habe weiterhin gearbeitet und sei am 15.11.2022 mit neuen Projekten betraut worden. Am 17.11.2022 sei nach einem Kundentermin das Pfeifen im Ohr so laut gewesen, dass sie dem nicht mehr habe standhalten können und sich gegenüber ihrer Vorgesetzten offen geäußert habe. Diese sei aufgrund des bestehenden Termindruckes des Teams nicht erfreut und nahezu erbost über die Klägerin gewesen. Die Klägerin habe noch am 17.11.2022 ihre Ärztin aufgesucht, welche festgestellt habe, dass sie für jedenfalls zwei Wochen arbeitsunfähig sei. Aufgrund der Aussichten, dass das Tinnitusleiden sich andernfalls auf dieser Lautstärke chronifizieren würde, sei die Klägerin diesmal auch in den angeordneten Krankenstand gegangen. Dies habe sie sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nur getraut, da ihr mehrfach und zuletzt am 15.11.2022 mitgeteilt worden sei, dass man sie langfristig bei der Beklagten behalten wolle. Während der Krankheitszeit habe ihre Vorgesetzte ihre Arbeitsunfähigkeit nicht akzeptieren wollen. Sie habe versucht, die Klägerin zum Arbeiten zu ermuntern. Einen Tag, nachdem sie nach der Krankschreibung wieder arbeitsfähig gewesen sei, sei ihr mitgeteilt worden, dass in dem Team kein Platz für sie sei und der Vertrag in der Probezeit beendet werde. Ihre Stelle sei auch unmittelbar neu ausgeschrieben worden. Am 09.12.2022 sei ihr ein Aufhebungsvertrag angeboten worden. Da sie diesen nicht angenommen habe, sei ihr am 15.12.2022 die Kündigung überreicht worden.
13
Es lägen Indizien vor, dass ihre Vorgesetzte aufgrund der Tinnituserkrankung den Entschluss gefasst habe, ihr in der Probezeit zu kündigen. Sie habe wohl Bedenken gehabt, dass die Klägerin dauerhaft die von dem Team erwartete Leistung von ca. 120% Arbeitsauslastung nicht erbringen würde. So habe die Klägerin seit Beginn Ihrer Tätigkeit bereits 80 Überstunden angesammelt, mit zunehmender Tendenz.
14
Die Kündigung vom 14.12.2022 erfülle gleichzeitig den Tatbestand der Diskriminierung aufgrund eines Diskriminierungsmerkmals nach § 1 AGG, hier aufgrund einer Behinderung. Die Vorgesetzte der Klägerin habe detaillierte Kenntnis von dem Gesundheitszustand der Klägerin und auch davon gehabt, dass aufgrund der Tinnituserkrankung eine dauerhafte Beeinträchtigung vorliege. Diese dauerhafte Beeinträchtigung stelle eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG dar. Die Klägerin leide unter bleibenden Schäden, sie habe einen dauerhaften Hörverlust und eine daraus folgende Schwerhörigkeit. Die Erkrankung habe eine erhebliche Steigerung der Stressempfindsamkeit zur Folge und schränke die Belastbarkeit erheblich ein. Die Behinderung sei für die Kündigung kausal gewesen. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Mitteilung der Erkrankung und dem Kündigungsentschluss sei nach der Beweiserleichterung des § 22 AGG das kausalitätsbegründende Indiz. Insbesondere, da der Klägerin, bevor sie ihre Krankheit mitgeteilt habe, bereits ihre Übernahme durch die Beklagte nach der Probezeit zugesichert worden sei. Nach dem eigenen Sachvortrag der Beklagten habe diese bis zum 17.11.2022 einen Kündigungsentschluss nicht gefasst gehabt.
15
Die Probezeit sei noch bis zum 31.01.2023 gelaufen. Es habe daher keine Eile bestanden, die Entscheidung über die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses zu treffen. Man hätte die Klägerin nach der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit innerhalb der Probezeit erstmals wieder zurückkehren lassen können und sich dann in Ruhe ein Bild verschaffen können. Diese Option habe man nicht gewählt, da man aufgrund der E-Mail vom 18.11.2022 fest entschlossen gewesen sei, der Klägerin zu kündigen. Man habe während ihrer behinderungsbedingten Abwesenheitszeit entschieden, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Dies könne denklogisch nur auf die E-Mail vom 18.11.2022 zurückzuführen sein.
16
Außerdem liege eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor. Die Art und Weise, wie der Klägerin ihre Arbeitsweise und die Inanspruchnahme anderer Mitarbeiter zur Last gelegt werde, würde man einem männlichen Arbeitnehmer niemals zur Last legen. Es sei üblich, das männliche Führungskräfte die Arbeitskraft ihnen zuarbeitender Personen in Anspruch nähmen. Allerdings scheine das gleiche Verhalten von einer weiblichen Arbeitnehmerin Aversionen hervorzurufen. Auch die Personen, die der Klägerin einen unangemessenen Ton vorwerfen, seien allesamt männlich und auf der Ebene der Klägerin nicht übergeordnet gewesen. Es habe einen Konflikt mit Herrn F. gegeben. Dieser sei seit 18 Jahren bei der Beklagten beschäftigt und bemüht, seinen Status gegenüber studierten Mitarbeiterinnen zu behaupten. Er habe ausschließlich weibliche Mitarbeiterinnen, die ihm nicht zu widersprechen wagten. Dies sei im Unternehmen bekannt. So habe auch die Vorgesetzte Frau D. zu der Klägerin gesagt: „Alle starken Frauen geraten mit Herrn F. aneinander. Nimm das nicht Ernst, das hat keinen Einfluss auf deine Position.“ Allerdings habe Frau D. die Beschwerde der Klägerin über Herrn F. nicht nach oben eskalieren wollen, da dies der Mühe nicht wert sei. Dass daher der Ton der Klägerin als „falsch“ empfunden worden sei, sei ausschließlich dem Umstand geschuldet, dass sie eine Frau sei.
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Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates werde mit Nichtwissen bestritten.
18
Der Klägerin stehe ein Schmerzensgeldanspruch zu, der sich der Höhe nach an § 15 Abs. 2 AGG orientiere. Sie habe aufgrund der rechtsmissbräuchlichen Kündigung der Beklagten einen erheblichen Schaden, gerade weil das Arbeitsverhältnis nach so kurzer Zeit gekündigt worden sei. Sie habe für diese neue Anstellung eine gute Stelle gekündigt, auf der sie sich auch wohl gefühlt habe. Der Schaden sei besonders groß, da der berufliche Lebenslauf hierdurch einen erheblichen Schaden erhalte. Eine Anstellung von sechs Monaten falle in jeder Personalabteilung negativ ins Gewicht und schüre den Verdacht, dass eine Probezeitkündigung zu Grunde liege.
19
Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 342,50 Euro brutto. Sie habe für das Jahr 2023 noch drei Tage Urlaub gehabt. Nach Abgeltung von zwei Urlaubstagen durch die Beklagte sei noch ein Urlaubstag abzugelten.
20
Die Klägerin sei am 27.01.2023 zwar buchstäblich gegen ihren Willen gezwungen worden, die letzten drei Tage des Arbeitsverhältnisses diesen Urlaub zu nehmen und zu verbrauchen; sie habe hiergegen allerdings mehrfach widersprochen. Sie habe das Arbeitsverhältnis bis zum Ende, nämlich bis zum 31.01.2023, bestreiten wollen. Anstatt eine Freistellung auszusprechen, sei ihr trotz ihrer ausdrücklichen Mitteilung, dass sie keinen Urlaub nehmen werde, am Freitag, den 27.01.2023 mittags, nachdem sie bereits ein paar Stunden gearbeitet habe, der Zugang zu dem Computersystem ausgeschaltet worden und es sei ihr mitgeteilt worden, dass sie nun im Urlaub sei. Eine Freistellung sei nicht erfolgt, vielmehr habe der Arbeitgeber einseitig und eigenmächtig angeordnet, sie sei nun im Urlaub. Am darauffolgenden Montag und Dienstag, dem 30.01.2023 und dem 31.01.2023, sei sie erkrankt, da dieser Stress und die vielen E-Mails über ihren zwangsweisen Urlaub ihr die letzte Kraft geraubt hätten.
21
Die Berechnung ergebe sich wie folgt:
„6.434,00 Euro (Grundgehalt) x 12 + 3.218,00 Euro (Weihnachtsgeld gezahlt im November) + 529,00 Euro (Weihnachtsgeld gezahlt im Januar) = 80.955,00 Euro + 8.095,50 Euro (davon 10% Bonus) = 89.050,50 Euro Jahresgehalt. Hieraus ergebe sich ein durchschnittlicher Monatslohn in Höhe von 7.420,87 Euro und damit eine Tagesvergütung in Höhe von 342,50 Euro. Es werde bestritten, dass der Stundensatz der Klägerin 38,07 Euro betrage. Nach der Lohnabrechnung für Dezember 2022 seien der Klägerin im Jahr 2022 44.495,57 Euro ausbezahlt worden. Da das Arbeitsverhältnis am 20.6.2022 begonnen habe, sei dieser Betrag durch 6,33 zu teilen, um den Monatslohn zu errechnen. Auf Basis dieses Monatslohns errechne sich nach der gängigen Formel (x 3 / 13/ 39) ein Stundenlohn in Höhe von 41,60 Euro.“
22
Den ursprünglich angekündigten Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses mit der Note „sehr gut“ hat die Klägerinvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2023 zurückgenommen.
23
Die Klägerin beantragt,
1.
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten zugegangen am 15.12.2022 nicht aufgelöst wurde.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen ab dem 27.2.2023 zu bezahlen.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 342,50 Euro brutto Urlaubsabgeltung zu bezahlen.
24
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
25
Die Beklagte trägt vor, die innerhalb der vereinbarten Probezeit ausgesprochene Kündigung habe das Arbeitsverhältnis zum 31.01.2023 aufgelöst. Sie sei keine Reaktion auf die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gewesen. Die Kündigung beruhe nicht auf einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit bzw. gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Vielmehr seien andere und legitime Gründe für die Entscheidung der Beklagten ausschlaggebend gewesen. Tatsächlich sei die Kündigung aufgrund der Nichteignung der Klägerin für die konkrete Position ausgesprochen worden. Diese habe wesentliche Punkte der Arbeitsaufgabe während ihrer Probezeit trotz Hinweisen und Feedback nicht aufgenommen und bis zur Entscheidung über die Probezeit in Verhalten und Leistung ein nicht akzeptables Arbeitsergebnis erzielt, das die Entscheidung des Arbeitgebers rechtfertige.
26
Der Kündigungsentscheidung seien mehrere Gespräche der Klägerin mit ihren Führungskräften, Frau D. und Frau G. vorausgegangen, in denen ihr die Mängel ihrer Herangehensweise an ihre Tätigkeit deutlich kommuniziert worden seien und ihr Hinweise und Empfehlungen mitgegeben worden seien, diese an den Anforderungen auszurichten.
27
Es sei auch keine Diskriminierung der Klägerin erfolgt, da rein sachliche Kriterien der Aufgabenerfüllung in der konkreten Position der Entscheidung der Beklagten zugrunde gelegen hätten. Das Engagement der Klägerin für ihre Arbeitsaufgabe und ihre guten Vorkenntnisse im Category-Management seien dabei gewürdigt worden, ihre Erkrankung habe dem keinen Abbruch getan. Die Entscheidung zur Kündigung sei bis Mitte Dezember 2022 offen gewesen, da weitere Positionen für die Klägerin geprüft worden seien und der Klägerin auch eine interne Vakanz aufgezeigt worden sei. Die konkrete Aufgabe infolge ihres hohen Projektanteils und ihrer Komplexität beinhalte durchaus Stressoren, mit denen vielleicht nicht jeder Mensch umgehen könne. Diese Merkmale seien aber immanent Teil der Aufgabe in einer solchen projektbezogenen Tätigkeit. Die Behauptung der Klägerin, sie sei durch die Beklagte während einer Arbeitsunfähigkeit zur Arbeit gedrängt worden, sei unzutreffend. lm Gegenteil sei die Klägerin durch ihre Führungskraft zur Ruhe und Abstand von Mails angehalten worden. Der Hinweis auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Mitteilung zur Dauer der Erkrankung sei ein gesetzlicher Anspruch des Arbeitgebers, dem die Klägerin genügen müsse.
28
Die Stelle sei durch analytische Aufgaben und Projektmanagement gekennzeichnet. Sie verlange einen hohen Grad an Selbstorganisation und Effizienz und die Fähigkeit, mit hohem Termindruck und vielen wechselnden Aufgaben durch die gleichzeitig zu betreuenden Kundenaufträge umzugehen. Der Klägerin habe die Verantwortung für die vertragsgerechte Lieferung der Marktforschungsleistungen an den Kunden oblegen, wie auch die Sicherstellung einer internen effizienten Koordination der Projekte unter Einsatz der Ressourcen und Einhaltung der Budgets. Nachdem sie ihre Tätigkeit aufgenommen habe, habe sich nach einigen Monaten gezeigt, dass ihre Einarbeitung nicht den Anforderungen der Tätigkeit entsprochen habe. Es sei aufgefallen, dass der zeitliche Aufwand für die von ihr verantworteten Lieferungen an die Kunden sowohl bei ihr selbst wie auch bei zuarbeitenden Kollegen auffällig hoch gewesen sei. Sie habe sehr großen Wert auf die Detail-Tiefe der Datenauswertungen gelegt und in diese Aufgabe auch häufig Kollegen zur ihrer Unterstützung eingespannt. Hierzu sei ihr verschiedentlich Rückmeldung verbunden mit Empfehlungen für eine Veränderung gegeben worden. Am 11.10.2022 seien ihr als kritische Punkte von Frau D. die zu große Detailorientierung und die durch den großen benötigten Arbeitseinsatz gefährdete Marge ihrer Projekte genannt worden. Die von der Klägerin im Rechtsstreit vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 09.11.2022 bis 16.11.2022 sei der Beklagten nicht bekannt gewesen. Der entscheidende Meilenstein für die Beurteilung der Probezeit sei eine Präsentation am 17.11.2022 gewesen. Feedback noch vor Abschluss der Vorbereitungen an die Klägerin sei gewesen, dass im Entwurf der Klägerin für die Präsentation ein wesentlicher Teil, nämlich die Empfehlungen an den Kunden, fehlten und unbedingt aufgenommen werden müssten. Außerdem sei an diesem Tag bemängelt worden, dass die Zusammenfassung am Ende zu unkonkret sei und daher auch hier nachgebessert werden müsse. Es sei ihr auch mitgeteilt worden, dass sie die Budgets ihrer Projekte im Auge behalten müsse, da sie auffällig häufig und in übergroßem Umfang Kollegen als zusätzliche Unterstützung für ihre Projekte eingespannt habe. Es sei dann Aufgabe der Klägerin gewesen, selbst die Mängel des Präsentationsentwurfs zu korrigieren. Stattdessen habe sie für deren Behebung am 16.11.2022 eine Teamkonferenz mit einigen Kollegen angesetzt, die allesamt dafür eingespannt worden seien, die noch fehlenden Teile beizubringen. Diese Konferenz sei ursprünglich für eine Stunde angesetzt worden, dann aber über die Mittagspause hinweg auf 2,5 Stunden ausgedehnt worden und habe in weitere Arbeit für die Kollegen gemündet. In den Folgetagen sei zusammen mit HR intern geprüft worden, ob die Klägerin eventuell in anderen offenen Positionen in Consumer Panel eingesetzt werden könnte. Hier habe sich jedoch – auch aus der ablehnenden Haltung der (im Umkreis intensiv von der Klägerin eingespannten) Kollegen gegenüber der Klägerin – keine Möglichkeit gefunden. Kurz vor Rückkehr der Klägerin aus der Arbeitsunfähigkeit hätten sich Frau D. und Frau G. zur Probezeit-Entscheidung abgestimmt und seien zu dem Entschluss gekommen, dass die Klägerin mit den Anforderungen der Stelle überfordert sei und es nicht schaffe, sich auf die maßgeblichen Faktoren der Aufgabe zu fokussieren. Die Beklagte habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt über die erwartete Arbeitsweise und deren notwendige Veränderung im Unklaren gelassen und auch nie den Eindruck erweckt, sie würde mit der Klägerin eine sichere Zukunft gestalten. Das von der Klägerin vorgelegte Chart sei durch Frau D. ausdrücklich als nicht endgültig bezeichnet und daher der Klägerin auch nicht ausgehändigt oder per Mail zur Verfügung gestellt worden. Die Klägerin sei keinem Team fest, also nach der Probezeit, zugeordnet worden. Weder durch Frau D. noch Frau G. sei jemals eine solche Zusage gegeben worden. Im Gegenteil habe die Klägerin deutliche Hinweise auf ungenügende Umstände und eine notwendige Verbesserung ihrer Leistungen erhalten, so dass sie habe erkennen müssen, dass die Probezeit eben nicht glatt verlaufe.
29
Der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß mit Schreiben vom 05.12.2022 angehört worden. Er habe die Widerspruchsfrist verstreichen lassen.
30
Zum Zeitpunkt der Kündigung sei für die Beklagte eine längerdauernde Erkrankung der Klägerin oder eine sich verschlechternde Entwicklung in keiner Weise erkennbar gewesen. Die Klägerin sei am 05.12.2022 aus ihrer Arbeitsunfähigkeit zurückgekehrt und habe danach ohne Unterbrechung bis Weihnachten gearbeitet. Die Beklagte habe sich nach rein sachlichen Kriterien ein Bild von der Eignung und Leistung der Klägerin gemacht. Unfall und Erkrankung und weitere gesundheitliche Entwicklung hätten für die Entscheidung der Beklagten zur Trennung von der Klägerin keine Rolle gespielt.
31
Ein Anspruch auf Schmerzensgeld bestehe nicht. Die Erkrankung der Klägerin stehe in keinem Zusammenhang mit der getroffenen Entscheidung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Damit sei auch kein Fall einer Benachteiligung nach dem AGG im Ausspruch der Probezeitkündigung erkennbar.
32
Die Behauptungen der Klägerin zum Auftreten der männlichen Führungskräfte und insbesondere des Kollegen G seien unzutreffend. Dieser sei eine allgemein geschätzte und anerkannte Führungskraft mit untadeligem Auftreten.
33
Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestehe nicht. Die letzte Möglichkeit der Klägerin, die drei Tage Resturlaub in Natura zu nehmen, seien die drei letzten Arbeitstage der Kündigungsfrist vor ihrem Austritt gewesen, nämlich Freitag, 27.01.2023, Montag, 30.01.2023 und Dienstag, 31.01.2023. An diesen Tagen habe die Beklagte der Klägerin den Resturlaub gewährt. Der Wunsch der Klägerin, diesen Urlaub im letztem noch möglichen Zeitraum nicht zu nehmen, trete gegenüber der Pflicht des Arbeitgebers, Erholung in Natura zu gewähren, zurück. Es stehe der Klägerin nicht frei, nach ihrem Belieben einen Erholungsanspruch in einen Geldanspruch umzuwandeln. Da die Klägerin für den 30. und 31.01.2023 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe, hätten diese beiden Tage nicht als Urlaub gewährt werden können. Für sie sei mit der Abrechnung im Februar 2023 eine Nachzahlung vorgenommen worden. Ein Anspruch auf Abgeltung des einen übrigen Tages bestehe wegen des Vorrangs der Gewährung in Natura nicht. Die Klägerin habe diesen Tag als Urlaub gewährt erhalten.
34
Die Berechnung des Abgeltungsanspruchs durch die Klägerin sei unzutreffend. Die Basis dieser Berechnung bilde das monatliche Grundgehalt in Höhe von 6.434,00 Euro. Zulagen oder sonstige Gehaltsbestandteile, die berücksichtigt werden müssten, gebe es nicht. Einmalzahlungen wie eine Weihnachtsgratifikation seien ebenfalls nicht anzurechnen, da sie kein regelmäßiges Arbeitsentgelt iSv § 11 BUrlG darstellten. Aus dem monatlichen Grundgehalt werde zunächst der Stundensatz auf Basis der bei der Beklagten geltenden 39-Stunden-Woche und den durchschnittlichen Wochen eines Monats (4,3333) ausgerechnet: 6.434,00 Euro/ 39 Std. /4,3333 = 38,07 Euro/Std. Ein Arbeitstag in Vollzeit habe regelmäßig 7,8 Stunden umfasst, daraus folge ein Tagesssatz von 7,8 Std x 38,07 Euro pro Stunde = 296,95 Euro. Für zwei Tage habe die Klägerin also zutreffend mit der Februarabrechnung eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 593,90 Euro brutto erhalten.
35
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 22.02.2023 und vom 23.08.2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
36
Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Nürnberg ist gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 12, 17 ZPO gegeben.
II.
37
Die Kündigungsschutzklage ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Kündigung der Beklagten vom 14.12.2022 zum 31.01.2023 beendet worden.
38
1. Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat das Anhörungsschreiben vom 05.12.2022 vorgelegt. Die Klägerin ist dem Vortrag der Beklagten, der Betriebsrat habe die Anhörungsfrist verstreichen lassen, nicht entgegengetreten. Inhaltliche konkrete Mängel der Anhörung trägt die Klägerin nicht vor und solche sind auch nicht ersichtlich.
39
2. Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG keine Anwendung. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hatte am 20.06.2022 begonnen. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war die sechsmonatige Wartezeit des § 1 KSchG noch nicht erfüllt.
40
3. Außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG obliegt es der Klägerin, Unwirksamkeitsgründe darzulegen und ggf nachzuweisen. Solche Unwirksamkeitsgründe liegen nicht vor.
41
a) Die Kündigung ist nicht deshalb unwirksam, weil sie wegen einer Erkrankung der Klägerin ausgesprochen worden sein soll.
42
aa) Selbst wenn die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin der Anlass für die Kündigung gewesen sein sollte, würde dieser Umstand allein nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung führen. Dies folgt aus einem Umkehrschluss aus § 8 EFZG. Diese Norm geht bei einer sog. Anlasskündigung von einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus und ordnet für diesen Fall den Erhalt eines Entgeltfortzahlungsanspruchs an. Hieraus folgt, dass eine Kündigung nicht allein deshalb unwirksam ist, weil sie aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ausgesprochen worden ist.
bb) Die Beklagte hat überdies nachvollziehbar dargelegt, dass sie andere, sachliche Erwägungen zum Ausspruch der Kündigung veranlasst haben. Dem ist die Klägerin als insoweit darlegungs- und beweisbelastete Partei nicht ausreichend entgegengetreten.
43
(1) Die Ausführungen zu den behaupteten Reaktionen ihrer Vorgesetzten auf die Mitteilung der Klägerin bezüglich ihrer Erkrankung sind unkonkret und lassen sich auch mit den vorgelegten Unterlagen nicht in Einklang bringen. Im Gegenteil ergibt sich aus der E-Mail von Frau D. vom 18.11.2022, dass sie die Klägerin gerade nicht dazu angehalten hat zu arbeiten, sondern ausdrücklich gebeten hat, nicht mehr online zu gehen. Die Bitte um Übersendung einer Übergabe und um Mitteilung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit ist mit einer Aufforderung zur Arbeit keinesfalls gleichzusetzen.
44
(2) Auch aus der von der Klägerin als Anlage K6 vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2023 zitierten E-Mail von Frau D. vom 14.09.2022 lässt sich die Behauptung der Klägerin, man habe ihr signalisiert, sie dauerhaft behalten zu wollen, nicht herleiten. Im Gegenteil beinhaltet die E-Mail auch die Andeutung, dass Verbesserungen erforderlich sind („was lief gut, woran sollten wir noch arbeiten“). Allein aus der Formulierung „gemeinsam in die Zukunft schauen“ kann keine Zusicherung hergeleitet werden, die Klägerin nach der Probezeit zu übernehmen.
45
(3) Ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Klägerin und der Kündigung ist nach Auffassung des Gerichts bereits nicht gegeben. Zwischen der Krankmeldung der Klägerin am 18.11.2022 und der Kündigung lag fast ein Monat. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war die Klägerin bereits wieder arbeitsfähig. Für die Beklagte bestand auch kein Anlass, von einer erneuten Arbeitsunfähigkeit nach Wiederantritt der Arbeit durch die Klägerin auszugehen.
46
(4) Selbst wenn ein zeitlicher Zusammenhang gesehen werden könnte, wäre ein solcher hier nicht geeignet, ein Indiz für einen kausalen Zusammenhang darzustellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin endete die sechsmonatige Probezeit des am 20.06.2022 begonnenen Arbeitsverhältnisses nicht erst am 31.01.2023, sondern bereits am 19.12.2022. Die Beklagte war deshalb im eigenen Interesse gehalten, eine beabsichtigte Probezeitkündigung vor diesem Zeitpunkt auszusprechen. Konsequent sprach sie die Kündigung mit Schreiben vom 14.12.2022 und damit wenige Tage vor Ablauf der Probezeit aus.
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b) Die Kündigung stellt keine Benachteiligung wegen einer Behinderung oder des Geschlechts der Klägerin dar.
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aa) Der Begriff der Behinderung iSd § 1 AGG kann ausgehend von § 2 Abs. 1 SGB IX bestimmt werden, wonach Menschen behindert sind, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Alter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Langfristigkeit der Beeinträchtigung liegt nicht allein dann vor, wenn diese auf „unbestimmte Zeit“ festgestellt wird, sondern auch dann, wenn bei Ergreifen der Maßnahme ihr Ende nicht absehbar ist (vgl. ErfK/Schlachter 23. Aufl. § 1 AGG Rn. 10). Eine solche langfristige Beeinträchtigung der Klägerin lag zum Zeitpunkt der Kündigung nicht vor und war auch nicht absehbar. Vielmehr teilte die Klägerin am 18.11.2022 mit, dass sie arbeitsunfähig sei und legte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 02.12.2022 vor. Dies umfasst bei weitem nicht den geforderten Zeitraum einer Beeinträchtigung über sechs Monate. Die bloße Befürchtung der Klägerin, dass sie an dauerhaften Hörschädigungen und unter einem dauerhaften Tinnitus leiden könnte, kann hierfür nicht genügen. Vielmehr teilte sie ihrer Vorgesetzten mit, dass diese Gefahr bestehe, dass sie aber, um gerade dies zu vermeiden, in den Krankenstand gehe. Selbst wenn sich im weiteren Verlauf eine gesundheitliche Beeinträchtigung verfestigt haben sollte, war dies zum Zeitpunkt der Kündigung unstreitig nicht der Fall und für die Beklagte auch nicht erkennbar. Indizien für einen Zusammenhang zwischen einer Behinderung und der Kündigung liegen nicht vor.
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bb) Die Ausführungen der Klägerin zu einer angeblichen Benachteiligung wegen ihres Geschlechts sind nicht nachvollziehbar. Es ergibt sich aus ihrem Vortrag nicht, weshalb ihr auf Grund ihres Geschlechts gekündigt worden sein soll. Konkrete Äußerungen oder Handlungen von Vorgesetzten oder Kollegen, die auf eine Benachteiligung der Klägerin hindeuten, trägt diese nicht vor. Selbst wenn sich Herr D. in der von der Klägerin vorgetragenen Weise verhalten haben sollte, liegt hierin keine Benachteiligung der Klägerin. Aus dem Sachvortrag der Klägerin geht auch nicht hervor, Herr D. habe die Kündigungsentscheidung getroffen oder auch nur beeinflusst. Ein Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem Geschlecht der Klägerin besteht ersichtlich nicht. Auch Indizien für einen solchen Zusammenhang ergeben sich aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht.
50
c) Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil eine Probezeitkündigung mit einer Frist von zwei Wochen auszusprechen sei und nicht im Rahmen der vertraglich anderweitig vereinbarten Kündigungsfrist. Die dahingehenden zu Protokoll gegebenen Rechtsausführungen der Klägerinvertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2023 sind unzutreffend. Die Parteien haben sich vertraglich auf eine längere als die gesetzliche Kündigungsfrist während der Probezeit geeinigt. Dies ist gemäß § 622 Abs. 5 Satz 3 BGB ausdrücklich zulässig und die Beklagte hat die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten.
III.
51
Die Klage auf Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldes ist gemäß § 287 ZPO zulässig, aber unbegründet. Eine Benachteiligung der Klägerin auf Grund einer Behinderung oder ihres Geschlechts liegt nicht vor (s.o.). Es ergibt sich auch weder aus dem Sachvortrag der Klägerin noch aus den weiteren Umständen des Falles ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte für den Gesundheitszustand der Klägerin verantwortlich sei.
IV.
52
Die Klage auf Zahlung von Urlaubsabgeltung ist zulässig, aber unbegründet. Unstreitig hat die Beklagte zwei Urlaubstage abgegolten. Ein Anspruch auf Abgeltung eines weiteren Urlaubstags besteht nicht.
53
Der streitgegenständliche Urlaubstag wurde am Freitag, den 27.01.2023 in Natur eingebracht. Gemäß § 2 Ziffer 4 des Arbeitsvertrags ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung seiner Vergütung und der Gewährung von vertraglich vereinbarten Leistungen für den Zeitraum zwischen dem Datum der Kündigungserklärung und dem Datum des Ausscheidens jederzeit widerruflich oder unwiderruflich unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche sowie etwaiger Freizeitausgleichsansprüche freizustellen. Dies hat die Beklagte mit E-Mail vom 26.01.2023 getan. Nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont ist aus der Erklärung der Beklagten eindeutig ersichtlich, dass an den verbleibenden drei Tagen des Arbeitsverhältnisses, nämlich am 27.01., 30.01. und 31.01.2023 Urlaub erteilt wird und der 26.01.2023 offiziell der letzte Arbeitstag der Klägerin ist. Auch wenn die Beklagte nicht den Begriff „Freistellung“ verwendet hat, lässt die E-Mail der Beklagten schon nach ihrem Wortlaut eine andere Auslegung nicht zu. Wie sich aus der Antwort der Klägerin ergibt, hat sie die E-Mail der Beklagten auch tatsächlich so und nicht anders verstanden. Dass sie sich hierüber hinweggesetzt hat und dennoch am 27.01.2023 ihren Arbeitsplatz aufgesucht hat, ändert hieran nichts.
54
Die Berechnung des Abgeltungsanspruchs durch die Beklagte ist zutreffend.
55
Gemäß § 3 Ziffer 1 des Arbeitsvertrags beträgt das monatliche Festgehalt 6.434,00 Euro brutto. Etwaige Weihnachtsgeldansprüche sind dem nicht hinzuzurechnen. Gemäß § 3 Ziffer 2 des Arbeitsvertrags ergeben Festgehalt, Weihnachtsgratifikation oder 13. Gehalt und variable Vergütung auf Jahresbasis das Jahreszielgehalt. Die Klägerin trägt selbst vor, das Weihnachtsgeld sei zum Teil im Dezember und zum Teil im Januar bezahlt worden. Es handelt sich damit nicht um während der letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Arbeitsverdienst und es wurde auch nicht ausschließlich für erbrachte Arbeitsleistung bezahlt. Auch etwaige Bonusansprüche sind dem nicht hinzuzurechnen. Wie die Klägerin selbst vorträgt, werden solche Ansprüche erst im April des Folgejahres fällig. Es handelt sich damit ebenfalls nicht um während der letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlten Arbeitsverdienst. Ein weiterer Zahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.
56
Die Klage ist nach alledem insgesamt abzuweisen.
V.
57
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
VI.
58
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ZPO, 42 Abs. 2 Satz 1 GKG.
VII.
59
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ergeht gemäß § 64 Abs. 3 a ArbGG. Berufung kann gemäß § 64 Abs. 2 lit. b, c ArbGG eingelegt werden. Umstände, welche die gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG begründet hätten, sind nicht gegeben.