Inhalt

ArbG München, Beschluss v. 04.10.2023 – 32 BV 212/22
Titel:

Voraussetzung für einen Unterrichtungsanspruch des Betriebsrates ist, dass überhaupt eine Personalplanung beim Arbeitgeber durchgeführt wird. 

Normenketten:
BetrVG § 80, § 92, § 96
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 259
Leitsätze:
1. Ein Antrag muss den Verfahrensgegenstand so genau bezeichnen, dass dieser mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Das bedeutet für einen Antrag, der auf eine Handlungspflicht gerichtet ist, dass das dem Arbeitgeber aufgegebene Verhalten eindeutig bestimmt werden muss. Denn nur dann kann der Arbeitgeber wissen, mit welchem Verhalten er seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachkommt. Die Prüfung, zu welcher Verhaltensweise der Arbeitgeber verpflichtet sein soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen entsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Genügt ein Antrag diesen Anforderungen nicht, ist er als unzulässig abzuweisen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 96 Abs. 1 S. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln. Dem Betriebsrat steht insoweit ein Initiativrecht zu. Dieses Recht des Betriebsrats besteht unabhängig davon, ob der Arbeitgeber selbst einen Berufsbildungsbedarf für gegeben erachtet und ob Veränderungen bei Produkten oder Verfahren anstehen. Denn die Ermittlung des Berufsbildungsbedarfes ist ein Instrument der Personalentwicklung und Voraussetzung dafür, dass der Betriebsrat seine für die Qualifizierung der Arbeitnehmer bedeutsamen Beteiligungsrechte nach §§ 96ff. BetrVG wirksam ausüben kann. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Voraussetzung für einen Anspruch aus § 92 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist, dass eine Personalplanung beim Arbeitgeber durchgeführt wird. Darunter fällt jede Planung, die sich auf den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht, auf dessen Deckung im weiteren Sinne und auf den abstrakten Einsatz der personellen Kapazitäten bezieht. Erfasst werden die Planung des Personalbedarfs, der Personalbeschaffung, des Personaleinsatzes sowie der Personalentwicklung. Unter Planung fällt der Prozess des systematischen Suchens und Festlegens von Zielen sowie des Formulierens von Methoden, Strategien und Vorgehensweisen, um die Ziele zu erreichen. Auch eine kurzfristige und intuitive Planung ist davon erfasst. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Unterrichtung bezüglich Informationen aus der Vergangenheit kommt nach § 92 Abs. 1 S. 2 BetrVG von vornherein nicht in Betracht, da sich Personalplanung auf den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf bezieht. Aus diesem Grund kann keine Unterrichtung darüber verlangt werden, welches Stundenbudget bestanden hat und nach welchen Methoden/Strategien und/oder Vorgehensweisen ein Stundenbudget festgelegt wurde sowie inwieweit (Kennzahl, Zahl und Grad) dieses Stundenbudget bis zum Stichtag über- oder unterschritten wurde bzw. diese Budgetplanung nach dem Stichtag geändert wurde. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bestimmtheit, Antrag, Verfahrensgegenstand, Personalplanung, Berufsbildungsbedarf, Betriebsrat, Unterrichtung
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Beschluss vom 27.05.2024 – 4 TaBV 68/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52180

Tenor

1. Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, unter Angabe der einzelnen Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden für jeden einzeln mitzuteilen, ob und wenn ja, welcher Bedarf an Berufsbildung (Berufsausbildung, berufliche Fortbildung und berufliche Umschulung) besteht.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über Beteiligungsrechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten bezüglich Personalplanung und Förderung der Berufsbildung.
2
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden Betriebsrat) ist der für die Filiale in der A.-Straße der Beteiligten zu 2 (im Folgenden Arbeitgeberin) gebildete, aus sieben Mitgliedern bestehende
3
Betriebsrat. Die Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Textilunternehmen mit ca. 3.500 Mitarbeitern in ca. 70 Filialen.
4
Die Arbeitgeberin führte eine Personaleinsatzplanung für die Filiale in der A.-Straße für jeweils fünf Wochen unter Beteiligung des Betriebsrats durch. Die Filiale bekam von der Arbeitgeberin Stundenbudgets zugeteilt. In der Filiale wurden auch Fremdmitarbeiter eingesetzt.
5
Mit E-Mail vom 27.04.2022 (vgl. Anlage ASt 1, Blatt 6 der Akte) verlangte der Betriebsrat ein Gespräch zum Informationsaustausch und zur Beratung zu Personalplanung und Berufsbildungsbedarf in der Filiale. Es erfolgte keine Reaktion der Arbeitgeberin.
6
Mit E-Mail vom 10.06.2022 (vgl. Anlage ASt 2, Blatt 7 der Akte) verlangte der Betriebsrat bis zum 24.06.2022 die Unterrichtung über die Personalplanung sowie die Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs. Auch hierauf reagierte die Arbeitgeberin nicht.
7
Der Betriebsrat forderte mit einer weiteren E-Mail vom 12.07.2022 (vgl. Anlage ASt 3, Blatt 8 der Akte) die Arbeitgeberin zur Unterrichtung und Beratung über die Personalplanung sowie den Berufsbildungsbedarf auf. Hierauf erhielt er von der Arbeitgeberin gleichfalls keine Antwort.
8
Mit seinem am 12.10.2022 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 25.07.2023 geänderten Antrag macht der Betriebsrat Beteiligungsrechte nach den §§ 92, 96 BetrVG geltend.
9
Der Betriebsrat trägt vor, dass mit Einladung vom 08.09.2023 (vgl. Blatt 79 der Akte) unter Angabe der Tagesordnung die Betriebsratsmitglieder zu einer Sitzung am 12.09.2023 eingeladen worden seien. Drei Mitglieder hätten mit Mails vom 09.09.2023 bzw. 11.09.2023 (vgl. Blatt 84 ff. der Akte) ihre Verhinderung mitgeteilt. Die Tagesordnung sei mit Beschluss vom 12.09.2023 (vgl. Blatt 80 f. der Akte) unter anderem um den Punkt „Beschluss: Bestätigung und Genehmigung der im Beschlussverfahren vor dem ArbG München 32 BV 212/22 gestellten Anträge“ erweitert worden. Der Betriebsrat führt weiter aus, dass entsprechend der Anwesenheitsliste (vgl. Blatt 82 f. der Akte) sieben Mitglieder an der Sitzung am 12.09.2023 (vier ordentliche Mitglieder sowie die drei ersten nicht verhinderten Mitglieder der Liste der Ersatzmitglieder) teilgenommen hätten und mit Beschluss vom 12.09.2023 (vgl. Blatt 78 der Akte) einstimmig beschlossen worden sei, die von der Prozessvertreterin des Betriebsrats mit Schriftsatz vom 25.07.2023 gestellten Anträge im Zusammenhang mit Personalplanung und Berufsbildungsbedarf vorsorglich nochmals zu bestätigen und zu genehmigen. Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass es nicht sein könne, dass die Arbeitgeberin keinerlei Personalplanung betreibe. Er bestreitet, dass die fünfwöchigen Einsatzpläne ohne konkrete Planung erfolgten. Auch hinsichtlich des Einsatzes zahlreicher Fremdarbeitnehmer sei nicht glaubhaft, dass eine Personalplanung nicht stattfinde. Die geforderten Informationen zur Personalplanung seien jedenfalls erforderlich für das Vorschlagsrecht des Betriebsrats nach § 92 Abs. 2 BetrVG, da ihm die Ausübung des Vorschlagsrechts ohne Kenntnis der beantragten Informationen nicht möglich sei. Der Betriebsrat führt weiter aus, dass davon auszugehen sei, dass sowohl ein Umsatzziel vorgegeben werde, über dessen Prozess der Festlegung der Betriebsrat nicht unterrichtet werde, als auch dass dies Relevanz für die Personalplanung habe. Der Betriebsrat werde auch nicht unterrichtet, nach welchen Methoden, Strategien und/oder Vorgehensweisen das Stundenbudget für die Filiale festgelegt werde und ob bzw. inwieweit dieses Stundenbudget auch im Rahmen der Personalplanung Relevanz habe. Der Betriebsrat weist ferner darauf hin, dass für die Personaleinsatzplanung mit einem Planungszeitraum von vier Wochen eine technische Einrichtung eingesetzt werde, so dass diesbezüglich die Vorlage von Unterlagen für die Arbeitgeberin ein Einfaches wäre. Der Betriebsrat erklärt darüber hinaus, dass ein Fortbildungsbedarf bestehe, da verschiedene Tätigkeitsgruppen (Verkaufshilfe, Verkäufer, Verkäufer mit Kassiertätigkeit, Kassierer, abteilungsbezogene und abteilungsübergreifende Führungskräfte, Visual Commercials etc.) in der Filiale beschäftigt würden. Er trägt weiter vor, dass ein Fortbildungsbedarf der Mitarbeiter zumindest im Zusammenhang mit Sprachkenntnissen, die unter anderem für die Kundenberatung erforderlich seien, bestehe.
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Der Betriebsrat beantragt zuletzt,
1. Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 1 wird aufgegeben, den Betriebsrat – soweit vorhanden, anhand von Unterlagen – zu unterrichten a) ob ein Prozess für das Festlegen von Zielen für die Jahre 2022 bis 2024 für die Filiale A.-Stadt 2 (3109) vorliegt, wenn ja, welche Parameter und (Kenn) Zahlen für diesen Prozess zugrunde gelegt wurden bzw. werden b) über die für die Filiale A.-Stadt 2 (3109) festgelegten bzw. vorgegebenen Umsatzziele für die Jahre 2022 bis 2024 und den Stand (Zahl und Grad) der Zielerreichung zum Stichtag 30.06.2023 c) ob für die Filiale A.-Stadt 2 (3109) für die Jahre 2022 bis 2024 Methoden, Strategien und/oder Vorgehensweisen bestehen oder bestanden haben, welche formuliert oder vorgegeben wurden, um diese – in a.) und/oder b.) genannten – Ziele zu erreichen wenn ja, welche Methoden, Strategien und/oder Vorgehensweisen für die Filiale A.-Stadt (3109) für die Jahre 2022 bis 2024 wurden formuliert oder vorgegeben und inwieweit (Kennzahl, Zahl und Grad) wurden diese bis zum Stichtag 30.06.2023 umgesetzt d) welches Stundenbudget – monatsbezogen – für die Filiale A.-Stadt 2 (3109) in den Jahren 2022 bis 2024 besteht bzw. bestanden hat und wie bzw. nach welchen Methoden, Strategien und /oder Vorgehensweisen dieses Budget festgelegt wurde sowie inwieweit (Kennzahl, Zahl und Grad) dieses Stundenbudget bis zum Stichtag 30.06.2023 über- oder unterschritten wurde bzw. diese Budgetplanung nach dem Stichtag 30.06.2023 geändert wurde e) mit wie vielen Arbeitnehmer*innen – in welchen Positionen – für die Jahre 2022 bis 2024 geplant wurde und inwieweit (Zahl und Grad und in welchen Positionen) diese Planung über- oder unterschritten wurde bzw. nach dem Stichtag 30.06.2023 diese Planung geändert wurde f) mit wie vielen Fremdarbeitnehmer*innen (Arbeitnehmerüberlassung und Werk/Dienstvertrag) für die Jahre 2022 bis 2024 geplant wurde und inwieweit (Zahl und Grad und in welchen Positionen) diese Planung über- oder unterschritten wurde bzw. nach dem Stichtag 30.06.2023 diese Planung geändert wurde g) ob und inwieweit die täglich in den sog. Nippons mitgeteilten Vorgaben zu Umsatzzielen Relevanz für die Personalplanung – qualitativ und quantitativ, d. h. wie viel Mitarbeiter*innen in welcher Position an welchem Tag, zu welcher Tageszeit in welcher Abteilung benötigt werden – haben h) ob und welche Krankheitsquote – quantitativ und qualitativ – in den jeweiligen Personaleinsatzplanungen (4-Wochen-Planungszeitraum) der Jahre 2022 bis 2024 für die Filiale A.-Stadt 2 (3109) zugrunde gelegt wurde bzw. wird.
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2. Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2 wird aufgegeben, unter Angabe der einzelnen Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden für jeden einzeln mitzuteilen, ob und wenn ja, welcher Bedarf an Berufsbildung (Berufsausbildung, berufliche Fortbildung und berufliche Umschulung) besteht.
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3. Der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 2 wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Anträgen in den Ziff. 1 und/oder Ziff. 2 ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000 € angedroht.
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Die Arbeitgeberin beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
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Die Arbeitgeberin trägt vor, dass sie keine Personalplanung betreibe. Sie verfolge kein Konzept, wie sich die Personalsituation in der Filiale entwickeln solle. Sie führt aus, dass die Anzahl der benötigten Mitarbeiter auch von diversen externen Faktoren abhänge wie Umsatz, Kundenzahl, Wetter oder der Übernahme von Mitarbeitern bei Schließung einer Filiale. Es werde dann jeweils kurzfristig entschieden, welcher Personalbedarf in der Filiale bestehe. Auch die Besetzung von bestehenden Stellen werde nicht lange im Voraus geplant. Bei Schließung einer Filiale sei es üblich, dass allen Arbeitnehmern die Weiterbeschäftigung in einer anderen Filiale angeboten werde. Auch dies führe zu einer Unplanbarkeit, da es kurzfristig zu Schließungen kommen könne, so dass dadurch neue Mitarbeiter aufgenommen würden. Die Arbeitgeberin ergänzt, dass hinsichtlich des Einsatzes von Leiharbeitnehmern gleichfalls keine Planung betrieben werde. Die Entscheidung über Leiharbeitnehmer erfolge in der Regel spontan, wenn sich ein Bedarf ergebe. Über die den Filialen zugeordneten Stundenbudgets erfolge ebenfalls keine Steuerung des Personals. Welches Stundenbudget die Filiale zur Verfügung habe, werde situativ unter anderem auf Basis der Umsatzentwicklung entschieden und kommuniziert. Stundenbudgets würden auch im Falle von Krankheit oder Eigenkündigungen von Mitarbeitern frei. Die Arbeitgeberin ergänzt, dass die Umsatzzahlen für alle Mitarbeiter in den Store I-Pods einsehbar seien und in den fast täglich stattfindenden Teambesprechungen kommuniziert würden. Die aktuellen Umsätze der Filiale insgesamt sowie unter anderem ein Vergleich zu den Umsätzen des Vorjahres und zu den geplanten Umsätzen des laufenden Jahres würden zudem einmal im Jahr in einer Betriebsversammlung kommuniziert. Auch die tatsächlichen Krankheitszahlen in der Filiale würden für die letzten anderthalb Jahre einmal pro Jahr in der Betriebsversammlung kommuniziert. Sofern die Arbeitgeberin einen Personalbedarf ermitteln könne, werde dies im Rahmen der monatlich mit dem Betriebsrat stattfindenden Gespräche besprochen. Die Arbeitgeberin trägt weiter vor, dass kein Berufsbildungsbedarf bestehe. Sie evaluiere kontinuierlich, ob es einen Fortbildungsbedarf bei den Mitarbeitern der Filiale gebe und ob die Mitarbeiter ihrer Tätigkeit noch fachgerecht nachkommen könnten. Neue Mitarbeiter würden eingewiesen, danach bestehe in der Regel kein Bedarf, besondere Maßnahmen der Berufsbildung zu ergreifen. In der Filiale des Betriebsrats arbeiteten diverse Mitarbeiter ohne eine Ausbildung im Bereich des Einzelhandels, und auch diese könnten die Verkaufstätigkeit gut ausüben. Ein Fortbildungsbedarf bestehe aus Sicht der Arbeitgeberin daher unabhängig von der Ausbildungssituation und der Qualifikation der Mitarbeiter nicht, weshalb auch keine weiteren Ermittlungen über den Ausbildungsstand angestrebt würden. Entscheidend sei für die Arbeitgeberin, dass die Mitarbeiter ihrer Tätigkeit fachkundig nachkämen, dies sei aus Sicht der Arbeitgeberin der Fall, so dass es keinen Bedarf für Berufsbildung gebe. Da alle Mitarbeiter zur Vornahme der Verkaufstätigkeit qualifiziert seien, stimmten der Ist- und der Soll-Zustand überein. Die Stellen seien im Wesentlichen identisch, lediglich der Umfang der Kassiertätigkeit unterscheide sich, so dass eine Fortbildung zum Wechsel ebenfalls nicht erforderlich sei. Gleiches gelte für die Abteilungsleiter und abteilungsübergreifenden Führungskräfte. Sollte sich ein Berufsbildungsbedarf ergeben, weil ein weiterer Visual Commercial benötigt werde, fänden regelmäßig Visual Commercial Trainee-Programme statt, auf die sich die Mitarbeiter bewerben könnten und währenddessen die Teilnehmer der Filiale in C.-Stadt zugeordnet seien. Die Arbeitgeberin ergänzt, dass es keine Vorschrift gebe, wie die Ermittlung des Fortbildungsbedarfs zu erfolgen habe. Sie habe die Ermittlung jedenfalls durch ihre Schriftsätze im vorliegenden Verfahren erfüllt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze (vom Betriebsrat vom 12.10.2022, 02.03.2023, 25.07.2023 und von der Arbeitgeberin vom 05.01.2023, 14.04.2023, 30.08.2023) die Sitzungsprotokolle (vom 30.11.2022 und vom 13.09.2023) und den sonstigen Akteninhalt nach §§ 80 Abs. 2 Satz 1, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO Bezug genommen.
II.
16
Der gemäß §§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beim zuständigen Gericht erhobene Antrag ist zulässig und teilweise begründet.
17
1. Der Antrag ist zulässig.
18
a) Die Änderung und Erweiterung des Antrags zu 1 war zulässig, da sie sachdienlich im Sinne des § 81 Abs. 3 Satz 1 ArbGG war. Sie erfolgte auf den gerichtlichen Hinweis, der Bedenken hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit des ursprünglichen Antrags zu 1 geäußert hatte. Die Sachdienlichkeit folgt daraus, dass der bisherige Vortrag auch für die Entscheidung über den geänderten Antrag nutzbar gemacht und dadurch ein weiteres Verfahren vermieden werden kann (vgl. GMP/Spinner, 10. Aufl. 2022, ArbGG § 81 Rn. 86).
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b) Den Anträgen lagen ordnungsgemäß gefasste Betriebsratsbeschlüsse zur Einleitung des Verfahrens und zur Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten zugrunde.
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aa) Die Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung des für ihn auftretenden Rechtsanwalts bedarf eines Beschlusses des Betriebsrats. Nur dann ist der Betriebsrat im Verfahren ordnungsgemäß vertreten. Ausreichend ist das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung vor Abschluss des Verfahrens, da der Vertretungsmangel in jeder Lage des Verfahrens bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung, durch die der Antrag wegen des Vertretungsmangels als unzulässig abgewiesen wird, durch eine entsprechende Genehmigung geheilt werden kann (vgl. BAG vom 19.01.2005, 7 ABR 24/04; BAG vom 16.11.2005, 7 ABR 12/05, Rn. 13).
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bb) Die Arbeitgeberin hat zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, dass der Betriebsrat einen ordnungsgemäßen Beschluss über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens gefasst habe. Darauf hat sich der Betriebsrat zumindest insoweit einzulassen, dass vorzutragen ist, ob und wann unter Beifügung der Tagesordnung zu einer Sitzung geladen wurde, dass sämtliche ordentlichen und ersatzweise benötigten Mitglieder die Ladung erhalten haben und eine bestimmte Beschlussfassung erfolgt ist (vgl. BAG v. 09.12.03, Az 1 ABR 44/02, Rn. 18 ff.).
22
cc) Dies ist vorliegend geschehen. Der Betriebsrat hat vorgetragen, dass die Betriebsratsmitglieder unter Nennung der Tagesordnung am 08.09.2023 auf den 12.09.2023 gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1, 3 BetrVG geladen worden seien. Drei verhinderte Mitglieder hätten unverzüglich ihre Verhinderung per Mails vom 09.09.2023 und vom 11.09.2023 entsprechend § 29 Abs. 2 Satz 5 BetrVG mitgeteilt. Die Tagesordnung sei am 12.09.2023 um den Tagesordnungspunkt „Beschluss: Bestätigung und Genehmigung der im Beschlussverfahren vor dem ArbG München 32 BV 212/2 gestellten Anträge“ ergänzt worden. Der diesbezügliche Beschluss sei in der Sitzung am 12.09.2023 einstimmig getroffen worden. Diesen Vortrag hat der Betriebsrat durch Vorlage der entsprechenden Unterlagen (vgl. Blatt 78 ff. der Akte) sowie Erklärung der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden in der Anhörung geleistet.
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dd) Dadurch ist das Bestreiten der Arbeitgeberin mit Nichtwissen angesichts des detaillierten Vorbringens des Betriebsrats unerheblich geworden. Die Arbeitgeberin hätte auf dieses Vorbringen des Betriebsrats hin darlegen müssen, in welchen einzelnen Punkten und weshalb die Behauptungen des Betriebsrats gleichwohl nicht als wahr zu erachten seien (vgl. BAG v. 09.12.03, Az 1 ABR 44/02, Rn. 18). Dies ist nicht geschehen.
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c) Die einzelnen Anträge sind hinreichend bestimmt gemäß 80 Abs. 2 Satz 1, 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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aa) Ein Antrag muss den Verfahrensgegenstand so genau bezeichnen, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann (vgl. BAG vom 14.09.2010, 1 ABR 32/09). Das bedeutet für einen Antrag, der auf eine Handlungspflicht gerichtet ist, dass das dem Arbeitgeber aufgegebene Verhalten eindeutig bestimmt werden muss (vgl. BAG vom 17.03.1987, 1 ABR 65/85, Rn. 27). Dies gilt insbesondere, wenn eine Rechtsvorschrift Rechtsbegriffe enthält (vgl. BAG vom 17.03.1987, 1 ABR 65/85, Rn. 28). Denn nur dann kann der Arbeitgeber wissen, mit welchem Verhalten er seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten nachkommt (vgl. BAG vom 10.12.2002, 1 ABR 7/02, Rn. 13). Die Prüfung, zu welcher Verhaltensweise der Arbeitgeber verpflichtet sein soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dem entsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnisin das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden (vgl. BAG vom 09.07.2013, 1 ABR 17/12, Rn. 14). Genügt ein Antrag diesen Anforderungen nicht, ist er als unzulässig abzuweisen (vgl. BAG vom 14.10.2010, 1 ABR 32/09, Rn. 14).
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bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag zu 1 nach der Änderung und Erweiterung hinreichend bestimmt, da er nunmehr nicht mehr lediglich den Gesetzestext wiederholt, sondern detailliert aufschlüsselt, über welche Gegenstände der Betriebsrat eine Unterrichtung begehrt.
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cc) Auch der Antrag zu 2 ist hinreichend bestimmt. Zu berücksichtigen ist diesbezüglich, dass die Arbeitgeberin einen Fortbildungsbedarf insgesamt ablehnt bzw. pauschal behauptet, dass sie eine Evaluierung durchgeführt habe. Insoweit bestand vorliegend keine Streitigkeit darüber, was genau unter dem Begriff der Berufsbildung zu verstehen ist (vgl. BAG vom 23.04.1991, 1 ABR 49/90), sondern ob die Arbeitgeberin ihre Pflicht, auf Verlangen des Betriebsrats eine entsprechende Ermittlung durchzuführen, erfüllt hat. Für die Bestimmtheit des Antrags ist daher nicht erforderlich, dass dieser sich bereits auf konkrete Maßnahmen bezieht, die nach Auffassung des Betriebsrats zur Berufsbildung gehören (vgl. Antragslexikon ArbR, Mitbestimmung in allgemeinen personellen Angelegenheiten, Rn. 15 f.) . Diesbezüglich besteht ein Unterschied zu der Entscheidung des BAG vom 09.07.2013, in der die Anträge zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG als zu unbestimmt angesehen wurden (vgl. BAG vom 09.07.2013, 1 ABR 17/12, Rn. 15 ff.). Denn anders als dort stellt der Betriebsrat hier keine genauen Anforderungen, wie die Ermittlung erfolgen soll, sondern begehrt lediglich, dass überhaupt eine Ermittlung durchgeführt wird.
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d) Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Bei einem Leistungsantrag bedarf das Rechtsschutzbedürfnis regelmäßig keiner gesonderten Prüfung, da es sich bereits aus der Geltendmachung des Anspruchs ergibt (vgl. Fitting, Anhang 3. Das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren, Rn. 27, beck-online).
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e) Die Voraussetzungen des § 259 ZPO sind für die Anträge zu 1 und zu 2 ebenfalls erfüllt. Es ist die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass die Arbeitgeberin die in der Vergangenheit vom Betriebsrat geforderte und nicht zugestandene Unterrichtung über die Personalplanung sowie die Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs auch in Zukunft nicht gewähren wird.
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2. Der Antrag ist teilweise begründet. Die Arbeitgeberin hat nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln. Hingegen kann der Betriebsrat keine Unterrichtung über die Personalplanung nach § 92 BetrVG verlangen.
31
a) Der Antrag zu 2 ist begründet. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat mitzuteilen, ob und wenn ja, welcher Bedarf an Berufsbildung besteht. Sie hat diese Verpflichtung nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG noch nicht erfüllt.
32
aa) Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber auf Verlangen des Betriebsrats den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln. Dem Betriebsrat steht diesbezüglich ein Initiativrecht zu.
33
(1) Dieses Recht des Betriebsrats besteht unabhängig davon, ob der Arbeitgeber selbst einen Berufsbildungsbedarf für gegeben erachtet und ob Veränderungen bei Produkten oder Verfahren anstehen (vgl. Düwell, BetrVG, 6. Aufl. 2022, Rn. 19; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 96, Rn. 36; Dahm in Löwisch/Kaiser/Klumpp, BetrVG, § 96, Rn. 14). Denn die Ermittlung des Berufsbildungsbedarfes ist ein Instrument der Personalentwicklung und Voraussetzung dafür, dass der Betriebsrat seine für die Qualifizierung der Arbeitnehmer bedeutsamen Beteiligungsrechte nach §§ 96 ff. BetrVG wirksam ausüben kann (vgl. Düwell, Betriebsverfassungsgesetz, BetrVG § 96 Rn. 15).
34
(2) Unter Berufsbildung sind alle Maßnahmen zu verstehen, die in systematischer und lehrplanartiger Weise neuer Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen vermitteln, durch welche die Arbeitnehmer zu ihrer beruflichen Tätigkeit befähigt werden oder die zur Ausfüllung des Arbeitsplatzes der Arbeitnehmer und ihrer beruflichen Tätigkeit dienen (vgl. BAG vom 05.03.2013, 1 ABR 11/12, Rn. 12; BAG vom 28.01.1992, 1 ABR 41/91; BAG vom 23.04.1991, 1 ABR 49/90; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 96, Rn. 9; BeckOK ArbR/Mauer, 68. E. 01.03.2023, § 96 BetrVG, Rn. 2). Es muss sich um Maßnahmen handeln, die über die Unterrichtung von Arbeitnehmern gemäß § 81 BetrVG hinsichtlich ihrer Aufgaben und Verantwortung, über die Art ihrer Tätigkeit und deren Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs sowie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren und die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren hinausgehen (vgl. BAG vom 23.04.1991, 1 ABR 49/90; Richardi, BetrVG/Thüsing, 17. Aufl. 2022, § 96, Rn. 15).
35
(3) Nach der Gesetzesbegründung soll sich der Berufsbildungsbedarf aus der Durchführung einer Ist- und einer Soll-Analyse ergeben. Da § 96 BetrVG die Vorgehensweise zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs und die hierfür anzuwendenden Methoden nicht zwingend vorschreibt, kann der Arbeitgeber jedoch auch nach anderen Kriterien vorgehen (vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 96, Rn. 33). Die Form der Ermittlung ist gesetzlich ebenfalls nicht vorgeschrieben. Aus der Funktion dieser Bedarfsanalyse als einem Instrument der Personalentwicklung und Voraussetzung der Ausübung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats, die für die Qualifizierung der Arbeitnehmer bedeutsam sind, folgt allerdings, dass die Ermittlung mehr als eine grobe Einschätzung des Arbeitgebers beinhalten muss. Denn die Ermittlungspflicht soll dem Betriebsrat eine effektive Ausübung seiner Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ermöglichen und ihn von den Schwierigkeiten einer damit verbundenen Ermittlung entlasten (vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG § 96, Rn. 36). Unverzichtbar ist demnach eine nachvollziehbare Erhebungsmethodik. Verweise auf angeblich nicht existenten Bildungsbedarf erfüllen den Anspruch des Betriebsrats nicht (vgl. Düwell, BetrVG, 6. Auf. 2022, § 96, Rn. 20), da die Pflicht zur Erstellung einer aktuellen Bedarfsanalyse unabhängig davon besteht, ob der Arbeitgeber selbst einen aktuellen oder künftigen Bedarf sieht (vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG § 96 Rn. 36). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber zumindest darlegen muss, welches Qualifikationsniveau im Betrieb besteht und welche Berufsbildungsmaßnahmen bereits durchgeführt wurden. Zudem muss er ein Ziel beschreiben, welchen betrieblichen Qualifikationsbedarf er sieht (vgl. Richardi, BetrVG/Thüsing, 17. Aufl. 2022, § 96, Rn. 23; NK-ArbR/Waskow, 2. Aufl. 2023, BetrVG, § 96, Rn. 9). Dazu ist von aktuellen und künftigen Situationen insbesondere im Hinblick auf Produkte und Leistungen, Kunden, technische Ausstattung sowie die betriebliche und die Arbeitsorganisation auszugehen, um die Soll-Qualifikation möglichst konkret definieren zu können (vgl. Düwell, BetrVG, 6. Auf. 2022, § 96, Rn. 21). Dabei lässt sich die Qualifikation der Beschäftigten in die drei Felder Wissen (aktuell und künftig erforderliche theoretische Kenntnisse), Können (Fertigkeiten zur Bewältigung der gestellten Aufgaben und übergreifende Fähigkeiten wie z. B. Planungshandeln und Entscheidungsfähigkeit) sowie Verhalten (z. B. Flexibilität, Initiative, Urteilsvermögen, Überzeugungskraft, Kooperationsbereitschaft, Führungsverhalten) trennen (vgl. Düwell, BetrVG, 6. Auf. 2022, § 96, Rn. 21). Als Instrumente können eine Analyse und Aufbereitung vorhandener Unterlagen und Informationen, die Befragung von Führungskräften, Vorgesetzten und Arbeitnehmern oder individuelle Gespräche mit den Beschäftigten in Betracht kommen (vgl. Düwell, BetrVG, 6. Auf. 2022, § 96, Rn. 23).
36
bb) Diese Pflicht zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs hat die Arbeitgeberin bislang noch nicht erfüllt.
37
(1) Da die Pflicht zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG unabhängig davon besteht, ob die Arbeitgeberin einen Berufsbildungsbedarf sieht oder nicht, sind die diesbezüglichen Ausführungen der Arbeitgeberin, dass alle Mitarbeiter der geforderten Tätigkeit gut nachkämen und kein Berufsbildungsbedarf bestehe, irrelevant.
38
(2) Die Arbeitgeberin hat ihre Pflicht aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht bereits erfüllt. Eine Erfüllung hat sie zumindest nicht ausreichend dargelegt.
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(a) Die Arbeitgeberin trägt zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs widersprüchlich vor. Einerseits erklärt sie, dass der Fortbildungsbedarf kontinuierlich evaluiert werde und sie diese Verpflichtung zumindest durch ihre Schriftsätze in diesem Verfahren erfüllt habe. Andererseits führt sie aus, dass keine weiteren Ermittlungen über den Ausbildungsstand angestrebt würden, da ein Fortbildungsbedarf aus ihrer Sicht unabhängig von der Ausbildungssituation und der Qualifikation der Mitarbeiter nicht bestehe, da auch die in der Filiale arbeitenden Mitarbeiter ohne eine Ausbildung im Bereich des Einzelhandels die Verkaufstätigkeit gut ausüben könnten.
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(b) Die Erklärung, dass der Fortbildungsbedarf kontinuierlich evaluiert werde und nicht bestehe, genügt jedenfalls nicht den Anforderungen, die an die Ermittlung nach § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gestellt werden. Ebenso wenig ist die Verpflichtung zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs durch die in diesem Verfahren verfassten Schriftsätze der Arbeitgeberin erfüllt.
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Es ist schon nicht erkennbar, welche Erhebungsmethode die Arbeitgeberin für die Ermittlung in Form der kontinuierlichen Evaluierung bzw. im Rahmen des vorliegenden Verfahrens verwendet hat (vgl. ArbG Frankfurt vom 13.08.2008, 7 BV 207/08, Rn. 13). Die Mitteilung einer groben Einschätzung kann die Verpflichtung der Arbeitgeberin aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gerade nicht erfüllen (siehe oben unter II. 2. a) aa) (3).
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Zudem hat die Arbeitgeberin ihre Pflicht aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht erfüllt, da sie nicht den Ist-Zustand bezüglich des bestehenden Qualifikationsniveaus in dem Betrieb mit ca. 100 Mitarbeiter dem Betriebsrat mitgeteilt hat. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn die Arbeitgeberin keinerlei Berufsbildungsmaßnahmen durchgeführt hat und keinerlei Ziele für einen Qualifikationsbedarf sieht, weil aus ihrer Sicht Ist- und Soll-Zustand übereinstimmten. Denn nur auf dieser Grundlage kann der Betriebsrat sein Recht aus § 96 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, Vorschläge zu machen, wirksam ausüben.
43
b) Der Antrag zu 1 ist nicht begründet. Der Betriebsrat kann keine Unterrichtung über die Personalplanung verlangen, da er nicht ausreichend dargelegt hat, dass die Arbeitgeberin eine Personalplanung betreibt.
44
aa) Voraussetzung für einen Anspruch aus § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist, dass eine Personalplanung beim Arbeitgeber durchgeführt wird.
45
Personalplanung ist dabei weit zu verstehen (vgl. BAG vom 12.03.2019, 1 ABR 43/17, Rn. 21; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 92, Rn. 9). Darunter fällt jede Planung, die sich auf den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht, auf dessen Deckung im weiteren Sinne und auf den abstrakten Einsatz der personellen Kapazitäten bezieht. Erfasst werden die Planung des Personalbedarfs, der Personalbeschaffung, des Personaleinsatzes sowie der Personalentwicklung (vgl. BAG vom 12.03.2019, 1 ABR 43/17, Rn. 21; BAG vom 08.11.2016, 1 ABR 64/14, Rn. 13; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 92, Rn. 9). Unter Planung fällt der Prozess des systematischen Suchens und Festlegens von Zielen sowie des Formulierens von Methoden, Strategien und Vorgehensweisen, um die Ziele zu erreichen (vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 92, Rn. 26). Auch eine kurzfristige und intuitive Planung ist davon erfasst (vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 92, Rn. 10).
46
Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist lediglich, dass der Arbeitgeber Ermittlungen über den gegenwärtigen Personalbedarf und Überlegungen über den künftigen Personalbedarf anstellt und in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen wird, welche personellen Maßnahmen, also insbesondere Einstellungen, Versetzungen und Entlassungen, sich daraus ergeben und ob Maßnahmen der Berufsbildung zu ergreifen sind (vgl. Richardi, BetrVG/Thüsing, 17. Aufl. 2022, § 92, Rn. 24). Denn der Arbeitgeber ist gegenüber dem Betriebsrat zur Information nur in dem Maße verpflichtet, wie er selbst plant (vgl. LAG Berlin vom 13.06.1988, 9 TaBV 1/88). Erforderlich ist das Vorliegen von Überlegungen auf Arbeitgeberseite, die das Stadium der Planung erreicht haben (vgl. Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 92, Rn. 26). Dabei fällt die Personaleinsatzplanung ebenfalls unter § 92 BetrVG, soweit nicht der konkrete Einsatz einzelner Mitarbeiter betroffen ist.
47
Abzugrenzen sind die Beteiligungsrechte nach § 92 BetrVG von konkreten personellen Einzelmaßnahmen im Sinne des § 99 BetrVG. Die Beteiligungsrechte nach § 92 BetrVG beziehen sich nur auf die abstrakteren Prozesse der gedanklichen Vorwegnahme künftigen Personalgeschehens (vgl. BAG vom 12.03.2019, 1 ABR 43/17, Rn. 22; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, BetrVG, 31. Aufl. 2022, § 92, Rn. 17).
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bb) Der Betriebsrat hat keine Anhaltspunkte vorgetragen, dass es bei der Arbeitgeberin zu personellen Planungen in Bezug auf ihre Arbeitnehmer kommt. Er hat insbesondere keinen Vortrag geleistet, aus dem sich ergibt, dass die Arbeitgeberin über den konkreten Personaleinsatz und insbesondere die Einsatzplanung für fünf Wochen, bei der eine Beteiligung des Betriebsrats stattfindet, eine Personalplanung oder insbesondere eine Personaleinsatzplanung betreibt. Nur das Bestreiten des Betriebsrats reicht hierfür nicht aus. Auch weder mit Blick auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern noch die Zuteilung von Stundenbudgets hat der Betriebsrat Anhaltspunkte dafür geleistet, dass diesem Einsatz bzw. dieser Zuteilung eine Personalplanung der Arbeitgeberin zugrunde läge, über die er zu unterrichten wäre.
49
cc) Bezüglich der Stundenbudgets gibt er sogar selbst an, dass er nicht sicher sei, ob ein Zusammenhang mit der Personalplanung bestehe. Er kann deshalb keine Unterrichtung darüber verlangen, welches Stundenbudget für die Filiale bis 2024 besteht (Antrag zu 1 d).
50
dd) Da dem Betriebsrat nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur ein Unterrichtungsrecht über die tatsächlich durchgeführte Planung der Arbeitgeberin zusteht, scheidet eine Auskunft darüber, ob ein Prozess für das Festlegen von Zielen für die Jahre 2022 bis 2024 für die Filiale vorliegt (Antrag zu 1 a), ob für die Filiale für die Jahre 2022 bis 2024 Methoden, Strategien und/oder Vorgehensweisen bestehen (Antrag zu 1 c), ob die täglich in den sog. Nippons mitgeteilten Vorgaben zu Umsatzzielen Relevanz für die Personalplanung haben (Antrag zu 1 g) und ob eine Krankheitsquote in den jeweiligen Personaleinsatzplanungen der Jahre 2022 bis 2024 für die Filiale zugrunde gelegt wird (Antrag zu 1 h), darüber hinaus von vornherein aus. Der Betriebsrat kann nur Unterrichtung über die tatsächliche Planung anhand der vom Arbeitgeber verwendeten Unterlagen verlangen, nicht aber eine darüber hinausgehende Auskunft über mit der Personalplanung im Zusammenhang stehende oder dieser vorgeschaltete Informationen.
51
ee) Die Unterrichtung bezüglich Informationen aus der Vergangenheit kommt nach § 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ebenfalls von vornherein nicht in Betracht, da sich Personalplanung auf den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf bezieht (vgl. LAG Niedersachsen vom 01.06.2016, 13 TaBV 13/15, Rn. 57). Aus diesem Grund kann keine Unterrichtung darüber verlangt werden, welches Stundenbudget bestanden hat und nach welchen Methoden/Strategien und/oder Vorgehensweisen ein Stundenbudget festgelegt wurde sowie inwieweit (Kennzahl, Zahl und Grad) dieses Stundenbudget bis zum Stichtag 30.06.2023 über- oder unterschritten wurde bzw. diese Budgetplanung nach dem Stichtag 30.06.2023 geändert wurde (Teile des Antrags zu 1 d). Dasselbe gilt für die begehrte Unterrichtung darüber, mit wie vielen Arbeitnehmern für die Jahre 2022 bis 2024 geplant wurde und inwieweit diese Planung über- oder unterschritten wurde bzw. nach dem Stichtag 30.06.2023 diese Planung geändert wurde (Antrag zu 1 e) und mit wie vielen Fremdarbeitnehmern für die Jahre 2022 bis 2024 geplant wurde und inwieweit diese Planung über- oder unterschritten wurde bzw. nach dem Stichtag 30.06.2023 diese Planung geändert wurde (Antrag zu 1 f).
52
ff) Aus § 92 Abs. 1 Satz 2 BetrVG folgt unabhängig von der Frage der ausreichenden Darlegung auch kein Anspruch auf Unterrichtung über die für die Filiale vorgegebenen Umsatzziele für die Jahre 2022 bis 2024 und den Stand der Zielerreichung zum Stichtag 30.06.2023 (Antrag zu 1 b), da es sich hierbei nicht um die Personalplanung selbst handelt. Die Umsatzziele können lediglich Parameter sein, die einer Personalplanung zugrundegelegt werden. Einen eigenständigen Anspruch auf Unterrichtung über diese Parameter, die eine noch vorzunehmende Planung auslösen können, steht dem Betriebsrat jedoch nicht zu (vgl. BAG vom 12.03.2019, 1 ABR 43/17, Rn. 25).
53
gg) Ein Anspruch auf Unterrichtung steht dem Betriebsrat gleichfalls nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 92 Abs. 2 BetrVG zu. Denn der Betriebsrat hat in keiner Weise dargelegt, inwiefern er die begehrten Informationen benötigt, um sein Vorschlagsrecht nach § 92 Abs. 2 BetrVG wahrzunehmen.
54
c) Der Antrag zu 3 ist ebenfalls nicht begründet.
55
Ein Ordnungsgeld nach § 23 Abs. 3 BetrVG wegen grober Verstöße gegen §§ 92, 96 BetrVG kommt bei Handlungspflichten von vornherein nicht in Betracht. Ein Zwangsgeld im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 3 BetrVG ist jedoch nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht zunächst anzudrohen (vgl. Richardi BetrVG/Thüsing, 17. Aufl. 2022, BetrVG § 23 Rn. 115).
III.
56
Der Beschluss ergeht gerichtskostenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.
57
Gegen diesen Beschluss ist für die Arbeitgeberin und den Betriebsrat das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 87 ArbGG zum Landesarbeitsgericht München nach Maßgabe nachfolgender Rechtsmittelbelehrungstatthaft.