Inhalt

AG Nördlingen, Beschluss v. 30.10.2023 – VI 999/21
Titel:

Prüfung der Testierfähigkeit im Erbscheinsverfahren

Normenketten:
BGB § 2229
FamFG § 26, § 30 Abs. 1, § 81
Leitsätze:
1. Die Frage der Testierfähigkeit ist von Amts wegen nur zu prüfen, wenn aus objektivierbaren Tatsachen oder Hilfstatsachen Anlass zu Zweifeln durch Darlegung von Auffälligkeiten beim Erblasser bestehen. Vermutungen und Wahrscheinlichkeitsurteile für mögliche Krankheitsbilder ohne Anknüpfung an auffälliges symptomatisches Verhalten des Erblassers im zeitlichen Zusammenhang mit der Testamentserrichtung genügen insofern nicht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 30 Abs. 1 FamFG liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit es sich zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts einer förmlichen Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO bedienen will. Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet dabei aber das Tatsachengericht, alle zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Das Nachlassgericht hat zunächst die Tatsachen zu ermitteln, die für die Annahme, dass Testierunfähigkeit vorgelegen habe, geeignet sein können, bevor es ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gibt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Testament, Testierfähigkeit, Amtsermittlung, Ermessen, Kostenentscheidung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 12.08.2024 – 33 Wx 294/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52167

Tenor

1. Die zur Begründung des Antrags vom 21.09.2021 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
2. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt. Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
3. Der Beteiligt ... trägt die Kosten des Verfahrens zu 4/5, die Beteiligte ... zu 1/5, jeweils mit Ausnahme der durch den Erbscheinsantrag des Beteiligten ... entstandenen Kosten, die diese selbst trägt. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

Gründe

I.
1
Mit Antrag vom 21.09.2021 beantragte die Beteiligte ... die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von
...
geboren am ...
allein.
2
Die Beteiligte ... begründet dieses Erbrecht mit dem vom Erblasser handschriftlich verfassten Testament vom 10.06.2021, wonach sie, ..., alleinige Erbin sein solle. Sie vertritt die Auffassung, dass der Erblasser, als er eigenhändig das Testament verfasst habe, trotz seiner schweren Erkrankung jedenfalls testierfähig gewesen sei.
3
Die Beteiligte ..., Ehefrau des Erblassers, bestreitet dieses Erbrecht. Sie ist der Auffassung, dass vorliegend die gesetzliche Erbfolge greife. Zum einen behauptet die Beteiligte ..., dass das Testament offensichtlich nicht vom Erblasser, sondern von einer anderen Person verfasst worden sei, weil die Handschrift im Testament nicht mit der Handschrift des Erblassers in Einklang zu bringen sei. Weiter behauptet sie, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der vermeintlichen Abfassung gar nicht mehr in der Lage gewesen sei, Willenserklärungen, insbesondere in Form einer letztwilligen Verfügung, abzugeben; der Verstorbene sei testierunfähig gewesen, weil er unter einem bösartigen Gehirntumor mit der Folge erheblichen kognitiver Störungen gelitten habe.
4
Auch die Beteiligte ... Tochter des Erblassers, erhob zunächst Einwände gegen das Erbrecht der ..., sie schloss sich den Ausführungen der Beteiligten ... an. Mit Schreiben vom 11.10.2023 nahm sie ihre Einwände zuletzt zurück.
II.
5
Vorliegend war ein Feststellungsbeschluss gemäß § 352 e FamFG zu erlassen, dessen sofortige Wirksamkeit auszusetzen war, da der beantragte Erbschein dem erklärten Willen der Beteiligten ... widerspricht.
6
Die für die Erteilung eines Erbscheins gemäß Antrag vom 21.09.2021 der ... erforderlichen Tatsachen waren für festgestellt zu erachten. Die Einwendungen der Beteiligten ... und (zunächst auch) der Beteiligten ... gegen die Geltung des handschriftlichen Testaments vom 10.06.2021 bleiben in jeder Hinsicht, also hinsichtlich Urheberschaft und Testierfähigkeit, ohne Erfolg.
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1. Aufgrund des erholten graphologischen Sachverständigengutachtens vom 23.12.2022 (Bl. 148/181 d.A.) ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass das handschriftliche Testament vom 10.06.2021 tatsächlich vom Erblasser selbst ge- und unterschrieben wurde; an der Urheberschaft hat das Gericht keine Zweifel.
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a) Das Gericht schließt sich insoweit den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen ..., welche die Parteien insoweit auch nicht angegriffen haben, in eigener Überzeugungsbildung an. An der Fachkunde des Gutachters bestehen keinerlei Zweifel. Der Sachverständige hat seine Erkenntnisse ausführlich und nachvollziehbar hergeleitet.
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So hat der Sachverständige die fraglichen Schreibleistungen schriftvergleichend untersucht und dabei festgestellt, dass es sich jedenfalls um sogenannte primäre Schreibleistungen, also keine indirekten Pausungen handelt (S. 9 GA). Weiter erfolgten die Untersuchungen hinsichtlich allgemeiner und besonderer Schriftmerkmale, wobei sich lediglich bei einer Vergleichsschrift (V36, S. 11 GA) Zweifel an der Echtheit ergeben hätten. Insgesamt habe sich, so der Sachverständige, eile gewisse Variabilität gezeigt, wobei sich die Testamentsunterschrift überwiegend in die Variationsbreite der Vergleichsschriften einfüge (S. 11 GA). Als Gesamtbefund seiner Begutachtung führt der Sachverständige aus (S. 14 GA), dass Genauigkeit und Unregelmäßigkeit der Zeilenführung Übereinstimmungen aufwiesen. Sehr ähnlich sei auch die leichte Rechtsgeneigtheit der Schriftlage; Schriftgröße und Größenverhältnisse seien ebenso nicht unähnlich. Dabei, so führt der Sachverständige aus, sei auffällig die Schulform in der fraglichen Textschrift und in der Vergleichstextschrift V40'. Der Sachverständige stellt weiter fest, dass der Grad der Verbundenheit der Zeichenfolge übereinstimmend eher hoch sei, was auch bei den Unterschriften der Fall sei. Die Schriftmerkmale des fraglichen Testaments, stellt der Sachverständige fest, fügten sich hinsichtlich allgemeiner und besonderer Merkmale in nicht unerheblichen Maße ein in die beobachtbare Variationsbreite der Vergleichsproben des Erblassers, insbesondere der Vergleichsschrift V40' (S. 15 GA).
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Letztlich kommt der Sachverständige zu der überzeugenden Schlussfolgerung, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit der Urheberschaft des Vergleichsschreibers an dem infrage stehenden Testament (Text und Unterschrift) festzustellen sei und der Hypothese der Urheberschaft einer anderen Person eine nur niedrige Wahrscheinlichkeit beizumessen sei (S. 19 GA).
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b) Das Gericht macht sich die vorstehenden Erkenntnisse des Sachverständigen zu Eigen und gewinnt auf dieser Grundlage die Überzeugung, dass das 10.06.2022 verfasste Testament (Bl. 62 d.A.) tatsächlich vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschrieben wurde und nicht etwa durch eine dritte Person. Der Einwand der Beteiligten ... und ... verfängt insoweit nicht.
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2. Das Gericht hat auch an der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine Zweifel. Die Beteiligten ... und ... vermochten insoweit keinerlei verlässliche Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers darlegen. Insbesondere die erholten Auskünfte der behandelnden Ärzte des Erblassers, insbesondere die des ..., bei dem der Erblasser noch am Tag der Testamentserrichtung vorstellig wurde, lassen das Gericht zu der Überzeugung gelangen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 10.06.2021 voll testierfähig war.
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a) Grundsätzlich ist von der Testierfähigkeit des Erblassers auszugehen, da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, § 2229 BGB (Burandt/Rojahn/Gierl, 4. Aufl. 2022, FamFG § 352 e Rn. 85 m.w.N.). Die Frage der Testierfähigkeit ist von Amts wegen nur zu prüfen, wenn aus objektivierbaren Tatsachen oder Hilfstatsachen Anlass zu Zweifeln durch Darlegung von Auffälligkeiten beim Erblasser bestehen. Vermutungen und Wahrscheinlichkeitsurteile für mögliche Krankheitsbilder ohne Anknüpfung an auffälliges symptomatisches Verhalten des Erblassers im zeitlichen Zusammenhang mit der Testamentserrichtung genügen insofern nicht (OLG Düsseldorf MDR 2013, 101). Im Interesse der Rechtssicherheit sind an den Beweis einer Testierunfähigkeit sehr strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss der Ausschluss der freien Willensbildung in vollem Umfang bewiesen werden, das Vorliegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit begründet keine tatsächliche Vermutung für einen solchen Ausschluss.
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Das Nachlassgericht ist im Erbscheinsverfahren verpflichtet, die erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen und sämtliche zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Beweise zu erheben (Burandt/Rojahn/Gierl, 4. Aufl. 2022, FamFG § 352 e Rn. 61 m.w.N.). Dabei beschränkt sich die Ermittlungstätigkeit auf die Prüfung, ob die Anfechtungsgründe zutreffen, die der Anfechtende in der Anfechtungserklärung oder später geltend gemacht bzw. die aufgrund sonstiger Umstände für das Nachlassgericht ersichtlich sind (a.a.O. § 352 e Rn. 76).
15
Nach § 30 Abs. 1 FamFG liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob und inwieweit es sich zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts einer förmlichen Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO bedienen will (a.a.O. § 352 e Rn. 64); es kann nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen mündlichem und schriftlichem Verfahren zu wählen (a.a.O. § 352 e Rn. 65). Art und Umfang der Ermittlungen richten sich dabei nach der Lage des jeweiligen Einzelfalls. Der Tatrichter entscheidet nach freiem Ermessen, ohne an Beweisanträge gebunden zu sein. Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet dabei aber das Tatsachengericht, alle zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Das Nachlassgericht hat zunächst die Tatsachen zu ermitteln, die für die Annahme, dass Testierunfähigkeit vorgelegen habe, geeignet sein können, bevor es ein medizinisches Sachverständigengutachten in Auftrag gibt (BayObLG NJW-RR 1990, 1419), so z.B. Befragung des Urkundsnotars und Beiziehung der medizinischen Unterlagen betreffend den Erblasser (OLG Karlsruhe Beschl. v. 21.05.2015 – 11 Wx 82/14). Die Einholung von schriftlichen Stellungnahmen ist in der Regel ausreichend (Burandt/Rojahn/Gierl, 4. Aufl. 2022, FamFG § 352 e Rn. 87).
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Stand der Erblasser unter Betreuung wären weitere Ermittlungen dann anzustellen, wenn sich aus dem Inhalt der Betreuungsakten konkret begründete Zweifel an der Testierfähigkeit ergäben (MüKoBGB/Sticherling, 8. Aufl., § 2229 Rn. 17, 18, 70).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen an die Verpflichtung zur Amtsaufklärung gem. § 26 FamFG bestand kein Anlass, der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers durch Einholung eines Sachverständigengutachtens weiter nachzugehen. Es fehlt bereits an jeglichen Anhaltspunkten für konkrete auffällige Verhaltensweisen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung, insbesondere an solchen, die darauf hindeuten könnten, dass er (wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen) nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Bedeutung der von ihr abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und (unbeeinflusst von fremdem Willen) nach dieser Einsicht zu handeln.
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aa) Solche Anhaltspunkte ergeben sich zunächst nicht aus der Auskunft des Klinikums, ... (Bl. 191f d.A.). Zwar wird in der Anamnese von einem progredienten Verwirrtheitssyndrom des Erblassers in den vergangenen Wochen berichtet, gleichzeitig wird aber im Aufnahmebefund, den das Gericht für wesentlich aussagekräftiger hält, weil er im Gegensatz zur Anamnese auf eigenen Tatsachenfeststellungen des Behandlers beruht, als wach und voll orientiert beschrieben.
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bb) Ausschlaggebend für das Gericht im vorliegenden Erbfall sind aber die Feststellungen des behandelnden Arztes und ausgebildeten Palliativmediziners ... (Bl. 189, 233 ff d.A.), bei welchem sich der Erblasser mehrfach persönlich vorstellte, und der deshalb insbesondere zum kognitiven Zustand des Erblassers Auskunft geben kann. So stellt er zunächst klar, dass die Tatsache, einen Hirntumor zu haben, nicht zeitgleich eine kognitive Beeinträchtigung mit sich ... bringe. An der Einsichtsfähigkeit des Erblassers habe zu keinem Zeitpunkt Zweifel bestanden. ... führt insoweit in seinem ärztlichen Attest vom 10.06.2020 aus (Bl. 180 d.A.), dass er keinerlei Anhaltspunkte sehe, die darauf hindeuten würden, dass der Erblasser nicht in der Lage wäre, seinen Willen zu bilden und zu formulieren. Der (spätere) Erblasser erkenne klar die Zukunftsperspektive, und der Wunsch seine verbleibende Lebenszeit bei seiner Schwester in deren Betreuung verbringen, werde klar formuliert. ... führt weiter in seiner Stellungnahme für das ... vom 18.04.2020 (Bl. 233 ff d.A.) detailliert aus, dass er gerade wegen des vorgenannten Attestes vor dessen Ausstellung die kognitive Situation des Erblassers sehr genau exploriert habe. Der Arzt stellt fest, dass es der fünfte persönliche Kontakt mit dem Patienten innerhalb von 19 Tagen sei und dass er den Patienten deshalb schon ziemlich gut kenne. Er führt aus, dass er aufgrund seiner Exploration zu dem Schluss gekommen sei, dass der Erblasser zu dem benannten Zeitpunkt seine Lebenssituation einschätzen habe können und seinen Willen frei habe formulieren können. Im beigefügten Karteikartenausdruck ist festgehalten, dass keine ungebührliche fremde Beeinflussung erkannt werde (Bl. 236 d.A.). Hinsichtlich einer etwaigen Auswirkung von Medikamenten gibt der Arzt in seinem Bericht vom 18.04.2023 an, dass beim Erblasser zu diesem Zeitpunkt, also zum Zeitpunkt der Testamentserstellung, keine Psychopharmaka oder Schmerzmedikation stattgefunden habe. Die Medikation mit Blutdruckmitteln verursache keinerlei kognitive Beeinträchtigung; das verabreichte Dexametason vermeide gerade den Hirndruck, damit die Kognition erhalten bleibe.
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cc) Die von der Beteiligten ... geschilderten Vorfälle ordnet das Gericht dem damals noch unbehandelten Gehirntumor zu. Soweit sich die von der Beteiligten ... in den Schriftsätzen vom 06.10.2021 und vom 11.10.2021 (Bl. 87 ff, 100 d.A.) geschilderten Verhaltensweisen des Erblassers tatsächlich in der dargestellten Form ereignet haben sollten, kommt es darauf nicht an. Dies deshalb, weil es für die Frage der Testierfähigkeit nur auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung und nicht etwa auf zurückliegende Vorfälle vor angemessener Behandlung des Krankheitsbildes des Erblassers ankommt. In Verbindung mit den Ausführungen des ... kann hier jedenfalls nicht auf einen „Dauerzustand“ der Verwirrtheit geschlossen werden; ebenso wenig kann allein aus dem Umstand, dass der Erblasser an einem Hirntumor litt, nicht auf eine Einschränkung seiner kognitiven Fähigkeiten geschlossen werden (vgl. Bl. 234 d.A.). Nach den Ausführungen des ... war der Erblasser jedenfalls zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, auf den es maßgeblich ankommt, voll testierfähig.
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dd) Diese Schlussfolgerung des Gerichts wird auch unterstrichen durch das Betreuungsverfahren, das für den Erblasser anhängig war. So ergibt sich aus dem Beschluss vom 18.06.2021 des Amtsgerichts ... (Bl. 201 f d.A.), mithin 8 Tage nach Testamentserrichtung, dass der Erblasser vom Betreuungsgericht als geschäftsfähig erachtet werde und in der Lage sei, eine Person seines Vertrauens rechtsgeschäftlich zu bevollmächtigen. Auch für den Betreuten gilt der Grundsatz der Testierfähigkeit, nach dem der Testator so lange als testierfähig anzusehen ist, wie nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist (MüKoBGB/Sticherling, 8. Aufl. 2020, BGB § 2229 Rn. 69). Einen solchen Nachweis oder zumindest tragfähige Anhaltspunkte vermochten die Beteiligten ... und ... nicht zu erbringen.
22
c) Zu weiteren Ermittlungen bestand zudem deshalb keine Veranlassung, da andere naheliegende Ermittlungsansätze weder ersichtlich sind, noch sich aus dem Vorbringen der Beteiligten ergeben. Insbesondere ergibt sich aus keiner der erholten Auskünfte nur der geringste Hinweis auf einen etwaigen Alkoholabusus zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, den die Beteiligten ... und ... gerade gegen die Testierfähigkeit des Erblassers anführen. Im Übrigen dürfte dieser Umstand, so er denn zuträfe, nicht zwingend einen Rückschluss auf den Geisteszustand eines Menschen und seine Testierfähigkeit zulassen.
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d) Das Gericht vermochte sich aufgrund der erholten ärztlichen Auskünfte ausreichend Klarheit über den medizinischen Befund zu verschaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen. Nachdem die feststellbaren Tatsachen nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichen, um den Ausnahmefall der Testierunfähigkeit mit Hilfe eines Sachverständigen zu begründen, war auch kein Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen hinsichtlich des medizinischen Befunds einer Geisteskrankheit oder -schwäche und insbesondere deren Auswirkung auf die Einsichts- und Willensfähigkeit des Erblassers einzuholen, § 26 FamFG (vgl. AG Rosenheim, Beschl. v. 21.01.2019 – VI 1239/18 –, juris).
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3. Nach alledem verbleibt es bei der Alleinerbeneinsetzung der Beteiligter ... aus dem handschriftlichen Testament vom 10.06.2021. Die zur Begründung des Antrags vom 21.09.2021 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen waren für festgestellt zu erachten.
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4. Die Kosten waren den Antragsgegnerinnen, also den Beteiligten ... und ... wie aus dem Tenor ersichtlich aufzuerlegen.
26
a) Eine Kostenentscheidung wurde vom Rechtsbeistand der Beteiligten ... ausdrücklich beantragt (OLG Düsseldorf Beschl. v. 13.01.2021 – I-3 Wx 205/20, BeckRS 2021, 1328 Rn. 12, beck-online m.w.N.), sodass eine Entscheidung hierüber veranlasst war.
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b) Entscheidungsmaßstab ist hierbei gem. § 81 FamFG, wonach das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen kann. Die Billigkeit hat das Gericht im Wege einer abwägenden Ermessensausübung festzustellen, wobei sämtliche in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls heranzuziehen sind. Hierbei kann neben anderen Umständen auch das Obsiegen und Unterliegen berücksichtigt werden. Zu den weiteren in die Ermessensentscheidung einzubeziehenden Umständen zählen etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten (vgl. dazu ausführlich BGH, NJW-RR 2016, 200 ff).
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aa) Vorliegend war insbesondere das Verhalten der Beteiligten ... naßgeblich zu berücksichtigen. Diese, so hat das Gericht aufgrund des Akteninhalts und des beim AG Nördlingen zunächst anhängig gemachten Zivilverfahren ... den starken Eindruck, hat die Einwendungen gegen das Testament nicht aufgrund tatsächlicher Zweifel an der Urheberschaft und Testierfähigkeit erhoben, sondern weil die Beteiligte schlicht persönliche Differenzen, die sie mit der Familie ... zu haben scheint, hier im Wege des Erbscheinsverfahrens weiter austragen wollte.
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Diese Annahme beruht auch auf dem persönlichen Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Hauptverhandlung vom 09.03.2022 in o.g. Zivilverfahren von der Beteiligten und dortigen Beklagten Simon gewinnen konnte. Sie trat sehr bestimmt, eigensinnig und der Klagepartei ... gegenüber äußerst abgeneigt auf. Es gab außerdem in der Vergangenheit seitens der Beteiligten ... bereits diverse Strafanzeigen gegen Angehörige der Familie ... (Bl. 14 ff d.A.) sowie das o.g. Zivilverfahren, welches den Ort der Beisetzung des Erblassers zum Streitgegenstand hatte. Auch im hiesigen Nachlassverfahren hat die Beteiligte ... mit E-Mail vom 19.08.2021 (Bl. 51 d.A.) die Echtheit der Vorsorgevollmacht, welche der Erblasser für ... am 23.04.2021 ausgestellt hatte, bezweifelt und die Erholung eines graphologischen Gutachtens angeregt.
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Durch die von Beteiligten ... nach Antragstellung durch die Alleinerbin ... erhobenen Einwände gegen das Testament war erst anwaltlicher Beistand erforderlich (MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, FamFG § 81 Rn. 18).
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Nach Betrachtung der Gesamtumstände erscheint es hier billig, der letztlich unterliegenden Beteiligten ..., die aus verfahrensfremden Motiven, vermutlich sogar wider besseres Wissen erfolglose Einwendungen erhoben hat, die Verfahrenskosten einschließlich der Kosten des graphologischen Sachverständigen aufzuerlegen; davon ausgenommen sind allein die durch den Erbscheinsantrag der Beteiligten ... entstandenen Kosten, die diese mit Blick auf das Veranlasserprinzip selbst zu tragen hat.
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bb) Der Beteiligten ... waren die Verfahrenskosten zu 1/5 aufzuerlegen, weil ihr eine jedenfalls fahrlässige Außerachtlassung der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße unter Nichtbeachtung dessen, was jedem einleuchten muss, zur Last zu legen ist (MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, FamFG § 81 Rn. 39). Diese war auch (mit)kausal für die Einleitung des Verfahrens, also Erholung eines graphologischen Gutachtens und Erholung einer Vielzahl von Arztauskünften.
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Die Beteiligte gibt selbst in ihrem Schreiben vom 04.10.2021 (Bl. 85 d.A.) an, erst durch das Anschreiben des Amtsgerichts Nördlingen vom 21.09.2021 (Bl. 81 f d.A.) vom Tod des Vaters am 26.06.2021 erfahren zu haben. Sie hatte also offensichtlich geraume Zeit keinerlei Kontakt mehr zu ihrem Vater, dem Erblasser. Es erschließt sich nicht, wie sie sich dann den Einwänden der Beteiligten ... ohne eigene Prüfung anschließen kann (Bl. 104 d.A.). Das Gericht sieht hierin ein jedenfalls fahrlässiges Verhalten der Beteiligte ..., sodass auch ihr nach Abwägung der Umstände die Verfahrenskosten zum Teil aufzuerlegen waren. Die Ingangsetzung des Verfahrens, hier eines umfangreichen und kostenintensiven Beweiserhebungsverfahrens, stellt nämlich auch einen wesentlichen Wertungsaspekt dar. Dass sie ihre Einwände zuletzt nicht aufrechterhalten hat, vermag daran nichts zu ändern.
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cc) Nachdem keinerlei Hinweise auf einen gemeinsamen Tatplan der Beteiligter ... und ... vorliegen, und das Gericht einen solchen auch für unwahrscheinlich hält, war der Ausspruch einer gesamtschuldnerischen Haftung für die Kosten nicht veranlasst. Haben Beteiligte in Gegnerstellung jeweils schuldhaft Verursachungsbeiträge für die Verfahrenseinleitung gegeben, kann dies nur zur Kostenteilung zwischen den Provokateuren führen. (MüKoFamFG/Schindler, 3. Aufl. 2018, FamFG § 81 Rn. 44, 45). Das Gericht sieht hier den wesentlichen Verursachungsbeitrag bei der Beteiligten ..., sodass ihr 4/5 der Verfahrenskosten aufzuerlegen waren, die Beteiligte hat sich letztlich deren Einwendun ... gen ohne weitere Prüfung und pauschal angeschlossen, verfahrensfremde Motive für die Ingangsetzung des vorliegenden gerichtlichen Prüfungsverfahren hinsichtlich Testierfähigkeit und Urheberschaft des Testaments waren bei ihr nicht zu erkennen.