Titel:
Steuerrechtliche Einstufung einer PartG als Großbetrieb
Normenketten:
EStG § 15a Abs. 4, § 18
AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 193 Abs. 1
FGO § 100 Abs. 1 S. 1
PartGG § 1 Abs. 1, Abs. 4
BpO § 3, § 4 Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind Außenprüfungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Weder der Abgabenordnung noch der Betriebsprüfungsanordnung ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Juni Oktober 2021 III B 130/20, BFH/NV 2022, 97). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein Ermessensfehler im Sinne des § 102 Satz 1 FGO gegeben ist, beurteilt sich grundsätzlich nach der Begründung der Prüfungsanordnung durch die Finanzbehörde. Wenn die Anordnung einer Außenprüfung im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO grundsätzlich ermessensgerecht ist und sie nicht gegen das Übermaß-, das Willkür- oder Schikaneverbot verstößt, bedarf sie indessen regelmäßig keiner über die Angabe der gesetzlichen Grundlage, also des § 193 Abs. 1 AO, hinausgehenden Begründung. Dies gilt nicht nur für die erste Anschlussprüfung, sondern auch für eine weitere Anschlussprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25, BeckRS 2016, 95452). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
„Ermessenserwägungen bei wiederholter Anschlussprüfung“, Ermessensentscheidung, Größenklasse, Willkürverbot, Anschlussprüfung, Gewinn, Verhältnismäßigkeit, Gleichbehandlungsgrundsatz, Partnerschaftsgesellschaft, Außenprüfung, Belastungsgleichheit, Großbetrieb
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52122
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin ist eine seit dem … bestehende Rechtsanwaltspartnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG), die zuvor ab dem …als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handelte. Gegenstand der Klägerin ist die Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung.
2
Der Betrieb der Klägerin war nach der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) ab dem Veranlagungszeitraum 2007 als Großbetrieb eingestuft. Der Beklagte (das Finanzamt) prüfte bereits die Veranlagungszeiträume 2003 – 2014 lückenlos durch eine Außenprüfung (insgesamt vier Prüfungen). Betreffend die Jahre 2012 bis 2014 dauert die Prüfung noch an.
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Mit Verwaltungsakt vom … erließ das Finanzamt für die anschließenden Veranlagungszeiträume 2015 – 2018 eine weitere Prüfungsanordnung für die Klägerin. Geprüft werden sollte die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung einschließlich des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG), der jeweilige Gewerbesteuermessbetrag und die Umsatzsteuer. Als Beginn der Prüfung war der … vorgesehen.
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Den gegen diese Prüfungsanordnung gerichteten Einspruch der Klägerin, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass sie sich seit 2003 lückenlos Außenprüfungen habe unterziehen müssen, ohne dass diese Prüfungen zu nennenswerten Mehrergebnissen geführt hätten, wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurück.
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Es stützte seine Entscheidung u.a. darauf, dass sich das Finanzamt sowohl bei Auswahl als auch beim zeitlichen Umfang an die Bestimmungen der Betriebsprüfungsordnung (BpO) gehalten habe. Die angefochtene Prüfungsanordnung umfasse drei zusammenhängende Prüfungszeiträume und bei dem geprüften Betrieb handle es sich um einen Großbetrieb, so dass eine lückenlose Prüfung ermessensgerecht gewesen sei.
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Die Finanzverwaltung sei insbesondere berechtigt gewesen, die Einteilung der Betriebe in Größenklassen nach den an bestimmten Stichtagen gegebenen Merkmalen vorzunehmen. Bezugsgrößen seien die in den Steuerfestsetzungen bzw. Feststellungen, hilfsweise die in den Steuererklärungen angegebenen Gewinne oder Gesamtumsätze zu dem für den betreffenden Prüfungsturnus maßgebenden Stichtag. So sei das Finanzamt für den am 01. Januar 2019 beginnenden Prüfungsturnus berechtigt, primär auf die Werte aus der Veranlagung für 2016 zurückzugreifen. Laut der Anlage 1 des BMF Schreibens vom 13. April 2018 seien freie Berufe mit einem steuerlichen Gewinn über … € für den Streitzeitraum der Größenklasse G zuzurechnen gewesen. Da der Gewinn der Klägerin im Streitzeitraum … über der Grenze von … € liege, sei die Einteilung in die Größenklasse G zu Recht erfolgt.
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Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage wegen der wiederholten Anordnung einer Außenprüfung trägt die Klägerin vor, das Finanzamt habe das notwendige Ermessen nicht bzw. unzureichend ausgeübt. Es habe die Anordnung der Außenprüfung nicht ausreichend begründet und der bloße Hinweis auf § 193 Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit der BpO reiche nicht aus, ein ordnungsgemäßes Auswahlermessen darzulegen.
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Insbesondere vor dem Hintergrund, dass tatsächlich lediglich 1/5 der Großbetriebe geprüft würden und es somit ein massives Vollzugsdefizit gebe, hätte die Anordnung im Streitfall, in dem die Klägerin fünfmal in Folge geprüft worden sei, ausführlich begründet werden müssen. Es sei angesichts des massiven Vollzugsdefizit nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin zufällig fünfmal in Folge zur Prüfung ausgewählt worden sei. Darüber hinaus sei es fraglich, ob bei der nahezu lückenlosen Prüfung der Klägerin der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gewahrt sei, wenn in der Folge die Prüfung weiterer Betriebe notwendigerweise unterblieben sei.
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Entgegen der Auffassung des Finanzamts verstoße insbesondere die erneute Durchführung einer Anschlussprüfung auch aufgrund der umfangreichen, mit der beruflichen Verschwiegenheit zusammenhängenden Pflichten gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das gemäß §§ 193 AO, 5 AO eingeräumte Ermessen sei nicht pflichtgemäß ausgeübt worden. Aus dem Umstand, dass für eine lückenlose Überprüfung nicht genügend Personal zur Verfügung stehe und dem zu beachtenden Gleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) seien Folgerungen für die Prüfungsauswahl zu ziehen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anordnung sei vorliegend auch auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen.
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Zu beachten sei insbesondere, dass die Klägerin nahezu durchgehend geprüft und in den Veranlagungszeiträumen 2003 bis 2005 zu Unrecht als Großbetrieb qualifiziert worden sei. Die Prüfungen hätten jeweils nur zu einem geringfügigen Mehrergebnis geführt und die Klägerin habe, da sie Trägerin von Berufsgeheimnissen sei, durch die Prüfung einen extrem hohen zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwand gehabt. Hinzu komme, dass es sich um einen erheblichen staatlichen Eingriff handle, dessen Grenzen zu kontrollieren seien. Wenn im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei diesem Eingriff zwischen den Interessen des Steuerpflichtigen und dem Interesse des Staates an der Vornahme des Eingriffs abgewogen werde, sei zu berücksichtigen, dass eine Außenprüfung nicht durchzuführen sei, wenn wie vorliegend Einzelermittlungen möglich seien. Im Streitfall stelle die Außenprüfung im Übrigen schon deshalb einen unverhältnismäßigen Eingriff dar, da auch eine Prüfung an Amtsstelle im Innendienst möglich gewesen wäre.
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Eine konkrete und ausführliche Begründung der Auswahlentscheidung im Streitfall sei schon deshalb erforderlich gewesen, da die BpO keinen tauglichen Zuordnungsmaßstab bei der Kategorie der Freiberufler habe und insbesondere nicht danach differenziere, ob ein Betrieb von einem einzelnen Unternehmer oder von einer Mehrheit von Gesellschaftern betrieben werde. Da § 193 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen sei, dass das Prüfungsbedürfnis mit der Betriebsgröße wachse, sei es verfehlt, wenn sich das Finanzamt bei der Auswahl der Betriebe in erster Linie an Umsatz und Gewinn orientiere und nicht danach differenziere, ob es sich um Freiberufler bzw. um Freiberufler, die sich zur Berufsausübung in Form einer Personengesellschaft zusammengeschlossen hätten, handelt.
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Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen sei die streitgegenständliche Anordnung der Außenprüfung unverhältnismäßig und verstoße auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Im konkreten Fall wäre eine hier fehlende ausführliche Ermessensentscheidung schon deshalb erforderlich und notwendig gewesen, da vorliegend das tatsächliche Prüfungsverhalten des Finanzamts von der ansonsten gegebenen Vorgehensweise bei der Prüfung vergleichbarer Betriebe erheblich abweichen würde.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über die Anordnung der Außenprüfung vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom. … aufzuheben,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Das Finanzamt beantragt,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Es verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und darauf, dass die Prüfungsanordnung betreffend 2015 bis 2018 auch im Hinblick auf die Verjährung für den Prüfungszeitraum 2015 ergangen sei.
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Mit Beschluss vom … wurde der Rechtstreit gemäß § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom … wird Bezug genommen.
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Die Klage ist unbegründet.
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Die vom Beklagten angeordnete Durchführung einer steuerlichen Außenprüfung beim Kläger für den Zeitraum 2015 bis 2018 beruht auf den §§ 193 Abs. 1, 194 Abs. 1 Satz 2 und 196 AO, enthält keine Ermessensfehler im Sinne des § 102 S. 1 FGO und ist insbesondere nicht unverhältnismäßig bzw. verstößt nicht gegen das Schikane- oder Willkürverbot. Sie ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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Ob und in welchem Umfang bei einem Steuerpflichtigen nach § 193 Abs. 1 AO eine Außenprüfung angeordnet wird, ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde, die vom Gericht gemäß § 102 FGO nur darauf zu prüfen ist, ob die gesetzlichen Grenzen der Ermessensvorschrift eingehalten wurden und ob die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen unter Beachtung des Gesetzeszwecks (§ 5 AO) fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.Juni 2016 III R 8/15, BFH/NV 2016, 1767).
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Im Streitfall hat das Finanzamt die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und frei von Ermessensfehlern entschieden.
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1. Die gesetzlichen Vorgaben für die Zulässigkeit der angegriffenen Prüfungsanordnung ergeben sich aus § 193 AO.
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a. Gemäß § 193 Abs. 1 AO ist eine Außenprüfung u.a. bei Steuerpflichtigen zulässig, die wie die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt. Weitere Anforderungen enthält diese Norm nicht; es handelt sich um eine tatbestandlich voraussetzungslose Prüfungsermächtigung. Im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO sind daher Außenprüfungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Willkürverbots grundsätzlich unbeschränkt zulässig. Weder der Abgabenordnung noch der Betriebsprüfungsanordnung ist zu entnehmen, dass Außenprüfungen nur in einem bestimmten Turnus oder mit zeitlichen Abständen erfolgen dürfen (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Juni Oktober 2021 III B 130/20, BFH/NV 2022, 97).
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Die Finanzbehörden haben zur einheitlichen Anwendung der Vorschriften bei gleichgelagerten Sachverhalten im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung die Verwaltungsvorschriften der BpO zu beachten. Die BpO bewirkt eine auch im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Selbstbindung der Verwaltung bei der Anordnung von Außenprüfungen. Es handelt sich dabei um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift, so dass ihre Auslegung sich nicht nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Maßstäben richtet, sondern danach, wie die Finanzverwaltung sie versteht und verstanden wissen will. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Auslegung durch die Finanzverwaltung möglich ist (vgl. auch BFHUrteil vom 15. Juni 2016 III R 8/15 a.a.O).
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Nach der BpO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 4 Abs. 1 BpO). Insbesondere bei Großbetrieben soll der Prüfungszeitraum an den vorhergehenden Prüfungszeitraum anschließen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 BpO). Dabei ist grundsätzlich die Größenklasse (§ 3 BpO) maßgebend, in die der Betrieb im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eingeordnet ist (§ 4 Abs. 4 BpO). Gemäß § 3 BpO sind für die Einordnung in Größenklassen entscheidend die Umsatzerlöse oder der steuerliche Gewinn.
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Die Anschlussprüfung bei Großbetrieben ist auch sachgerecht, da bei ihnen erfahrungsgemäß die steuerlich erheblichen Verhältnisse so umfangreich und schwierig zu ermitteln und überprüfen sind, dass die Besteuerungsgrundlagen ohne Außenprüfung, etwa durch den Innendienst, nicht wirksam kontrolliert und zutreffend besteuert werden können (vgl. auch BFH-Beschluss vom 16. Februar 2001 IV B 74/00, BFH/NV 2001, 1009). Die Finanzbehörden sind verpflichtet, für eine steuerliche Belastungsgleichheit zu sorgen und diese hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges auch zu gewährleisten. Die Herstellung der steuerlichen Belastungsgleichheit aber spricht für eine möglichst lückenlose Prüfung. Daher ist bei der Ermessensausübung nach § 193 Abs. 1 AO für die Berücksichtigung eines Individualinteresses auf Verschonung von den durch eine Außenprüfung ausgelösten Belastungen vorbehaltlich des Willkür- und Schikaneverbots grundsätzlich kein Raum (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 III R 8/15 a.a.O.)
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b. Auch der Gesetzeszweck, für den in § 193 Abs. 1 AO bestimmten Personenkreis eine möglichst lückenlose Aufklärung des abgabenrechtlich bedeutsamen Sachverhalts zu erreichen, lässt zusätzliche (einschränkende) Voraussetzungen nicht erkennen. Vielmehr hält der Gesetzgeber bei Steuerpflichtigen, die freiberuflich tätig sind, -typisierenddie Außenprüfung für das geeignete Mittel der Sachverhaltsermittlung, um die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Die Außenprüfung dient dem Ziel, Steuergerechtigkeit durch gerechte Vollziehung der Steuergesetze zu verwirklichen (vgl. auch BFHUrteil vom 2. Oktober 1991 X R 89/89, BStBl II 1992, 220). Dabei wird die Häufigkeit von Außenprüfungen weder durch § 193 Abs. 1 AO noch durch § 194 AO beschränkt.
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2. Die Prüfungsanordnung vom … entspricht diesen Vorgaben.
29
Im Streitfall hat das Finanzamt mit dieser Prüfungsanordnung beim Kläger eine Außenprüfung für einen vierjährigen Zeitraum, nämlich die Veranlagungszeiträume 2015 bis 2018 angeordnet. Damit hat es sich aber in dem durch § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO konkretisierten Ermessensspielraum des § 194 Abs. 1 Satz 2 AO bewegt.
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Die Tatsache, dass diese Prüfung eine wiederholte Anschlussprüfung darstellt und damit der Betrieb nahezu in jedem Jahr seines Bestehens geprüft wurde, wird weder durch die gesetzlichen Regelungen der §§ 193, 194 Abs. 1 Satz 2 AO noch durch die BpO in Frage gestellt, insbesondere da die BpO in ihrem § 4 Abs. 3 Satz 3 auch für Klein- und Mittelbetriebe Anschlussprüfungen für zulässig erklärt.
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Vielmehr ergeben sich insoweit weder aus den gesetzlichen Regelungen der §§ 193 ff. AO noch den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften der BpO Begrenzungen für die Anzahl der zulässigerweise unmittelbar aufeinanderfolgenden Anschlussprüfungen. Damit sind aber die gesetzlichen Grenzen des durch §§ 193 Abs. 1, 194 AO dem Beklagten eingeräumten Ermessens bei der Anordnung einer Außenprüfung gewahrt.
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a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 193 Abs. 1 AO liegen vor.
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Die Klägerin ist eine Gesellschaft nach dem PartGG, in der sich die Rechtsanwälte zur Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit zusammengeschlossen haben und damit wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts von Freiberuflern Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 18 EStG erzielt (vgl. auch § 1 Abs. 1 und Abs. 4 PartGG).
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Der Betrieb der Klägerin war bei Erlass der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung am … nach den dem Finanzamt vorliegenden Gewinnermittlungen der Jahre 2015 bis 2018 zu Recht als Großbetrieb eingeordnet. Entsprechend der Einordnung in Größenklassen nach § 3 BpO 2000 in der für den Streitfall anzuwendenden Fassung vom 13. April 2018 (BMF-Schreiben vom 13. April 2018,I V A 4-S 1450/17/10001, 2018/0048299) handelt es sich bei Freien Berufen um einen sogenannten Großbetrieb, wenn entweder der steuerliche Gewinn über … € oder die Umsatzerlöse über … € liegen.
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Der Gewinn der Gesellschaft liegt nach der vor der Prüfungsanordnung vom …eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung für 2015 bei …, so dass das Finanzamt bei Erlass der Prüfungsanordnung zu Recht von einem Großbetrieb ausgegangen ist. Insbesondere für den angesetzten Prüfungszeitraum 2015 bis 2018 bewegt sich der Gewinn der Klägerin, der in 2016 …, in 2017 … € und 2019 … € betragen hatte, damit in der erforderlichen Höhe.
36
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es bei der Einstufung der Klägerin nicht auf den Gewinn oder die Umsätze der einzelnen Gesellschafter an. Prüfungsgegenstand ist die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung der Gesellschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO, die sinngemäß nur anhand des für die Gesellschaft ermittelten und erklärten Gewinns nach § 4 Abs. 3 EStG festgestellt werden kann. Allerdings erlaubt die Vorschrift des § 194 Satz 3 AO, in diesem Rahmen auch die steuerlichen Verhältnisse der einzelnen Gesellschafter zu prüfen.
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Der Vortrag der Klägerin, dass eine lückenlose Prüfung durch Anschlussprüfungen einen erhöhten betrieblichen Aufwand verursacht und damit auch den Betriebsablauf beeinträchtigt, ist nachvollziehbar, führt aber zu keinem anderen Ergebnis. Denn bei der Ermessensausübung des § 193 Abs. 1 AO ist für die Berücksichtigung eines auf Eingriffsverschonung gerichteten Individualinteresses vorbehaltlich des Übermaß-, des Willkür- und des Schikaneverbotes grundsätzlich kein Raum auf Verschonung von den durch eine Außenprüfung ausgelösten Belastungen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25).
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Ob ein Ermessensfehler im Sinne des § 102 Satz 1 FGO gegeben ist, beurteilt sich grundsätzlich nach der Begründung der Prüfungsanordnung durch die Finanzbehörde. Da die Anordnung einer Außenprüfung im Rahmen des § 193 Abs. 1 AO grundsätzlich ermessensgerecht ist, wenn sie nicht gegen das Übermaß-, das Willkür- oder Schikaneverbot verstößt, bedarf sie indessen regelmäßig keiner über die Angabe der gesetzlichen Grundlage, also des § 193 Abs. 1 AO, hinausgehenden Begründung. Dies gilt nicht nur für die erste Anschlussprüfung, sondern auch für eine weitere Anschlussprüfung (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 III R 8/15, BStBl. II 2017, 25).
39
b. Das Finanzamt hat vorliegend die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und frei von Ermessensfehlern entschieden.
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Im Streitfall hat das Finanzamt entsprechend § 4 Abs. 2 BpO sein Ermessen so ausgeübt, dass bei der Klägerin als Großbetrieb mit der angegriffenen Prüfungsanordnung eine sog. Anschlussprüfung stattfindet. Dies ist für die Klägerin zwar wegen des organisatorischen Aufwandes zugegebenermaßen unangenehm, aber nicht unverhältnismäßig und nach den Regelungen in § 193 Abs. 1 AO in Verb. § 4 Abs. 2 BpO geboten. Das Gericht hat nicht darüber zu befinden, dass etwa auch ein anderer Großbetrieb hätte geprüft werden können.
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Weder aus den Akten noch aus dem Vortrag der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung haben sich Anhaltspunkte für eine willkürliche oder schikanöse Behandlung der Klägerin ergeben. Allein die Tatsache, dass andere vergleichbare Betriebe keiner vergleichbaren Prüfungsdichte unterliegen, vermag eine willkürliche oder gar schikanöse Belastung nicht zu begründen. Andernfalls würde es dem Finanzamt zum Nachteil gereichen, wenn es wie im Streitfall geschehen, die für einen Großbetrieb vorgesehene Anschlussprüfung durchführen will.
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Hinzu kommt, dass das Finanzamt, abgesehen davon, dass mit der Prüfung des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a EStG ein weiteres Problemfeld Prüfungsgegenstand wurde, seine Ermessensentscheidung in der Einspruchsentscheidung vom… ausführlich begründet hatte.
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Auch mit der Entscheidung, keine Amtsprüfung im Rahmen des normalen Veranlagungsverfahrens, sondern eine Außenprüfung durchzuführen, hat sich das Finanzamt im Rahmen des ihm eingeräumten gesetzlichen Ermessens bewegt. Ob eine Prüfung an Amtsstelle nicht zweckmäßig, vielmehr eine Außenprüfung angezeigt ist (§ 193 Abs. 2 Nr.2 AO), entscheidet die Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Gerichte können diese Entscheidung nur daraufhin überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. November 1992 VIII R 25/89). Eine Anordnung einer Außenprüfung ist im Streitfall schon deshalb gerechtfertigt, weil bei der Prüfung der Steuerunterlagen eines Großbetriebs wie dem Vorliegenden eine Vielzahl von Unterlagen und Lebensvorgängen zu analysieren ist. Der dadurch entstehende Arbeitsaufwand kann regelmäßig nicht im Rahmen einer normalen Amtsprüfung bewältigt werden.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Mangels Vorliegen von Zulassungsgründen nach § 115 Abs. 2 FGO war die Revision nicht zuzulassen.