Titel:
Erfolglose Klage gegen Ausweisungsbescheid (Türkei, Unterstützung der TKP/ML)
Normenketten:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 55 Abs. 1 Nr. 1
ARB 1/80 Art. 6
Leitsätze:
1. Bei der Kommunistischen Partei der Türkei/marxistisch-leninistisch (TKP/ML) handelt es sich um eine terroristische Vereinigung. (Rn. 52 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch bei formalem Gleichrang von vertyptem Ausweisungs- und Bleibeinteresse kann die Gesamtabwägung zu einem überwiegenden Ausweisungsinteresse führen. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterstützung und Mitgliedschaft (bei) der TKP/ML als einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, Ausweisung, terroristische Vereinigung, TKP/ML, Ausweisungsinteresse, Bleibeinteresse, Abwägung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 52049
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Ausweisungsbescheides.
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Die Klägerin ist eine am … 1971 geborene, nach zwei Ehen geschiedene, kinderlose türkische Staatsangehörige.
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Nach den Feststellungen im Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) … vom 28. Juli 2020 hat sie ab 1976 in der Türkei die Schule besucht, 1995 ihr Medizinstudium erfolgreich abgeschlossen, anschließend als Ärztin gearbeitet und in Biochemie promoviert. Am 3. Januar 2006 ist die Klägerin mit einem gültigen Visum in das Bundesgebiet eingereist. In der Folge wurden ihr ab dem 9. Januar 2006 Aufenthaltserlaubnisse zum Zweck der Beschäftigung und am 17. August 2011 eine Niederlassungserlaubnis erteilt.
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Die Klägerin hat im Bundesgebiet nach den strafgerichtlichen Feststellungen eine Facharztausbildung im Bereich Psychosomatik abgeschlossen und eine weitere Facharztausbildung im Bereich Psychiatrie begonnen. Weiterhin hat sie vor ihrer beendeten Facharztausbildung als Assistenzärztin im Bereich Psychosomatik gearbeitet und ist seit Oktober 2012 – unterbrochen von ihrer Untersuchungshaft – in der Abteilung für Gerontopsychiatrie, Psychosen und Depressionen am Klinikum … tätig.
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Am 15. April 2015 wurde die Klägerin festgenommen und befand sich bis zum 19. Februar 2018 sowie erneut vom 25. Juni 2019 bis zum 17. Juli 2019 in Untersuchungshaft. Mit Urteil des OLG … vom 28. Juli 2020, rechtskräftig seit dem 4. April 2023, wurde sie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
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Der Verurteilung lag zugrunde, dass die Klägerin nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme im Verfahren am OLG … im Tatzeitraum Mitglied der Kommunistischen Partei der Türkei / marxistisch – leninistisch (TKP/ML) war. Die TKP/ML strebt einen gewaltsamen Umsturz der staatlichen Ordnung in der Türkei an und führt hierzu einen bewaffneten Kampf, der – wie die Klägerin wusste – mit Tötungsvorsatz verübte Angriffe auf Repräsentanten des bestehenden politischen Systems einschließt, zu denen die Vereinigung auch „Kollaborateure“ (Personen, die zwar keine unmittelbaren hoheitlichen Befugnisse innehaben, aber aus Sicht der Vereinigung den türkischen Staat unterstützen, z. B. inoffizielle Informanten des Geheimdienstes der türkischen Gendarmerie oder Gewerbetreibende, die das Militär mit Lebensmitteln beliefern) zählt. Insgesamt sind zwischen Dezember 2004 und Juli 2015 mindestens sechs Menschen durch Anschläge der TKP/ML zu Tode gekommen; zwei Todesopfer wurden vorsätzlich herbeigeführt. Bei mehreren weiteren Angriffen, insbesondere auf Angehörige des türkischen Militärs, waren Todesopfer beabsichtigt, ohne dass sich jedoch mit der nötigen Gewissheit feststellen ließ, dass ihnen tatsächlich Menschen zum Opfer fielen. Die Klägerin hatte spätestens ab Juni 2012 gemeinsam mit den übrigen Angeklagten in dem Vereinigungsorgan mitgewirkt, das die Aktivitäten der Organisation in Mittel- und Westeuropa steuerte – dem sog. Gebietskomitee Ausland, kurz Auslandskomitee. Dessen Aufgabe besteht in erster Linie darin, Gelder zu beschaffen, die der Finanzierung der Vereinigungsstrukturen dienen – auch der Finanzierung des bewaffneten Kampfes in der Türkei, für den die TKP/ML dort einen organisatorisch unselbständigen militärischen Arm, die sog. Türkische Arbeiter- und Bauernbefreiungsarmee (TIKKO), unterhält. Zur Beschaffung von Geldmitteln wurden in neun sog. unteren Gebieten des Gebiets Ausland unter der Regie des Auslandskomitees jährlich Spendensammlungen durchgeführt. Außerdem koordinierte das Auslandskomitee die Organisation von Propagandaveranstaltungen der TKP/ML in Europa, die neben der Erwirtschaftung von Gewinnen das Ziel hatten, die Vereinigungsideologie zu verbreiten und neue Anhänger zu gewinnen. Seit dem Jahr 2014 oblag es dem Gebiet Ausland zudem, Anhänger der TKP/ML aus Europa als Rekruten für ein militärisches Ausbildungslager der Vereinigung im Nordirak anzuwerben.
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Im Einzelnen hat das OLG … zu den Anschlägen der TKP/ML folgende Feststellungen getroffen:
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1. Am 7. Dezember 2004 verübte die TKP/ML in Istanbul Bombenanschläge auf die Polizeiwache K., die HSBC-Bank in F. und die Niederlassung eines Unternehmens namens DIMES im Stadtteil Du. Mit dem Anschlag auf die Polizeiwache wollte die Vereinigung den Tod mehrerer Vereinigungsangehöriger rächen, die im November 2004 in den Bergen der Provinz Dersim „zu Märtyrern geworden“ seien. Durch den Anschlag auf die HSBC-Bank sollte ein Zeichen des Widerstandes gegen „imperialistische Besatzung und Ausbeutung“ gesetzt werden. Ziel des Bombenanschlags auf die Istanbuler Vertretung von DIMES war es, das Unternehmen dazu zu veranlassen, ihre aus Sicht der Vereinigung konterrevolutionären Aktivitäten im Guerilla-Gebiet Tokat einzustellen. Dass durch die herbeigeführten Detonationen Menschen getötet werden sollten oder Todesopfer zumindest in Kauf genommen wurden, ließ sich nicht feststellen.
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2. Am 26. Januar 2006 verübten Aktivisten der TIKKO in A. einen Sprengstoffanschlag auf das dem örtlichen Polizeipräsidium unterstellte Kinder- und Jugendhilfedezernat. Mit der Aktion sollte aus Sicht der Vereinigung ein Zeichen gegen behauptete Misshandlungen kurdischer Straßenkinder durch örtliche Behörden gesetzt werden. Zudem sollte der Tod eines Jugendlichen namens S. P. gesühnt werden, für den die TKP/ML staatliche Sicherheitskräfte verantwortlich machte. Infolge der Explosion kam es zu Sachschäden an Fahrzeugen und Gebäuden. Dass eine Tötung von Menschen intendiert war oder von den handelnden Aktivisten billigend in Kauf genommen wurde, ließ sich nicht feststellen.
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3. Am 16. Februar 2006 brachten Aktivisten der TIKKO in Erzincan vor einem Gebäude, in dem sich örtliche Niederlassungen der „Partei der unabhängigen Türkei“ und einer Vereinigung namens „Al. O.“ befanden, einen Sprengsatz zur Explosion. Die TKP/ML stufte beide Organisationen als „zivilfaschistisch“ ein und bezichtigte sie, zum Nachteil Revolutionärer mit staatlichen Institutionen zu kooperieren. Die Aktion sollte eine Reaktion hierauf sein. Dass eine Tötung von Menschen von den handelnden Aktivisten intendiert war oder billigend in Kauf genommen wurde, ließ sich nicht feststellen.
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4. Am 13. Mai 2006 gegen 12 Uhr kam in einer Garage neben dem Haus des Ortsvorstehers … in E. in der Gemeinde U. ein Sprengsatz zur Detonation, den TIKKO-Aktivisten dort abgelegt hatten. Durch die Explosion wurden vier Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren mit den Namen …, …, … und … getötet, die sich in der Garage aufgehalten hatten. Der Tod der Kinder war von den TIKKO-Aktivisten, die den Sprengkörper am Tatort platziert hatten, weder beabsichtigt noch vorhergesehen worden. Dass eine Tötung des Ortsvorstehers … beabsichtigt oder zumindest in Kauf genommen wurde, ist nicht erweislich. Es lässt sich nicht ausschließen, dass er lediglich „gewarnt“ bzw. ihm ein „Denkzettel“ verpasst werden sollte, weil er zuvor nach Ansicht der TKP/ML „Revolutionäre, Demokraten und Patrioten denunziert“ hatte.
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5. Am 23. Oktober 2008 legten weibliche Angehörige der TIKKO in einer gemeinsamen Aktion mit Kämpferinnen einer PKK-Einheit namens „YJA-Star“ im Rahmen einer gegen die Förderung von Prostitution und Drogenhandel gerichteten Kampagne einen Sprengsatz in der Gaststätte „M.“ im Kreis P. (Provinz T.) ab. Bevor dieser zur Explosion gebracht werden konnte, wurde er entdeckt und entschärft. Dass durch die beabsichtigte Detonation des Sprengsatzes Menschen getötet werden sollten oder ein Tod von Menschen, die sich in dem Gebäude oder in dessen Umfeld aufhielten, zumindest billigend in Kauf genommen wurde, ließ sich nicht feststellen.
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6. Am 23. Mai 2009 griffen Guerillakämpfer der TIKKO zwischen 19:00 und 20:00 Uhr im Zusammenwirken mit Kräften der HPG – eines bewaffneten Armes der PKK – in der Umgebung der Bozan Hochebene in Ali B. Spezialeinheiten der türkischen Streitkräfte mit schweren Schusswaffen an. Der Angriff zielte darauf ab, möglichst viele Angehörige der beschossenen Einheit zu töten. Ob es tatsächlich Todesopfer gab, ließ sich nicht feststellen.
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7. Am 21. August 2010 gegen 21:30 Uhr beschossen TIKKO-Kämpfer bei D. im Kreis P. eine Einheit von ca. zehn Sicherheitskräften. Ziel auch dieses Angriffs war es, möglichst viele der beschossenen Personen zu töten. Ob tatsächlich Menschen zu Tode kamen, war nicht aufklärbar.
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8. Am 15. Oktober 2011 gegen 9:30 Uhr stoppten TIKKO-Angehörige in unmittelbarer Nähe der Militärstation Am., Provinz T., ein Fahrzeug, in dem sich Waren befanden, die an die Militärstation geliefert werden sollten, und erschossen gezielt dessen Fahrer namens … Das Opfer des Anschlags war für eine Person namens … tätig, der seit Längerem das Militär in Am. mit Brot belieferte. Ba. war zuvor von Kämpfern der TIKKO und der HPG entführt, kurz darauf aber wieder frei gelassen worden mit der Aufforderung, die Belieferung des Militärs künftig zu unterlassen. Die Erschießung … sollte eine Strafe dafür sein, dass die Belieferung der Militärstation entgegen der diesbezüglichen Forderung der TIKKO auch nach der Freilassung … fortgesetzt worden war und … sich daran beteiligt hatte.
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9. Am 15. Juni 2012 gegen 20 Uhr beschossen Guerillakämpfer der TIKKO im Kreis H. (Provinz T.) Soldaten, die sich in unmittelbarer Nähe der Militärstation Am. aufhielten. Ziel des Angriffs war es, möglichst viele Soldaten der beschossenen Einheit zu töten. Ob es tatsächlich Todesopfer gab, ließ sich nicht feststellen.
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10. Am 22. Juni 2012 gegen 15 Uhr griffen TIKKO-Kämpfer die Militärstation Am. ein weiteres Mal an. Sie beschossen – in diesem Fall gemeinsam mit Kämpfern der HPG – eine Spezialeinheit, die gerade aus der Wache ausrückte. Dabei wurden unter anderem Gewehre der Bauarten BKC und Kanas eingesetzt. Auch dieser Angriff zielte darauf ab, Angehörige der beschossenen Spezialeinheit zu töten. Ob es tatsächlich Tote gab, war nicht aufzuklären.
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11. Am 23. Juni 2012 gegen 16.00 Uhr führten Guerillakämpfer der TIKKO unter Einsatz von Raketenwerfern und Maschinengewehren einen Angriff auf die in Ovacik (Provinz Tunceli) gelegene Gendarmeriestation Kusluca durch. Die handelnden Aktivisten beabsichtigten mit der Aktion, Bedienstete der Station zu töten. Ob der Angriff tatsächlich tödliche Folgen hatte, war nicht feststellbar.
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12. Am 23. Juni 2013 entführten TIKKO-Kämpfer in ländlichem Gebiet bei Ovacik eine Person namens …, den die Vereinigung verdächtigte, durch Weitergabe von Informationen an türkische Behörden eine Operation gegen eine Guerillaeinheit der Vereinigung ermöglicht zu haben, die am 25. April 2000 zum Tod von mehreren Kämpfern der TKP/ML geführt hatte. … starb am 16. Juli 2013 während eines Verhörs durch die TIKKO unter ungeklärten Umständen; nicht ausschließbar war Ursache eine gesundheitliche Vorschädigung. Dass der Tod des Entführungsopfers von den handelnden Aktivisten beabsichtigt war oder auch nur billigend in Kauf genommen wurde, ließ sich nicht feststellen.
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13. Am 13. Oktober 2014 gegen 17:30 Uhr führten Kräfte der TIKKO im Verbund mit PKK-Kämpfern einen Angriff auf das in Dest (Geyiksuyu) in der Provinz Tunceli befindliche Militärbataillon durch. Dabei wurden das Bataillonsgebäude, die Wachkabinen und Verteidigungsstellen von verschiedenen Punkten aus unter Beschuss genommen. Durch den Angriff sollten Angehörige des Bataillons getötet werden. Ob es tatsächlich Todesopfer gab, ließ sich nicht feststellen.
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14. Am 16. Juli 2015 erschossen Guerillakämpfer der TIKKO in den Mittagsstunden in Kirnik (Buzlupinar) im Kreis Hozat gezielt eine von der Vereinigung als „Kollaborateur“ eingestufte Person namens … Die TKP/ML hatte bereits im Jahr 2008 eine „Todesstrafe“ gegen … verhängt, unter anderem weil sie ihn verdächtigte, für den Geheimdienst der Gendarmerie („JITEM“) tätig gewesen zu sein. Eine spätere Umwandlung dieser Strafe in eine „Exil- und Prügelstrafe“ durch die TIKKO auf Druck der Bevölkerung des Dorfes, in dem … lebte, war vom Zentralkomitee der TKP/ML in scharfer Form gerügt worden. Da … seine Tätigkeit für die genannte Organisation nach Einschätzung der Vereinigung in der Folge gleichwohl fortsetzte, wurde erneut beschlossen, ihn zu liquidieren. … wurde daraufhin am 16. Juli 2015 in Buzlupinar durch TIKKO-Kämpfer als „Volksfeind“ hingerichtet.
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Zur Tätigkeit des Auslandskomitees wird in dem Urteil im Einzelnen insbesondere ausgeführt wie folgt: In Umsetzung der vordringlichsten Aufgabe des Gebiets Ausland, Geldmittel zur Finanzierung der TKP/ML einschließlich ihrer bewaffneten Kampfeinheiten bereitzustellen, leitete das Auslandskomitee jährlich eine Spendensammlung in den neun unteren Gebieten des Gebiets Ausland (im Sprachgebrauch der Vereinigung als „Spendenkampagne“ bezeichnet). Darüber hinaus steuerte es die Durchführung von Propagandaveranstaltungen, mit denen über die Verbreitung der Ideologie der TKP/ML und die Gewinnung neuer Anhänger in Mittel- und Westeuropa hinaus ebenfalls eine Erzielung von Gewinnen beabsichtigt war. Durch die unter der Leitung des Auslandskomitees durchgeführten Spendenkampagnen erwirtschaftete das Gebiet Ausland jeweils Einnahmen im mittleren sechsstelligen Bereich: Im Kampagnenzeitraum 2012/2013 wurden 269.600 EUR sowie weitere 93.000 CHF erzielt, im Kampagnenzeitraum 2013/2014 mindestens 318.380 EUR sowie weitere 97.000 CHF und im Kampagnenzeitraum 2014/2015 mindestens 349.670 EUR und weitere 135.635 CHF. Bei der Steuerung von Propagandaveranstaltungen kam besondere Bedeutung den jährlich im Mai stattfindenden Propagandaveranstaltungen zum Gedenken an den Todestag des Vereinigungsgründers Ibrahim Kaypakkaya zu. Mit der organisatorischen Detailplanung beauftragte das Auslandskomitee jeweils ein ihm unterstelltes Komitee, das sog. Abendveranstaltungskomitee. Grundlegende Entscheidungen traf das Auslandskomitee indes auch in diesem Bereich selbst. So bestimmte es etwa, ob – wie im Mai 2013 – eine zentrale Veranstaltung für alle unteren Gebiete abzuhalten war oder – wie im Mai 2014 – mehrere Veranstaltungen in verschiedenen unteren Gebieten stattfanden, ggf. in welchen davon. Für die zentrale Propagandaveranstaltung am 11. Mai 2013 in Ludwigshafen erteilte das Auslandskomitee unter anderem Direktiven zum Programm und gab den unteren Gebieten vor, wie viele Eintrittskarten dort abgesetzt und wie viele Teilnehmer beigebracht werden sollten. Hinsichtlich der Propagandaveranstaltungen im Mai 2014 ließ sich das Auslandskomitee in mehreren Versammlungen über den Stand der Vorbereitungen berichten und billigte die Programmplanungen des Abendveranstaltungskomitees. Allein durch die unter der Ägide des Auslandskomitees durchgeführte zentrale Propagandaveranstaltung am 11. Mai 2013 in Ludwigshafen und durch eine am 17. Mai 2014 in Wuppertal für die vier unteren Gebiete in Deutschland und das untere Gebiet Holland/Belgien gemeinsam durchgeführte Propagandaveranstaltung erzielte die TKP/ML Reingewinne in Höhe von 19.008 EUR bzw. 30.081 EUR. Auf beiden Veranstaltungen wurde eine Fortsetzung bzw. Verstärkung des militanten „Volkskampfes“ im Geiste Ibrahim Kaypakkayas propagiert. An der Veranstaltung in Ludwigshafen nahmen etwa 4.000 Besucher teil, an der in Wuppertal mindestens 1.500. Weitere vom Auslandskomitee initiierte Propagandaveranstaltungen fanden im Mai 2014 in der Schweiz, in England, in Österreich und in Frankreich statt. Während die Veranstaltung in Frankreich mit einem finanziellen Defizit von 4.460 EUR abschloss, erwirtschafteten die übrigen jeweils Gewinne, und zwar in der Schweiz 3.972 CHF, in England 1.531 GBP und in Österreich 958 EUR. Ein Teil der unter der Leitung des Auslandskomitees durch Spendeneinnahmen und Gewinne aus Propagandaveranstaltungen erwirtschafteten Gelder ist zur Finanzierung der Guerillaaktivitäten der TIKKO bestimmt. Im Übrigen werden damit allgemeine Kosten der Vereinigung gedeckt, so insbesondere Aufwendungen für die Alimentierung von Führungskadern, für den Betrieb einer vereinigungseigenen Druckerei in Duisburg und für Fahrzeuge, die zu Vereinigungszwecken genutzt werden. Soweit die Gelder für Vereinigungsstrukturen in der Türkei bestimmt sind, werden sie in der Regel durch Kuriere in bar dorthin transferiert. Über die Aufgaben der Finanzbeschaffung und der Verbreitung der Ideologie der TKP/ML in Westeuropa durch Propagandaveranstaltungen hinaus nahm sich das Auslandskomitee auch der Schulung von Vereinigungsangehörigen bzw. Sympathisanten und der Steuerung der Tarnorganisationen an, insbesondere der ATIK, deren personelle Führung es bestimmte. Überdies diskutierte das Auslandskomitee über Entscheidungen und Vorgaben des Zentralkomitees und erarbeitete als Beitrag zur kollektiven Bildung des Verbandswillens Vorschläge in Angelegenheiten, die in den Zuständigkeitsbereich des Zentralkomitees fielen. Im Anschluss an die vom 8. Zentralkomitee auf dessen siebter Versammlung Ende 2013 getroffene Vorgabe, wonach die TKP/ML künftig Vereinigungsstrukturen auch im Nahen Osten aufbauen und insbesondere ein militärisches Ausbildungslager im Kandil-Gebirge im Irak betreiben sollte, trug der sog. Gebietssekretär den übrigen Mitgliedern des Auslandskomitees auf, in den unteren Gebieten, in denen sie tätig waren, geeignete Kandidaten als Rekruten für eine Ausbildung in jenem Lager zu werben. Die Entsendung ausbildungswilliger Rekruten wurde in der Folge mehrfach im Auslandskomitee erörtert. Seine Direktiven für das Gebiet Ausland legte das Auslandskomitee grundsätzlich in Versammlungen fest, die mehrmals im Jahr – regelmäßig in etwa dreimonatigem Abstand – an verschiedenen Orten in Deutschland stattfanden. In den Versammlungen des Auslandskomitees wirkten alle Komiteemitglieder mit gleichem Rede- und Stimmrecht an den Diskussionen und Beschlussfassungen zu organisatorischen, strukturellen, ideologischen und strategischen Themen der TKP/ML mit und hatten damit jeweils Einfluss auf die Entscheidungen des Komitees. Zwischen Juni 2012 und Oktober 2014 wurden in überwiegend gleichbleibender personeller Zusammensetzung mit weiteren Komiteemitgliedern zehn Versammlungen abgehalten, wobei die Klägerin mindestens bei den folgenden mit anwesend war:
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1. Seine vierte Versammlung im Jahr 2012 hielt das Auslandskomitee vom … in der …, …, …, ab. Das Auslandskomitee beschloss auf der Versammlung unter anderem das Programm für die zentrale Propagandaveranstaltung im Mai 2013 und bestimmte Zielvorgaben für die Zahl der in den unteren Gebieten zu veräußernden Eintrittskarten und der beizubringenden Teilnehmer.
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2. Die erste Versammlung des Auslandskomitees im Jahr 2013 fand zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem … und … statt. Dabei kontrollierte es den Verlauf und die Ergebnisse der Spendenkampagne 2012/2013 und überprüfte den Stand der Vorbereitungen für die zentrale Propagandaveranstaltung im Mai 2013.
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3. In seiner zweiten Versammlung des Jahres 2013 vom … in der … beschloss das Auslandskomitee, die Gedenkveranstaltungen zum 41. Todestag des Parteigründers Ibrahim Kaypakkaya im Mai 2014 in dem Sinne „regional“ durchzuführen, dass in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Holland und England mindestens je eine Veranstaltung stattfinden sollte; für die unteren Gebiete in Deutschland sollte dabei eine gemeinsame Veranstaltung abgehalten werden. Die Organisation jener Veranstaltungen übertrug das Auslandskomitee dem von ihm neu besetzten Abendveranstaltungskomitee. Des Weiteren bestimmte das Auslandskomitee auf der Versammlung den Termin und die Inhalte einer europaweiten Schulungsveranstaltung für sog. „fortgeschrittene Militante“. Zudem erörterte es im Zusammenhang mit einer Bewertung der vom 8. Zentralkomitee auf dessen sechster Versammlung getroffenen Beschlüsse die Guerillaaktivitäten der Vereinigung in der Türkei und deren künftige Entwicklung, auch vor dem Hintergrund eines kurz zuvor in Kraft getretenen Waffenstillstandes zwischen der PKK und dem türkischen Staat.
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4. Auf der dritten Versammlung des Jahres 2013 vom … in der Tagungsstätte … in … beschloss das Auslandskomitee die Gründung eines unteren Gebietskomitees im unteren Gebiet NRW sowie eines Parteiaktivitätskomitees und eines (Tarn-)Vereins im unteren Gebiet Schweiz. In das untere Gebietskomitee Hessen berief es neue Mitglieder und gab dem unteren Gebietskomitee Österreich die Durchführung von monatlichen Versammlungen vor. Für die Spendenkampagne 2013/2014 ordnete es vorbereitende Versammlungen in den unteren Gebieten an. Schließlich bestätigte das Auslandskomitee die zuvor vom Abendveranstaltungskomitee festgelegten Termine und Orte der Propagandaveranstaltungen im Mai 2014.
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5. Auf einer Zwischenversammlung am … in der damaligen Mietwohnung der Klägerin sowie ihres ersten (Ex-) Ehemanns in der … in … unterzog das Auslandskomitee die bereits begonnene Spendenkampagne 2013/2014 einer Verlaufskontrolle und beriet Möglichkeiten, die Zahl der regelmäßig veräußerten Exemplare der Vereinigungspublikationen zu steigern.
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6. Bei seiner ersten Versammlung des Jahres 2014 vom …, die in der Tagungsstätte des … stattfand, kontrollierte das Auslandskomitee die Durchführung und Ergebnisse der Spendenkampagne 2013/2014 und setzte als Reaktion auf die Verfehlung der Zielvorgaben für das untere Gebiet Frankreich eine Kontrollversammlung an. Weiter überprüfte es die Vorbereitungen der Propagandaveranstaltungen im Mai 2014, berief den ersten (Ex-) Ehemann der Klägerin in das die ATIK steuernde „Arbeiterkomitee“ und übertrug einem weiteren Angeklagten die Leitung der für die Herstellung der Vereinigungsschriften zuständigen Druckerei in Duisburg.
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7. Auf seiner zweiten Versammlung 2014 vom … im Objekt … in … bestätigte das Auslandskomitee einen Beschluss des unteren Gebietskomitees Österreich, der vorsah, ein Parteiaktivitätskomitee in Wien in seiner bisherigen Besetzung aufzulösen und personell neu zu bilden. Außerdem wurde beschlossen, die Vereinigungsaktivitäten im unteren Gebiet Holland/Belgien der vorläufigen Leitung durch das untere Gebietskomitee NRW zu unterstellen, das zugleich personell verstärkt wurde. Ferner ernannte das Auslandskomitee die Klägerin zur neuen Verantwortlichen für das untere Gebiet Norden. Überdies setzte es eine Schulungsveranstaltung für sog. „fortgeschrittene Militante“ an und beriet Möglichkeiten, eine Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten mittel- und langfristig für den bewaffneten Kampf der TKP/ML in der Türkei zu nutzen.
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8. In der dritten Versammlung des Jahres 2014 vom …, die wiederum im Anwesen … in … stattfand, legte das Auslandskomitee für die Spendenkampagne 2014/2015 den Zeitraum, das Einnahmeziel (450.000 EUR) und die Handlungsanweisungen fest und betraute ein von ihm neu gegründetes Spendenkomitee damit, die Umsetzung seiner Direktiven bei der Durchführung der Kampagne in den unteren Gebieten zu überwachen. Ferner bestimmte das Auslandskomitee, dass im Mai 2015 aus Anlass des Todestags des Vereinigungsgründers eine zentrale Propagandaveranstaltung für Teilnehmer aus allen unteren Gebieten stattfinden sollte, für die es zugleich das Datum festlegte und einen Veranstaltungsort in Hessen vorgab; mit der organisatorischen Detailplanung betraute das Auslandskomitee erneut ein hierfür eingesetztes Komitee. Zudem befasste es sich mit der Vorgabe des Zentralkomitees, Vereinigungsstrukturen im Nahen Osten aufzubauen und beriet in diesem Zusammenhang über eine Entsendung von Aktivisten aus dem Gebiet Ausland in das dortige Militärcamp der Organisation.
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Hinsichtlich der Klägerin selbst hat das OLG … festgestellt, dass sie formelles Mitglied der TKP/ML war und dem Gebietskomitee Ausland spätestens seit Ende Juni 2012 bis zu ihrer Festnahme Mitte April 2015 angehört hatte. Sie hatte zudem ab Mitte Juni 2014 als Verantwortliche des unteren Gebiets Norden fungiert (vgl. Versammlung 7.). Zudem hatte sie einen anderen Angeklagten bei dessen Gebietsleiteraufgaben im unteren Gebiet Süden bei der Spendenkampagne 2013/2014 unterstützt, indem sie gemeinsam mit ihrem ersten (Ex-) Ehemann die Sammlung in … und … koordiniert hatte. Dabei waren insoweit 14.000 EUR von insgesamt 40.080 EUR Einnahmen des gesamten unteren Gebiets generiert worden.
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Mit Schreiben der Stadt … vom 21. Oktober 2020 wurde die Klägerin zum Erlass einer Ausweisung mit unbefristetem Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie den hiermit verbundenen ausländerrechtlichen Annexmaßnahmen angehört. Mit Schreiben vom 30. Dezember 2020 sowie 14. Januar 2021 nahm die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Stellung und verwies insbesondere auf ihre jahrelange Beschäftigung als Ärztin, die damit verbundene eigenständige Lebensunterhaltssicherung, eine außerordentlich gute Integration in Form unter anderem des Engagements bei der Gewerkschaft …, ihr politisches Engagement für Frauen, Unterstützungsbekundungen verschiedener Institutionen und Organisationen hinsichtlich des laufenden Ausweisungsverfahrens sowie persönliche Bindungen unter anderem zum Bruder ihres ersten (Ex-)Ehemannes. Es sei jedenfalls von einem besonders schwerwiegenden Bleibeinteresse auszugehen.
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Das Ausweisungsverfahren wurde in der Folgezeit mit Blick auf eine Erklärung der Klägerin vom 18. August 2021, wonach sie zumindest bis zur Rechtskraft des Urteils des OLG … vom 28. Juli 2020 auf jegliche Form der Unterstützung der TKP/ML, insbesondere auf aktive finanzielle und ideelle Unterstützungshandlungen, verzichte, zunächst nicht weiterbetrieben.
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Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz teilte mit Schreiben vom 1. April 2022 mit Blick auf die Klägerin folgendes mit: „…am … fand anlässlich des im linksextremistischen Kontext relevanten „Tages der politischen Gefangenen“ eine Kundgebung unter dem Motto „Freiheit für politische Gefangene!“ auf dem … in … statt. Als Veranstaltungsleiter trat die Person […] vom linksextremistischen Verein Rote Hilfe e. V. auf. Laut Angaben der türkisch-linksextremistisch konnotierten Webseite www.avrupahaber8.com war die Gruppierung „Partizan“ ebenfalls Ausrichterin der Veranstaltung. Auf Bildern, die auf genannter Webseite veröffentlicht wurden, ist zu erkennen, dass unter den Kundgebungstransparenten diejenigen mit dem Schriftzug „Partizan“ sowie dem Konterfei des TKP/ML-Gründers Ibrahim Kaypakkaya zahlenmäßig überwiegen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gruppe „Partizan“ tatsächlich maßgeblich an der Durchführung der Veranstaltung beteiligt gewesen ist. Bei der Kundgebung, an der ca. 150 Personen teilnahmen, trat die verurteilte TKP/ML-Aktivistin …als Rednerin auf. Nach Angaben der Webseite www.avrupahaber8.com ging … in ihrer in deutscher Sprache gehaltenen Rede u. a. auf die derzeitige Situation der Kommunistischen Partei Indiens ein und verurteilte die indische Regierung für ihr Vorgehen gegen kommunistisch-maoistische Bewegungen im Land. … hob hervor, dass der „revolutionäre Kampf“ überall auf der Welt eine „legitime Pflicht“ sei. Sie forderte am Ende ihrer Rede „Freiheit für maoistische Gefangene“ und beendete ihren Auftritt nach Angaben der Website mit der Parole „Es lebe der Marxismus, Leninismus, Maoismus, es lebe die Revolution und der Sozialismus!“ …“
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Mit Schreiben vom 21. September 2022 erklärte das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen für den Beklagten gegenüber der Stadt …, im Fall der Klägerin die Teilzuständigkeit hinsichtlich des Ausweisungsverfahrens sowie einer darauffolgenden Abschiebung zu übernehmen.
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Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 23. September 2022 zum Erlass einer Ausweisung, eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes, der Anordnung des Sofortvollzuges, einer Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung, der Anordnung von Überwachungsmaßnahmen sowie einer Zwangsgeldandrohung an. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, die Teilnahme der Klägerin an der Versammlung vom … 2022 werde als ideelle Unterstützungshandlung zugunsten der TKP/ML gewertet. Die Klägerin nahm mit E-Mail ihres Bevollmächtigten vom 4. November 2022 Stellung. Es wurde insbesondere vorgetragen, die Klägerin habe sich bisher an die Erklärung vom 18. August 2021 gehalten und werde dies auch in Zukunft tun. Ihre Teilnahme an der Versammlung vom … 2022 stelle keine ideelle Unterstützungshandlung zugunsten der TKP/ML dar. Die angegebene Internetseite sei schon nicht abrufbar. Die anderweitig verfügbaren Bilder zeigten die Teilnahme verschiedenster Organisationen der politischen Linken. Es sei auch lediglich eine Fahne zu sehen, die möglicherweise das Konterfei des Ibrahim Kaypakkaya zeige. Aus den zitierten Redeinhalten lasse sich keine Unterstützung der TKP/ML – auch nicht ideell – ableiten. Bloße Meinungskundgabe – auch wenn diese in Sympathiebekundungen für marxistisches oder maoistisches Gedankengut bestehe – dürfe von der Zusicherung der Klägerin nicht erfasst sein. Schließlich solle diese nicht Meinungsäußerungen unterbinden, sondern konkrete Sicherheitsinteressen schützen. Weiterhin werde mitgeteilt, dass die Klägerin in diesem Jahr nach starken Schmerzen in den Beinen die Diagnose einer klinisch ausgeprägten Achsenfehlstellung des Kniegelenks erhalten habe. Hier habe eine operative und damit nachhaltige Behandlung zunächst nicht in Aussicht gestanden. Erst Mitte Oktober [2022] habe die Klägerin einen Termin bei einem spezialisierten … Facharzt erhalten, der eine erfolgversprechende Behandlung mittels Osteotomie plane. Erforderlich seien wohl zwei Operationstermine im Abstand von sechs Monaten, wobei der erste Mitte November [2022] bereits geplant sei.
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Mit Bescheid vom 27. Juli 2023, zugestellt am 3. August 2023, wies der Beklagte die Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I), erließ ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von 20 Jahren ab dem Zeitpunkt der Ausreise bzw. Abschiebung der Klägerin (Ziffer II), forderte sie auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen ab Eintritt der Bestandskraft des Bescheids zu verlassen (Ziffer III) und drohte andernfalls die Abschiebung insbesondere in die Türkei an (Ziffer IV).
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, die Klägerin sei auszuweisen, weil der Tatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG erfüllt sei. Sie habe zum einen das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht, weil die über sie vorliegenden Erkenntnisse die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass sie einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, angehört oder angehört hat und eine solche Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Die TKP/ML sei eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Aus den vom OLG … getroffenen Feststellungen folge, dass sie eine terroristische Vereinigung außerhalb der Europäischen Union sei, deren Tätigkeit darauf gerichtet sei, das türkische Staatsgefüge mit paramilitärischer Gewalt in Form vorsätzlicher Sachbeschädigungen, Zerstörungen, der schwersten Form von Freiheitsberaubungen, Körperverletzungen und Tötungshandlungen – auch gegenüber Unbeteiligten – zu beseitigen und durch eine kommunistische Gesellschaftsordnung zu ersetzen (mit Ausführungen). Es sei dabei unerheblich, dass die TKP/ML in der Bundesrepublik Deutschland nicht verboten sei und keine Gewalttaten im Bundesgebiet plane oder geplant habe. Es komme im ausländerrechtlichen Verfahren auf einen Inlandsbezug der terroristischen Organisation nicht an. Auch dass die TKP/ML nicht auf der EU-Terrorliste zu finden sei, sei für die Erfüllung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG irrelevant. Eine rechtliche Bindungswirkung habe diese Liste nicht. Die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt“ setze nicht voraus, dass diese Vereinigung auf der EU-Terrorliste geführt werde. Aufgrund ihrer formellen Parteimitgliedschaft, als Teil des Auslandskomitees der TKP/ML spätestens seit Juni 2012 sowie als Leiterin des „unteren Gebietes Norden“ sei die Klägerin auch Mitglied einer terroristischen Vereinigung bzw. habe diese unterstützt, insbesondere durch die Koordination von Spendenkampagnen, die Anleitung von Propagandaveranstaltungen sowie die Anwerbung von neuen Anhängern in Mittel- und Westeuropa (mit Ausführungen). Aus den im Strafverfahren gewonnenen Erkenntnissen gehe auch hervor, dass die von der Klägerin für die TKP/ML durchgeführten Unterstützungshandlungen nicht einmalig oder geringfügig gewesen seien; vielmehr habe sie kontinuierlich über einen längeren Zeitraum hinweg und in verantwortlicher Position als Führungsfunktionärin die Aktivitäten der TKP/ML maßgeblich geprägt. Mit ihrer Mitgliedschaft, ihrer Funktionärstätigkeit und ihren Unterstützungshandlungen habe sie somit ununterbrochen dazu beigetragen, dass die Ziele der Vereinigung in der Türkei erfolgreich mit Gewalt gegen Menschen und Sachen hätten umgesetzt werden können. Die zugrundeliegenden Tatsachen beruhten auf Erkenntnissen, die das Bundeskriminalamt im Rahmen seiner Ermittlungen gewonnen habe, insbesondere aus akustischen Wohnraumüberwachungen, aus dem Abhören der Telekommunikation, aus Abhörmaßnahmen in PKW, aus der Inaugenscheinnahme von Briefen und sonstigen Unterlagen, aus Asservatenauswertungen und aus Observationen. Diese Erkenntnisse seien durch die entsprechenden Gesprächsprotokolle der akustischen Wohnraum- und PKW-Überwachung, durch Observationsprotokolle und durch Ermittlungsberichte des Bundeskriminalamtes belegt, welche in der Anlage zur Anklageschrift vom 4. Januar 2016 als Beweismittel aufgezählt seien. Die Klägerin habe auch nicht i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG von ihrem Verhalten Abstand genommen. Im Gegenteil habe ihr Schlusswort in dem Gerichtsverfahren jegliche Schuldeinsicht und Reue vermissen lassen, zudem sei sie trotz vorheriger Abstandnahmeerklärung am … 2022 öffentlichkeitswirksam als Rednerin für die Ziele der TKP/ML eingetreten. Aufgrund ihrer Verurteilung zu einer dreieinhalbjährigen Freiheitsstrafe habe die Klägerin auch das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Im Fall der Klägerin liege auch eine Wiederholungsgefahr vor, insoweit indiziere das Vorliegen des Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine solche. Mangels „Abstandnehmens“ bestehe diese fort. Zudem sei im Rahmen einer Gesamtabwägung, insbesondere unter Berücksichtigung der Art, Dauer und Intensität ihrer Unterstützungshandlungen zu Gunsten einer terroristischen Vereinigung, davon auszugehen, dass die ideologische Verbundenheit der Klägerin zur TKP/ML in einer Art und Weise gefestigt sei, dass die künftige Begehung weiterer gleichartiger Unterstützungshandlungen für den hierzu anzusetzenden Prognosemaßstab ausreichend wahrscheinlich sei. Zu Gunsten der Klägerin bestehe ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, weil sie über eine Niederlassungserlaubnis verfüge und sich länger als fünf Jahre im Bundesgebiet aufhalte. Es sei auch der erhöhte Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3 AufenthG zu beachten. Im Fall der Klägerin sei davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 4. Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) erfülle. Insoweit sei ihr persönliches Verhalten aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen. Die Klägerin sei in hervorgehobener und aktiver Funktion innerhalb der TKP/ML tätig und über mehrere Jahre hinweg an maßgeblicher Stelle wissentlich und willentlich an der Ideologiebildung, an der strategischen Ausrichtung und an den Zielsetzungen sowie der Finanzierung der terroristischen Vereinigung beteiligt gewesen. Sie werde gegenwärtig und auch zukünftig von der türkischen linksextremistischen Organisation keinen Abstand nehmen, da sich ihr bisheriges Leben überwiegend nach dieser Organisation ausgerichtet habe. Sie selbst habe in keinster Weise vorgetragen, nicht mehr der TKP/ML anzugehören. Vielmehr habe sie selbst die mehrjährige Untersuchungshaft und Verurteilung auch nicht dazu bewogen, von dieser Organisation Abstand zu nehmen, was sie auch unter Beweis gestellt habe, indem sie während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls unerlaubt nach Griechenland ausgereist sei, um an einem Kongress der TKP/ML teilzunehmen. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der nicht eingehaltenen Abstandnahmeerklärung. Die Angehörigkeit und/oder Unterstützung der TKP/ML löse auch eine sicherheitsrechtliche Gefahr aus, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Bei dieser Tätigkeit handele es sich um eine qualifizierte Unterstützung der terroristischen Vereinigung TKP/ML, welche ihrerseits mit Blick auf die Struktur und Gewaltbereitschaft eine schwerwiegende Gefährlichkeit aufweise. Die organisatorische Gliederung der Vereinigung mit Gremien zur politisch-ideologischen Führung und Willensbildung, zur Geldbeschaffung, zur logistischen Unterstützung und zur Rekrutierung von Mitgliedern für den bewaffneten Kampf und mit bewaffneten Kampfeinheiten, die Entschlossenheit zur Durchführung terroristischer Operationen unter Inkaufnahme einer Vielzahl von Todesopfern sowie die Ausbildung dieser Kampfeinheiten in einem militärischen Ausbildungslager ergäben zusammen genommen eine Struktur, welche eine hohe Gefährlichkeit dieser Vereinigung ausmache. Die vorzunehmende Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteressen ergebe ein Überwiegen der Ausweisungsinteressen. Es werde zunächst berücksichtigt, dass sich die Klägerin bereits seit Anfang 2006 im Bundesgebiet aufhalte und hier seit Jahren als Ärztin beschäftigt sei. Allein aufgrund ihres langjährigen Aufenthalts werde auch von umfangreichen sozialen und wirtschaftlichen Bindungen ausgegangen. Als Folge ihres langjährigen Aufenthalts verfüge die Klägerin insoweit auch über das genannte besonders schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Schützenswerte familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien weder vorgetragen noch ersichtlich, da sie geschieden sei und keine Kinder habe. Zulasten der Klägerin gingen deren verwirklichte besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen. Auch wenn sie im Bundesgebiet bislang nicht als vorbestraft gelte, könne schon allein aufgrund der von der Klägerin jahrelang im Bundesgebiet vorgenommenen Unterstützungshandlungen zugunsten der terroristischen Vereinigung TKP/ML nicht von einem rechtstreuen Verhalten i.S.d. § 53 Abs. 2 AufenthG ausgegangen werden. Durch ihre Aktivitäten für die terroristische Vereinigung TKP/ML habe sie sich offensichtlich und wissentlich gegen die Interessen der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Diese Vereinigung verfolge unter anderem das Ziel, die Herrschaftsform in der Türkei radikal zu ändern. Die Klägerin habe daher einen – wenn auch rechtlich zu missbilligenden – tatsächlichen Bezug zu diesem Staat aufrechterhalten, sodass eine Ausreise in die Türkei, verbunden mit einer Verlegung ihres Lebensmittelpunktes dorthin vergleichsweise weniger intensiv zu einer Beeinträchtigung der Lebensführung führe als in anderen Fällen. Die Klägerin beherrsche die dortige Sprache, kenne die Kultur und könne sich durch ihren türkischen Universitätsabschluss auch in das dortige Arbeitsleben einfinden. Die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland wögen demgegenüber deutlich schwerer. Die Klägerin habe sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, die zur Durchsetzung ihrer Ziele u. a. schwerste Gewalttaten begangen habe. Die Bundesrepublik Deutschland habe ein legitimes Interesse, durch ihre rechtliche Kontrolle des Aufenthalts von Ausländern im Inland Gefahren, die von diesen Personen ausgehen, zu begegnen. Die im Fall der Klägerin bestehenden Bleibeinteressen hätten nicht zur Folge, dass die genannten öffentlichen Interessen derart zurückgedrängt werden würden, dass eine Tolerierung ihres weiteren Aufenthalts unter Fortführung der genannten Aktivitäten für die TKP/ML staatlicherseits hinzunehmen wäre. Die Ausweisung sei auch verhältnismäßig sowie mit Blick auf Art. 8 EMRK gerechtfertigt (mit Ausführungen).
39
Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG im Ermessen befristet; hierbei werde das nach § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG eröffnete intendierte Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Länge der Frist im Falle der Klägerin 20 Jahre betrage. Eine atypische Fallgestaltung, die ein Abweichen von der gesetzlichen Regel erfordern würde, sei weder hinsichtlich der Gefährdungsprognose noch hinsichtlich der Interessenabwägung erkennbar. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass sowohl aufgrund des erfüllten Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG als auch aufgrund des erfüllten Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gemäß § 11 Abs. 5b Satz 2 AufenthG im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden könne. Der Aufenthalt der Klägerin sei aus schwerwiegenden Gründen als Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG anzusehen, insbesondere weil die Klägerin über mehrere Jahre hinweg in hervorgehobener und aktiver Funktion innerhalb der terroristischen Vereinigung TKP/ML tätig gewesen sei und diese ihrerseits mit Blick auf ihre dargelegte Struktur und Gewaltbereitschaft eine schwerwiegende Gefährlichkeit aufweise. Die Klägerin sei dabei in einem fortgeschrittenen Lebensalter, in dem die Persönlichkeitsentwicklung üblicherweise bereits abgeschlossen sei, weshalb davon auszugehen sei, dass sie die Ideologie der TKP/ML zutiefst verinnerlicht habe. Dies ergebe sich auch aus ihrem Verhalten während des Strafverfahrens, der Tatsache, dass sie nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls zur Teilnahme an einem TKP/ML-Kongress das Bundesgebiet verlassen habe, ihrem Schlusswort im Rahmen des Strafverfahrens, welches jegliche Schuldeinsicht und Reue habe vermissen lassen, und schließlich der Tatsache, dass sie unter Verstoß der im August 2021 unterzeichneten Abstandnahmeerklärung bereits im März 2022 erneut bei einer Veranstaltung als Rednerin aufgetreten und damit weitere Unterstützungshandlungen zugunsten der TKP/ML begangen habe. Wegen dieser manifestierten Überzeugung und tiefen Verwurzelung in einer extremistischen Gesinnung sei es daher unwahrscheinlich, dass die Klägerin sich in weniger als der gesetzlichen Regelfrist von der terroristischen Vereinigung der TKP/ML und ihren terroristischen Methoden abwende und folglich von jeglichen Unterstützungshandlungen zugunsten der TKP/ML absehen werde. Auch im Übrigen seien keinerlei Umstände erkennbar, welche die Regelprognose des Gesetzgebers erschüttern könnten. Auch die Klägerin selbst habe im Rahmen ihrer Anhörung nichts vorgetragen, was auf eine Abkehr von der TKP/ML und ihren Methoden hindeuten könne. Schließlich führten auch die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Interessen nicht zur Annahme einer vom gesetzlichen Regelfall abweichenden Fallgestaltung. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG) und die Vorgaben aus Art. 8 EMRK.
40
Aufgrund der Ausweisung erlösche gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG die Niederlassungserlaubnis der Klägerin. Mit Eintritt der Bestandskraft des Bescheides sei sie nach §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Sie werde daher aufgefordert, das Bundesgebiet binnen 30 Tagen ab Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung zu verlassen. Die Androhung der Abschiebung beruhe auf §§ 59 Abs. 1, 58 Abs. 1 AufenthG.
41
Die Klägerin hat am 31. August 2023 Klage erhoben und beantragt,
Der Bescheid des Beklagten vom 27.07.2023 wird aufgehoben.
42
Der Beklagte beantragt Klageabweisung und verweist zur Begründung auf den streitgegenständlichen Bescheid.
43
Die Beteiligten haben schriftsätzlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
44
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
45
Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
46
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 27. Juli 2023 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
47
Die in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Ausweisung ist ebenso wenig rechtlich zu beanstanden wie das in Ziffer II erlassene und auf 20 Jahre ab Ausreise befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot und die in Ziffern III und IV enthaltene Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung insbesondere in die Türkei.
48
Die Ausweisung der Klägerin in Ziffer I des Bescheides ist rechtmäßig. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung einer Ausweisung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 25.5.2023 – 1 C 6.22 –, juris Rn. 10; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 25).
49
Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
50
Zu Gunsten der Klägerin geht die Kammer mit dem Beklagten davon aus, dass ihr als langjährig im Bundesgebiet Beschäftigte ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 zusteht. Daher darf sie als insoweit privilegierter Ausländer gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn ihr persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Daran gemessen erweist sich die Ausweisung der Klägerin als rechtmäßig.
51
Im Fall der Klägerin besteht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Danach wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitlich demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin die gesetzliche Voraussetzung des besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfüllt, da sie nach Überzeugung der Kammer der TKP/ML als terroristischer Vereinigung sowohl angehört oder angehört hat als auch diese unterstützt oder unterstützt hat und auch nicht erkennbar und glaubhaft von ihrem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand nimmt.
52
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unterstützt eine Vereinigung den Terrorismus, wenn sie sich selbst terroristisch betätigt oder wenn sie die Begehung terroristischer Taten durch Dritte veranlasst, fördert oder befürwortet. Die Schwelle der Strafbarkeit muss dabei nicht überschritten sein, da die Vorschrift der präventiven Gefahrenabwehr dient und auch die Vorfeldunterstützung durch sogenannte Sympathiewerbung erfasst (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 19). Nach dieser Entscheidung sind Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition für den Begriff Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen, jedoch können wesentliche Kriterien aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 b) des internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (Abl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (Abl. L 344 S. 93; im Folgenden: Gemeinsamer Standpunkt) gewonnen werden. Weiter ist dort ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Aufnahme einer Organisation in die vom Rat der Europäischen Union angenommene Liste terroristischer Organisationen im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt (vgl. auch Abl. L 16 vom 3.5.2002, S. 75) ein deutlicher Anhaltspunkt dafür ist, dass die Organisation terroristischer Art ist oder in Verdacht steht, eine solche zu sein.
53
Zwar ist vorliegend die TKP/ML keine Organisation, die in die Liste terroristischer Organisationen im Anhang zum Gemeinsamen Standpunkt aufgenommen worden ist. Ihre Eigenschaft als Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, folgt aber daraus, dass nach den Feststellungen im Urteil des OLG … vom 28. Juli 2020 die TKP/ML durch die TIKKO als ihrem unselbständigen bewaffneten Arm verschiedene Taten begangen hat, die insbesondere nach dem Gemeinsamen Standpunkt sowie dem Rahmenbeschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung als terroristische Handlungen einzustufen sind. Um die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Grundstrukturen der Türkei zugunsten der Einführung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung zu destabilisieren und zu zerstören (vgl. Art. 1 Abs. 3 Punkt iii) des Gemeinsamen Standpunkts), hat die TIKKO nach den Feststellungen des OLG … Angriffe auf das Leben und die körperliche Unversehrtheit von türkischen Militärangehörigen in der Umgebung der Bo. Hochebene in Al. Bo., bei D. im Kreis P., bei der Militärstation Am., in der Gendarmeriestation Ku. und in De. (G.) verübt (vgl. im Tatbestand Fälle 6, 7, 9, 10, 11 und 13) sowie die Zivilpersonen … und … als „Kollaborateure“ getötet (vgl. im Tatbestand Fälle 8 und 14). Neben diesen unter Art. 1 Abs. 3 Buchst. a) und b) des Gemeinsamen Standpunkts fallenden Angriffen auf Leben und Gesundheit kam es seitens der TKP/ML auch zu einer Entführung i.S.d. Art. 1 Abs. 3 Buchst. c) des Gemeinsamen Standpunkts (vgl. Tatbestand Fall 12, …) und es wurde eine Explosion herbeigeführt, bei der nicht nur das Leben von Menschen in Gefahr gebracht wurde, sondern im Fall der vier Kinder in der Garage des Ortsvorstehers … tatsächlich Menschen zu Tode kamen (Art. 1 Abs. 3 Buchst. g) des Gemeinsamen Standpunkts, vgl. Tatbestand Fall 4).
54
Darüber hinaus ist die TKP/ML auch nach dem strafrechtlichen Verständnis des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB eine terroristische Vereinigung, weil ihr Zweck und ihre Tätigkeit darauf gerichtet sind, vorsätzliche Tötungen zu begehen, indem im Rahmen des programmatisch verankerten „bewaffneten Kampfes“ Menschen getötet werden (vgl. insoweit auch die rechtliche Würdigung des OLG … in dessen Urteil, Seiten 608 ff.).
55
Es rechtfertigen Tatsachen die Schlussfolgerung, dass die Klägerin der TKP/ML als terroristischer Vereinigung angehört oder angehört hat und diese unterstützt oder unterstützt hat. Sie hat jedenfalls für den Zeitraum Juni 2012 bis April 2015 dieser angehört, weil sie nach den Feststellungen im Urteil des OLG … formelles Parteimitglied der TKP/ML war bzw. ist (vgl. Seiten 589 ff. des Urteils). Darüber hinaus hat die Klägerin nach dem Urteil des OLG … die TKP/ML auch über den gesamten urteilsgegenständlichen Zeitraum in vielfältiger Weise unterstützt. Sie hat im Zeitraum Dezember 2012 bis Oktober 2014 an insgesamt acht Versammlungen des Auslandskomitees der TKP/ML in …, …, … und … teilgenommen und mit der Ausübung ihres Rede- sowie Stimmrechts an der Beschlussfassung des Komitees maßgeblich mitgewirkt. Auf diese Weise war die Klägerin insbesondere an der zentralen Koordination der Spendenkampagnen zur Finanzierung der TKP/ML einschließlich des Kampfes der TIKKO, der grundlegenden Organisation der Propagandaveranstaltungen sowie der (beabsichtigten) Entsendung von Aktivisten als Rekruten für das militärische Ausbildungslager der TKP/ML im Kandil-Gebirge im Irak beteiligt. Sie hat darüber hinaus ab der zweiten Versammlung 2014 vom … die Leitung des unteren Gebiets Norden übernommen und war in dieser Funktion Bindeglied zwischen dem unteren Gebietskomitee Norden sowie dem übergeordneten Auslandskomitee, ebenso war sie in dem unteren Gebiet persönlich für alle Angelegenheiten organisatorischer, personeller, finanzieller und sonstiger Art verantwortlich (vgl. Seite 63 des Urteils des OLG …). Zuletzt hatte die Klägerin mit ihrem ersten (Ex-) Ehemann bei der Spendenkampagne 2013/2014 im Bereich … und … Unterstützung geleistet, woraufhin insgesamt 14.000 EUR an Spenden erlöst werden konnten (im Vergleich hierzu konnte bei der Spendenkampagne 2012/2013 für den Bereich …, der auch … mitumfasst, lediglich ein Betrag von 2.550 EUR realisiert werden, vgl. Seiten 462 f. des Urteils des OLG …).
56
Die Klägerin hat auch nicht gegenüber dem Beklagten glaubhaft im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 AufenthG von ihrem sicherheitsgefährdenden Handeln und von ihrer Ideologie Abstand genommen. Dies würde voraussetzen, dass sie sich zu ihren Aktivitäten bekennt und sich sodann in einer Art tätiger Reue glaubhaft hiervon distanziert. Dabei genügt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, nicht, um das in der Person des Ausländers zutage getretene Gefahrenpotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Sowohl ein Abstandnehmen als auch ein Distanzieren setzen voraus, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und auf Grund dessen künftig von ihm keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland mehr ausgeht. Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Ausländer in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit durch sein Handeln die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet zu haben (BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11.18 – juris Rn. 12).
57
Vorliegend wurde ein „Abstandnehmen“ der Klägerin weder im behördlichen oder gerichtlichen Verfahren vorgetragen noch sind objektive Umstände hierfür ersichtlich. Dies gilt namentlich für die Erklärung der Klägerin vom 18. August 2021, wonach sie zumindest bis zur Rechtskraft des Urteils des OLG München vom 28. Juli 2020 auf jegliche Form der Unterstützung der TKP/ML, insbesondere auf aktive finanzielle und ideelle Unterstützungshandlungen, verzichte. Ein nachhaltiges Bekennen zu den vorgenommenen Aktivitäten sowie eine hiermit verbundene glaubhafte Distanzierung war mit der Erklärung nicht verbunden.
58
Die angefochtene Ausweisung der Klägerin erfüllt auch die besonderen Voraussetzungen, die nach § 53 Abs. 3 AufenthG an die Ausweisung eines assoziationsberechtigten Türken zu stellen sind. Das persönliche Verhalten der Klägerin stellt gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
59
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zu der Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31).
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Vor dem Hintergrund der fehlenden Distanzierung und Abkehr vom bisherigen sicherheitsgefährdenden Handeln einerseits sowie der mehrjährigen und umfassenden Mitwirkung im Auslandskomitee der TKP/ML einschließlich einer Ausreise nach Griechenland zur Wahrnehmung eines Kongresses der TKP/ML noch im laufenden Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in der TKP/ML andererseits ist bei einem weiteren Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet auch künftig mit weiteren sicherheitsgefährdenden Handlungen ähnlicher Ausprägung zu rechnen und damit mit einer von der Klägerin ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die freiheitlich demokratische Grundordnung, die die Ausweisung erforderlich macht.
61
Die hiernach bestehende schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit berührt auch ein Grundinteresse der Gesellschaft. Terrorismus ist einer derjenigen Bereiche besonders schwerer Kriminalität, der in Art. 83 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV eigens aufgeführt wird und der höchstrangige Rechtsgüter von Leben und Gesundheit gefährdet.
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Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise der Klägerin mit den Interessen an ihrem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass die Ausweisung für die Wahrung des bereits dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich ist. Dabei ist im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation des Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 13.1982 – juris Rn. 44).
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Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht im vorliegenden Fall ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, weil die Klägerin eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mehr als fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat.
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Trotz des besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses, dem ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gegenübersteht, führt die Interessenabwägung im Fall der Klägerin zum Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses. Im Rahmen der nach § 53 Abs. 1
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AufenthG vorzunehmenden Abwägung sind nach § 53 Abs. 2 AufenthG insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsland sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner und die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen. Der Beklagte hat insoweit zutreffend in seine Abwägung eingestellt, dass sich die Klägerin bereits seit Anfang 2006 im Bundesgebiet aufhält und hier seit Jahren qualifiziert als (Fach-) Ärztin beschäftigt war bzw. ist. Allein aufgrund des langjährigen Aufenthalts ging er auch von umfangreichen sozialen und wirtschaftlichen Bindungen der Klägerin aus, wobei hier insbesondere die Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft … und ihr politisches Engagement für Frauen zu nennen sind. Der Beklagte hat auch richtigerweise in Blick genommen, dass die Klägerin über keine erkennbaren schützenswerten familiären Bindungen im Bundesgebiet verfügt und sich aufgrund der jahrelangen Mitwirkung zugunsten der terroristischen Vereinigung TKP/ML gerade nicht durchgängig rechtstreu verhalten hat (auch mit der Folge, dass sie mehrere Jahre ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet in Haft verbracht hat). Zutreffend herausgearbeitet hat der Beklagte weiterhin, dass es bei der Klägerin aufgrund ihres langen Voraufenthalts, der Beherrschung der türkischen Sprache, ihrem türkischen Universitätsabschluss samt der damit verbundenen Arbeitsmarktperspektive sowie dem infolge der Arbeit in der TKP/ML aufrechterhaltenen tatsächlichen Bezug zur Türkei in vergleichsweise geringem Maß zu einer Beeinträchtigung der Lebensführung führen wird, wäre sie gezwungen, in die Türkei zurückzukehren. Vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, die Allgemeinheit vor Terroranschlägen zu schützen und in dem Zusammenhang auch von sehr weitreichenden Eingriffen in die Rechte Einzelner (vgl. BVerfG, B.v. 18.7.1973, 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73, juris Rn. 57, U.v. 20.4.2016, 1 BvR 966/09 u.a., juris Rn. 96, 132, BVerwG, B.v. 19.9.2017 – 1 VR 8.17 –, juris Rn. 41), ist vorliegend trotz zumindest formalem Gleichrang von vertyptem Ausweisungs- und Bleibeinteresse im Rahmen der Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der weiter genannten Gesichtspunkte, des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK von einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Ausreise der Klägerin auszugehen.
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Ist die Ausweisungsentscheidung in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheides nicht zu beanstanden, so begegnen auch den in Ziffern III und IV verfügten und in zutreffender Weise an den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Bescheides (und der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nach §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) geknüpften ausländerrechtlichen Annexmaßnahmen keine rechtlichen Bedenken.
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Zuletzt ist auch das auf die Dauer von zwanzig Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer II des streitgegenständlichen Bescheids rechtlich nicht zu beanstanden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Hierbei soll nach § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Vorliegend wurde die Klägerin zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen; sie verwirklicht insoweit – wie bereits ausgeführt – das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Auf dieser Grundlage ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Fall der Klägerin im Rahmen seines nach § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG intendierten Ermessens zu einer Fernhaltefrist von 20 Jahren ab Ausreise gelangt ist. Er hat im streitgegenständlichen Bescheid umfassend ausgeführt, dass insbesondere vor dem Hintergrund der tiefen Verwurzelung der Klägerin in den Strukturen der TKP/ML, ihrer persönlichen Überzeugung sowie ihres Lebensalters nicht von einem atypischen Fall auszugehen ist, welcher zu einer geringer bemessenen Frist führen könnte.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen.
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Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
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Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.